Gedichte über Blumen
DER KNABE AN EIN VEILCHEN

Blühe, liebes Veilchen,

Das ich selbst erzog,

Blühe noch ein Weilchen,

Werde schöner noch!

Weißt du, was ich denke?

Lotten zum Geschenke

Pflück ich nächstens dich.

Blümchen, freue dich!

 

Lotte, mußt du wissen,

Ist mein liebes Kind!

Sollt ich Lotten missen,

Weinet ich mich blind!

Lotte hat vor allen

Kindern mir gefallen,

Die ich je gesehn;

Das muß ich gestehn!

 

Solch ein schmuckes Mädchen

Gibt es weiter nicht!

Zwar hat Nachbars Gretchen

Auch ein hübsch Gesicht:

Doch muß ichs nur sagen,

Würde man mich fragen:

Möchtst du Gretchen frein?

Sicher sagt ich: Nein!

 

Aber da die Kleine

Liegt mir in dem Sinn!

Anders nehm ich keine,

Wenn ich älter bin!

Ach die süße Lotte!

Nächst dem lieben Gotte

Hab ich doch allhie

Nichts so lieb als sie!

 

Manche, die mich kennen,

Spotten dann und wann;

Wenn sie Lotte nennen,

Sehen sie mich an.

Tut es nur, ihr Leutchen;

Lotte bleibt mein Bräutchen!

Künftig sollt ihr schön

Mit zur Hochzeit gehn!

 

Aber du, mein Veilchen,

Sollst für Lotte sein!

Blüh nur noch ein Weilchen

Hier im Sonnenschein.

Bald will ich dich pflücken

Ihre Brust zu schmücken.

Ach dann küßt sie dich,

Und vielleicht auch mich!

Christian Adolf Overbeck