Gedichte über Blumen
DER KNABE UND DAS VERGISSMEINNICHT

Der Knabe:

O Blümelein Vergißmeinnicht!

Entzieh dich meinem Auge nicht.

Ihr, Veilchen! Nelken! Rosen!

Auf euch verweilt der Sonne Licht,

Als wollt es mit euch kosen;

Doch wenn die Sonne tiefer sinkt,

Wenn Nacht die Farben all verschlingt,

Da reden süße Düfte

Von eurem stillen Leben mir

Und die vertrauten Lüfte

Die bringen eure Grüße mir.

Doch ach! Vergißmeinnicht, von Dir

Bringt nichts, bringt nichts mir Kunde.

Sag, Blümlein, lebst dem Aug Du nur?

Flieht mit den Farben jede Spur

Mir hin von Deinem Leben?

Hast keine Stimm, die zu mir spricht

Wenn Schatten dich umgeben?

 

Vergißmeinnicht:

Die Stimme, ach Süßer, die hab ich nicht.

Doch trag ich den Namen Vergißmeinnicht,

Der, wenn ich auch schweige, dem Herzen spricht.

Karoline von Günderode