Gedichte über Blumen
WILDE ROSE

Du fern Geliebte! Schreck mich nicht auf, ich bin

vorbei, vorüber. Laß mich, solang du winkst,

dir nachschaun, trauern. Scham und Sehnsucht

dunkeln im Kranz der Erinnerungen.

 

Dort stehst du noch und blühst einem neuen Jahr

und blühst zu Unruh neuem Geschlecht und hauchst

wie ehe, schön und weiß und blutwild,

Kelch der Verzauberung! her die Wolke,

 

den süßen Rausch der Leiber, die stöhnenden

und feuchten Lippen, purpurn Gelöstsein, Last

der lauen Luft, Umschlingung unter

sausenden Bäumen, gegeben in die

 

Gewalt der Küsse, Taumel und Übermaß

des Glücks! O nimm das Süße zurück, den Hauch

des Damals. Längst zuviel ist dieser

herbe Geruch, der die Jugend aufruft.

 

O fühl: Dies ist dein bitterster Dorn: Du kommst

noch einmal: prüfst, beschwörst dieses Sterbens Kraft;

verführst noch dort, wo still zu gehen

einzig bewahrt vor dem Krampf der Schwäche.

 

So laß mich außerhalb! Und die Trümmer will

ich sammeln in den Traum: In das Glück, für dich

gerettet, mein zu sein; entrückt schon,

singen zu dürfen: O fern Geliebte...

Josef Weinheber