Max Kommerell: Aus dem Nachlaß


Der Flußgott singt nachts einer Hirtin zu

 

Freilich: du bist.

Aber ich weiß den Gesang,

Den du vergißt —

Sing ihn das Nachttal entlang.

Alle Geborenen

Fehlen der Welt.

Schön ist’s zu schlafen. Sie hält

An ihr Herz die Verlorenen.

 

War das ein Seufzen? Es stieß

Auf deine Türe! Und brach

Nicht eine Stimme in dies

Dein Jungfrauengemach?

 

An deinen Pfühl

Tastet der kühle Geruch.

Fühle am seltenen Glück

Seltnen Besuch!

Gib dich zurück!

Stirb am großen Gefühl!

 

Fremd’ ich dich an?

Ich der Fremdeste bin

Deine verborgene Wahl.

Gib dich mir hin!

Alle empfinden dich dann

In dem beseelteren Tal.