Max Kommerell: Das letzte Lied


Ein Meister der Töne

 

Die letzte losch

Der Lampen, und nach innen schwand

Die letzte der Gestalten, die gelbrot

Der Fenster Viereck ihm zu schauen bot

Herauf vom innern Hof. Er stand

Und wartete

Und hatte Leid und wußte nicht warum

Und letztes Klingen durch das Haus ward stumm

 

Und klang alsbald

In ihm, doch neu und anders fort.

Aus Ästen der Kastanie rann herab

Das gleichfalls letzte Laub, der Nachtwind gab

Zufrieden sich, und jener Ort

Belehrte ihn

Daß um sein Innres, das erklang, die Welt

Als totenstille Lauscherin sich stellt.

 

Gekrümmten Flugs

Schenkt sich der Nacht ein Meteor.

Er wußte nicht, wo es herabfiel — nur

Daß tief in seiner Seele eine Spur

Des Sternentodes sich verlor.

Was Wunder, wenn

So fremd er denken wird, wie dort man denkt,

Von wo sich jener Gruß ihm einversenkt.

 

Ganz leis, jedoch

Unüberhörbar (also weiß

Er wohl) wie jetzt dies nie erklungne Spiel

Von ungefähr in seine Seele fiel,

Beginnt es ewig neuen Kreis.

Ihm blicken bis

Ins Mark die Sterne. Wirkende! wie ihr

Merkt nie der Mensch und wittert nie das Tier.

 

Der Mücke gleich

Im Bernstein, wehrlos ausgelegt

In dem verräterischen Sarg aus Glas

Den Wesen fernster Zeiten — so besaß

Mit dem Geheimsten, was er hegt

Hinfort das All

Ihn, der den Weg zu seinem Lager nahm

Den Schlaf um Dunkel bittend: müd vor Scham.