Max Kommerell: Das letzte Lied


Der letzte König

 

Verloren ist die Schlacht und tot

Ruht mir im Schoß, dem früh ich bot

Den Arm zum Blutschwur, dem im Saal

Des Ahns ich wies das Muttermal.

Am Aug das sinnt, am Aug das flammt,

Der Haut wie Silber und wie Samt

Wie hierzuland sie keinem sind

Kannt’ er den Herrn und folgte blind.

 

Verfallen Volk, das sich nicht schaart

Mir Letztling aus gesalbter Art!

Kein Blut rollt mehr wie mein Blut rollt.

Kein Schoß trägt meinen Samen. Tollt

Und tanzt, buhlt, betet, zankt und zecht —

Von Echt kommt Echt, von Knecht kommt Knecht!

Kein Schwert mehr haut, kein Spruch mehr feit.

Der Feind lacht gell: ’s ist Erntezeit.

 

Hier barg beim unzugangbarn Riff

Wahrsagerin mein Totenschiff.

«Kein Kronengold —— nur Gold im Haar!

Kein Königsitz — nur Königsbahr!»

Ich lös das Seil, entflamm das Scheit,

Geb selbst mir selbst mein letzt Geleit.

Meer tu dich auf! Meer tu dich zu!

Meer wach’ ob letzten Königs Ruh!