Friedrich Gundolf: Gedichte


 

Wie kann ich das verlieren, herzgeschwister
Was uns in eins schuf, in uns eingegangen:
Maigrüne mittage mit heißen wangen,
Sternhell gespräch und lauschiges geknister
Dein haar um das der wind die reben schlug
Dein warten unter regnerischen mauern —
War jeder nu von solchen nicht genug
Ein leben anzuglühn und durchzudauern?

 

Was wein ich denn? Ist das was enden kann
Denn du? Das süße du in meinem blute —
Was mein gedächtnis drehn und wenden kann
Gewohntes wiederholtes.. das gespute
Zu unsrer pflicht die täglich uns getrennt
Die tausend kleinen bräuche treuen sorgens
Das streicheln der verschlafnen stirne morgens
Das nachtlicht das mit motten niederbrennt?

 

Ist das wonach ich stöhne das getändel
Gekräusel und gezwitscher unsres bundes
Dein duft, dein tanz, ein blumenstrauß, ein bändel..
Das spiel der spiele? Bleibt nicht deines grundes
Geheimnis mein und innig, wie das licht
Unfaßbar in der welt um alle dinge!..
Weswegen fleh ich denn: verlaß mich nicht?
Was ist mir denn, als ob mein herz zerspringe?