Ein vom Blitz getroffener Jüngling erzählt Gott von der Erde
Was von der Welt geträumt ich hab,
Nicht Abdruck blieb in mir von dem noch Merkmal.
Doch wo ich selber ward ein Traum der Welt,
Davon, Vater, verblieb
Musik und Fabel der Seele
Mir frisch, wie die Dinge um dich...
Pfeilschnell und quellkühl
Durchschoß ein Wasser blaues Grottengrün.
Von allem, was ich weiß, ist dies das erste.
Die Seele noch groß von der Weihe,
Die Fels und Fels um heilige Ader schart,
Ein rücklings Ruhender, trieb ich stromabwärts zur Ebne.
Das Obre besonnte mich mächtig und mütterlich,
Kühl küssend umquoll mich
Das Untre, und beides ward in mir ein Herz,
Indeß mein Leib mir getönt schien
Flutgrün nach Meerwesenart.
Von Gras und Wolke und Baum,
Der Sterne zu Häupten rundwölbiger Fahrt,
Nahm in sich die Bilder,
Einfältig wie Wasser, mein offen Gemüt.
Und da um Schenkel mir und Haupt
Sich Schlingkraut legte und zerging, und surrend
Dicht überm Wasser Nadeln von Smaragd
Hastvoll strickten ein Netz
Von Wollust, so schien ich geschaffen
Zur Orgel des Stroms und erscholl
Wortlos und begrifflos.
Wo aber krumm hinsausend sich der Fluß
Fraß in die Prallwand, und der Leib der Erde,
Der sonst verborgene, nackt war,
Betraten die Kuppe, mich Schwimmer, mich Rufer zu schaun,
Zwölf Knaben und rissen vom Haupt sich das Bunte der Wiesen
Und winkten und warfens, als wäre der Stromgott ich,
Herab mir und hielten
Wie Statuen Kupfers gegen das Blau
Und flogen, wer erst mich empfinge,
Hangabwärts: Willkommen Gespiel!
Und schwangen mich um, daß ich Tau
Im Wirbel verstob, und waren hinweg
Und waren zurück schon
Windraschen, Wild haschenden Laufes und Sprungs
Mit Rebhuhn, mit Eichhorn, mit Hermelin..
Dem füllte ein Reh, noch nicht jährig,
Und jenem Fasanengefieder den Schooß,
Der fischte aus Gräsern die Schlange
Und der aus der Flut die Forelle und griff
Und ließ sie, die blitzend entschnellt war,
Und jeder verhielt,
Und jauchzte vor Lust,
Ein Huschendes zwischen den Gliedern..
Und Leben all all
Trat über den Rand..
Und nackt auf unbändigen Fohlen
Davongestoben sie all..
Urplötzlich.
Nur einen sah ich noch, der vorher lang
Der Spiegelung sich freuend
Sein Haar ließ hängen nach des Baches Mündung,
Nun von der Kuppe her
Mir nicht mißgönnte eines Abschieds langsam
Sich lösend scheuen Blick.
Noch einmal lauschte ich mich satt am Dreiklang,
Von dem die Mitte war
Das Braun des Bodens, lichter wiederholt
Im Braun des jungen Leibs,
Der scharf die Formen in den Himmel schnitt
Tiefreinen Blaus: Urfarben
Der Erde, die du Vater dichtetest.
...ich jählings gepackt. Ein nachtlanger Ritt,
Schwarzmähnenumflogen, umflüstert
Von grauser Ansage. Dann vor mir ein Berg
Gleich einem aufrecht ins Erdreich
Bis über die Nabe gerammelten Rad.
Ein Anstieg durch bleiche Robinien.
«Der Meister des Monds,
Hier befragt er dich, wirft,
So du Antwort nicht weißt, auf den Knauf des
Altars dich und holt
Dir noch zuckend das Herz
Aus dem Leib mit der zinnernen Schürfe.»
Und einsam stand ich, vor Furcht
Festwurzelnd.
Schritte wie wenn eine Flut ansteigt.
