Auf einem kleinen Friedhof in Marburg
Der Stein, in den der Schmerz
Sein Zeichen schlug
Mit einem Keil von Erz,
Drückt auf der Toten Herz
Schwer genug.
Dann ist es oft, als ob
Vor Bangigkeit
Sich eine Brust noch hob —
Die Erde sinkt darob
Fingerbreit.
Und kein Geäder, nein,
Nur Efeu legt
Ein Flechtwerk fadenfein
Den Toten ums Gebein,
Klimmt und schlägt
Im Grabstein Wurzel, bis
Zur Stelle, da
Der Schmerz sein Zeichen riß,
Und flüstert: o vergiß! —
Löscht etwa
Ihr Toten — und durch ihn —
Dieweil ihr starbt,
Den Namen, der geliehn
Nur eine Wunde schien,
Die vernarbt,
Ein Zeichen das verjährt?...
Und manches Mal
(Denn hier wie nirgends währt
Auf Moosen so verklärt
Letzter Strahl,
Und zwischen Efeublatt
Und Sandstein träumt
Sich hier wie nirgends satt
Der Schatten. Luft ist glatt,
Weltlauf säumt.)
Ja manchmal macht hier stumm
Ein Dichter Halt.
O Efeu, wie so krumm,
Dem Steine um und um
Angekrallt!
O Stein! Und wirst zu Staub,
Wo Wurzel webt!
So nährst du, blind und taub
Den Totenbaum. Sein Laub
Aber lebt.
Komm Vogel! Sei ein Gast
Der Menschenhand!
Dort tanzen Kinder, fast
Noch wenigere Last
Stillem Land!
Der Dichter fühlt sich klein,
Die Toten groß.
Jetzt weihen sie ihn ein
Schon hier wie sie zu sein:
Namenlos.
Indessen stellt ein Kind
Den Toten dar,
Die lernend Lehrer sind,
Wie man zu sein beginnt,
Wenn man war —