ALEXANDROS UND ARISTOTELES
Aristoteles:
Ja laßt mich scheiden Herr! Seit eures vaters aschen
Die urne birgt bedeuten Thebens trümmer,
Zu kalt und langsam ward euch meine lehre.
Gönnt diesem haupt die ruh. Ich weiß nun: eure weisheit
Die höhere die ich neidlos ehre ist die tat.
Alexandros:
Müßt ihr mir schmeicheln? Wie doch euer lächeln ausweicht,
Wie eure leise stimme tadelt und mich höhnt!
Ich flehe — euer könig fleht euch an:
Seht mir ins auge! Trotzt mir, aber blinst nicht so
An mir vorbei mit einem leeren blick als wäre
Ich euch im weg vor würdigerer schau.
Aristoteles:
Dem lehrer ziemt nicht den entwachsnen zögling
Zu mahnen was er ihm verdankt. Da euer auge
Meins nicht mehr sucht, laßt diesem seinen weg!
Alexandros:
Ihr Weisen o ihr Ältren ihr gepanzert
Mit euren harten jahren lächelt lächelt,
Wenn wir in nackter jugend euch bestürmen.
Ihr kennt ja alle worte die euch treffen sollen,
Eh wir sie stammelnd noch geformt.
Und warum habt ihr recht? Es gilt nur weil ihr selbst
Gesetze gebt: dies ist geirrt, dies wahr. Ihr habt
Vergessen was ihr wart und das nennt ihr die weisheit
Und toren uns die wortlos glühn.
Aristoteles:
Vergessen?
Seh ich nicht täglich neu wie schwall von flut
In euch sich bahn bohrt? Doch der weich ich aus.
Alexandros:
Wißt ihr wohin? Meister! Weißt du wohin
Die qual mich stößt die mich zersprengen will?
Gedanken die sich schon auf sternen wiegten
In trunknen abenden umflattern sie
Mit heißem odem diese brust und fordern blut —
Weß nahrhaft blut? Wem soll ich opfern?
Wem von den göttern gieß ich es aus?
Sehnsüchtig dampft gen himmel blut und wein..
Begierig trinkt die erde blut und wein
Und nirgend hör ich antwort. Und ihr ihr
Vertrautester der götter warum schreckt ihr so
Und fröstelt? Sprach aus mir ein gott? rauscht dieser mund
Wahnwitz? Nein seid gewiß, ihr mißverstandet mich.
Ich schweige.. denn ich fühle, wie verworrner gischt
Beschäumt euch geist und odem des verzückten hirns.
Aristoteles:
Ertrüg ich euch wenn ich euch so nicht kennte?
Ihr seid es noch der grenzen jetzt beraubt
Und keines zieles sicher. So war auch das kind
Das mir zuerst gelauscht, erhitzt vom rossetummeln,
Vom speerschwung schon den zarten arm gekrampft,
Des stifts nicht mächtig, bebend jede fiber —
So zuckte dieses auge tränend und entrückt
Beim ruhm Achills.
Alexandros:
Saht ihr mich so und wußtet
Aus mir nicht mehr zu schaffen? Zeigtet ihr die veste
Das drehende gewölbe nur um mir
Den weg hinein zu wehren? Grenzen da und dort!
War dies für mich genug und waren all die götter
Nur klein damit ich mich nicht größer dünkte
Als diese spanne knechtischen kots und euer Griechenland
Wo jede tugend ihre fesseln trägt den weg
Den warnend sie das scheue laster weist?
Aristoteles:
Ich bot entsagend euch von tag zu tag
Was euer vater heischte daß ihr tüchtig würdet
Und klug und kühn für solch ein königreich.
Alexandros:
Und eure weisheit?
Aristoteles:
War: daß ich euch schwieg
Von meiner weisheit: wie auf heißem herd
Ein wassertropfe wäre sie zersprüht
An eurem herzen.
Alexandros:
Nur nach ihr verlangte mich,
Nach euch! Was jedem wird ziemts mir?
Aristoteles:
Vor allen.
Ich wars drum der euch gab was alle wollen.
