Max Kommerell: Mein Anteil


Epilog des Zauberers aus dem Puppentheater

 

Zauber ist ein tiefes Ding.

Oft in menschlichen Geschäften

Ist die Seele zu gering,

Um mit ihren zarten Kräften

Nach dem erstentworfnen Plane

Das Begonnene zu meistern

Und das fort und fort Getane

Mit dem Anfang zu begeistern.

Ungehorsam ist der Stein,

Ganz dem Licht gehört die Pflanze,

Doch das Tier schaut bös darein;

Dann der Mensch, dies sündig Ganze

Aus dem Widerspruch von drein,

Regt den Geist zum Sternentanze

Und schläft dumpfer als der Stein.

Anders als der Herr diktiert hat,

Schreibt der Schatten, schreibt das Licht

Auf die Erde, und vertiert hat

Jeder Mensch, der will und tut,

Sein unsterbliches Gesicht;

Und was ist, ist gar nicht gut:

Das Gesollte unerkennbar,

Welttrotz starr und unberennbar.

Nur die Liebenden, die denken

Stets das Rechte. Ja sie lesen

In andächtigem Versenken

Voneinander ab ihr Wesen

Wie aus einem heiligen Buche.

Unbewußte Meister sind

Sie und lächeln wie ein Kind

Meiner zaubernden Versuche.

Denn ich schreibe manchmal Nein

Auf den Rand an das Vergangne,

In das zweifelhaft Verhangne

Bringe ich gewissen Schein

Und das demutvoll Befangne

Kleide ich ins Festkleid ein.

Aber mich stieß aus die Reihe

Der Geschöpfe, die nicht leiden,

Daß man so sie kennt. Sie meiden

Mich, und wenn ich prophezeie,

Summt die Luft mir von Bescheiden,

Mir der Kopf von vielem Wissen.

Jeder Stern, dem ich entrissen

Seine Freiheit, sieht mich an,

Als ob er mir nie verzeihe.

Und ich bin ein armer Mann,

Der ich ob der vielen hundert

Sachen, worob ihr euch wundert,

Mich nicht mehr verwundern kann.