Gehen im Schnee
Ich wandere. Es fällt der Schnee,
Der ebnende, der weiche —
So weit ich sehe, fällt der Schnee,
Der allen Formen gleiche.
Und keine Spur im lockern Flaum,
Als die ich selber trete.
Hier aber kreuzt mich eine kaum
Vertiefte, halb verwehte,
Leicht hingezauberte. Sie zeugt
In mir das Bild des Rehes,
Wie es den Hals hebt, wie es äugt —
Und auf dem Grund des Schnees
Den Umriß seines Leibes, nein,
Der Haare feines Ende;
Sein Springen, sein Entsprungensein,
Das schnellende, behende...
Nur der Gedanke der Gestalt,
Statt wirklichen Begegnens!
Doch was dem Geist vorüberwallt
An Lieblichem — wir segnens!
Der beinah dichterische Gruß
Des zarten Wildes neben
Dem schweren Eindruck meines Schuhs!
Ein Schreiten, ein Entschweben!
Und hafte ich mit dem Gewicht
Des Menschenleides länger —
Wie bald verlernt die weiße Schicht
Den leicht- und schweren Gänger!
O Vorrat des Vergessens! rinn’
Aus grauen Himmeln, rinne,
Weichflockiger, herab! Ich bin
Der Erde fromm jetzt inne,
Die sich in dies Vergessen schmiegt,
Die blutende und wehe,
Das niederrieselnd nie versiegt.
Es flüstert. Ich verstehe.
Viel mehr der Flocken, als im Schnee
Der Fuß, bevor er ruhn wird,
An Schritten — und viel mehr, als je
Das Herz an Schlägen tun wird!
Hör ich im Schnee noch meinen Tritt?
Ich höre, fast erschrocken,
Die Flocke nur, die niederglitt
Zu vielen andern Flocken.
Und alle Wege sehn sich gleich
Und werden ungenauer
Und endigen in dem Bereich
Der schlichten weißen Trauer.