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Der deutsche Wald und die Bootsflüchtlinge. Nur eine Phantasie

Wenn man in diesen tagen, bei diesem herrlichen spätsommerwetter, eine wanderung macht und durch eine fichtenplantage kommt, geht man über eine angenehm weiche schicht von graugrünen fichtennadeln. Hebt man den kopf, sieht man, daß alle fichten tot sind. Waren vor zwei jahren und auch vor einem jahr nur einzelne gruppen von fichten in randlagen, an exponierten oder besonders trockenen stellen betroffen, sterben sie jetzt innerhalb kürzester zeit und fast flächendeckend. Das laub vieler laubbäume, obwohl es erst mitte september ist, verfärbt sich herbstlich. Abgefallene blätter sind nicht glatt und biegsam, sondern vollkommen trocken. Wenn man auf sie tritt, oder eines zwischen den fingern zerreibt, zerbröseln sie zu staub. Wo laub noch grün ist, kräuselt es sich vom rand her und hängt schlaff herunter. Auf der gelbbraunen weide rupfen rinder lustlos an dem wenigen dürren gras. Manche brüllen vor hunger, einzelne scharren vor wut den boden auf. Aber das ist keine geschichte, das ist nur die feststellung von tatsachen.

Eine mögliche geschichte wäre: die entwicklung setzt sich so fort, dann ist Deutschland in ein paar jahren eine periodisch trockene savannenlandschaft. Dann dürfte hier nicht nur das leben, sondern das überleben schwierig werden. Eine anzahl von korrupten und unfähigen politikern, von habgierigen wirtschaftsbossen (deren namen zu nennen ihnen schon zu viel ehre erweisen würde), denen es zu brenzlig wird, transferieren ihr ergaunertes vermögen ins ausland und beschließen, das weite zu suchen. Sie besteigen ihre hochseejachten und privatflugzeuge und machen sich auf die suche nach einem gastland, wo das leben besser zu sein verspricht. Aber alle anderen länder haben die gleichen, ähnliche oder schlimmere probleme; und überall gibt es schon viel zu viele menschen, und mit geld kann man keinen boden düngen oder wässern.

Also kein land nimmt die darbenden flüchtlinge auf; sie bekommen noch nicht einmal die erlaubnis, einen hafen anzulaufen oder auf einem flughafen zu landen, um ihre vorräte aufzustocken. Sie verrecken alle. Das wäre dann eines der wenigen male in der geschichte, daß recht geschieht.

Diese geschichte hat allerdings einen haken: korrupte politiker und raffgierige wirtschaftsbosse haben sich zwar in jedem fall schuldig gemacht und den tod verdient, aber an dürre, hitze usw. sind sie nicht schuld; und es dürfte auch nicht möglich sein, für so komplexe entwicklungen, deren ursachen nicht jahrzehnte, sondern teils jahrhunderte zurückliegen, einzelne schuldige zu benennen. Insofern ist diese kleine geschichte nur eine rachephantasie, wie sie einem schon mal in den sinn kommen kann, wenn man wut hat.

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Schlagzeile in der Meinerzhagener Zeitung vom 20. September 2030: Libysche Regierung läßt deutsche Bootsflüchtlinge vor der Küste von Tripolis verdursten

Geschrieben spätsommer 2020