Erstausgabe: Edwin Runge, Berlin 1933
Diese digitalisierte Fassung basiert auf der Erstausgabe.
Herausgeber des Digitalisats: Wilfried Käding. Einige offensichtliche Druckfehler wurden vom Herausgeber korrigiert.
Ins Netz gestellt am 2. Juni 2016
Wehrlos reiche Frucht der Jahre,
die noch in der Zukunft dämmert,
unberufbar durch die wahre
treue Sinnschaft doch der Jahre,
ob sich Recht durch Sinn befahre,
Antwort laut entgegenhämmert, —
Frucht im Sturm, die also hämmert.
Wehrlos, doch in nichts vernichtet,
Sinn im Echo fortbenommen,
wachsend mit dem Klang der Trommen
laut wird unser Herz gerichtet,
wenn wir durch die Pforte kommen.
Laute Zukunft, die noch dämmert.
Echo wächst vor jedem Worte.
Wie es in den Jahren rüttelt,
wird die Sinnfrucht durchgeschüttelt,
wie ein Sturm vom offnen Orte
hämmert es durch unsre Pforte.
(31.12.1932)
Gott wirkt geschichtlich nicht durch das Menschliche und nicht durch die Menschheit, sondern durch seine »zeitörtlichen« Dispositionen innerhalb des Menschlichen, d. h. die Dispositionen sind die Kreationen und Vermittlungen des Planes zugleich, die Pfeiler der Planerstreckung; und diese sind, indem Vermittlungen, weniger als der klassizistische Menschheitsbegriff, indem Kreationen, mehr als dieser; gleich den Pfeilern des romanischen Langhauses, das innerhalb die freie gottmenschliche Lücke bewahrt, in der die universe Form geschieht, welcher sie assistieren. Die Dispositionen sind dazu ordohaft scheinbar neutraler und zugleich kreatürlich substanzieller als die Menschheit und das Menschliche; sie verschieben sich hinsichtlich des wirklichen Menschen ebenfalls in einer dritten, halb materialen und halb unsichtbaren Wirklichkeit.
Es sind die Verschiedenheiten der Volkskräfte; und dieser, soweit sie sich zur Geschichte herausfordern. Die Materialisierung der Geschichte trägt immer eine unsichtbare Hierarchie mit sich. Das Christentum und nicht zumindest das katholische Wesen, indem es sich besonders fürchtet, geschichtliche Konkretionen materialistisch werden zu lassen, ist heute sehr dazu geneigt, diese Volkskräfte und ihre verschieden gefügten Notwendigkeiten als Substanzwirklichkeiten zurückzuschätzen und dafür die mittlere Lösung oder wohl zwar die christliche Lösung aus der mittleren Lücke zu suchen, welche dabei aber heute allzuleicht mit einer demokratisch menschheitlichen Lösung sich zu identifizieren geneigt ist. Dies zu sagen aus einem jetzt wieder anders und weltanschaulich konkreter werdenden Kunstgefühl heraus und im gleichen Gefühle gestärkt nach der Lektüre von Stifters »Witiko« — mit der Beobachtung, daß diese ordohaft gefügte Dichtung eine durchaus in ihr fortziehende Neigung habe, in das Politische einzumünden, eine restaurative Aufgabe darin zu erfüllen, eine integre Lebensanschauung geschichtlichen Verwaltungssinnes darin zu erweisen — dies also nach solcher Lektüre und aus dem restaurativen Sinne des Kunstgefühls zu sagen im Hinblick auf das unmittelbar sich Vollziehende in und über der zeitdeutschen Parteigeschichte ist man gedrängt; und ebenso, — um aus dem Vorgebot des künstlerischen Gewissens eine fordernde Folge zu finden für das menschliche, oder gleich das deutsch-christliche, — es anzuwenden auf die politischen Gesinnungen und ihre Wendsamkeiten.
Daß gerade diese ordo-sinnhafte Dichtung, die mit dem scheinbar Allgemein-Neutralen des Ordo vor allem denkt und arbeitet, doch gerade nicht auf das Allgemein-Neutrale des Menschen gerichtet ist, sondern auf Volk, Stämme, politische Augenblicke, speziell hier auf das innerhalb christlicher Geschichte betont Aneignungswirksame des Hohenstaufischen, dies zeigt, daß zwischen dem Allgemeinen des Ordo und dem Allgemeinen des Menschlichen verschiedene Proportionen wirksam sein können, genau wie beim mittelalterlichen Kirchenbau. Man kommt hierbei auf die relativen Realitäten der Dispositionen und der Proportionen mit einander, welche als Gegebenheiten und Hinzufügbarkeiten einander entsprechen und gegenüber dem leer objektiven Menschheitsbegriff die schwebend festen Dinge der Zeithaltungen sind. Indem man unter den deutschen Katholiken diese Korrespondierungen, welche innerhalb des nationalen Daseins stehen, nach dem Kriege besonders als sekundär bezeichnet hat, — indem man mit Trost gesagt hat, das Sekundäre sei zwar besiegt worden, aber das Primäre des Religiösen bleibe doch um so gültiger möglich — hat man sich, indem man die Dispositionen vernachlässigte, die gewisse Parallele im Denken geschehen lassen, welche den Katholizismus mit der internationalen Demokratie als verwandt erscheinen läßt. Da man, indem man die Dispositionen vernachlässigt, auch die erst durch diese möglichen Proportionen, d. h. die zu ihnen leistbaren Zeitmächtigkeiten ins Ganze nicht leisten kann, so auch tatsächlich nur politisch und in der Haltekraft, aber nicht im Kulturganzen zeitmächtiger geworden ist — obzwar von außerhalb Stehenden mehr, als man vor dem Kriege je gedacht hätte, gefördert, aus den Gründen, welche diesen für ihren ökonomischen Bestand und überhaupt für die liberal-bürgerliche Erhaltung wichtig genug angelegen sein konnten —; da die Katholiken so, in der Absicht, die überzeitliche Gültigkeit vor allem zu erhalten, dementgegen eine demokratisch sehr zeitliche Phase im Ausdruck der Nachkriegsweltanschauung zu sein oder doch mitzudecken genötigt scheinen, wird, indem sich die Dinge aus den »objektiven« Allgemeinheiten wieder in die substanzielleren Augenblicke einwärts wenden, die Frage nach solchen früheren und heutigen Grundverhältnissen im politischen Geiste wieder so lebendig, wie vielleicht die Innenheiten des Volkes gegenüber dem intellektuell-ethischen Profit des allgemeinen Menschheitsgeistes aus Notwendigkeit zum wirklichen Leben jetzt lebendig werden. Erst in den Notstandsformen gebrochen muß der leere objektive Geist — und selbst wenn er Religion genannt wird, in einer heute ganz häufigen christlichen Anwendung des liberalen Wertbegriffes auf die gerüstetere christliche Wahrheit — wieder Kreatur werden und neu in eine subjektive Ermächtigung gesetzt sein, um der dritten Wahrheit — die Regierung der Geschichte zwischen Gott und Mensch ist das Dritte — fügbar zu werden.
Heute, am 13. Januar, kommt durch die Zeitung, daß Hitler die parlamentarische Form für die Neuwahl des Reichspräsidenten Hindenburg abgelehnt hat. Die Wahl durch das Volk bleibe offen. Man kann, zumal in den Wegen und Mitteln der Notverordnungen durch Brüning das Parlament ausgeschaltet war, indem man nun bedenken mußte, daß es zum Zweck einer Notfortführung der Präsidentschaft, zu einer Art Einschmuggelung des staatsnotwendigen Fortlaufes, doch gebraucht werden sollte, diese Absage (abgesehen von ihrer persönlichen Absicht) nicht ohne einen Sinn von wahrem Maßstabe finden. Es liegt darin die notwendige Wertform einer, wenn auch Erschwerung bringenden, volkhaften Bewegung. Man soll das Neutrum des Parlaments nicht zum Träger einer zeitlichen Entscheidung in solchem Augenblick machen, so lange es nicht durch andere Proportionen aus der Zeitgeschichte wieder gespeist und gestuft ist. Das frühere Zentrum schon hat sich neutral auf den Boden des Staates gestellt (zwar im Volke wurzelnd, wo es mit ihm ländlich und landschaftlich herstammte, aber sonst kultürlich nicht proportional zum Volksganzen erkräftet), und dazu vor allem das Parlament tauglich befunden. Aber heute, wo sich die kultürlichen Proportionen der Volksdinge neu bilden wollen, muß der neutrale Staatsboden mehr als früher, indem er nicht als Abstoß ins Eigene gebraucht werden kann, unfruchtbar sein.
Es hatte sich hier in dieser Wahlfrage eine Frage der Würde erhoben, d. h. einer volkhaften Proportion zu einer zeithaften Disposition oder in ihr gegebenen, gefahrsinnigen Angulation und, sei es aus welchen Gründen, hat jedenfalls die oppositionelle Partei oder Volksbewegung diesem Gefühl jetzt mehr hinzugetragen. Ob übrigens Brüning nicht damit auch gerechnet hat? Aber allerdings die Notstandsformen anderer Lösungen sind der Mentalität des Katholiken vielleicht nicht substanziell fremd genug oder werden nicht im Gegensinn allenfalls kühne Praktik genug gegenüber der tolerablen Methode, zu welcher man als Katholik gern zwischen säkularer Substanz und beherzter Praktik den Mittelweg nimmt. Der Katholik setzt das Weltliche (oder also das vorher so genannte »Dritte« der Regierung und Planschaft) wie eine andere Seele nicht leichterweise in die Gefährdung; dies hat sich mit der Zurückdrängung der »Ultramontanen« aus dem tätigen Staatswesen, zum Schaden Deutschlands, wie auch gerade der Vaterländische sehen kann, und dann noch mehr durch das Vordringen der demokratischen »Menschlichkeit« verstärkt, neben welcher und ihrer Bequemheit im Grundsätzlichen der geschichtliche Opferbegriff und die Frage der Ehre für den religiösen Mut schwerer geworden ist.
In der Wendung der Wahlfrage sodann noch vertritt der Deutschnationale Hugenberg rhetorisch mehr den Rechtsstreit als die Freiheit des Augenblicks. Der rechtsstehende Deutsche hat, wie häufig, nicht genügend freie Praktik, um über den ethisch ärgermaßigen Standpunkt hinweg, der ihm oft zu vertreten blieb, eine substanzielle Form der Geschichte heranzustellen. Er findet sich zu wenig oder zu ethisch »eitel« in die Vermittlung, in welche sich die katholische Partei etwa zu leicht findet. Und doch ist es die Sache dieser beiden, Deutschland mitsammen zu gewinnen.
Ein Aufruf vom Hochmeister des Jungdeutschen Ordens (Mahraun) schlägt heute eine Volksfront für Hindenburg vor, einen (Aufruf zum) Volksentscheid für die weitere Amtsdauer des Reichspräsidenten. Damit ist weder die aus dem Augenblick ergriffene parlamentarische Praktik noch die öffentliche Kampfentscheidung der Volkswahl genug in Wirkung gelassen, jene Praktik durch das Ausräumen von rechtlichen Bedenken in das zu Umständliche und zu Ethische gehoben, weil die rechtliche Bedenkung und ihre Überschreitung der Würdigung und Hilfe durch das Volk mit überlassen wird (statt auf dem kürzeren Felde ausgetragen zu werden); diese Kampfwahlentscheidung ebenfalls in eine volksethische Aktion zu sehr zurückgesetzt, welche immer zu viel Verpflichtendes für den durch die Umstände der besonderen Inszenierung Geehrten mit sich bringt. Diese scheinbar höhere Ehrung durch eine eigene Aktion ist tatsächlich eine Herabminderung der persönlichen Amtskraft, wie denn in solchen Lösungen, wo sich Gemüt und Ehrung zusammenbinden wollen, die eigentliche Ehre zu kurz kommt. Dahin scheint übrigens der Deutsche leicht mit seinem öffentlichen Empfinden verfallen zu können, indem er ohne die Härte oder Wendigkeit im einzelnen ein dazwischen laufendes Prinzip des Gemütes mit allgemeiner Lösungsabsicht voranbringt, das dann weder dem einzelnen Sinne noch dem allgemeinen Gefühle eine befriedigende Sachlichkeit nachverschafft.
Dies dazwischenlaufende Prinzip oder die eiferhafte Denkgerechtigkeit des Gemütes ist es auch, die man im neuen konservativen Schrifttum findet. Der Deutsche hat nicht mehr den Sinn des Wortes, sondern den Eifer der Rede. Und wie jener heute verbreitete Vorschlag zum Volksbegehren scheinbar mehr Zeremonie und also Ehrung sein will, tatsächlich aber weniger Ehre mit sich bringt, d. h. weniger Ehre, die aus dem Gefahrpunkt der Zeit und des Einzelmenschen — oder des »Wortes« in seinem Augenblick — in die größere Position herausspringt; dafür nur eine Ehre, zu welcher sich die unpersönliche Allgemeinheit vereinbart, — so ist auch in diesem neudeutschen, neukonservativen Geistes- und Literatenkampf mehr Rede als Ehre; Rede, die nicht Ehre werden kann, weil die Einzeldispositionen nicht in der Proportion zu Jenheit und Diesseit gefunden und gegen jede Allgemeinheit verstärkt werden (— sie sind gar nicht vorhanden, so wenig, daß ein biologisch konservativer Naturbegriff jetzt bei solchen Deutschen immer in der Nähe liegt und das »Integrale« der geschichtlichen Einzelheit und ihrer Accidentien aus Jenheit und Diesseit unmöglich macht —), sondern weil sie nur, außer diesem Naturbegriff, wie gemüthafte Rechtstümer bewahrt und, ohne stets und heute neu beschrieben zu sein, nur als allgemeine Weismittel gegen Andersgesinnte geführt werden. Es ist ein ethisches Weismitteltum in Kulturdingen, das jetzt biologisch rassenhaft betont, aber außerdem in der Hauptsache doch als eine Vereinbarungswirkung aus der Vergangenheit benützt wird (der Begriff des Erbes bleibt dabei gerne nahe beim Philisterhaften und Kleindeutschen anbehaust), nämlich als ein vereinbartes und vereinbarliches Wesen, das redehaft und nicht vor der allgemeinen Aufweisung worthaft schon einbegründet ist, und das — Geheimnis innersten deutschen »Wort«-schicksals — gerade doch dann nicht vereinbarend, sondern streitteilsam wirkt. Hier ist das tragische Schicksal auch im Formsinn einer zu sehr zur ethischen Vereintheit und Vereinbarkeit gewordenen Religion und christlich deutschen Weltanschauung. Sie trennt vor lauter Absicht der Vereinigung, und die Ausschaltung der Trennung zwischen dem Einzelhaften und dem Gemeindlichen, welche im »Worte« und in einer geschichtlich »dritten« Verwaltung desselben liegt, schafft eine nur noch ethisch vereinende Rede.
