Eichen bei Schwanheim
Ein Schlag von Birken, wehenden und jungen,
Begrenzt den Wald. Fernab vom Wege blenden
Gestreckte, grell besonnte Siedelungen.
Dahinter steigt von beiden Himmelsenden
In einer Linie, die rein gezogen
Im Ebenmaß zur sanften Kuppe klimmt,
Des Flachgebirgs mir einzig lieber Bogen,
Der zu Vollkommenem die Seele stimmt.
Dazwischen sie. Du glaubst sie nicht. Im strengen
Abstand der Größe. Jede eine Mitte.
Und braunes, leises Gras. Denn sie verhängen
Ein Schweigen wie um Totes. Ihre Sitte
Ist: das Gewesene in sich begraben.
Das sind die Bäume, die ein Schicksal haben.
Die eine trägt auf der geborstnen Säule
Noch eine Welt: von Armen, welche ringen,
Als juble sie und schaudere und heule
Mit vielen Seelen... ihre Rinden springen,
In Zacken wirft sich aufwärts das Geäst,
Weil es mit einem Krampf geschlagen war
Vom Ungeheuren, das zu sagen war;
Und biegt, weil es sich doch nicht sagen läßt,
Selbeinwärts sich und dauert so und ragt,
Nur weil es war, nicht mehr, damit es werde,
Und ist die tausendarmige Gebärde,
Mit der die Erde in den Himmel fragt.
Dem ähnlich, dünkt mir, an Gestalt und Mühn
Sind ihre Wurzeln, die mit greisem Munde
Erdeingekrochen dort das Feuchte lecken,
Das zwischen rissigen, versteinten Decken
Und der im Innern hohlgebrannten Wunde
Aufsteigt; denn oben treibt noch kleines Grün,
So wie das Haar fortwächst an einer Leiche.
Wem Blitze so die Brust ausweideten,
Wie der noch lebt, das frage sie — die Eiche!
Durch das Gezweig der noch Beneideten
Zieht Wandelndes und Stetes. In ihm fängt
Sich eine Wolke, sich die Silhouette
Von einem großen Vogel — wie gedrängt!
Und dicht an uns herangerückt, als hätte
Sich eine Riesenblüte reinen Golds
Auf einmal losgewunden aus dem Holz,
Der runde Mond. Manch andrem hohen Lichte,
Das so die Eiche aus dem Weltall schnitt
Mit zackigem und krummem Griff, gefiel es,
Hierinnen Bild zu werden und Geschichte,
Und unsre Seele fing darin sich mit
Wie in den Reden eines Trauerspieles.
Die andre ist von weitem wie ein Mann,
Der auf dem Feld den Arm wirft und sich Raum macht
In einem Schrei, fast schamlos. Denn man kann
Nichts an ihr sehn, was einen Baum zum Baum macht:
Nichts was sich streckt, was schlank ist und was zweigt.
Ein Rumpf, vier Stämme stark. Ins Leere zeigt
Mit einem Stummel er. Ein Arm, so dick
Fast wie der Stamm, hintüberwärts gerenkt,
Verkohlt... Wohl ist ein andrer Augenblick
Um diesen, als um andre Bäume, denen
Mit Sonn und Stern zu wechselvollen Szenen
Das All sich dreht. Ihn denkt sie, immer denkt
Sie ihn: wie da ein Wirbel gor
Von Pfiff und gelbem Rauch, der in ein spitzes,
In sie gequirltes Feuer sich verlor —
Sie denkt des Augenblickes, der sie fällte,
Daß als Gestalt nicht mehr, daß als Entstellte
Sie Beispiel sei für die Gewalt des Blitzes.
Der Blitz geht unbegriffen durch die Welt
In seiner Plötzlichkeit des Glanzes
Vom Stier, der murrt, vom Menschenmund,
Der sprachlos aufklafft. Denn ein Ganzes
Ist immer er, das ganze Feuer rund
Um all das All! Ihn, daß er einzeln werde,
Lockt, was da strotzt von Mark, was gierig ist,
Statt grünen Jahrs für eine schnelle Frist
Fackel zu sein. So nascht er an der Erde,
Und Male, steil an seiner Lust verkohlte,
Sind übrig, wenn er rückwärts in das Rad
Der eignen Umfahrt schnellend sich erholte
In junger Stürme, junger Feuer Bad.
Drum jauchzt das Herz, wenn es euch Tote sieht,
Mehr als vor Lebenden... geht durch die Reihe
Der Zeugenschaft und deutet viel und kniet
Vor jeder, wie sie ihrem Lebensschreie
Vereinzelt abrang ein Gepräge
Sich selber gleich — geht bei euch Unbegrabnen
Ergriffen in die Schule des Erhabnen
Und schlägt wie große, wie beklommne Schläge...
Lernt Schicksal, lernt den Lebensbrand,
Der auffliegt, lernt die Offenheit
Des Ausdrucks, der das Sein verstand:
Den stummen Ausdruck der Betroffenheit.