Schon wuchs aus dem Boden ein Haupt: Das Verhängnis des Wegs
Darein er biegt: Gebuckeltes Schnitzwerk, den ewigen Prägern
Nur nahbar, dem Meißel des Sturms und faltendem Prall aus den Essen der Welt.
Die Hand auf dem Rücken verschränkt
Aufwuchs die Gestalt, und wie Tropfenfall in der Grotte
Kam Stimme aus ihm: «Wer warst du?».. Der
Halbe! versetzte ich. «Wer
Bist du?» Dein Raub!
«Worein wandelst du dich?».. Ich verzog,
Dann schrie ich und riß vom Leib mir den Mantel: in dich!
Sein Haupt ward funkelnd vor Macht. Er winkte. Herab stieß ein Adler
Aus Kreisen hoch über ihm und hieb nach mir mit dem Schnabel, und er..
Mich rüttelte riesige Lust..
Hielt unter die Schale und schlürfte, der Übergeheure!
Und wie ich die steinernen Kiefer leismurmelnd bewegen ihn sah,
Ahmte ich nach
Maaß, Klang und Laut, und wir sprachen zu zweit:
Es werfen die Wasser sich silbern in grundlose Nacht.
Wo Leben zum Abschied sich rüstet, nur wagt es die echte Geberde.
Den hilflos Verwandelten hauche, wie jetzt er sich formt, mit Verewigung an,
Schreck in der Klaue des Geists!..
Ich fühlte, sein Schatte trat in mich über, und schweigsam
Die Nacht am schweigsamen Busen ihm lag ich, worauf er mich stieß
In sein Gefolg.
*
Verschränkter Eiben Wall verbot
Uns einen Felstisch, der den Steilhang krönte.
Und er, deß Nachblick von der Kuppe her
Wie Lied noch und Heimweh mir war,
Der lenkte mich hin mit den Armen,
Die Rast meines Hauptes ich hieß.
Laubkronen sahn wir
In ihr Geheimnis: schlanker Reiher Horst,
Wo durch der Linden Wölbdach Lebensbäume
Schwarzleuchtend stachen. Darunter
Entschlief ein veilchenes Meer, und wo es sich müdwogt’
Stieg an ein Riesengebirge, gelassen gürtend
Dies Atemlose zwischen Schimmer und Nacht.
Es waren die Schweifen
In denen es stufig den Hochsitz erschwang
Vollkommene Bahnen der Sehnsucht.
Was aber im Busen ihm
Erdämmerte, blieb geheim,
Nur trat auf der höchsten Häupter Stirn
Und sprach von des Abgrunds
Begeisterungen ein hohes Rot.
Da er die Dinge so begriff
In dem Verein von Lauschen und Erklingen,
Schön wie die Pause eines Saitenspiels,
Rang er die Hände und rief:
«Warum muß allein von den Brüdern
Hier schluchzen, hier schluchzen ich?»
Nicht hier zu schluchzen
Ist ärmste Armut! sagte ich und schrak
Und fühlte, daß den Kreis der Sondrung ziehe
Dies Wort, und daß es für Zweie
Ein Schicksal sei, wenn einer statt weiterzusprechen
Dem andern durchs Haar streicht und so dem Stummen Gewalt gibt.
Da brach ein Bann und wir wanderten, wanderten weit,
Verehrt von den Hirten,
Die Flügel ihm sagten ums schwanke Haupt,
Und über der Fichten letzte,
Der Wolken hingen im Haar
Wie Weissagungen, hinauf,
Bis uns die Sterne so übernah
Anblinkten, als einer
Im Wandern fühlte des andern Arm.
Er kor zur entrückten Behausung des Paars
Geheimnishütender Höhle
Vielklüftigen Windegang, lehrte zum Brauch,
Das Herz erbeuteten Wildes
Gemeinsam zu essen als heiliges Mahl,
Mich rasende Opfergesänge:
«Iß mit mir dies Herz
Und es brechen aus ihm
Zwei Schauer und schlagen das Blut uns.