Inzwischen ist die gute Absicht um Hindenburg schneller, als man aus den Erfahrungen über Hauptpunkte des eigenen Erlebens auch für die Würdespannungen des öffentlichen Lebens folgern müßte, zwischen den Streitreden und Abfälligkeiten der beiden Hauptgegenrichtungen hinabgesunken. Es erhebt sich der Gedanke, worin denn der Wert all dieser sich Tag für Tag fortfütternden, meist ethisch gespeisten Verhetzungen nach einem höheren Sinne hin zu erfassen sei, und wie im Vergleich zum Naturleben das allgemeine Menschenwesen durch seinen Anspruch auf »Gutheit« oder »Besserheit« gegenüber dem Sein einer reinen Vorhandenheit benachteiligt sei. Gewiß ist hierin seit den Zeiten der humanistischen Idealisierung am allerwenigsten eine reinere Wendung eingetreten und die Geschicklichkeit zum ethischen Parteistreit ist vor allem der bürgerlichen mesótes zugehörig. Wenn die radikalistischen Gröblichkeiten abstoßen, so kann doch gerade die durch eine gewisse Wahrheitsnähe im Bildungssinne mehr zu einer Art von Disziplin ausgebildete mittlere Hetzrede um so weniger gewinnend sein. Wie viel ungezählte Kraft, die sich nie auf eine gezählte Berufung, auf einen graduierten Numerus des zeitorthaften Lebens, womit es in die geschichtliche Komparation eingeht, verdichtet, geht mit diesen Auseinandersetzungen, die keine Disposition, keine Verortung in der höheren Schwebe haben, verloren und in die Leere, und wie weit ist das öffentliche Leben von den Dispositionen oder ihren Angulationen in einem theokratischen Sinne entfernt. Gerade durch den logisch immanenten Staatsbegriff der heutigen Demokratie muß dies noch besonders deutlich werden, weil die Freiheit in ihrer Nächstheit mit der bloßen Verstofflichung der Geschichte noch gemeiner wird.
Katholische Köpfe sprechen ihrerseits von der mesótes des katholischen Gesellschaftsbegriffes, mit welchem auf eine gesunde Weise alle Radikalismen der Zeit und Politik vermieden würden. Anderseits ist eine solche mesótes aus dem humanistischen Idealismus, der zur liberalen Ära noch besonders gehört hat, in die Centrierung der demokratischen Weltanschauung hineingedacht; nicht bloß hineingedacht, sondern vermöge der apriorischen Eitelkeit des Logischen, die im vorgültigen menschlichen Allgemeinbegriffe immer vorankommt, mit ihr sozial verwachsen. Hier ist nun jener erstaunliche Fehlersinn zu finden, der es möglich macht, daß die katholische Gesinnung heute eine Hauptstütze dieser von allem geschichtlich Hierarchischen am meisten entfernten materialistisch demokratischen Zeitgesinnung scheinen kann. Ein katholischer Neutralismus, an dessen zuwartender Geschichtsbeteiligung das Verhalten des Staates in den liberalen Zeiten des neueren Deutschtums, wie schon angedeutet und wie ja bekannt, sich sehr mitverschuldet hat, ist dazu Schrittmacher. Diese — wie gesagt stark neutrale oder nur in der Haltung aktive, in der Bewegung aber passive, aus der notwendigen Oppositionsstellung gegen den Liberalismus mitentstandene — Festigkeit des politischen Katholiken steht im umgekehrten Verhältnis zu seiner konservativen Entscheidungsfähigkeit in den Kulturdingen (»konservativ« allerdings in einem neuen Sinne verstanden, nach welchem gerade der lauterste Fortschritt die stärkste Zurückkunft in sich hat). Und dieses Verhältnis hat sich nach der Revolution, wo die katholische Haltfestigkeit zugleich auch in der Bewegung der Geschichte aktiver zu werden schien, noch verdeutlicht. Die logische Immanenz des demokratischen Denkens mit seinem profitlichen Kulturoptimismus, welcher in dieser letzten Zeit am deutlichsten gediehen ist und das geistige Leben eingefangen und in einer geistesgewerkschaftlichen Art unifiziert hat, diese mesótes des falschen Logos hat sich mit der katholischen mesótes politisch parallel gebrauchen lassen. Und wie sehr diese beiden Mittelstellungen innerlich getrennt und im eigentlichsten einander feindlich sein müssen, darüber hat man in dem gleichen Zeitraum wenig innerlich und substanziell Begründetes zu lesen finden können.
Es kommt hier das Geschichtsgeheimnis herein, das für den katholischen Sinn entscheidend sein muß, daß der Begriff mesótes schlechterdings nichts mit einem liberalen oder sozialen Begriffe von logisch fertiger und immanenter Objektivität zu schaffen hat; daß er, wenn man ihn — außer einer methodisch-praktischen Gültigkeit im Sinne der »goldenen Mitte« — überhaupt festhalten will, mit dem Bewußtsein verbunden sein muß einer innersten Grenze und vertikalen Trennungslinie in ihm selber, durch welche — hier kommt das Geheimnis herein — jeder geschichtliche und logische Begriff erst die christliche Existenz bekommt, bzw. womit diese Existenz dem objektiven Mittelkerne voraus ist im Sinne ihrer Geschaffenheit um eine Lücke oder einen inneren Ausfall. Dieser Ausfall ist als geschichtliche Form gegen die neutrale Objektivität der im Menschensohne durch den Tod gegangene Logos, der den Inhalt der Kirche bildet. Diese Art eines Begriffes von mesótes ist, um nun schon angewandte Worte hier prinzipiell zu verwenden, zusammengesetzt aus einer Angulation und einer Proportion, die wie Verheißung und Erfüllung, wie Ereignis und Fortdauer, eine Gegebenheit und ihre Hinzufügbarkeit sind, welche um die Transzendenz wie Kräfte einer neuen Natur in der Zeit und so um die ewige Zeitangel spielen. Hier ergründet sich auch die Möglichkeit eines einzelhaften und eines nationalen Subjektivismus, der im Mittelalter war und der gegen die leere Objektivität die christliche Vorberechtigung gewährt.
Lästig ist in einem Augenblick wie dem gegenwärtigen, wo der katholische Reichskanzler mit stiller Förderung aus Eigenem für den nationalen Sinn eine neue Phase ein- und weiterleitet, wenn man Wendungen vernimmt, wie sie in der Redeweise des früheren Reichskanzlers Marx liegen, etwa daß der Katholik dem Staate sich zur Verfügung stellen und ihn lieben müsse, weil es dem Volke schlecht gehe; daß man dem eigenen Volke gegenüber die Nächstenliebe besonders betonen und daß man sich gewissermaßen ein Verdienst machen solle, wenn man außer seiner privaten Existenz auch noch dem Staate einiges zudenke. Als ob es eine solche Verteilung des Existenzgefühles geben könne, um es in zwei getrennten Büchern zu führen. Es ist in dieser Betonung von einer Christenpflicht, als ob einem religiösen Jurismus das natürliche Volksverhältnis fehle. Und wenn das auch gar nicht der Fall ist, so hat doch leider das geschichtliche Staatsverhältnis hier nicht den spezifischen Substanzbeitrag auch zur Bildung einer neuen Kulturkonkretion zu erwarten, welcher der unbezweifelbaren vielen, in diesem Sinne dem Staate zugestellten katholischen Arbeit auch das eingezeichnete katholische Zeitgesicht mitgibt, eine Zeichnung, die auch den besten Inhalt erst wirklich in die Begegnung der Gesichter öffnet. Indem man eine solche Redeweise durchaus lästig und rhetorisch empfindet, muß man um so mehr bedauern, daß der gegenwärtige katholische Reichskanzler vor allem eine Aufgabe der wirtschaftlichen Existenz zu lösen hat. In dem Anruf der kühneren Freiheiten der Politik und der konkreteren religiösen deutschen Weltanschauung würden auch erst die Wendungsmöglichkeiten vorkommen, hinter denen sich die neutrale bürgerliche Habensgesellschaft weniger verstecken kann.
Zu der Entwicklung des Reichskanzler-Vorschlages für Hindenburgs parlamentarische Amtsverlängerung und seines Scheiterns wird gesagt, daß Hitler die Verantwortung nicht gewagt habe, und noch mehr, daß der Volksführer Hitler gegenüber dem in den taktischen Künsten weit überlegenen Parteiführer der Deutschnationalen eine Niederlage erlitten habe. Sicher gibt es in der Politik mehr unwillkürliche Regungen, als bei der Formulierung der öffentlichen Wirkung nachher übrig bleibt, wo alles in die Streitteilung übermäßig aufbereitet wird und der Gebildetere sich den größeren Anteil sichern kann. Das Echo, das in der Natur vergrößernd ist und alles schöner macht, verkleinert die inneren Verhältnisse in der nahen menschlichen Gemeinschaft und läßt in den Teilformen des Rechtens die aktive Bewegung des menschlichen Sinnes verstummen. Die Gemeinschaft, wenn sie nicht auf den mütterlichen Grund gebracht ist, hat zwischen Laut und Stummheit nur die streitende Zwischensprache. So kommt auch von den größeren Dingen die echohafte Gewalt erst in der späteren Geschichte zurück und begint zu schallen, indem der Ton erst über einer Vernichtung die Bedeutung bestimmt, welche eine Zeitform in der unwillkürlichen Größe hatte. Also daß die ewige Stimme erst über der Vernichtung der Zeiten und über jeder anders hörbar wird, abgestimmt durch die Geschichte, wie durch eine in Schmerzen ewig werdende Mutter. Bis ein Nachsinn durch alle Mittelung zuvorgekommen ist; und so wollen sich die Stimmen der Geschichte auf den Ruf vom ersten Werde zurückholen. Wenn in der Politik sofort und nur jede reine Regung Echo bekäme, es wäre erst recht kein ewiger Friede, aber es wäre ohne die Formen des Rechtens, gewissermaßen ohne die intellektuelle Sichtbarmachung der Geschichte, wie eine Glocke der Schöpfung, in welcher sich das menschenschaffende Herz Gottes immerdar wie Tod und Leben zugleich offenbar machen muß. Die Geschichte wäre auf ein ewiges Schlachtfeld in der Zeit verkürzt, dessen kleine Dauerspannen immer im Ganzen widerklängen. Aber die Mutter, indem sie den Blick Gottes aushält, trägt alles stumm in der Länge.
Mit einem Schriftwechsel zwischen Hitler und Brüning ist die erregte Frage des künftigen politischen Einvernehmens in eine leere Spannung ausgegangen. Die beiden Schreibenden haben sich aus der Regung des Einvernehmens je auf ihre Partei und ihr Amt zurückgezogen, der Volksführer mit dem Ressentiment der Schärfe, das zu seiner Art gehört und das man, bis die Möglichkeiten zu fordern beginnen, wohl immer wieder erwarten muß; der Staatsmann mit jener Leidenschaft des Maßes, die wie eine schwächere politische Form wirkt und die bei den Katholiken besonders deutlich werden kann. Man kann sie geradezu als eine katholische Eigenschaft in der Politik bezeichnen, besonders wenn diese jetzt stark aus der Parteibequemung durch Brüning heraustritt, einen wie unter eine Verbriefung zurückgelegten Handlungswillen, der dadurch immer zuerst als ein Rechtswissen und eine Norm erscheint, welche, indem sie die Vereinbarung des Rechts wie einen eigenen und allgemeinen Leib behauptet, die Glieder des Rechts nicht rührt. Es ist, indem man etwa im Vergleich mit Stifters »Witiko« Freytags »Ingraban« liest, in der bei Freytag ältlicheren romanhaften Behandlung des christlichen Sinnes um die Gestalt Winfrieds, des Apostels der Deutschen, immerhin gerade durch die liberale Anschauung stoffdeutlich gemacht diese »Unzulänglichkeit« des Christen, die — man möchte seinem Gefühle nachgeben — auch vor dem göttlichen Throne, indem ich mehr den Thron des Dreifaltigen als die Eigenschaft des Vaters, mehr also auch den geschichtlichen Prozessus als die natürlich-humanistische Vergleichung betone, etwas »Genierliches« hat. Es ist dies eine gewisse Demut im Rechte des Sinnes, welche den Sinn mehr in der Vernunft als im Durchbruch erhält, und welche, wenn sie liberal verdeutlicht wird, mehr als ein frommes Eigenrecht, denn als ein steter Prozeß, mehr als eine Selbstbindung, denn als eine große Ausgebundenheit erscheint.
Der Gedanke kommt wieder auf die Frage nach der Kunstform, das ist Weltform des »Witiko«, auf die Frage nach dem Vorgebot, welches der ethischen Vergleichlichung entgegen sein muß, welch letztere dem klassizistischen Denken und der entsprechenden bürgerlichen Charakterverstofflichung übrigens wesentlich nähersteht als dem christlichen, auch wenn dieses bloß praktisch ist, — dem Vorgebot also, welches immer die nächsten Umstände nimmt und mit ihrer »Auswendigkeit« mehr arbeitet als mit der »Verbriefung«. Dieses Auswendige ist bei »Witiko« das christlich-tätlich Entscheidende; es ist der Anfang des Rittertums, das heißt eines Standes, der, indem er die Verbriefung ohne weitere Vereingleichung besitzt, alle Glieder gewappnet und tätig bereit hat. Es ist das Geheimnis auch einer nicht nur ad hoc tätigen Handlung und Rüstung, sondern des Habitus des Handelns. Es ist der tote Sohn der Mutter in die lebendigen Glieder fortgesetzt, und dies ist eine komparativische Erhöhung des Geschichtlichen. Aber wie ist dies heute in die Tat zu bringen oder zunächst nur vorzubereiten? Und indem Brüning auf die Popularität der vorausgewesenen Kanzler, welche in den besonderen Profiten der Volksmeinungen nach der Revolution standen, verzichtet hat, ist er mit dieser »verbrieften« Haltung des religiös und aus sich ehrlichen Menschen in der Spannung dieser Tage ein Mensch und Gesicht des Augenblicks, und er hat etwas von jener tätigen Ertragung, welche wartet.
