Gedichte über Blumen
BLUMEN

Ihr, die ihr tiefer steht als wir, der Erde näher,

und ferner ihrer Qual, ihr habt das reine Leben.

Ihr kehret wieder: Uns ist der Tod ein weher

Abschied für immer.

 

Nur eine Rast ist Sterben euch. Und schöner heben

sich eure Blütenflügel in die zärtlichen Winde,

und ihr unsterblicher Schmelz macht tief erbeben

uns böse Schatten.

 

Euch macht die Nacht nicht bang, die unsrer vielen Sünde

anklagend stummer Sprecher ist. Ihr stillen Sterne

schwebt, groß euch spiegelnd, durch die Morgengründe

kindlichen Schauens.

 

Dort ist Geschwisterschaft. Dort mögt ihr Scheuen gerne

aufschließen euch dem Tau, dem Sturm der Liebesbitten.

Wir stehen ausgestoßen in der Ferne;

hoffärtig, weinend —

 

Und wandeln, während eure Wurzeln, unverschnitten

bewahrt in Gottes Schoß, sich brüderlicher bergen

und eure Andacht Gottes Stirn küßt, mitten

in unserem Abgrund.

Josef Weinheber