Einst zehrt unser Herz
Ein Geier und schreit:
Dann sind wir der Schrei eines Geiers».
Gemiedenheit legten um uns
Urweihen.
Die aber drunten wohnten nannten ihn
Den Schutzherrn der Gazelle
Und Kräuter die sie wundem Tier auflegten
Benannten sie nach ihm.
Und wer im Traum ihn sah, galt für gefeit
Den Tag darnach. War aber
Jemand und fing in Gruben den Berglöwen,
Der wagte sich herauf
Und legte still das Haupt in seinen Schooß.
Drei denen er gelächelt
Behielten auf der rauhen Brust verwahrt
Im Bernstein-Halsgehenk
Von ihm für immer einer Strähne Gold.
Wenn heim wir abends vom Schweifen gekehrt
Uns selber die Beute der Beuten
Auf Steinen saßen vorm Höhlentor
Und ringsum drunten die Feuer
Aufglommen, drang zu uns mit brandigem Dunst
Manch Lied, das auf ihn sie sich sangen:
«Er ist unser Herr.
Er ist nicht wie wir.
Ein Vogel flog einmal zu nisten
Ihm her auf die Hand.»
Da lächelten wir.
Ich sah auf das Licht dieser Hände
Und all mein Wesen um ihn
War Demut.
«Weißt du was Opfer ist?» sprach er einmal.
«Wir schlachteten Tiere. Heut aber nahte von selbst,
So angetan mit Bereitschaft, daß wären ihm Hände, so weiß ich,
Er hätte sich selbst des Kranzes Weihe gerichtet, ein weißer Hirsch.
Nur mir, den er antrat, damit ich
Das Letzte ihm tue, war ihn zu berühren erlaubt.
Und als ich ihn schlug und von ihm das Vorgeschriebne genoß,
Siehe: verstand
Ich das fallende Wasser, das diest [?]
Im hintersten Bauch der Höhle, die Hausung uns ist.
Es sagte: von Paaren die tun wie wir taten muß einer hinab meist.
Nur dieses verriet sich mir Wachem. Als Schläfer aber, so ist es gesetzt,
Verstehen werd ich das Weitre.
Mich geb ich heiligem Schlaf dort, und wenn ich, so fügt’ er
Hinzu und lächelte seltsam, zu lange dir weile, so sich
Ob du mich weckst».
Als ich hinging, fand liegen ich ihn
Wie einen der es gewollt hat und von uns entfernt
Unmeßbar um deren Wissen, die unter Erde wir legen,
Zu Füßen dem fallenden Wasser, im Ausdruck des Lauschenden, blaß und verklärt.
Und als ich begriff und die Hand ihm,
Die schlaffe, geküßt noch hatte, war ganz unverrückbar
Dies zwischen uns befestigt für ein und abermal: er
König ich Knecht.
*
Umsungen vom Befehl des Winds
«Vergiß und leb! Verbots und Eides lächle!»
Schritt ich hinab die Staffel des Gebirgs
Bis eine Tenne, die weit
Ins Flachland reichte, mich hinschob
Durch mannshoh samtsterniger, durch
Den Engpaß von Blumen
Zu einer unter Lilien im Schlaf
Hintastenden Jungfrauenhand. Betäubt noch
Hob ein Haupt sich und sang mir:
«Mir hat geträumt, in seine Fläume begrüb mich
Der Vogel des Himmels und trüge indeß sie sich röten
Süß-schwankend in niedrigem Flug mich über das Tal.
Bist dus der mir träumte?
Gewaltsamer Dinge scheinst du ein End..
Nun lausche mit mir auf das Weltlied.
Laß trinken das süßeste uns,
Das Feuer des Abends. Wir sind
Wie Himmel und Erde und dichten die Nacht».
Was ist dies: das Weltlied?
So fragte ich zaghaft vor Glück.
«Wenn farblos etwa zwischen Nacht
Und Tag der Himmel über schwarzer Scholle
Gespannt ist und ein Geist, der leise murrt,
Streicht durch ihr Laub und mein Haar,
Scheint es daß die Erde in leiser
Beklemmung um Laute ringt.