Die Wahlfrage hat sich inzwischen belebt. Nach einem weiteren Briefe Hitlers mit der Hinweisung auf die Tatsache, daß die heutigen Wähler Hindenburgs seine früheren Bekämpfer sind (des rührend naiven Beispiels des großen Malers Lovis Corinth, der damals auch Marx wählte und ein Opfer also der demokratischen Pressemeinung sich selbst in seinen Erinnerungen festhielt, muß dabei gedacht werden), ist jetzt die Bewegung der Mittelparteien durch Aufrufe von München und Berlin in Fluß gekommen. In den Aufrufen sind die Namen der künstlerischen und literarischen Vertretung zum Teil Vorkriegsvertretung und haben keine Fortsetzung in einen neuen Kultursinn, der doch inzwischen überall die Zeit umbesetzt hat. Ein beträchtlicher Teil könnte auch als a. D.-Partei bezeichnet werden; und sonst ist viel innerlich Unvereintes zum äußeren Zweck vereinigt. Wenn diese Bewegung für das bonum commune geschieht, so ist die Frage, wie das bonum commune ohne gemeinsame Weltanschauung sich begründet. Worin, wenn nämlich der Sinn aus dem Zeichen her seinen Inhalt wählt, besteht es, wenn es ohne ein anderes Stigma ist; was ist seine Angulation und welche Proportionen sind auf diese hin richtbar und ihr anfügbar? Das heißt auch: welche eigentlich christlichen Eigenschaften sind auf den Staat anwendbar, und sind hier noch solche vonnöten? Wenn nämlich der Staat nicht mehr jene »Lücke« des Unrealisierbaren bewahrt, welche oder deren Garantin die Kirche ist, an welche Lücke heran sich alles erst eigentlich proportionshaft realisiert; wenn also dieser notwendige »Mangel« im Irdischen ersetzt ist durch eine bloße sozial-nützliche, menschlich gründbare »Bekernung«, wenn also die Angulation im Innern verloren ist, kann sich dann noch eine christliche Proportion dazu bilden?
Könnte man von hier aus auf die Frage übergehen, wie unser heutiger zeitgemäßer Kirchenbau aussieht oder wird aussehen müssen? Aus den neuen, stark pietistisch neusinnigen Kirchen sind hauptsächlich die krafttragenden Dividualmerkmale wie voran Kapitäle, dann die in den Raum aus der Angulation oder Justitia des Rückens tretenden Formfigurationen geschwunden. Der Raum zwingt sich nicht zu der herausgestellten Proportion und Korporation, er ist nicht in sich dispositiv tätig.
Ist, wieder politischer gesehen, der Katholizismus dazu bestellt, ein allgemeines menschliches Bonum aufrechtzuerhalten, das vielleicht, je mehr es, auch nach einem demokratischen, geistig technischen Zivilisationsoptimismus betrachtet, noch Erfolge haben mag, um so weniger sich in einen christlichen Formbegriff transfigurieren wird? Denn die zivilisatorische und humanisierte Substitution eines Naturbonum in ein immanent bleibendes Vollkommenheitsideal klassizistischer Art, diese menschlich restlose Emendation an sich selber und demgegenüber die Erwartungsstruktur in der christlichen Transfiguration, welche nicht emendiert, sondern zugleich verläßt und übergreift und welche so die göttliche Ordnung, den Ordo des Planes in der Welt aufstellt als eine Disposition im Dritten, welche hinsichtlich einer zukünftigen oder heiligen Ganzheit aus Dividuation besteht und also aus den partikularen Verwesentlichungen sich herbeisinnt, diese Gegensätze sind heute und künftig prinzipiell.
Wie doch die Präsidentenwahl diesmal allgemein das Gefühl von entscheidenden Meinungen und Dingen aufleben läßt, welche viele verschieben möchten!
Wenn man das künstlerische Gesetz als eine innere Planschaft Gottes in der Geschichte gegenüber der substitutiven Autonomie des Humanistischen empfindet, erfährt und sich erweisen sehen will, können sich die inneren Instinkte gegen die Theorien von Völkisch-Nationalen, wenn sie die Kunst auf eine Zuchtgrundlage aus der Natur positivistisch legen und über die Resultate autoritär entscheiden wollen, empören wie mit Naturfibern. Es gibt hier nichts aus der bloß »positiven« Natur, welche in eine noch viel äußerlichere Ergänzungstendenz gebracht ist als bei den Bildungsleuten des Humanismus, gegenüber der in der Geschichte sinnbildhaft eingeschlossenen »Natur« Entscheidbares. Es ist das Naturgemüt in der einzeln freien Einrichtung seines Erkenntnis suchenden Selbstbeschlusses, das sich wie entzündet in Erwehrung begibt. Hier also die Kommandostimme von Unverständigen gegen das innerste Reis der geschichtlichen Lebenswahrheit in der Kunst. Anderseits liest man heute etwa in einem katholischen Studentenorgan, wie man sich darin mit einer Art liberaler Genugtuung dagegen ereifert, daß im »Dritten Reich« die Freiheit der Wissenschaft nicht mehr gelten solle. Also von dieser katholischen Seite her tritt man heute für die wissenschaftliche Autonomie ein, deren Ansprüche man in den Kämpfen gegen die »Voraussetzungslosigkeit« vor dreißig und mehr Jahren heftig zurückgewiesen hat. Noch klingen die Ohren davon nach.
Seit den letzten Tagen liegen die Einzeichnungslisten für die Kandidatur Hindenburgs auf. Man ist im Anblick des gemeinschaftlichen Handelns, im Anblick überhaupt eines nicht im innen-eigenen Zwecke, sondern im koordinierten Meinen gemeinsam gehenden Tuns von Menschen, noch mehr in die Zweiteilung des Gemüts gesetzt, welche auch eine Zweiteilung des Willens ist: einmal das Kommune von Menschen, die auf dem mittleren Wege das Dauernde wollen, das etwas »Gutes« ist, zu betrachten und zu schätzen; anderseits den Rechtlichkeitsbegriff, in dem dies hauptsächlich steht, nicht mit einem näheren Gerechtigkeitsbegriff gleichsetzen zu können. Indem man schreibt, daß die gewollte Dauer des mittleren Daseins etwas »Gutes« sei, indem man damit eine Empfindung ausdrückt, daß im allgemeinen die Vorsehung, was sie auf Dauer stelle, zugleich auf Erträglichkeit stelle, also daß sie den Menschen auf die Dauer nicht über Kraft versuche (auch das kirchliche Vermeiden des scandalum pusillorum gehört noch hierher), so wartet doch im Hintergrund bzw. bei der täglichen Erfahrung aus nächster Nähe das andere notwendigere, reaktivere Gefühl der Gerechtigkeit, in welcher die Faser der Natur sich mit der Kante des Umschlags oder der Entscheidung, das Empfindende mit dem Willentlichen angulativ decken oder gleichstellen will, dies Bedürfnis, das nicht nach Dauer geht, sondern diese in den Umschlägen der Augenblicke bricht, wie der Kirchenraum des frühen Mittelalters durch die Pfeiler gebrochen worden ist. So war denn auch der romanische Raum mehr ein Kampfraum im Umschlag als der spätere gotische Raum, der immer mehr in seiner longitudinalen Vergemeinschaftung sich vom Umschlag am Pfeiler lösend ein Barmherzigkeitsraum war. Dieser Barmherzigkeitsraum, zu einer Ausgestaltung gesteigert, welche sich immer mehr rhetorisch bürgerliche Begrifflichkeiten und Sichtbarkeiten einverleibt gegenüber der reinen gegenwärtig-transzendenten Umschlagsform des früheren Raumes, ist von einem Dauersinn, der heute noch im christlichen Traditionswesen immer wieder benützt wird. Aber auch der romanische Raum hat einen festungshaften Dauersinn, welcher nicht bürgerbegrifflich vermittelt ist, sondern paradox zugleich irdisch schärfer und zugleich transzendenter. Handelt es sich also darum, den Dauersinn der »annektierten« Barmherzigkeit zu erhalten, in welcher sich das Menschliche vom »Umschlag« weg ins Gemeinsame und Bleibende entfernt und mehr schließlich die rhetorischen Sichtbarkeiten des Raumes (sich in vielen Visibilitäten begegnend) verknüpft; bei der aber ja gerade die geschichtliche Religionskatastrophe eingetreten ist? Oder wie — da solche Erhaltung nicht dem Ich anheimgegeben ist — kann durch Spaltung zwischen sich selber, mehr Spaltung als Gemeinsamkeit in Raum und Mensch, eine Form des Dividualen hergestellt werden, welche die Notwendigkeit des »Nein« in der positiven Dauer mitenthält? Hier ist das Kulturprogramm wieder nahe, nämlich die Frage nach der methodischen Form oder nach dem fortlaufenden Ordo zwischen Ja und Nein gegenüber der bloßen neutralen »Ja«-Position des Humanistischen, welche den Ordo des »Nein«, oder die in sich gestückte Abwehr gegen eine im bloßen Ausgleich vollendbare Lebensform, nicht hat.
Hier kann man sich auch die Frage herstellen, wie es möglich ist, daß die Negationsformen zu den Positionsformen zusammengebracht werden können, daß die steg- oder kantenhafte Trennung dazwischen im frühen Mittelalter wirklich und vorhanden war. Es ist keine ethisch angeeignete Frage in dieser Trennung, sondern eine methodische, ordohafte. Diese kanten- oder umschlaghafte Hauptvorhandenheit ist, wenn die Hauptbeziehung des Lebensgedankens auf die Gemeinschaft gerichtet wird, nicht möglich. Sie ist in der Spätgotik gewissermaßen als eine technischere Sichtbarkeit aus dem ursprünglichen Bauereignis herausgetrocknet und bloß »schrifthaft« geschichtlich geworden. Die Gemeinschaft kann nicht ohne die ethisch hypothetische »Position« des Guten als eine Dauerbehaltung und Selbstbezweckung in ihrem eigenen Zeitschoße auskommen und sich fortbauen. Das frühe Mittelalter aber hatte nicht die Hauptrichtung auf das Gemeinschaftliche und Selbstzweckliche in der Zeitdauer, sondern seine Form war innerhalb solcher Grundspur »gekantet« im Umschlag zwischen »Einem« und Allen, Lücke und Gemeinschaft. Ihr Ordo steht nicht in Proportion zur Gemeinschaft und auch nicht zum Einen, sondern er setzt die Angulationen dazwischen. Der »Eine« ist deshalb statt Gottes zwischen Allen, die (im Doppelsinn) »enthaltende« Lücke. In diesem Doppelsinn ist auch der Begriff der Schranke in der christlichen Kunst als Innengrenze eine wesentliche künstlerische Funktion.
Aber was ist dann in diesem Sinne Methode? Sie ist kein Begriff der Logik, sondern des vorausgehenden Rechts. Es ist darin nicht nur ein Ponieren, sondern auch ein Negieren und im Wachsen zugleich ein Diminuieren, um gegen Allgemeinheit die Einzelheit zu rufen. »Jener« oder jenes »muß wachsen«. Das ist das Leben der Geschichte aus einem »trotzdem« oder Gegensatz.
Wie sich gegenüber dem anfänglichen Begriff der Ehre, in welchem man die politischen Dinge vor allem begründet sehen möchte, die politischen Praktiken auch mit Hetzen und Winkelzügen in den Vordergrund bilden; dies geschieht mit Vergessen des Ehrsinnes, wenn der Begriff der Allgemeinheit im Vordergrund steht. Wie das Abhorchen der Menge einesteils im Nachsinnen etwas von der Teilnahme am geschichtlichen Rätsel hat, anderseits im Gebrauchen aber auch unmoralisch ist; dies lenkt auch darauf, welchen Sinn die Gesellschaft als Bewahrerin hat, daß nämlich der »Plan« nie wirklich konkret erfüllt wird, sondern eine Lücke bleibt, den oder dessen unerfüllten Innenraum die Gesellschaft bewahrt und durch die Zeit trägt, während nur der einzelne ihn erfüllend ihm zugleich erliegt; daß aber die Gesellschaft in ihrem Konkreten immer eine Verderbung des einen Notwendigen, ein »außerhalb des Planes« ist. Sie müßte sich denn mit »Kirche« decken können und nicht mehr das Säkularisierte sein. Im Säkularen liegt aber doch die Möglichkeit der geschichtlichen Sichtbarkeit; und der ghibellinische Anspruch, die weltlichen Dinge proportional zur Lücke zu ordnen, dieser Dante-hafte Sinn ist in seinem kaiserlichen Proportionsgefühl zum Kirchlichen als stärkster geschichtlicher Ehrensinn zu verstehen, wogegen der guelfische Allgemeinsinn, indem er die säkularen Proportionen zur Seite zu schieben geneigt ist und zwischen Kirche und Volksgemeinschaft eine direktere und ungebrochene Linie herstellt, dabei leicht dem verderbenden Dauersinn der Gemeinsamkeit einen Vorschub zu leisten scheinen kann.
In der Dreiteilung von Papst, Kaiser und Volk, der mittleren Lücke oder rein richtungsmäßigen und stellvertretenden Vorhandenheit gegenüber dem Säkularen, den assistenten kaiserlichen Umschlagskräften, welche den blinderen Ordo zugleich inkorporieren, und dann dem allgemeinen Zudrang, der daran sehend wird, besteht die mittelalterliche Bauförmigkeit der sichtbaren Kirche. Hier horcht man nicht auf das unbestimmte Volk, sondern hier steht es in dem Rätsel der Geschichte durch die dem Horchen vorausgegebenen, sichtbaren Dividualitäten der Ehre. Die Geschichte hat gegenüber dem einzelnen, welchem der Ruf ins Innere geht, die Sichtigkeit als ein komparativisches Mehr voraus.
