Friedrich Gundolf: Gedichte


 

Solang das liebe bei uns weilt
Genügt sein wesen, seine stimme
Und alles ringsumher verschwimme
In seiner fühlung! Es nur ist.
Wenn dich der liebende vermißt
Entsteht dein eigen, deine dinge,
Wird deine fülle aufgeteilt
In raum und reihe drin sie schwinge.

 

Dann wächst aus deinem sehn und ruhn
Gemach mit odem, wärme, kühle,
Aus deinem wohnen tisch und stühle.
Dein blick wird fenster oder wand..
Dein schlaf wird bett.. zu gegenstand
Erstarrt das atmende gebaren,
Dein leib zu kleid, dein schritt zu schuhn,
Dein wachsen zu verbliebnen haaren.

 

So bist du nirgends und ringsum
Und liebe tastend mit gedächtnis
Sucht im aus-wendigen vermächtnis
Dein raumlos innen, inniges eins.
Sie trägt die dichte deines seins
Mit ungeduldiger angst zusammen
Und spürt im caput mortuum
Nach dem gewirk der lebigen flammen.