Friedrich Gundolf: Gedichte


 

CAESAR UND BRUTUS

 

Caesar:

Gerettet! Bist du heil geliebter feind?
Ich habe mehr für dich gefürchtet als
Von dir. Laß dich umschließen! Wenn ich erst
Dich schützen kann werd ich dich halten können.
Du solltest mich nicht hassen und der kampf
Ist nun zu ende den kein haß dir riet.

 

Brutus:

Ich darf nicht danken daß du mich geschützt.
Ich will mich deinen armen nicht entziehn,
Und wenn dirs dank genug ist — ich bekenne:
Dich haß ich nicht. Doch traure ich um uns
Daß ich nicht lieben darf wie ich dich möchte:
Aus der gerechtigkeit.

 

Caesar:

So liebe mich
Wie du vermagst: aus blut... O Brutus lüge
Dein pochen dein erröten diese tränen,
Die mir beglücktem dich verraten, nicht
Mit einem worte tot. Gerechtigkeit!..
Sieh hier bin ich und hier bist du: zwei wesen
Einander atmend in die offenen sinne,
Einander spürend fassend und gefüllt

(Du ebenso wie ich gesteht dein auge)

Bis an den rand mit männlichem vertrauen.
Und draußen war die schlacht, vor unsrem zelt
Die breite blutige erde.. luft und stoff
Woraus wir eigentum und fremdtum wählen —
Auch wirklich, ja.. das Andre das Umher.
Das alles trennt dich nicht von mir. Dein schwert
Nach mir gezückt verbot dir nicht zu beben
An meiner brust als art von meiner art.
Und nun „gerechtigkeit“: dies ohne-uns
Das uns nicht schuf, das wir nicht schufen, das
Nicht liebt nicht haßt soll uns verfehden, uns
Dies unbehauste Nichts!

 

Brutus:

O sähst du sie
So wahr wie dich und mich! Cäsar sie west
Und ich für sie und du nicht ohne sie.
Soll denn nur gelten was du schmeckst und greifst?

 

Caesar:

Nein: doch nur was mich wirkt und was ich wirke,
Blind oder sichtig — gleichviel, doch in mir.
Du und dein schmerz und dein wahnschaffner groll,
Der widersacher brandung, unser Rom
Das will und unwill seit sechshundert jahren,
Gereift aus ahnen, zu gesetz erstarrt,
Flut oder mauer von geblüt und brauch
Furcht oder gier und die gepflügte erde —
Das gilt, das muß ich tun, das will ich leiden,
Das hat und fordert raum und recht von mir.

 

Brutus:

Und die verweigerst du... Ich wehr mich nicht
Und dulde deine dringliche gewalt
Aus kraft und milde — ein geschöpf der zeit.
Weh dir und mir wenn wir nichts andres wären!
Weh dir daß du ihr fronst, mir daß ich dir
Muß widersagen, großer blinder mensch!
Du willst mir nah sein, ja du wirbst um mich

(Wie ließ’ ich gern mich werben!) und du meinst

Es sei mein buch das deinen frevel rügt
Und nicht mein blut das zittert deinetwillen!
Du lugst nach wirklichem und ahnst in mir
Nicht meinen gott der mehr als stern und same
Die seele schafft um die du dich bemühst.
Du rühmst dich mittler Roms und Reichs und spottest
Der ordnung draus sie wurden wie du selbst,
Der weisen und der väter die sie wiesen,
Der zeitiger des dauernden gebots.
Was vor und nach dir waltet und durch dich
Hindurchscheint wie die strahlen durch das leere:
Die weihe des geschehens leugnest du
Und zeihst das herz worin sie lebt des wahns.

 

Caesar:

Nicht solch ein herz mein Brutus! Daß es schlägt
Und edel sinnt und lauter ringt und würde
Durch leib gebaren taten rede strömt
Das ehr ich weil es ist, und frage nicht
Nach kinderart warum, noch tast ich äffisch
Ins innre des vollendeten gesichts.
Hier ist dein ewiger anfang und dein ziel,
Des da-seins kugel das ich knapp umspanne.
Was drin sich spiegeln mag und wie es dann
Sich abstammt auslegt das ist trüb und schief.
All dein gefühl ist minder als du selbst
Und was die väter fugten und befahlen,
Von sternen oder göttern hergedacht,
Wird erst gesetz durch seine zeitigung —
Durch andre zeitigung wieder ungesetz.
Kein gott und stern kommt andren weg zu uns
Kein licht kein ewigtum kein urgewölb
Als aus dem blick und blut geborner menschen.
Hier ist der innerste beginn, nicht dort —
Hier wo die macht ist.. und die macht bin ich,
Bist du, sind menschen. Unsre not und liebe
Muß not und liebe die zu stein gefror
Mit immer neuen wuchten gegenwägen
Und was nicht satzung wird muß frevel sein.
Wenn ich nicht dich durch meine macht erringe,
Gerechtester, will ich kein recht. Den krieg
Laß mich gewinnen zwischen herz und herz
Wie ich den ausfocht zwischen welt und welt.
So du mir glauben kannst hab ich gesiegt.
Besiegt bin ich weil ich nach dir verlange,
Der starr bleibt wo ich schmelze.

 

Brutus:

Wirb um Rom
Wie du um mich wirbst, und du wirst mich finden
So frei so dein wie unsrem vaterland.

 

Caesar:

Rom bin ich mehr als du und heg ich mehr,
Mich selbst kann ich nicht werben.. aber dich
Bedarf ich und mein Rom: mein werk in dir.
Fremd ist mir dein gesetz — was sollt ich lügen?
Dem meinen muß ich folgen ohne schacher
Und wärst du selbst der preis der mich verlockt.

 

Brutus:

Du sprichst mein eigen urteil aus ... Gewisser
Als dich fühl ich das Recht das du verneinst.

 

Caesar:

Hilf mir dran glauben. Wenn ich lernen kann
Ist es durch dich. Gehorchen sollst du nicht,
Nur merken wie ich muß. Was liegt an sieg
Wenn deine seele sich nicht wandeln läßt!

 

Brutus:

Ich hasse nicht. Ich trotze nicht.. ich leide.
Gib mir die hand.

 

Caesar:

Sei wie du mußt und trau!