Man kann aber verstehen, daß, nachdem der größere dispositive Ordnungskomplex aus der Geschichte gewichen ist, der »guelfische« Rechtlichkeitssinn zu den heftigeren säkularen Streitrechten einen inneren »erbe«mäßigen Gleichlauf gewährt. Den politischen Tagesbetrieb wieder betrachtend, kommt man indes doch heute stets wieder auf die andere Frage, ob sich die demokratische Exuberanz, die sich selbst ins Recht setzt, nicht wieder aufsaugen muß und daß also das christliche Rechtsgefühl, wenn es innerhalb der Fruchtbarkeit der Geschichte doch nur einen inneren Platz beregeln kann, sich in eine schärfere, rekluse und exkludierende Form zurückstelle, welche nicht in das bonum commune fortgegeben werden kann. Es ist die geistige Erscheinungsform der Zeit, daß das Rechtliche der Kirche, so fortgegeben, einen gewissen Gegensatz für die Gesinnung hat zu den säkularen Mächten, die zu Diktaturen etwa drängen, welche das verbürgerlichte Ganze mit neuen Teilheiten durchsetzen wollen und an neuen geschichtlichen Proportionen wirken. Es ist dies dem Unerfahrenen eine schwierige Frage und sie ist hier auch nur zu sagen versucht, um einen richtungsmäßig größeren Überbau für die kleinere Frage zu haben: Wie kann die »Zelle der Rechtlichkeit« vom allgemeinen Nützlichkeitsrecht abgetrennt und von den Nutznießern der religiösen Erhaltung, während sie doch am Kern des christlichen Sinnes ganz unbeteiligt bleiben wollen, von der ganzen liberalen a. D.-Partei und dem demokratischen profitlichen Menschheitsformalismus reiner geschieden werden. Denn die Unreinheit der Mittelrichtung ist zur Frage der Zeit geworden. Wie kann nun die Zelle der Rechtlichkeit wieder umschlagen in die Wiederkehren des göttlichen Planes gegen das »Menschliche«. Im künstlerischen Sinne weiß man heute von einer Umkehr aus der angewandten Ganzheit, wodurch der Sinn neutral geworden war, zu den grundwahrenden Teilungen, welche die Inständigkeit schärfen.
Ob nicht — auch ohne Beschäftigung mit den Angriffen in dieser Richtung kann der Sinn auf einmal darauf kommen — der Gedanke und damit die politische Periode der Notverordnungen ein zu sehr bloß mittlerisches Verhalten, d. h. auch aus dem Rechtlichkeitssinne geboren und politisch deshalb mit anspruchsvolleren Entscheidungskräften in Konflikt? Wenn er für diese Zeit als Sinn einer mittleren Konservation notwendig — vieles und vielleicht in der Zukunft unbedankt haben die Katholiken hierin getan —, wie muß dann der nächste Schritt sein? Auch dies geht wieder auf die Frage: Wie nimmt sich der Katholik die geschichtliche Dignität zum eigenen Gesetze, wie kann er aus der ausgleichenden Tätigkeit in die komparativisch fördernde übergehen? Wie geht er zu diesem Zwecke nicht ins Allgemein-Vermittelnde, sondern ins Eigen-Besondere, um mit diesem Schritt ins Inbildliche die Spannung um das eigene Wort durch das »Auswendige« zu erbauen?
In der Abstammung aus dem kleinen Katholizismus hat man eine naturartige Neigung für das Rechtliche und ethisch Mittlerische; allerdings, indem man hinter diesem »Naturartigen« einen strengeren und nicht bergenden Rechtsgrund vorhanden und aufgetan fühlt; den Grund des Daseins wie eine Nichtschlüssigkeit der Erde und deshalb vor diesem die eigene Geltung des kleinen Mannes, der zwischen Mäßigung und Vergeltung eine kleine Rachespannung gerne empfindet. Denn wer ist auch im Größeren, geschweige im Nahen und Kleinen, so rein bejahenden Sinnes, daß er wie Maria nur die Dinge ansieht, und in seinem Herzen sammelt. Es geht nun darum, gegen diese Spannung das Vorgebot zu ergreifen, d. h. den Grund als Bindung gleich einer blinder vertrauten Freiheit in sich zu nehmen — so wie man den Glauben nicht verstehen kann, aber verstehen kann, welchen Glauben man hat; und mit diesem starken Vorgebot eine über das mittlerisch Notwendige hinaus glückliche Einseitigkeit zu finden.
Jene kleine private Spanne ist aber heute zwischen Mäßigung und Vergeltung auch als öffentliche Form und Neigung heftig vorhanden. Angesichts des Egoismus, besonders auch des nationalistisch selbstfertigen, der Parteien wird diese Neigung zur Abneigung gegen das bürgerliche Vorhandensein überhaupt angeschoben; dieses Zeitgefühl, das dem bürgerlichen Gefühl, obwohl man einsieht, daß in der bürgerlichen Mitte alle größeren Herkünfte ihre Verschränkung gefunden haben, immer stärker sich verfehdet findet. Indem man etwa, zum Zwecke wieder des Vergleichs mit Stifter und auch von einer nationalen Zeitgesinnung zurückgeführt, die romanhafte Ahnenkultivierung G. Freytags liest und bei Bereitwilligkeit zur Anerkennung der immerhin noch gegenüber heute größer gearteten Gängigkeit mit dem Geschichtlichen doch in der Ausmündung auf einen journalistisch-bürgerlichen Liberalismus — als ob man das Erbe des Volkes besitzen und ausnützen könne — diese bürgerliche Formbewegung erkennt, in welcher sich eine etwas ausgedachte Förmlichkeit und Umständlichkeit der Gesinnung mit romanhaften Aktivitäten der Selbstverpflichtung verbindet, fühlt man heute immer noch zwischen den Fassaden der bürgerlichen Gegenwart wie in einer Menge von profilierten Engigkeiten, die alle ziemlich gleich sind, diesen Zustand, der seine Rechtsformen nicht anders rechtfertigen und im Kampfbrennglas vergrößern kann, als indem er sie in die Zustände studentischer Verklemmung überführt. Ethisch förmliche Verklemmungen, ohne den »auswendenden« großen Zeremoniensinn Stifters, werden bürgerliche Inhalte und haben weder Boden (dafür eine archäologische Geschichte) noch Luft von oben (dafür die verstofflichten Reste oder Charaktere des deutschen Idealismus). Das heißt, die Lichthaftigkeit aber Luftlosigkeit des deutschen Idealismus hat sich auf »Charaktere« zurückgezogen, hat diese bürgerlich versteift und weltanschaulich eingetrocknet.
Übrigens hat die geistige Wechselweise zwischen Jugend und Mannheit bei den Gebildeten in der Zeit des späteren letzten Jahrhunderts bis in unsere Jugend herein, da sie zwar eine fortbeharrende Manier studentischer Förmlichkeit in der politisch-gesellschaftlichen Mannheit war, doch eben umgekehrt die jugendlich-studentische Förmlichkeit von Erwachsenen her gespeist und das im Jugendverstand proportional verklemmte Gesellschaftsbild war doch von kräftigen Bürgerbegriffen festgemacht. Dagegen wurde heute der Begriff des Männlichen vielfach aus schnell sich verältlichenden impressionistischen Bedürfnissen her juvenilisiert und dies entspricht auch im Sinne der menschlichen Kosmetik der heutigen Demokratie ihrer stets untermitläufigen Abneigung gegen das wirkliche Politische. Während jene ältere Art mit ihrer Förmlichkeit zwischen Gebildeten und dem weiteren Volke eine Kluft machte, die durch den Beamten repräsentiert war, blieb doch der Sinn des Volksstandes vorgültig. In diesem demokratischen Ästhetizismus des Lebens verfällt aber der Stand zur Geistesklasse und diese verlegt ihre Standlosigkeit nach links. Heute, da der Radikalismus von rechts ihr vor allem fürchterlich ist, hängt sich der gleiche Geist mit Pietismus an die Mittelparteien an. Aus solchen Gegensätzen zu sich selbst getrieben begreift sich auch wohl jetzt die radikale Wendung der Jugend.
Wenn man glaubt, daß alle größeren Herkünfte der Welt sich zuletzt in einer bürgerlichen Konkretion verknoten und daß es heute zu dem entscheidenden bürgerlichen Problem gekommen ist, was nämlich mit und nach dieser Verknotung geschehen würde — vielleicht, da doch der wirkliche geschichtliche Plan oder Inhalt ein Mangel und eine »Lücke« ist und der innerste Kern also der fordernde Inhalt einer ihn umstehenden Angulation — vielleicht ist also diese bürgerliche Konkretion doch nur in einem bestimmten Sinne festzustellen, aber in keinem größeren Sinne anzuerkennen. Nämlich gegen den liberalen Menschen, der sich in die Stelle der Angulation einsetzt, indem er nun seine idealförmliche Mitte einnehmen wollte, war das »Auswendige« schon sozial wieder anders verschoben. Es kann sich auch der bloße Knoten des Kelches ohne Kelchmund und Fußrunde nicht bilden. Die Dinge kommen zuvor, die um das Menschliche sind (dies ist übrigens immer auch eine besondere deutsche Bildtatsache gegen die klassische Aktsinnigkeit), und während in der humanistischen Entwicklung man diese Dinge des »Auswendigen« als neutrale Gebiete abgestellt hat, kommen nun ihre entscheidenden Zuvorkünfte um so schärfer in die Tage.
Ist dies aber nicht auch ein germanischer Sinn mittelst der Dinge in der Welt, gegenüber der humanistischen Ausbeutung aus Zentralbegriffen her, wo der Einbruch in den Kern nicht anerkannt ist, der christlich bewußt wird und germanisch im Natursinne, wenn nicht gewußt, so doch als ein Vorgebot gegen die »gekonnte« Schöpfung ihr entgegenwaltet? Dieser Einbruch macht die Möglichkeit der Zuvorkunft des »Auswendigen«. Er ist sogar der eigentliche Grund der äußeren Sichtbarkeit wie der geschöpften Dinge so noch mehr der regulierten Geschichte in der Kirchengestalt und ihrer Ausbildung von innen, die keine humanistische Emendation ist, sondern eine rein kämpfende Spannung in Zuvorkommungen und Verschiebungen.
Nachdenkend über den Sinn des Maßes als einer Notwendigkeit zur politischen Stärke, kann man die komparativische Möglichkeit unter dem Bilde eines Lagers von Söhnen um eine stetige und heimliche oder offene mütterliche Vorhandenheit empfinden. Eine leidende Mutter, im Nachgesichte der abtrünnigen Geschichte wie verwandelt, kann nicht die Kraft der Ausübung empfangen. (Es fiel mir plötzlich die refrainartige Empfindung aus meinem Prosastück »Genannt Bona« ein, mit dem Worte: »Die Mutter aber, um unter der tieferen Bahn des Himmels zu ruhen, muß alles Geschehen erleiden und kann nicht empfangen.«) Da beginnt das brütende oder tätige Maß der Söhne vom leidenden Inbild weg maßlos zu werden. Der komparativische Sinn des Inbildes ist ohne Selbsthilfe (und ohne Maß und Hilfe, wenn nicht im Grade zu ihr die säkularen Angulationen gestärkt werden); und die Entdeckung der leidenden Mutter gibt ohne Angulationskräfte den Proportionen nur immer stärkere Zwangswege der Freiheit. Ist dies nicht so mit dem Leidenssinne und dem Marianischen Inbild als einer doch noch in letzter Schönheit geöffneten Ohnmacht des Nachmittelalters bei Grünewald? Hierin ist eine geschichtliche Brechung gewesen wie zwischen Mutterschaft und Vaterschaft. Dann hat sich ein neutralisierter Vaterschaftssinn gegen die Kirche gebildet, der seine freien Söhne wählt und wieder verzehrt. So, ins Vaterschaftliche gerückt, ist auch die Katastrophe der russischen Revolution in dieser Zeit, die der Sinn des Dostojewski vorgefühlt hat, der aber auch am Mutterschaftlichen leidet und den viele unserer bürgerlich positivistischen Deutschen nicht ertragen mögen.
Die katholische Kirche ist öffentlich nicht in dieser Form des leidenden Zustandes. Sollte sie einmal oder wieder zu dieser entblößten Inbildhaftigkeit gelangen müssen? Oder lebt sie in zwei Formen, einer heimlichen und einer öffentlichen, welche Bewahrung ist (und aus der heimlicheren Form schufen sich früher die Heiligen)? Aber wie, um dem Leidensübermaß Entgang zu bieten und ein stetes komparativisches Maß für ihre Söhne hinein- und herausgetragen zu finden — denn in der weiten Bewegung zwischen Innenheit und Außenstand hat die Form des romanischen Schreines das festeste Haus bedeutet — kann man den eingangs gesuchten Begriff der komparativischen Möglichkeit ihrer Militia heute vielleicht gesetzhaft ersehen? Ob nicht vieles in der politischen Anwendung eher auf Söhne einer konservativen Ecclesia dijudicans statt militans schließen ließe? Und der Charakter ihrer politischen Söhne ist dabei nicht inbildlich geschwächt oder gesteigert (nicht gewissermaßen an der Kirche krank) in solcher komparativischen Entsprechung, welche stärkere Vorhandenheiten bringt, als die in dem bloßen Zustand der Gesellschaft gebildet werden. Der offiziellere Charakter der Söhne wendet für dieses maßgebende innere Desiderium eine »objektivere« Verhaltungsweise an; er hat gewissermaßen kein solch innerlich geöffnetes Ohr, welches auf die stummere Mutter horchend den Blicken und Richtungen der Söhne eine heftigere Bewegbarkeit gibt; sondern eine etwas neutrale Waage zwischen Blick und Wort und ein Geschick des bloß »Objektiven« bleibt mehr in der vergleichlichen Methode des Zweckes als in der unvergleichlichen Wirkung der Substanz. Wieder: wie ist es möglich, ein dijudizierendes Ausgleichen fortzuführen in ein militantes Dividualisieren des neutral Mittlerischen? Wie wird eine Politik, die sicher ist in der Diskussion, arbeitsbestimmt und vorsichtig durch Konjekturen, verhaltsam zwischen allen, und um dies mehr innenpolitisch in alle Teile greifend als außenpolitisch durch Gewicht in einem Teile die anderen Teile bestimmend, wie wird eine Politik, die mehr im unkreaturierten Gleichgewichte arbeitet, dazu kommen, den bewegenden Inbegriff, der sie ist oder den sie vertritt, selber so zu stärken, daß er nicht ausgleicht, sondern selber der Teil wird, mit dem sich die anderen Teile in die Waage setzen müssen?
