Auf der Brücke
Lieb sind mir Brücken. Denn in diesen
Geben zwei Ufer sich die Hände,
Getrost, daß überm Fliehn und Fließen
Sie Unverbrüchliches verbände.
Oft flößt sich dann der Geist der Brücke
Dem ein, der drüber geht. Verändert
Sieht er das Domgrau in der Reihe
Von Häusern, die das Flußbett rändert —
Beinah mit ihr aus einem Stücke,
So frei getragen, wie wir Zweie
Sanft angestreift mit abendrotem Glücke.
Aus lichten Dünsten regnete
Ein Schwarm von Möwen — o ihr reich
Mit Schwebeglück Gesegnete!
Sodaß die Luft von ihrer Schwingen Streich
Fast unsanft deiner Stirn begegnete.
Und Hände werfen Brot,
Das sie, mit aufgeregtem Flattern
An gleicher Stelle, überm Strom ergattern,
Gebrüstet mit ganz blassem Rot.
Es war ein Haschen in klangvoller Luft
Weißflügliger Begier nach schwanker Beute!
Von Licht und Blitz und Schrei und Duft,
Von silbernem Geschwirr bestürzt
Empfing ich schwelgerisch verkürzt
Die Gunst des ganzen Jahrs in diesem Heute.
Und irgendwo, indes du in dir ruhst
Mit weggewendetem Gesichte,
Und deiner Seele lieber, da
Sie gern auf solch verklärten Inseln fußt —
Und irgendwo (so sage ich) geschah
Uns von zwei Wolken die Geschichte.
Die waren regungslos sich nah
Und regungslos darüber hangend
Der Ball der Sonne. Es zertroff
Die aus durchsichtigerem Stoff
Geformte, so zur andern langend.
Sie hatten Ränder klarsten Golds,
Als hinter sie die Sonne trat und mitten
Als Herz in sie hinabgeglitten
Blutrot sie tränkte und verschmolz.
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Aus Jahren träufelt die Sekunde
Wo wir durch plötzliches Vertauschen
Von stumpfem Nichtklang schnell Gesunde
In liebem Ding uns selbst belauschen,
Zu zweien klingend; aber gelten
Wir dann als Ich noch und als Du?
Zwar reich an allem ist, doch selten
Schlägt dieses reiche Herz der Erde
Durch uns hinauf mit einer Urgebärde,
Und Liebe geht (sei es durch Welten,
Sei’s kurzen Pfad nur) auf demselben Schuh
Worein zuerst den Fuß sie schnürte,
Weil jede Seele ein Berührtes ist
Von fremden Grüßen, und als so Berührte
Unsterblich, wenn sie ganz sich selbst, doch jenes nie vergißt.