Die schönste Rose, die der Lenz gebar,
Und Zephyr küßte, liegt
Mit welken Busen, mit zerstreuten Haar
Am Boden, und zerfliegt.
Ihr, die, mit voller Wang, am Morgenrot
Die Schwestern überstrahlt,
Ihr hat jetzt, da der Tag entflieht, der Tod
Die Wange bleich gemalt.
Entpurpert liegt sie da! Der Schmetterling,
Der, als ihr Reiz begann,
Voll Lüsternheit an ihrem Busen hing,
Blickt ihren Rest kaum an.
Der West, der ihr so oft, von Lieb erhitzt,
Manch süßes Küßchen stahl,
Der lose Flatterer, verläßt sie itzt
Und tändelt durch das Tal.
Du duftetest an keines Mädchens Brust,
In keines Mädchens Haar,
Du arme Rose, die der Flora Lust,
Der Neid der Schwestern war!
Von einem Wirbelwind ringsum bestürmt,
Sank sie zur Erde hin,
Als Donner sich am Himmel aufgetürmt,
Lyäens Lieblingin.
Kein Amor bettet je in ihren Schoß! —
Selinde kam, und sprach,
Indem ein Tränchen ihr vom Auge floß:
Das schöne Blümchen, ach!
Ludwig Christoph Heinrich Hölty