Indem man solcherart Vorhandenes oder Mögliches bedenkt, muß man sich doch alsbald verbieten, zu sagen »die katholische Kirche«, da man Parteiförmigkeiten der Geschichte nicht von der Kirche aussagen soll, welche nie in ihren Grundbegriffen mit Begriffen der Menschheit proportional gleichsteht, sondern welche allein jene eigentliche geschichtliche Angulation hat, von der die Menschheit ihre Empfängnisse erst wieder hernimmt. Es ist da das Paradox, daß, obzwar die Kirche geschichtlich gekommen ist, man sie nicht geschichtlich ergründen und beispielsmäßig beurteilen kann, während die Menschheit, geschichtlich unbestimmt und mit ihrer Natur zusammensehbar, doch nicht von der Natur, sondern durch die engere Geschichte in ihr selber ins Beispiel gerückt — und so im Abstand auch mit ihren großen Parteiungen — zu beurteilen ist. Es ist der Ordo der Geschichte, den wir nicht ergründen können, wie auch nicht seinen geschichtlich in der Fülle der Zeit eingetretenen Ingrund, aber dessen Verschiebungen für uns die Visibilität der komparativischen Möglichkeiten und ihres Planes bedeuten.
Diese Verschiebungskraft in der Visibilität ist der Ordo der aktiven Kontemplation. Der Ordo ist kein einmaliger, stetiger logischer Status, sondern durch das Mysterium der Geschichte, welche so wenig logisch ist wie das Mysterium iniquitatis, beginnt die Möglichkeit der aktiven Kontemplation, deren Spannungen den eigentlichen geschichtlichen Inhalt bilden, der rein durch Ordo die Figuration einer geschichtlichen Substanz darstellt, ohne die daraus dann allerdings resumierbare bürgerliche Ethisierung. Die Causa der Geschichte ist in diesem Ordo mitinnen; es ist wieder das Paradox, daß sie ihn speist, also den speist, der sie erst in den Grund setzt. Die Speisung des Unsichtbaren geschieht durch das Sichtbare wie durch eine »Hinderung«; dieser inkorporierende Sinn des Christlichen gegenüber dem bloß gebrauchenden und anwendenden Menschlichen. Diese Hinderung, dieses Sichtbarmachen des Invisibile durch eine Hinderung, durch eine Erblindungsform, welche Geschichte bedeutet, so daß also die Geschichte gleich ist oder sichtbar ist als geschichtliche Wandlung einer Blindheit, einer an sich fortgereiften Erblindungsform für das Unsichtbare; dieses Wirklichkeitsverhältnis gegenüber dem baren Menschlichen bestimmt den Sinn des christlichen Epimetheus. Ihm ist die Tat eine »Nachvorwegnahme«.
Und wie steht er also in seinem Sinne zu Pandora und zu der Causa der Geschichte? Und hat er sich zu hüten vor dem Geschenk, das zuletzt ohne Hoffnung ist? Oder bleibt für ihn die Hoffnung nicht zurück am Grunde der herausgeschütteten irdischen Dinge? Die Hoffnung ist jene Reinheit, jene letzte Gabe der Pandora, welche nur immer im Nachkommen ist und welche nicht gegeben werden kann ohne den Zuvorkommenden. Was ihr zuvorkommt, ist noch eine Art blinderes Vertrauen, diese Spaltung in sich selber, mit einem epimetheischen Vorgebot ins Christliche übergesetzt; dies ist der Inbegriff einer Komparation in ihr selber. Die Marianische Causa der Geschichte und ihrer Reinheit, ihr gegeben und dem Menschen unaneigenbar, sondern zwischen »Einem« und Allen stehend als die herabgesenkte Erblindung des Vaters im Sohne, durch den barmherzigen Liebesblick auf Maria eingesenkt in die Ohnmacht der Geschichte, dies ist das Inbild, das sich selber nicht gibt, aber es ist als Braut in der Kirche. Die Causa ist als Marianische Gratia vorweggenommen und diese menschliche Unangreifbarkeit gibt die Kühnheit in der christlich-epimetheischen Nachvorwegnahme gegen den Menschen; ein Schicksalssinn, der ebenfalls Tragik hat, aber durch sich selber nie einen Untergang. Die Macht der Söhne aber bleibt im epimetheischen Nachbild ein lebendiges Maß um die tote Sohnschaft.
Also ist wichtig, daß die Causa nicht überhand nehme, die statt der »Lücke« der Geschichte sein will, daß sie nicht logisch sich voran behaupte, statt geschichtlich im »Nachdenken« zu sein, daß sie als Causa doch in die Nachfolge trete, um nicht die Geschichte zu verstofflichen, und daß sie ein Sinn bleibe und keine These. Dies als »Causa-selbst« in die Nachfolge zu treten ist die Geschichte und ihr Wesen eines christlich-epimetheischen Denksinnes.
Die Söhne der katholischen Mutter, so lange sie nicht stärker zum Inbild kommen, treten auch nicht stärker in die zeithafte Ausbildung. Sie nehmen mehr mit einer Reserve an der ethischen Summierung teil als an der Komparation in den Formen. Es kämpft in der Welt eine mehr gedachte vaterschaftliche Ruhe mit einer mehr verwirklichten mutter- und sohnschaftlichen Bewegung. Aber ohne die Erblindung in der Mutter ist das Vaterschaftliche neutral geworden und hat sich aus sich selber entstürzt. Und die blindere Form ist geschichtlich unter der Vorsehung in Schmerzen die ruhigere.
Das leichtere Brennen der Neugier geht nun in den schweren Ausbruch über, wo das Feuer von seinem eigenen Gesetze Nahrung sucht. Die Entscheidungen über die Vorfragen zur Präsidentenfrage stehen bevor und die Spaltungen gehen gegen die Mitte und wollen übereinander greifen. Es ist der Punkt, an welchem, so wie der Sinn sich in der Notwendigkeit nicht mehr erkennen kann, das heißt wo sein ausgleichendes Bedürfnis den geschichtlichen Vorgeboten unterstellt wird wie ein vorhandener Wille einem zukünftigen Gleichnis — Kampf zwischen Fanatismus und Gegenkraft der größeren Stille —, so auch die Frage nach der »Ehre« sich nicht mehr an sich selbst zu empfinden weiß; sondern wo die Ehre in die Lücke der Spannung übergeht, von welcher her sie innerlich an die Außenheit angeschlagen wird. Das ist bildlich gesprochen für eine Empfindung, in welcher Moment und Dauer ringen. Es ist besonders heute wieder dieser Raumsinn einer geistigen Entscheidungsform, welche sich nicht auf eine autonome Bekernung zentriert, sondern welche sich von innen her sättigt, indem sie zugleich den Mangel von innen her und die innere Hungerform der Geschichte umso größer macht. Es ist die unhumanistische Form der Geschichte. Und die Ehrenform darin ist diese, wie weit der Mensch, wissend, daß er ein freies Ziel nicht haben darf, auch dieser Hungerform noch ein Vorgebot leisten kann. Es ist, wie das Mittelalter nicht räumlich als Schmuck beifügend, sondern angulativ mehr noch in einer Art von widerpartiger Heraldik seine Wandbilder um sich setzt; oder wie der Innenstehende und der Sohn die Madonna zeichnen kann, die als Pietàträgerin der Zeit mit der stetig wieder toten Sohnform sich nach außen rückt.
Indem man diese gotische Figur des Mittelalters bedenkt, — wie wenig ist die Geschichtsform des 19. Jahrhunderts, die sich mehr auf eine Lehrbarkeit als auf ein Schaugesicht bezieht, in einer Zeichenschaft gewesen, welche der fortgeschrittenen und hinausgerückten Welt entsprechend sein könnte! Es ist eine vorwiegend stoffliche Bildform gewesen, die sich bloß zu einer interieurartigen Mitte summiert hat. Indem sich der Glaube aus der Flucht zur Ehre und zur Anschlagung des inneren Bildes an das Innenäußere zurückgezogen hat auf die Verrechtlichung in sich selber, wurde die Außenförmigkeit der Geschichte eine stoffliche Ansammlung, eine mittlere, im Umschlag von innen und außen nicht mehr gebrochene und siderisch gebildete, sondern im ungeordneten Accidens des Materials der Zeit ethisch kausiert behandelte Verrestlichung. Die Geschichtsform wurde ein reliktes Wesen und eine stete Vergänglichkeit. Die wahre Geschichtshandlung ist nicht Vergänglichstoffmachung — der Stoff ist durch Vorgebot ihrer Form wie in einer ziehenden Erwartung —, sondern sie ist Zukunftsöffnung. Dieses Paradox ist in der aktiven Kontemplation, daß die Geschichte durch ihr aus der Immaculata sinnendes Tun den Grund öffnet für die Zukunft; daß ihre Formen Erwartungsformen der Zukunft sein wollen, nicht erzählende Relikte von Ablage aus dem »Geiste«.
Denn die inkorporierten irdischen Dinge, welche aus der Reklusaform des mit ihnen hausenden Sinnes durch die Immaculataform eines Vorgebotes gegen den Geist in die Form der Zeit getreten sind, haben an sich stärkere Zeugnisse einer mit ihnen unbeendlichen Gewesenheit als der Geist, welcher sie aus einem selbstischen Grunde von sich wegbringt und ablegt. Die Dinge sind nicht mittlerisch, sondern nach außen tragend; mit ihnen steht das Hierarchische im ersten Grunde. Die Dinge sind in einem solchen Vorschuß gegen die Zeit, als wie wenn das vom »Geiste« Getrennte gesegnet sei, als wie es Trümmer seien einer wahren Zukunft; und so wie ein schwerer Sinn von der Pietà übergreift in jedes Kommende. Und noch der Brauchsinn im einfachen Volke lehrt uns ruhehaft das Gleiche gegen die bloße Lebenstechnik.
In der näheren Wirklichkeit hat, — nach der Romantik mit ihrer Silhouettenförmigkeit oder Eingeschriebenheit gegen den Grund, welche eben in diesem auf den Grund wies, aber ohne zugleich aus dieser Disposition das Vorgebot in die Zukunft zu gewinnen —, dann im näheren letzten Jahrhundert besonders deutlich die literarische Betrachtung sich hauptsächlich im mittleren menschlichen Stoffkreise abgespielt, worauf noch bis zu uns herein eine etwas museale Volkssinnigkeit ihr Stoff wurde. Die Spiritualisierung oder Konservierung dieser Stoffe war eine professorale oder eine meisterliche. Was näher jene bürgerlich geschichtliche Mittelzeit betrifft, so waren die menschlichen Begegnisse dabei keine Zeremonien (wie dagegen bei Stifter) und noch weniger, was man heute suchen würde, Kreaturen oder »Animalien im Dritten«, sondern hauptsächlich ethisiert causale Bedenkungen einer privaten Weise, welche mittelmäßig gemeinsam ist. Diese Art des Gemeinsamen braucht ein doktrinär neutrales Ressentiment, ohne angulative Disposition im Ja und Nein. Diese Geschichtsförmigkeit kann auch konfessionell sein im Sinne eines wesentlich sich zur Pietät zurückziehenden Glaubens oder eines ehrenfesten Menschenkindes, das wohl zwischen Glaube und Werk die Proportion zum privaten Charakter bildet. Sie ist eine Mitfolge der neuzeitlichen Glaubensbefragung, welche nicht zuerst die Zeiten wie in Formen scheidet, sondern private Menschen gründet. Mit dieser »christlichen Vermenschlichung« wird die Geschichte mehr zur Summe und an dieser geschichtlichen Stelle haben die beiden deutschen Bekenntnisse in ihrer Funktion als geschichtsbildende Mächte eine Trennung. Die Angulation schafft mehr die Formen wie Maß und Gewicht, die ethische Causierung findet darin die Zahlen der Summe. Jene zieht die Proportionen des menschlichen Tuns an die Hälftung des innermenschlichen Gespaltenseins und baut damit die kirchlich sichtbare Geschichte; diese legt die Gegenwart der Geschichte in den Einzelnen ab. (Diese Gegenwart des Einzelnen, der ohne das »Maß der einen Lücke« ist, wird aber Vergangenheit.) Jene schafft im Schnittpunkt des Einzelnen für die Allgemeinheit, welche durch diesen um so mehr Hunger bleibt; diese gibt das Allgemeine im Tun des Einzelnen als geschichtlich gesättigte Stoffe oder Lehrformen des Tuns weiter, welche als »gewesene« scheinbar nicht mehr hungrig sind. Aber freilich muß auch diese Sättigung der Zeit zu einem Hunger wieder anwachsen, der dem unersättlichen katholischen Erdensein wieder nahezukommen triebhaft wird. Es kann der bloße Glaube, der einen räsonablen Stoff der menschlichen charakterhaften Gewesenheit schafft, auf die Dauer das Werk nicht ohne den Hunger lassen, der ihm vom Glauben her den Stoff nimmt und die Zukunft gibt.
Neben den Konfessionen steht das demokratisch »Menschliche«, welches heute die eigentliche Lauheit ist und sich zur Partei der Mitte hält, um auch gegenüber den Gottlosen seinen Bestand zu sichern. Dieses Demokratische hat sich auch gerne die neutrale Museifizierung der alten Geschichte und selbst der guten Volkssinnigkeit, sowie des vorhin genannten Meisterlichen zusammen mit dem Fortschritt als Aufgabe zugeteilt, um selber ein Volkssinn zu scheinen. In dieser gegenwärtigen Zeitkrise ist vor allem diese Frage mitinne, die in der politischen Entwicklung nach dem Kriege vollends großgezogen worden ist, wie und wann diese Nutznießerschaft von einem wirklich konservativen Deutschsinne weggesprengt werden kann. Wann werden die Katholiken eine Sprache haben, welche diese Mitgänger nicht billig parallelisieren können? Wann wird man erfahren sein in jenen zeithaften Konkretionen des Christlichen, die scheinbar relativer klingen als die »ewige Wahrheit«, welche aber mit der bloß menschlichen Religion nicht wiederholt werden können? Nicht zuletzt hängt auch die Frage des Verhältnisses zum Sozialismus an dieser Fähigkeit, die erreichen muß, daß selbst, wenn zwei das Gleiche tun, es doch nicht das Gleiche ist. Wenn man sich Gedanken darüber machen muß, daß bestimmte Revolutionen nicht ohne eine notwendige Befreiung des menschlichen Gefühls verstanden werden können, indem diese in die Zustände des geringen Menschen eine soziale Würdigung gebracht hat, und wenn zwar auch dieses Gefühl mehr aus einein beleidigten Verstande von Menschenrechten kommt als aus der vorbietenden Ohnmacht des Glaubens, so bleibt man vielleicht im gleichen Verstande dabei haften, daß die Kirche nicht eine stärkere Anwältin dieses reagierenden Menschenverstandes ist. Aber indem man zugleich ihre bloße Parallelisierung mit dem sozialen Gefühl nicht will, indem man ablehnt, daß sie aus einem ähnlichen Verstande arbeite, da das bloß Logische der Menschlichkeit ausgeschlossen ist von den Graden und Stufenformen, in welchen der göttliche Plan seine unverständige große Geschichte vollzieht — und in welchen das magdliche Vertrauen der Kirche eingeschlossen ist — so kommt man wieder zu der Aufgabe: wie bildet man die zeitlichen Konkretionen, in denen das Ewige kompliziert gegenwärtig ist, so kompliziert, daß es von keiner Menschengruppe umgangen werden kann, sondern daß jede Lösungsnotwendigkeit hier inhärent ist.
