Max Kommerell: Mit gleichsam chinesischem Pinsel


Der Heilige während eines Erdbebens

 

Feuer, blau

Aus Bodenspalten fauchendes,

Ist ihm heimlich vertraut.

Rings kein Hauchendes,

Das nicht vom Stich

In die Sohle — das krank

Von dem fremden, großen Laut,

Nicht an ein Hauchendes sank.

Er, wachsend an Schau,

Denkt sich.

Denn der Flammen Spiel,

Der fromm gewordnen,

Um seinen Fuß, dem die Klaue

Wuchs vor Alleinsein,

Formt den Stiel

Eines Lotos, und der Rauch lernt klein sein,

In genaue

Guirlanden sich zu teilen

Und aus sieben immer breitern Zeilen

Die Lotosblüte zu ordnen,

Die den Unbeschreiblichen

Über die wellenschlagende Erde

Langsamwachsend in die Ruhe trägt.

O das Verwildern

Des Gesichts vor zu viel Braue,

O das Verstummen

Des noch gleichsam Leiblichen!

Nur das Kleid, das sich zu krummen

Gezackten Würfen auseinander schlägt,

Hat Gebärde,

Zu schildern,

Wie er innen jetzt sein Wachstum prägt!

— — — — — — — — —

Felsstühle wanken unter Berg-Asketen.

Sie prophezein

Aus Feuern, die wie Wasser

Übertreten.

Aber er

Wird sich selber zum Zeichen

Und lernt

Das neue, leisere Sein.

Alles wie vorher:

Nur blasser —

Stufenweis durch einen weichen

Duft entfernt,

Fast gering,

Aber im reinen Beziehn

Unverwesbar;

Viel Raum!

Ding um Ding,

Wie vom Pinsel, der kaum

Aber sicher im Fliehn

Die Seide trifft,

Hingezaubert, wird Schrift:

Zart, lesbar.