Alexandros:
Was allen nützt... nie was ich suchte.
Aristoteles:
Nie.
Soll ich – dreimal so alt als ihr – aus hohler luft
Zu körpern ballen was vorflatternd dem noch dumpfen
Hungrigen geist die kindlichen träume verhießen?
Ich durfte nicht in überhitzter jagd
Euch folgen durch zerspellte himmel.
Alexandros:
Meister des wissens
Dazu durchwühlt ihr die entlegnen schlüfte
Der toten erden, dazu den gedrungnen bau
Des Alls? Dazu zerfetzt ihr der vergangenheit
Verkohlten leichnam und den zukunftschleier
Und sagt dann nein wenn euch ein knabe bittet:
„Weist mir den weg.“
Geht mir! Ihr häuft zur not durchwachter nächte
Den wahn des lebens das sich selber frißt
Und ladet listig beide auf uns blinde frager.
Ihr biegt den süchtig ausgespannten flügeln
Sinnreich die weichen federn krumm bis laues blut
An ihren wurzeln quillt. Preist euer glück
Daß erst der abschied euch enthüllt!
Aristoteles:
So fordert —
Nicht eigen ist euch euer wort — der heiße hauch
Der jungen seele hastig stets gebilde
Jenseits von tag und raum ・ von aug und hand.
Noch hinter jeden spiegel greift sie rasch
Und spiegel wird was sie umgibt.
Und glitzernd und beschattet wird euch euer bildnis
Endloser wände reihn entlang geworfen
Vom blick zum blick, vom wunsch zurück zum wunsch.
Entgegen stürzt ihr weiten arms: „o götter!
O liebe strahlst du so! Ruhm wie du lockst!
Ich fand dich meine sehnsucht“
Da schlägt das fiebernde herz ans kalte glas.
Nun seht ihr erst und flucht – meint zu verschmachten
Und höhnt euch .. „klirre falsche scheibe!“ Und ihr schwört
Euch selbst zu finden hinter jeder scheibe!
Kein leib ・ kein gott antwortet euch! Da lacht und friert
Und schweigt das bild das bild euer eigen bild.
Alexandros:
Heißt dies: daß ihr mir so ein spiegel wart
Und ich der tor mit weit gestrafften armen?
Aristoteles:
Es heißt auch dies, doch dieses nicht allein.
Alexandros:
Nie wart ihr mir so offen.
Aristoteles:
Ihr der offenheit
Nie so bedürftig.
Alexandros:
Nie so arm. Ich merke
Zum mitleid ward ich lebenssatten greisen.
Zum mitleid ich! Ich euch! Der könig euch!
Bangt euch nie daß ich mich bedenke wer ich bin
Und diese spiegel zerschelle — die lästig weisen?
Aristoteles:
Ihr dürft was ihr vermögt. Doch eure spiegel unzerbrechlich
Tragt ihr mit euch durch paradies und wüste.
Alexandros:
Verzeiht mir! Wie ich euch verzeihe daß ihr recht habt.
Werd ich an einem letzten blick auf euch erblinden?
Schon weiß ich nicht: bin ich blind oder sinds die spiegel?
Aristoteles:
Sucht mich nicht mehr und sucht euch selber nicht
Und flieht euch selber nicht. Wer hetzt euch so?
Alexandros:
Ich brenne, ich verbrenne.
Hier welch ein flammenabgrund keucht und kreist.
Ihn füllt nicht eine welt, und welt auf welten
Sie überstürzen ihn nicht. Doch es bedarf der opfer.
Die götter hüllen sich und euer spruch versagt
Vor alter heiser.
Aristoteles:
So horcht was euch die eigne glut
Bescheidet! Folgt ihr, seis euch auch zur qual!
Mich fragt nicht mehr! Nur gleichnis weiß ich euch.
Alexandros:
So taucht zurück in euer umwölktes reich
Und lockt die geister denen statt des blutes
Ein magischer spruch genügt. So lest am boden
Durch zeichen ob im kerne feuer gärt ob schlamm.
Weiß ichs doch allzugut! Mich peitscht der gott.