Denn obzwar dies an und für sich so ist, so muß man diese Inhärenz doch noch um so mehr ausbilden. Denn die Geschichte ist ein »trotzdem«; trotzdem sie geschieht, muß man ihr Geschehen in sich selber einschneidend bilden. Trotzdem das irdische Geschehen ein Mangel und eine Lücke ist gegen allen ewigen Bestand, muß man diesen Mangel und diese Lücke vergrößern, um das ewige Bild aus der künstlichen Tendenz zu lösen und signifikant im Wirklichen zu empfangen. Dies ist die Logik der Geschichte, welche gegen die Logik des Denkens nach anderen Gesetzen abgestuft ist. Und dies ist, wenn man so sagen darf, ein nicht in der Masse, sondern im Einzelnen sich umtragender christlicher Revolutionssinn.
Nochmals in Absicht auf Umkehrung unseres Denkens: wie geschieht es, daß in der Folge des Humanismus sich die Geschichte als Stoff aus dem Gleichnis löst und vergänglich wird? Daß sie mehr eine bildtrennende Erkennung wird, mehr ein Schnitt vom Schnitt, als ein Vorgebot aus dem geringeren Bilde, welches damit die Hälftung überschreitet und aus seinem eigenen Weniger ein jenseitiges Mehr gibt, bzw. bloß öffnet, daß es also, mehr Austausch als Aneignung, aus der Verschränkung zurücktretend, das Gegenüber geminativ stärkt. Wie kann der christlich adjustierte menschliche Logos, der immer doch seither die Stoffe substitutiv ideal werden lassen will, statt sie rein zwischen Gesicht und Ohr gewissermaßen mit der Hinderung des ganz Gegenwärtigen dispositiv zum Gleichnis zu verdoppeln, kreatürlich wieder in der Geschichte, nicht nur im Seelenleben fruchtbar werden? Die ganze sichtbare Kirche als eine Hinderung gewissermaßen der Ewigkeit ist eine Doppelung des Künftigen im Gleichnis; ihr wahrer Gleichnisdienst ist nicht mittlerisch substitutiv (wie der Geist gerne sein möchte), sondern gibt das Gleichnis durch Aneignung aus dem Geringeren geminativ wieder. Maria hat das göttliche Kind wirklich geboren. Dies ist die Verwirklichung im Gleichnisse gegenüber einer bloßen Metapher; und die Wirklichkeit hat dadurch, je wirklicher sie nun werden kann, um so mehr Unwirkliches. Deshalb hat die Kirche nicht etwas mittlerisch Vollkommenes im bloß menschlichen Idealverstande; ja man möchte fragen, ob darin überhaupt eine Kunst von ihr liegt; geschweige also, daß sie in ihrer Geschichte als ein freiwilliger mittlerer Zustand ihrer Werte sich aufhalten könnte.
Hindenburg hat sich als Kandidat in die Wahl stellen lassen, obgleich nach den ersten Zuversichten man jetzt mit großen Gegenparteien rechnet und also die Ehrenfrage jetzt eine wirkliche Entscheidung geworden ist. Ein solches politisches Datum ist heute nüchtern, weil nicht die Kraft des Einzelweges, sondern, selbst wenn diese und zumal bei der Freiwilligkeit eines solchen hochbetagten Mannes vorhanden ist, doch die Konvention der Volksgenossen entscheidet oder sich vor das vom Eigenrecht her Entschiedene einschiebt. Aber das nüchterne Datum hat doch einen innerlichen Punkt von großer Wärme und der Mann von fünfundachtzig Jahren trägt seine Ehre in sich und bringt sie mit.
Er, der vorher der Mann der Rechten war, ist aber nun der Mann der Mitte, von welcher ein großer Teil in keiner Weise die Absicht zu einer komparativischen Lebens- und Geschichtsordnung hat. Damit ist wieder innerhalb des geistigen Volkstums für die öffentlichen Verhältnisse, nicht zumindest auch für die Presse-Verhältnisse, für die Verhältnisse im Kulturbegriff und für ihr gegenseitiges Gewicht die entscheidende Frage berührt. Die Anhänger einer bestimmenden Mitte sind großenteils (außer den überzeugt für ein bonum commune und für eine mögliche nationale Rechnung sich verantwortlich Fühlenden) solche politischen Kreise, welche mehr gesellschaftlich als unmittelbar politisch wirken und welche für ihre menschlich-ökonomischen Wertungen am wenigsten geschichtliche und geistig-religiöse Stufungen anzuerkennen geneigt sind. Dieser menschliche Logismus kennt keine Stufen, welche doch immer in einer Brechung und Kantung gegen das bare und in sich selbst gefertigte Menschliche bestehen und sich daraus in das »Dritte« disponieren. Das Dritte ist für diese Mittelsleute der Gesellschaft die Aufstellung neutraler Qualitäten oder ähnlicher Verbindlichkeiten eines bloßen geistigen Handels. Auch als Hüter der Vergangenheit sehen sie in ihr ein museal verbindliches Element, indem sie bloß das herausziehen, was nicht verpflichtet. Ja sie finden etwa sogar noch einen Einwand gegen das gegenwärtige Christentum darin, daß es diesem doch nicht mehr gelinge, sich in ähnlicher Weise wie das damalige zeitlich zu figurieren, und daß es deshalb mit der Anerkennung, die man ihm aus seiner Vergangenheit auch noch in seine geringere Gegenwart nachtrage, sich befriedigen dürfe. Für sich selber machen sie noch einen nachträgerischen ästhetischen Pietismus daraus; nachträgerisch, indem sie gewissermaßen sagen, daß erst sie es nun verständen, da leider die Hauptsache vorüber sei, die schönen christlichen Formdinge aufzuschließen, die dem Christentum aus dunklen Begabungen in den älteren Zeiten angeflogen seien. Und in der Tat bescheiden sich Christen heute oft mit solchen fremden Aussagen, daß es mit ihnen nicht mehr sei wie früher; und sie machen sich diese Aussagen selber zu eigen. Nicht wenige verstehen sich auf dem Wege solcher Abdingungen mit den Kreisen der mittleren Lauheit besser als mit allen Radikalen.
Das Menschliche ist in seinem Verhältnis zum Christlichen immer mehr oder weniger unehrlich. Dieses Verhältnis kann in etwa gemildert sein durch die Selbstsucht eines menschlichen Gefühls, das heute Stützen brauchen mag für seine noch weiterhin bequemliche Selbstbewirtung; aber dann ist dieses scheinbar natürliche Verhältnis, vollends wenn es in eine geschichtlich entscheidende Lage miteingebracht wird, noch unnatürlicher. Die innere Grenze und Wirklichkeit der Gegenwart wird damit in etwas Nichtiges verschoben. Der Katholik, der alles nur mit dem Schilde des Glaubens aufzufangen und der den Schild des Glaubens dabei nicht zugleich für anderes anzusehen gewöhnt ist als nur für die enge Behaltung in sich selber, kann sich dieser angleichsbereiten Menschlichkeit nicht erwehren; er glaubt in ihr womöglich noch einen Bundesgenossen fürs Ganze zu haben. Und das ist nun ein großes Anliegen zu der heutigen geistig-politischen Frage, das indes schon seit dem Beginnen einer katholischen Politik im engeren Sinne mitgewachsen ist. Wiederum: wie kann man diesen unehrlichen menschlichen Teil vom christlich-deutschen wegsprengen, wie kann man die größere geschichtliche Kreatur freistellen von der absichtlichen Kleinheit, welche gar keine kreatürlichen Proportionen zu den geschichtlichen Angulationen oder Herkünften erreichen will und mit der wohlausgedehnten Geringfügigkeit ihrer geschichtlichen Mitrepräsentation vor allem in Kulturdingen doch als mit einem sozialen Mimikry die luxuriöse Lebensform ihres bourgeoisen Daseins zu verdecken versteht? Wie schafft man also die säkularen, waffengleichen Exponenten der Weltanschauung, die weniger und doch mehr sind als der Schild des Glaubens? Denn man muß auch dieses »trotzdem« des Glaubens aufstellen, nämlich sein Accidens in der Geschichte, seine Hinausstellung in die Formentscheide gegenüber seiner Haltung in der Mitte.
Es ist auch nicht unwesentlich, daß mit Hindenburg ein Protestant in dieser Zeit an die Spitze gerufen ist. Indem man so der Lösung aus der Mitte zugewendet ist, und — obgleich es sich auch um einen wirklichen Freiheitskrieg handelt — doch den Fragen aus der Mitte auf die Dauer die entscheidendere Bedeutung beiwohnen weiß, hat der Protestant die Wichtigkeit einer Assistenz, welche persönlich charakterhaft und deutsch instinktiv geworden ist. Gegenüber der charakterhaften Befestigung des engeren Deutschen und vielfach unter seinen Augen muß sich die komparativische Spaltung zwischen Natur und Geschichte in dem katholischen Schauplatz des weiteren Deutschtums auf eine neue Zeitlage hinaus vollziehen.
Ein schweres Anliegen bleibt es, daß der damals gewählte Mann von seinen vorangegangenen damaligen Wählern heute verlassen ist. Die Freiheit aber, mit der er, indem er auf eine allseitige Wirkung verzichtet, nochmals heraustritt, hat an sich eine Art Schicksalsgefühl des Alters, welches mehr an sich bestimmt ist, als daß es rechnet. Es will erhalten und nicht mehr erledigen.
Der Aufruf, mit dem die katholische Mittelpartei für Hindenburg herausgetreten ist, hat die Stärke einer selbstgewählten und von den engeren Tendenzen freigehobenen Richtung, welche in erster Linie zu einem erhaltenden Sinne gehört, der statisch wirkt. Daß die Sprache eines solchen Aufrufs eine etwas neutrale Rhetorik bekommt, entspricht diesem nicht eigentlich dynamisch-konservativen Begriff. Man wird auf ein solches Merkmal an einer politischen Tatsache aufmerksam, eben unter dem Gedanken, daß der kultürliche Ausdruck der Zeitform und so auch die Sprache nicht nur ein additives rhetorisches Element zur Angulation der Lage sei, sondern eine genaue gewichthafte Proportion dazu bilden soll. Sie kann selbst den Gewählten noch mehr ehren, trotzdem sie das Gewicht noch mehr auf ihre eigene Seite zieht.
Es kommt hier die Frage herein, in welcher Weise man sich mit einer geschichtlichen Tatsache oder ihrem Namen identifiziert. Der Protestant hat mit der engeren Kreaturform des Deutschtums eine gewisse geschichtlich-natürliche Identifizierung erreicht. Er vertritt sich, nachdem die geschichtliche Existenz sich in eine bestimmte, auch in gleicher Weise öffentliche Merkmale prästierende Charakterform hauptsächlich ethisch-rechtlicher Art umgelegt hat, in dieser. Die heutige geistig formalistische und materialistische Entwicklung ist dieser menschlichen Form nicht günstig. An die Stelle der charakterhaften Vermenschlichung ist das logische Entwicklungsneutrum getreten, das in der Demokratie und übrigens dem materialistischen Hange nach noch ehrlicher als bei dieser in der Kollektive seinen Ausdruck findet. Der Demokrat betrügt durch eine künstliche Identifizierung mit einem Entwicklungsbegriffe, der formal geworden sich auch der Gloriole des liberalen Weltgeistes entkleidet hat. Er identifiziert sich mit einem technisch-humanistischen Mittelbegriff. Der Katholik als weltanschaulich politischer Kontrahent aus einer immerhin mehr oppositionellen mesótes heraus ist diesem technischen Mittelbegriff von seinem Kreationsgedanken her eigentlich am fremdesten. Er gehört aber auch nicht zu der generationellen Kreaturform des Protestanten, bei welcher der Ethoscharakter des Genus eine stärkere öffentliche und private Form gewinnt als der speziale Berufungssinn, der sich etwa, beispielsmethodisch gesagt, zwischen Mönch und Ritter verschiebt, d. h. also nicht in gleichen Graden bürgerlich verpositiviert ist. Der Katholik ist charakterologisch nicht so naturmäßig verdichtbar wie der Protestant; er ist zwischen seiner Natur und der Geschichte in Bewegungen von einer anderen Transzendenz, als solchen, die sich im Staate ihre öffentliche Grenze oder Richte geben lassen. Der Staat wird ihm auch nicht so sehr gewissermaßen zum Privatum eines Volkes. Der Katholik identifiziert sich nicht (an Stelle davon tritt etwa der Gehorsam). So hat der Katholik auch nicht bloß oder einfach in dem sozusagen naturgeschichtlichen Sinne das Vaterland (das er selbstverständlich nach dem primitiv-unmetaphysischen Verstande hat gleich jedem Naturdeutschen)[1], sondern sein Verhältnis zu seiner Nation ist ein gewissermaßen schwesterschaftliches, wobei seine eigene Kreation in der Spiegelung der geschichtlich prädestinierten nationalen Kreation sich selbst besser erkennt. Dieses Verhältnis ist nicht so sehr eine generationelle Folge als eine kreationelle Parität. Diese Spiegelform nun, wenn sie zu einem Teil es nicht verhindert, daß nach versuchter Identifikation des göttlichen Spiegels mit dem menschlichen Entwicklungssinn der Passionsgedanke der Geschichte und die sohnhafte Richtung in der Pietà bei solchen verloren geht, welche das Ewige mehr sehen zu können meinen als seinen zeitlichen Plan, diese Parität kann eben damit auch ihre Immaculataform und dies geschwisterliche Verhältnis abkehren in ein neutral Menschliches. Hier geht der Madonnasinn aus der Geschichte verloren. Die Zeiten des Liebfrauendienstes haben in sich in verschiedener Weise diesen Sinn der komparativischen oder hierarchischen Stufungen, in welchen gegenüber den rein menschlichen Werten, die sich zivilethisch gegeneinander vergleichen, gerade die geschichtlichen Geistestrennungen voranwalten, welche nicht zuerst unter sich vergleichlich, sondern im Bezug auf ein Drittes, auf den Plan, auf die Lücke Gottes in der Welt, kurz auf den Sinn der Geschichte selber zu richten und zu erholen sind. (Auch das Barock hat hier, wenn auch nicht mehr die Muttersinnteilung der Pietà in Stamm und Zweig, diese Entkernung des Raumes in das Allgemeine aus dem »Einen«, aber doch noch dafür eine starke vokale Kraft der Eignung entfaltet.) Hier entscheidet nicht ein menschlich und sozial kontrahierbares, sondern ein justifikatorisches Element. Im früheren Sinn der Madonna ist immer die Formschönheit einer geschichtlichen Richterin oder doch noch richtsinnigen Einfügung mitgebaut. (Die Renaissance hat diese Formindikation, wenn auch sie in einzelner schicksalhafter Sinnschwere noch überbietend, im ganzen verloren und den Sohn humanisiert, indem sie ihm diese mütterlich geschichtliche Komparation genommen hat.) Das Zwischenverhältnis zwischen Natur und Geschichte in der Immaculataform blieb in ihr ausgedrückt als ein solches, welches sich zwischen dem Ideellen und Generellen als eine Hinderung der bloß humanistischen Einung verhielt und welches sich selber als eine Spannungsform der Geschichte gegen das bloße menschliche Neutrum immer in den Zeiten vorausgab.
