Der Allzubereite
Elegie
Wenn von den Spielen
Welche die Erde den Menschen erregt,
Daß in den Stier den Gott ruft ein Tanz,
Frauen auf nacktem
Berghorn nach fröstelndem Wachsein entgegen sich jauchzen das Urwort,
Hand in Hand im Tempel ein Held verwächst und ein Knabe,
Ernsthaft ein Kind das unschuldige Feuer der Erde umherträgt,
Bis ihr Gedanke, ein Adler, herabblickt vom Felsen des Todes...
Wenn von den Spielen,
Welche die Erde den Menschen erregt,
Stumm ward das eine und andre und wenn
Selbergesprochenes
Selber zu hören
Müd sie wurde im eigenen Laub,
Weil aus sich nur, soviel er beginnt,
Alles der Mensch hat:
Dann entsendet sie dessen was schwand, einen Schatten herauf in
Häupter, denen Gesicht und Gehör und aufstehendes Haar
Nur für das Kommen und Gehen des Unnennbaren Geleit ist,
Daß ihre Seele den Finger legt an den Buchstab der Landschaft...
Häupter die einsam,
Häupter die schwerer von solchem Geschenk
Sind als vom Safte des Mohnes und die
Nur noch den Feldstein,
Aber kein menschlich
Lager zur Ruh mehr erbitten — damit
Einst mit entlaubtem Wintergezweig
Nieder sich bückend
Wie auf ein Heiliges, zeuge der Birnbaum, wohin sich am Abend
Legen gewollt hat der Eigengesinnte — auch solchen, die nicht
Wissen wofür, ein Merkmal, soweit man die Linie des Ackers
Sieht. In Verkehr, den der Gipfel nicht weiß, belauscht seine Wurzel
Das von der Erde
Dir, von dir der Erde zurück
Jetzt geflüsterte: dein und ihr
Liebesgeheimnis.
«Ihr o in jeder
Trauer der Seele Geübte, was wißt
Ihr von der dunkleren Trauer des Bluts»
Schienst du zu sagen,
Da du Herdflamme uns warst, allgeschmeidige, jedem weissagend
Sein in Sehnen Gelebtes: «ist der des Geliebten nicht Mörder
Der von ihm nur zu wissen begehrt, daß er schön ist? Saß etwa
Ich, ihr Schaalen! am Quellrand, den eigenen Liebreiz erschmachtend?»
So war dein Abend,
Abend des Tags, dem der Eifer um dich
Klang gab, wohl süß, doch viel falscher als süß...
Ach daß die blaue
Nacht durch das Fenster
Sich, mit Ambra getränkt und Musik,
Dir um den Leib schlug — wie anders erriet
Die deine Seele!
Schlafen glaubtest du mich. Doch hörte ich wohl, wie du schluchztest
Waffenlos vor Gerüchten der Luft. «Jetzt formt aus den Nacken
Singender Fischer, die einziehn ihr Netz, der Mond irgendwo
Meiner Seele Gedicht in Bronze, am Indus vielleicht...
Grüßt mich aus Serbien,
Wo in Schlüften des Aufruhrs manch
Paar sich verbrüdert von Schwörenden, die
Einsaitengeige
Dessen der selber
Tat was er singt.» Du kennest dies wohl.
Denn wo die Schönheit Knabe ward,
Lebt auch die Sage.
Darf deinen Namen ich rufen? O Name, Griff des Besitzes
Auf Unbesitzbares! Rafften wir nicht dein Schwanengewand
Weg in die Truhe? Was heißt es uns andern denn, nachtlang zu liegen,
Unversehrbar durch saugende Fernen? Indessen von tausend
Küssen der Nacht, den
Dir gewordenen, einer genügt,
Um für immer dein goldenes Haupt
Ihr zu verloben!
Redetest du mit
Einem, dem keine der Sprachen vom
Pfeifen des Birkhahns zum Unkengeläut
Abging — stets huschte
Dem vor der Antwort ein Zögern durchs Aug, wie es mich überraschte,
Jüngst, als aus hüfthohem Gras mit dem Ausdruck unfehlbaren Wissens
Mich anäugte ein Reh. Vorbei sind die Märchen. Schon floh es —
Tot sind, auch deine ist tot, die Verständigungen des Weltalls.
Damals erriet ich: gejagt warst
Du — von welchem Gedanken gejagt!
Denn viel weiser als Weisheit scheint
Heut es, zu rasen.
«Bettler um Blut» ist
Dies das Schicksal der Könige jetzt,
Die, was die Dienenden dumpf-
Lebend ersehnten,
Heiter auf Thronen und funkelnden Böden jahrtausendelang
Spielten mit weithin nickenden Häuptern, daß froh seines Anteils
Ward der Pflügende und der Befahrer des Meers, weil ihr Fest,
Weil ihres Daseins geheime Ergänzung war und geschah —
O Weltalter des Abschieds!
Wo nicht einer sein Tagwerk liebt,
Weil die Geberden ihm lügen und wahr
Nur noch er selbst ist:
Daß wenn des Morgens
Er von der Schwelle den Schnee fegt, ein Hirt
Finde statt Bettlers dich Königsgeschöpf,
Formend die Hand zu
Bittender Schale: «gib Blut mir. Erlesen und an Wiederholung
Ältester Feste bin reich ich, doch reich nicht vorm Braun deiner Schultern
Schlafend nur halb aus der Rinde der Erde geschälter Geschlechter.
Nimm die Pracht meiner Seele. Und heißest den andern ein Knecht du,
Mir heiße Mischkrug
Singender Kräfte, welchem anheim-
Fällt der Vollendungen müdes Zuviel.
Trinke zurück mich!»
Jeglicher Liebe
Sagt am Himmel ein Zeichen wahr.
«Welches denn mir?» So fragtest du und
Wußtest: dir keines!
Nicht unwirscher als einer die Hand legt beschwichtigend
Auf aussummende Saiten, damit sie verstummen und nichts mehr
Menschlich den Wäldern ins Wort fällt, tatest an dir du ein Gleiches:
Freilich mich treffend, o Nachtflutgetränkter am Brunnengrund,
Mit der zwei Eimer
Unwiderruflichem Wechselbezug,
Da des Tags, da zur Welt ich kam,
Du dich hinwegnahmst:
Daß gleich dem Träger,
Der an Geister verschuldet, wohin
Immer er schritt, auf dem Rücken die Last
Trug eines Toten,
Denken ich muß bei der Jährung Gedanken, die damals dich dachten
Vor der Stunde der Tat, wo kein Sein an dein Sein mehr heranreicht,
Jedes Du dir sterben erst mußte eh selbst du vergingest,
Als dein nicht mehr menschlicher, vielmehr zentaurischer Geist,
Dem schon die Hüfte
Netzte das Chaos, die Landschaft noch
Ansah, wo gleich zwein Schlafenden einst,
Deren ein jedes
Mit seinem Hauche das andre erweckt,
Uns ein Leben vor Jahr und Jahr
Anhub der Liebe.
Hätte ich Stimme (kein Linoslied klang dir entfesselter Frauen,
Aber heidnisch mit dir mich vereinender Weihen ein Beispiel
Schien mir die Hand deiner sterblichen Mutter, die Erde dir nachwarf
Wie der Gruß der Natur an dich!) Ja, hätte ich Stimme,
Dann, wie dem Ruf des
Löwen die Wüste gehört und die Nacht,
Müßte die Zeit gehören dem dich
Rufenden Wehruf.