Max Kommerell: Aus dem Nachlaß


Prinz Genji und die unbeleuchtete Dame

 

Hängt der Mond nicht überreif

Von den Hügeln her

In den Fluß? Der Uferstreif

Blaß wie Wahn...

Ach wie gleite ich so schwer

In den Kahn!

Ach wie steige ich so leicht

Drüben auf zu schwanken Dächern,

Bin ein Wind, der in Gemächern

Über Pfühle streicht,

Der aus Fächern

Sich an einen Busen schleicht!

 

Ruf, der zum Geflüster stirbt...

Kuß und keine Flucht!

Nicht Gesicht, nicht Name wirbt,

Nur die Nacht,

Die mit mir, der reifen Frucht,

Unbedacht

Deine offnen Lippen kühlt...

Nur die Lust, die blinde, jähe,

Jubelnder, als wenn sie sähe,

Aufgewühlt

Um die fremde Nähe

Eines Leibes, den sie fühlt.

 

In manch scheuem Auge wird

Mir die Frage stehn:

«Warest du’s, der ungesehn

Von mir schlich?»

Und wo irgend Seide knirrt,

Sinne ich:

«Könnte etwa dies Gewand

Nicht um jene das Gewand sein,

Die ich fand

Wie ein Wild an Waldes Rand...?

Und mein eignes Land

Wird mir ein geheimes Land sein...