Dieser Sinn einer immaculaten Hemmung zwischen Natur und Mensch, damit diese nicht im letzten Grunde ungerichtet — und dies ist auch erkenntnislos — zusammenrinnen, dieser Sinn zugleich einer geschichtlichen Förderung des Jederzeitlichen ist das ganze Gegenteil des klassizistischen deutschen Bildungsbegriffs, der eine ethische Aufbildung vom Wilden bis zum Kulturverpflichteten mit der moralischen Kategorie zurechtdenkt und dessen sentimentalische Progression gerade auch das Gegenteil von einer im wirklichen und geschichtlichen Auswendigen sichtbaren Stufung ist, ebenso wie eines inneren unerreichbar richtenden Immaculatasinnes, wofür er eben »Bildung« einsetzt. Die Menschheit geht eben nicht von einer Untenheit aus, sondern von einer herzlichen Mitte. Für die gegenwärtige politische Rechtsbewegung, die dem katholischen Dasein an sich heute gutgesinnt sein möchte, ist dieses idealische Sentiment in einer bürgerlichen Verstofflichung und mancher reaktionären Abseitigung gegen die Zeit ganz besonders charakteristisch. Der Katholik, der, da er in der demokratischen Parität zu wenig findet, leicht rhetorisch wird, um ein notwendiges Mehr zu spüren, wird von dieser Rechtsrichtung zunächst jedenfalls außer einer gemeinsamen Willigkeit wenig Hilfe für eine größere deutsche Zukunft erholen können, wie er auch im Sinne seines anderen Identifikationswesens wenig nach jener inneren Seite hin bieten kann. Unmittelbar innenpolitisch ist zu vermerken, daß die Freundwilligkeit zu einem christlichen Deutschtum zwischen der katholischen Mitte und den Rechtsgehenden bis jetzt mehr Wille aus der Not als ein wirkliches Verständnis gewesen ist, darüber, daß hier über das Bekenntnis hinausgestellte Güterformen geschaffen werden müssen, Geschichts- und Kultursinne, welche dem Teil am meisten gehören, der sich am meisten zu ihnen erkennt. Diese sind, also gesehen, das genaue Gegenteil von den liberal und neutral freibleibenden »Objektivitäten«, mit welchen man noch mehr kultürlich als politisch in der letzten Generation arbeiten zu können geglaubt hat; und in welchen man besonders auch eine katholische Literatur- und Kulturbewegung schaffen wollte. Die Geschichte schafft immer Zwischendinge, nicht Eigendinge; und in den Zwischendingen kommt der Plan der enteigneten Eigenheit zum Vorschreiten. Das Vorgebot vom Eigenen ist immer wichtiger als das keinseitige Ideal.
Wieder auf die formalmenschliche Mitte gesehen, so kann sich hier in der demokratischen Verwahrlosung und mit der heute auch gerne pietistisch sentimentalisierten, intellektuellen Eitelkeit eine Substanz nicht bilden. Es liegt im Wesen dieser Menschlichkeit, daß sie das Besondere der Menschheit nicht sammelt, sondern zerstreut; ja daß sie, während sie eine Brauchbarkeit und dabei ihre eigene Rechnung zu finden weiß, das besondere und erlösungsgemäße geschichtliche Werk diffamiert. Während rechts und links sich die radikalen Gewichte sammeln, wird die eigentliche Konkretion der Mitte durch den falschen Vermenschlichungseifer geradezu verhindert, der die christlichen Formen nicht reifen läßt, da er jegliche länger harrende Kreaturierung mit der Materialisationseile verdirbt. Es ist immer wieder so, daß die Ehre, welche diese Demokratie gibt, keine Ehre ist; und auch wenn sie das religiöse Gefühl heute zu achten scheint, so ist dies noch eine Schädigung. Man unterstützt die Kirche um so lieber in der Kirche, damit sie sich nicht mit zeitlicheren Ansprüchen oder nur mit genehmen nach außen wende. Dabei kann der »reiner religiöse« Anspruch genehmer sein als der mehr »weltliche«. An Stelle des Kampfes in der welthaften Nähe findet man heute einen Respekt aus einer, im Vergleich dazu sogar hämischen Entfernung einträglicher. Diese menschliche Art hat selbst auch kein Gefühl für das Verächtliche an sich selber (es würde geschichtlicher Glaube dazugehören, nicht bloß politisch-ästhetischer Ausstattungssinn); sie scheint mit den Asketen in eins zu gehen, welche es sich abringen zu sagen: spernere se sperni. Allerdings gegen das spernere se ipsum ist sie nur so weit blind, als es ihren Eigennutz nicht betrifft. Und spernere mundum fällt dem leicht, der sich die sozialen Gesinnungen mit schöner Überheblichkeit leisten kann.
Der Kampf der Völkischen und auch näherer Einsichtiger ist gerade gegen die feineren Erscheinungen dieses ästhetischen und menschlichen Kultureigennutzes ziemlich hilflos. Man kann ihn gerade mit den lautkräftigen programmatischen Redemitteln auch der Wahrheit nicht treffen; im Gegenteil, da sie heute in ihrem kultivierten und lauen, aber zu einem formalen Gewerbe[a] menschlicher Inhalte klärlich gerichteten juste milieu beinahe als Bundesgenossen der gemäßigten politischen Wahrheitsermittlung gegen den kalten oder heißen Radikalismus erscheinen, machen sie die schärferen Konsequenzen des Wahrheitssinnes mit diesem selber uneins; und indem sie ihren geistigen Materialismus infolge der Rechtsbewegung aus Vorsicht mit einigem Volkstum, mit pietistischen Zwangsgefühlen und mit Schwärmerei für die schönere Vergangenheit dosieren, sind sie plötzlich überall angebiedert. Alle Anschauungen, bei denen die bloße »natürliche Vernunft« stärker ist als die wirklichere weltanschauliche Konzeption und die aus Reaktionen gegen die Zeit heraus auf diesen Appell zurückgehen — es verhält sich fast überall in Kulturdingen heute so — finden hier ein scheinbar festes Land, das an ihre Grenzen stößt und einlädt; die schwimmende mittlere Neutralität empfiehlt sich als dieses feste Land; ja das laue Mittelding des menschlichen Scheingeistes versteht sich zu dem allgemeinen Opfer und Martyrerwesen umzustempeln, das diese Zeit mit Unrecht fordere, und eine Art Mitleid der stärker Gewaffneten vergißt die eigene Aufgabe, um sich zum abgeminderten Lebenssinne der dahinter versteckten Ästheten umzustimmen.
Die augenblickliche Ruhe, die mit dem selbstlosen Heraustreten Hindenburgs in die Kandidatur eingetreten ist, zumal die Rechtsopposition noch keinen Kandidaten ernannt hat, diese Ruhe nach dem Hauptstichwort ist, obgleich und gerade weil kein »frisch-fröhlicher« Parteikrieg für die sonstige Ruhe der Zeit ein Zeugnis ablegt, keine tiefere Ruheempfindung. Man steht immer wieder in dem Gefühl, daß die Dinge, von keinem äußeren »Zeitgeist« mehr gehalten, ins Fließen geraten. Schließlich bekommt der Fluß sein eigenes Gesetz und fließt um des Fließens willen. Man hört und liest in diesen Tagen oft vom »Reich« und der engere Begriff wird zu einem politisch und geistig weiteren ausgedehnt, zu einer Art Konfession und deutschem Paradigma für die übrige Welt. Während man daneben wahrscheinlich befürchten darf, daß das Gelingen der mittleren Erhaltung für den Augenblick all das nachliberale Gezücht der öffentlichen Ungläubigkeit ebenfalls in seinem Tun verstärken wird, da es den ungebundenen Rest der gesellschaftlichen und geistigen Wirtschaft noch vollends ausnützen will (denn in der Kandidatur des alten ehrenhaften Mannes kandidiert auch diese mittlere Unaufrichtigkeit mit) — zu diesem abstoßenden Betrieb des immer noch nachrevolutionären öffentlichen Deutschland kann man also dieses ethische Zweckideal für ein neues »Reich« konfrontieren, und man kann es, wenn man es nicht so sehr in den Eiferungen der Jugend, sondern in dem weltanschaulichen Bildungsbegriffe der Älteren sieht, oft nicht anders denn als eine Ausflucht der Gewissen in eine ungewisse Leere bezeichnen.
Was man an neuen konservativen Gesinnungen bemerken kann, gehört meist in eine solche unbestimmte Richtung, und voran der sogenannte biologische Konservatismus. Dieser, der über das ältere Bildungsideal hinauszugehen scheint und der, was dieses an natürlicher Erfüllung ohne eine in das Herz der geschichtlichen Kreatur eingeschnittene, mit Blut und Wasser antwortende Empfängnis kosmisch-ideal zu bestellen unternahm, mit dem eingeborenen Lebensziel der Rasse überbieten will, dieser neue deutsche Rassensinn ist fruchtlos und einer eklektischen Menschlichkeit wahrscheinlich näher als jeder innerlich gerüsteten. Gerade die deutsche Kreatur und ihre geschichtliche Forterfahrung haben ihre zeithafte Gerüstetheit nicht aus der »Natur« gebildet, sondern wie aus innerer Abgeschnittenheit von dieser, aus einer inneren Verletzung, so als ob der Deutsche im Christentum am meisten von seiner ersten Natur abgeschnitten worden sei, und, was er am primären Stande verloren hat, nun in den sekundären Stand umgebildet um so stärker auch naturhaft wieder dem Christentum und sich selber zutrage. So ist es die Ehre des mittelalterlichen Menschen und des deutschen Christen, daß ihm die Naturgerechtigkeit genommen ist und daß er dafür die geschichtliche Gerechtigkeit und die Angulation der Welt bedeuten durfte. Gegenüber einer solchen innergeschichtlichen Tatsache bleibt der neue konservative Natureifer eine ungewisse Lautheit. Wie weit allerdings sind die Konfessionen davon entfernt, in einem solchen geschichtlichen Gesetz des Fortschritts, welches ein hinter ihnen gewesenes ist, sich zu verstehen und jene zeitlich wichtigste Methode des sich selber und der Zeit Nahe-sein-müssens zu ergreifen, welche keine Ausflucht gestattet. Hier würden sie ihre gemeinsame Stärke haben gegen die durch den formalen und impressiven Intellekt entgötterte Zeit. Wieder: Wie ergibt sich aus dem Kultursinne als dem Kerne des politischen Sinnes das Gesetz der Konkretion und die Methoden des Naheseins? Das bürgerliche Problem ist das Problem der Proportionslosigkeiten zu der inneren Angulation der Geschichte und ihrer gegennaturhaften Menschwerdung im geschichtlichen Menschen geworden.
Inzwischen, indem die Entwicklung fortgehen soll für das Reich, fürchtet sich ein anderer Sinn wie in einer Ahnung um dieses Reich. Es will schon früh etwas auf eine fin de siècle-Stimmung hinweisen, und was das Mark und Herz der Deutschen nicht also vom inneren Punkte her in sich einschneidet, um sich die Ausflucht zu nehmen und von der Innengrenze her zu beginnen, das wird in das Herz des Volkes eingeschnitten und damit in das Herz des Abendlandes. Die geistige Welt und das Volkstum baut sich nicht, wie schon gesagt, in einer einsinnigen idealischen »Position« von unten nach oben, sondern sie baut sich gewissermaßen negativ-positiv in komparativischer Notwendigkeit aus einer geschichtlichen Wunde oder Lücke, welche kaum weder mit Idealismus gegen Barbarei noch mit rassischer Hochzüchtung etwas zu tun hat. Sie macht, daß auch die Vernunft durchschnitten und mit der Geschichte wie mit dem ihr Unvereinbaren geteilt ist. Sie baut sich aus einer wie fehlenden göttlichen Mitte, welche den Nahebleibenden ihre natürlichen und geschichtlichen Proportionen gibt.
Was noch eben eine verdeckende Ruhe war, ist mit der Bekanntgabe der Gegenkandidaten der Rechtsopposition (Hitler für die Nationalsozialisten und Duesterberg für die eigentliche Rechte) und mit der Einberufung des Reichstags sofort zum lautesten Streit aufgebrannt; wieder dieses Zeichen für eine Lage, welche tiefer zerrissen ist als in dem Verhältnisse von bloßen Parteikämpfen. Das Unrecht, das in der Entstehung oder Einrichtung des gegenwärtigen deutschen Staates mitentstanden ist, frißt sich weiter und die Legalisierung durch einen dazwischen liegenden Zeitraum von gebrauchsmäßigem Zusammenleben kann es nicht abstellen. Wie ist es möglich, das mit Unrecht Zustandegekommene später im Lichte einer gehobenen Sittlichkeit sehen zu können? Kann man das neutralere Licht dieser Gehobenheit verteidigen und seinen Bestand zu vermehren wünschen, während doch der Plan der Geschichte ein Wappen von tieferen und aus Recht und Unrecht der politischen Kreatur gesättigteren Farben unhinderlich weiter trägt?
