Vor einer Rose stummer Gast
befiel mich eines Sinnens Last,
zitternd sie im Winde
begann ein seelengleiches Spiel,
die Tote auf dem schwanken Stiel
wiegte sich gelinde.
Wie Blumen spielend beugte nicht
die schwere Blüte ihr Gesicht,
Kelch mit vollem Trunke
und Haupt dem Herzen ungeneigt,
die grünen Blätter starr verzweigt
rüttelten am Strunke.
Den Halm bewegt, gebrochen hart,
leibunduldsamen Widerpart
unter sich gerungen,
so trug sie stark und sonder Qual
verstummtes Rühren ohne Zahl
ungelöster Zungen.
Maria ging der Schwere kund
in ihrem Schoße, selig wund,
über das Gebirge,
zum Wind, der ihre Wange strich,
versagend ihr das Wort entwich:
wandle mich und wirke!
Noch nicht gesprochen wie zum Spiel,
o wie sie dieses Wort befiel,
tändelnd fast und lose;
einst der geschah im tiefsten Wort,
entwirke mich, nun dinglich fort
wirkt das klein und große.
Ein Lahmer, der in Krücken stand
an sich gefesselt unverwandt,
der im Herzen krankte,
die Jungfrau sah ihn nicht, ihr Blick
fiel in des Herzens Kelch zurück,
bis ein Halm sie schwankte.
Bevor ihr Haupt in Sinnens Rast
zum Sinken kam, des Willens Last
hob sie in die Hände:
Nun hat ein jedes Ding in mir
sein ganzes Leben für und für,
bis ich dies vollende.
Ein nimmermüdes reines Gut
die Schöpfung saugt mein Lebensblut,
Magd bin ich gebrochen,
den unbefleckt entrückten Stern
geknotet in mich fühl ich Kern
unterm Herzen pochen.
O Allmacht aller Dinge Bann,
daß keines in sich leiden kann,
sieh mein ganzes Hoffen,
seit dieser Wille widerfuhr
mir, ist mein Mund und Haupt dir nur
aufgelöst und offen.
Es faßte diesen Augenblick
ein Hauch um Schulter und Genick
zitterzart den Lahmen,
ihm schlug sein Leib so gliederhart,
gebrochnes Bild und Widerpart
sprach er ihren Namen:
Ohnmächtig ein gerüttelt Sieb
so bin ich, Jungfrau, spende, gib,
gib mir, Magd und Fraue;
das reine Auge konnte kaum
umschließen seines Elends Saum,
stummer sprach sie: schaue,
weil über einer Sichel Schnitt
das volle Herz sein Sterben litt,
blüh ich auf im Munde,
sein Wille nur: Magnificat
löst mich in Kern und Stern und hat
Wurzeln hier im Grunde.
Entwirke, wirke, bis ich bin
die Schöpferin von Anbeginn,
bis ich mich zertrenne;
hier wo zum Lebenshauche kam
das Korn der Erde, bleibe lahm,
nicht mehr schaue, brenne.
O weile Hauch und eile nicht,
es will der mutterschweren Pflicht
Blut aus mir verscheiden.
Da fuhr des reinsten Mundes Sinn
über dem Strom des Herzens hin,
Rosen zu bereiten.
Dem Gast in gleichen Sinnes Spur
ein Windhauch bis zum Herzen fuhr,
heftiger gestoßen
und immer mehr von Ohnmacht satt,
gerüttelt, Strunk und starres Blatt,
trug er rote Rosen.
Daß er das Herz des Wortes: gib,
den kummersüßen Lebenstrieb,
alles aus sich sauge,
sein Hoffen unerschüttert hart
rührt niemals mehr die Rose zart,
niemals mehr das Auge.
Bedrängte Kreatur der Welt
unlenksam auf sich hingestellt
wildbewegt im Garten
muß unverwandt und demutstolz
verwandelnd sich zum harten Holz
ihrer Fülle warten.
Ein Muttersinn, so sang ihr Herz,
muß brechen ein- und niederwärts,
selig ein Gerippe,
es wird, je dorniger der Stiel,
je mehr das Blatt in Starrheit fiel,
blutiger die Lippe.
Kein Sinn faßt dies Geheimnis ein,
doch immer röter wird der Schein,
bis in Ohnmacht bitter
die Knospe aus der dunklen Gruft
entbricht, sie schwieg, es drang ihr Duft
strömend durch das Gitter.
Konrad Weiß