Gedichte über Blumen
NIGELLA HISPANICA ATROPURPUREA

Längst herangeharrte Gestalt, im krausen

Wuchergrün geahnete, bitter knospend,

Bittersüß erblüht zur erloschen dunkelglockigen Blume -

 

Welch ein Wort, dem Gärtener, aus dem Hades

Steigend, bringst du in seinen wilden Juli?

Leise sprichs, ein Einsamer hörts; doch deutlich, denn ein Verstörter

 

Hört halb hin; er wartet auf andres; frag nicht,

Was? er sagts nicht. Jeglichen Nachmittag hier

Stäupt ihn die erbitterte Sonne, fahrend längs seiner Tore. -

 

Traurende Hochzeiterin, welche fremde

Hochzeit rüstet dieser Altar des Selbstmords?

Wulstig krausts und haderig krallts, nach einwärts schlagen die Küsse. -

 

Langsam sprichs, bedenke dich; Zeit genug hat

Er, des Zeit die seine nicht ist. Es hat sie

Die Entfernte - wie einen Blumenstock, des zwar sie nicht wartet,

 

Im versperrten Saal gegen Mitternacht: der

Regen stürzt - es steigen in Röhren schluckend

Haus empor und Flure entlang die Wässer - gehn ihm in Kannen

 

Tür vorbei - man badet und sprengt - es schwenken

Dienende die Zeit, die er hat zu leben,

Blank aus Fenstern: eben wie diesen, also hat sie mich bei sich. -

 

Überhört ich, was du gehaucht? du sprichst nicht

zweimal. Einmal deuten die Götter, blitzt das

Ingewissen, zittert die Braut, entscheiden Zeiten die Blume.

 

Vieles hat der ärmere Mensch. Für einen

Brief, der ausblieb, Bote auf Bote läuft ihm.

Fürstlich schenkt er. Selber sich unkund, Namen holt er Geschöpfen

 

Aus den Lebens Schmerzen herauf; denn ihm ist

Eines not und ist ihm versagt: Und was drum?

Was mich höhnt, je mehr es mich höhnt, wie nenn ichs? eine Geliebte.

 

Dein auch eben hatt ich nicht acht. Die Botschaft

Ging vorbei. Viel schuldiger sind wir, als der

Zorn sich wähnt, der immer nach Antwort fiebert: Siehe ich schenke

 

Dir mein Herz, das Eine nicht will: sie will mich

Herzlos. Herzgeschenke sind Namen: Deiner,

Düstrer Schoß voll Folter und Irrsinn, heißt "Unglückliche Liebe".

 

Unglücklich, - nicht weil unerhört: es hörten

Dich die Untren: Farbe bekennen darfst du,

Stygische, - im Schilde sie führen, offen, all deine Zeichen.

 

Unglücklich, - nicht weil unerfüllt: dein Tanzplatz

Steht, schon ist in Haken und Horn dein sanfter

Schoß verkehrt, entartet in schlimmen Schranken kriechen die Paare.

 

Unglücklich im giftigen Keim; unglücklich

Wartende; unglücklicher, sich erfahrend;

Ganz unglücklich, wenn sie sich aufentfaltet, aus dem verirrten

 

Herzgespinste, so wie die Braut aus Schleiern,

Hertritt mit der endlichen Gabe - Taumel

Hier wie dort. Sie blüht, wo sie fällt; sie blüht, wo einer sie säte.

Rudolf Borchardt