Max Kommerell: Das letzte Lied


Der Unwiederbringliche

 

Ich bin von einem Sterben schwer.

Den Wart der diese Mark betreut

Frug ich bei meiner Wiederkehr:

Wie glänzt so sonder alles heut!

 

Kam dir der Knabe zu Gesicht

Aus dessen Auge ohne Arg

Uns ein Vertrauen heilig spricht?

Der das Geheimnis, das sich barg

 

Uns Klugen, kennt? Und dessen Haar,

Wohin er geht, im Wunder weht?

Dem jede Mär noch gilt für wahr?

Dem jeder Spruch wird zum Gebet?

 

Mir sprach der Wart: du fragtest fehl.

Für deinen Wunsch ward es zu spät.

Vom Lande, reich durch manch Juwel,

Begehrst du, wessen es enträt.

 

Heim ging der letzte solchen Schlags

Grad eh du gingst. Und eilst du, siehst

Du ruhen ihn vor End des Tags

Eh über ihm die Scholle schließt. —

 

Von einem Sterben bin ich schwer

Dieweil mein Bruder, Herr im Lied,

Aus diesem Lande ohne Kehr

Eh ich ihn küssen konnte schied.