Und wenn sie zu finden
Mir gönnt die Stunde, löst sich wie in Dank
Ihr Atem wieder». Eine neue Ehrfurcht
Lernend fragt ich: wer bist du?
Da summte sie halb nur vernehmbar: «Ich heiße Jasmin,
Ich heiße Schlaf, ich heiße Echo der Erde».
Und da wir küssend durchschritten den Garten nach vorn
Bis wo gleich den Spitzen
Von Flammen ragten vorm Ebenen-Dunst
Die Blumen, die Worte sie nannte
Die einst in die Erde sie sang:
Da wurde uns wunderbar leicht
Als schiffte anlegend beim äußersten Kelch
Die goldene Gondel
Des Abends ein uns erstaunende zwei.
Und Sternlicht rann durch den Tulpenbaum.
Vom über mir lispelnden Haupte
Rann träumerisch Kunde, wo ich, bevor
Gedenken ichs kann, ich gewesen.
Da fragt ich: wie lang ist zu weilen bei dir
Mir Schicksal? Da sann sie und sang sie:
«Sagt jemand: ein Nu
Sagt jemand: ein Jahr
Ist es eines und lächeln die Götter.
Sagt jemand: o Leben
Sagt jemand: nein Tod
Ist es eines und lächeln die Götter.
Nur ein Wort hören sie ernst:
Verwandlung.
Du aber sollst (und Wolken warfen als
Sie redete sehnsüchtig
Ein schwankes Netz nach Deneb aus und Wega,
Die blaßten über uns)
Du aber sollst erfinden die Geberde
Zu meinem Liede, daß
In ihr die Menschen trunken sind von Schicksal
Und Erde trunken ist
Von Kraft der Toten welche in sie rann
Von urlängst her, daß horchend
Sie all die hohen Bilder wieder weiß
Und eingibt einem Mann
Daß er das Spiel der Trauer mit ihr spielt» .
Wir schwiegen wir sahn wir geschahen. Da warf
Der Blitz um unser Verlöbnis
Ein Lasso von Licht. Erschrocken und froh:
Gib mir (so rief ich) zum Opfer
Der steigenden Sonne, Entzückende, gib
Die morgengeflammte Granatfrucht!..
Sie seltsam versteckt
Anlächelte mich
«O Kind du verwechselst die Zeichen»
Und gab wie ich bat
Und wandte sich weg
Das End jenes Lieds auf der Lippe:
«Nur ein Wort hören sie ernst:
Verwandlung».
Weissagend schwamm die Erde in Rot
Sich scheuchender Blitze oder der Sonne die ernst
Die Wolken tränkte mit blutigem Licht. Und lila durchschrägte
Ein Schatte die Blumengelände. Ergeben zuckend nach Osten bog
Sich alles Laubwerk der Höh,
Indeß überhöhlt von Clematis das Loblied der Jungfrau
Ausklingend am Himmel schluchzende Glocken zu läuten mir schien.
Plötzlich bewegt
Alles Gezweig in melodischer Angst
Mein Baum und Düfte weint er, weil das Brausen mich schilt:
«Was lebst du in solcher Unrast der Welt und bist nicht verwandelt?»
Und Aderwerk, ein riesig von eilenden Feuern durchjagtes, glomm auf
Und zwischen zwei Flügeln die krumm
Auffalteten nach dem Zenith ihre schwarzblauen Spitzen,
Regierte ein zornrotes Haupt und hackte, als säh ich zuviel,
Dreimal nach mir.
Mit einmal war in mir versammelt der Ton
Vom Gang aller Ströme, Waldes und Meeres Choral
Und Brunstruf von Wild und von Vögeln und Dumpflaut geopferter Stiere
Und Meerbodendonner und Schrei der Mänade und Heimweh des Seefahrerlieds
Und Geigen durch südliche Nacht.
Und wie zum Rufe letzter Inbrunst ich auftat
Den Mund, verschlang ich bläulich rinnendes
Feuer... und dann
War ich bei dir!