An den Seiten dieses innewohnenden Planes, dessen Vorhandenheit doch stets »enthaust« bleibt und keine schauwirkliche Gegenwart findet, sondern mit dem unser Sehnen in einen fortwährenden blinderen Mündungsstrand des ganzen Zeitraumes gegen die Zukunft sich hineinstillt, — an den Seiten des solcherweise sichtbaren, aber wie aus blindem Mangel herfordernden Planes stehen in Gegensätzen ein eschatologisches Bedürfnis der Geschichte, sich selber zu erledigen und dagegen ihr humanistisches Emendationsbedürfnis. Hier auf der Seite, wo eine falsche Naturhypothese in ihre dekorativen Verbesserungen die Geschichte zurechtrückt, ist eigentlich keine Ehre, weil der blinde Rand, welcher erst für die Farbenkräfte der Innenheit das Zeugnis schreibt, indem er sie als die Schilde der inneren Welt von ihrer Herkunft nach außen setzt, weil dieser Rand aus dem menschlichen Abbruch gegen die Schöpfung zum bloßen Bezirk der eigenen Einheit entmündigt ist. Denn die humane Besitzergreifung des mit der Zeit der Geschichte gegen das Ewige mündenden Randes, so daß er seine bewährende Vorgeltung und Zuvorkunft gegen eine ungenaue, in sich gesetzte Zeitlosigkeit nicht behalten kann, ist eine Entmündigung. Die zurückgesetzte Geschichte verliert dabei ihre regenerierende Bestimmung aus dem Gleichnis, an welchem immerwährend sich der Augenblick der Ankunft gebären muß, wie ein immer wieder rein verschuldetes Kind der Hoffnung. Denn das Land der Vergangenheit liegt mit der Zukunft wie in einem Meere von Widerstreit zwischen gewordener Schrift und herannahendem Gleichnis. Und diese stete Begegnung und ihr Nahesein zu verlassen, die Zeit des Kindes zu verlassen, das verstrickt ist wie in Schrift, so wie es aus dem Gleichnis kommt, das entmündigt die wahre Hoffnung und die Ehre des Daseins.
Jenes andere gegensätzliche Bedürfnis der Geschichte aber, die falsche Aneignung abzubrechen, wenn es sich daraus zur Katastrophenpolitik beeifert, nimmt sich die Ehre des Gewesenen, während es sich dieselbe ohne das Gefühl des harrenden Gleichnisses aneignet. Es vergißt den Schutz der Ungeschütztheit, welcher vom Gleichnis her wie eine Feiung in ihm ist. Was nämlich im laufenden Sinne der Geschichte das menschliche Feld sich aneignen kann (und das allzuvermenschlichte sich angeeignet hat), das bildet einen Rand von Geschriebenheit und einen Inblick, über welchen die Natur weder herein- noch hinausstürzen kann, ohne immer diese geschriebene Grenze zu berühren. Hier blickt die Natur in sich und erfüllt den Plan, der den blinden Teil des Kommenden an der Richtung des Gewesenen mißt, das Gleichnis an der Spur aufschreibend löscht und entzündet und so die Herkunft in die Ehre der Zukunft, das Gemessene in das Ungemessene weiterrettet. Rettung ist der gegen jeden Begriff entscheidende Sinn der Geschichte. Sie ist nicht die Verbesserung einer Natur von ihrer humanen Allgemeinheit her und durch sich, sondern sie entfacht sich epimetheisch als ein Zeugnis, das ihr vorausliegt. Auf der vorgegebenen Blutstapfe eines christlichen Geschehens hat sie ihren Markstein gesetzt. Und noch stärker als bei der Sage der Pandora mit den bloßen Geschenken vertieft sich in den Gaben des Kampfes mit den Verschuldungen der Geschichte die unbeschützte Hoffnung. Sie wächst wie gegen sich selber und ist harrend am Rande der Schöpfung, die im Abbruch ist gegen die neue Geschaffenheit aus dem Gleichnis.
Rettung also und Ehre ist eine stets wieder aus dem unbesitzbaren Gleichnis kommende Geringheit, welche aus dem Gleichnis ihren Schild und ihre Waffnung hat wie zu einem ritterlichen Leben. Das geschichtliche Leben steht in diesem Sinne dem menschlichen Dasein zuvor. Das Empfangene oder also das gegenüber dem Menschen »Sekundäre« wird das Bestimmende. Der Grund der Ehre schlägt sich um in die Gründung, die Ursache wird in sich nacherholt zur Folge, wie das Licht in der Farbe gegengehalten ist, und aus dem Nichteigenen wird die Ehre zu dem Eigenen. Das ist die große christliche Metapher der Geschichte. Sie ist nicht bloß bild- und analogienhaft im entzündlichen Verstande, sondern sie ist ein Vorgebot und aus ihm ein wirklicher Umschlag und sie ist wie ein Recht für den blinder Gläubigen, diese Umkehrung des Grundes in die vorweggenommene Gewirktheit. Und es ist der christliche Sinn eines tapferen Menschen. Die vergänglichere Natur des Deutschen empfing auf diese Weise ihren um so stärkeren geschichtlichen Ehrenschild. Aber wie wird er nun heute in der vergleichsmäßigen Praktik der Menschgesinnung noch weitertragen? Wie geschieht Rettung in einer Zeit, die glaubt, die Rettung einfach kontrahieren zu können?
Nach der Zwischenzeit einiger Tage, während welcher das Maß der erkenntlichen Kräfte gegenüber dem Unmaß der blinderen Anstürme im Reichstag für den Reichskanzler Brüning einen ehrenhaften Sieg bringen konnte, einen Sieg im Sinne der Reflexion, die das bonum commune voranstellt und von einem zwischen Not und Möglichkeit verträglichen Daseinsgewissen her darauf vertraut, daß die allgemeinere Bleibe auch zugleich doch die einzelwirkliche Unruhe um Recht in sich berge und mit austrage, kurz die ihr Gewicht mehr nach der Seite des Allgemeingewissens verlegt und also auch den Katholiken in diesem generalisierenden Sinne wirksam sein läßt, nach diesen stürmischen Tagen, in welchen Brüning für sich persönlich noch innerhalb der Vertretung seines politischen Zweckes eine ehrliche und tapfere Eindeutigkeit gewesen ist, besteht nun wieder mehr die Ruhe der schwankenden Waage. Brüning als Politiker wirkt gegenüber dem bloßen Allgemeingewissen als ein Unterschiedener dadurch, daß bei ihm mehr die Klugheit und eine darin ebenfalls blinder vertrauende Arbeit spricht, dieser wesenbildende Gegensatz im Personalen oder jedenfalls ein hartnäckiger Hang zur Zuversicht und auch ein starker rationaler Glaube an den Ausgleich des Geschehen-müssens mehr als die ältere politische Fertigkeit, die den Glauben in mittleren Programmen miterledigt besitzt. Brüning verbraucht auch die Sprache nicht von apodiktischen Mittelbegriffen her, bei denen man dem Gegner nichts sagt, was er zugleich an engerem menschlichen Bestande sich aneignen oder im ähnlichen Spiele abwehren müßte; sondern Brüning ist gerade darin, daß er mit der Schärfe des Angriffs nicht so sehr den Mittelbegriff der politisch-weltanschaulichen Fertigkeit benützt, sondern eine eigene scheinbar verhinderndere, aber eben darin verbindende Schärfe voranträgt, ein in der katholischen politischen Entwicklung innerhalb des deutschen Volksstaatsbegriffes neuer Charakter oder Mannesgeist. Er hat auch den Sinn der Ehre in dem persönlichen Gefühl für die Lage, welche etwa, wenn sie noch Witze, dann keine solchen gestattet, die neutral und ohne gesellschaftliche Kampfliebe sind, sondern allenfalls nur solche, welche einen Gegenschlag zugleich, in dem sie ihn abwehren, befeuern. Brüning hat ein Gefühl für das Nahesein und für das Kämpfen am entscheidenden Rande. Und er bedeutet im Kampfe der Gegensätze, und auch wenn sein zivilgerechter Schild der »Asphaltpresse« mit zur Benützung dient, doch die Möglichkeit und die Wirkung der persönlichen Integrität.
Aufs weitere gesehen, und indem bei Brüning doch noch mehr das Integre der Einsicht als der Willensform, also mehr das Bekannte als das Unbekannte oder das erst aus dem Zukünftigen des tuenden Menschen selber kennbar werdende Wappenschild der Gegenwart, d. i. mehr noch das Hüten als das Gewinnen ihrer Immaculataform (dieses aus dem künstlerischen Sinne gedachte Wort auf die Überlegungen in der Parteienzeit und ihre möglichen Übergriffe über das Gegebene angewandt) ausgesagt werden darf, kommt wieder die Frage nach dem Charakter der mesótes und ihrem zeitlichen Wirkungssinne. Oder einfach — da ja auch diese Zeit mit Erscheinungen wie Mussolini, und selbst Rußland in seinem verderblichen Widergange, das legale Prinzip des Allgemeingeistes durchbrochen hat — wie oder ob der generalisierende Sinn, der immer am meisten in der Wirkung zu bleiben sucht, zugleich ein katholisierender sein könne.
Um dazu nochmals die persönliche Art eines Staatsmannes mitanzusehen — im Sinne des Haltbildens oder Übergreifens über geschichtliche Randsituationen ist eine solche Gestalt auch formhaft zu betrachten — so liebt es die politische oder, wohl größer zu sagen, die geschichtliche Öffentlichkeit, einen Staatsmann weniger nach dem rechtlichen Prinzip als nach den persönlichen Eigenschaften, in welchen sich diese politisch-thetische Form vorbringt, in Kampf und Zustimmung aufzunehmen. Bei aller ausnahmlichen politischen Stärke Bismarcks empfand man sich bei ihm fast noch mehr von den vorgiebigen Eigenschaften des Menschen regaliert und dies gab ihm nicht zum wenigsten auch seine ebenso ausnahmliche politische Volkstümlichkeit. So wie man politische Kampfwellen erst zuletzt mit dem Schild des Glaubens auffangen soll und lange zuvor mit den »Dispositionen« oder Verortungen, die der Glaube als weltliche Substanzierungen oder geschichtliche Methoden aus sich hinauszustellen vermag, um dadurch eine Konkretisierung der Geister von geschichtlich verzahnter Folge zu erhalten, so wird anderseits Vertretung und Angriff aus einer stark menschlich vereigenschafteten Figur des Politikers her trotz der allenfalls stärkeren Verfeindung ebenfalls bevorzugt oder doch mit Furcht gleich einer Liebe in Kauf genommen.
Die Wirkung des Geistigen wie auch des Künstlerischen wird — entgegen der sanitär-demokratischen Idee vom »Geiste« — zunächst auch nicht aus sich selber getragen, sondern von der wirkenden Person her; ja selbst die Wahrheit holt sich die Proportionen ihrer Wirkung zum Zeitsinne nicht aus ihrer primären Eigenheit, sondern aus der sekundären Stärke des geringeren Menschen, der sie »relativiert«. Und die unfehlbare Kirche ist in der demokratischen Zeit keine Parallele zum demokratischen Geiste, der Beglückungsanteile gibt wie Bankgelder, sondern ihre logische Immaculataform steht in Korrespondenz und geht unmittelbarer durch das Nachkommen und davon gestärkte Vorgebot ihrer Angehörigen.
Kurz, um das Größere wieder abzubrechen, die Geschichte liebt es, ihre Erfahrungen aus dem Geistigen her und ihre Ereignisse nicht auf dem Wege vom mangellosen Geiste zu empfangen, sondern auf dem gewissermaßen niedrigeren der habhaften menschlichen Verzeitlichung, auf einem Umwege also, dessen Ortpunkte aber komparativisch gesehen mehr sind als das zentrale »Geistige«; welch letzteres zudem an sich gerne bloß defensiv oder passiv ist, wenn es sich um die höheren Güter handelt, weil der Geist den verwirklichteren höheren Gütern nicht nachkommt, und aggressiv dagegen bei niederen Überzeugungen. Das höhere Geistige will, wie man sieht, um dagegen seine aggressive Kraft zu erhalten, die Disposition in den umwegigeren Eigenschaften der menschlichen Natur. Oder es sehnt nach einem Recht, welches nicht aus sich, sondern aus einem Dritten ist, umgekehrt in das Recht der geringeren Kreatur. Denn wo das Menschliche charakterisierter und gegenüber seinem eigenen »reinen« Begriffe stärker ist, wird auch das Werkzeug deutlicher. Dies, um etwas fast priesterhaftes in der Personenart des früheren Beamten und gewesenen Kriegsoffiziers Brüning zu besprechen, das in dieser revolutionären Geschichtszeit eine ausgesprochen physiognomische Bedeutung hat, aber mehr die Haltekraft, als den menschlichen Übergriff anzeigt; oder mehr doch mit der Empfindlichkeit des reinen und regulierten Willens gegenüber heftiger vorbietenden und einseitiger nationalen Politikformen antwortet.
Wieder nun der Gedanke des katholischen Sinnes, und ob er mit einem allgemeinen sich deckt oder wie er für eine säkuliertere Auffassung rüstig sein könne. Wenn man behauptet, daß die humanistische Idee und ihre objektive, gewissermaßen statische Abfertigungstendenz die wirkliche Randform der Geschichte verliere und von der Zukunft weg verderbe und wenn man nun sich die Art des geringeren Menschen dazusieht — noch nicht des kräftig spezifizierten, der, wie oben gesagt, mit einer kreatürlichen Vollmacht den geringeren Teil am Geiste dazu stellt und sich in gegensinniger Erwählung mit zum Austrag bringt —, sondern des einfach zunächst mit seiner Bewußtheit und Fühlung die Geringheit an der Lebensbeteiligung Tragenden und besonders auch des, wie das Schlagwort sagt, »Enterbten«, des Menschen nämlich, der immer unbehaust im künstlich Ideellen und erst recht gegenüber allen materiell Gesicherten mit bloßer Hoffnung auf Zukunft auch zugleich der am Rande der Geschichte Stehende ist, so hat man zunächst dieses Ressentiment, diesen Empfindungswiderschlag, welcher aus der sozialen Not vergrößert, und indem er auf die herkünftigen Sinne der Geschichte mit einer Wut des Mangels verzichtet, die Stimmung unserer Zeit bezeichnet. Es ist dies wesentlich eine Nachempfindung, ein in sich verkehrtes und in Unfruchtbarkeit hinein schaudernd gesteigertes Gefühl, eine weit schon über die soziale Gereiztheit hinausgeweitete Haltung im erblindeten Dasein, die ohne die gewesene Geschichte und auch gegen alle andere Treue auf die Justitia in der Zukunft rechnet. Da ist die Gegenwart keine Justitia mehr, d. h. nicht mehr diese innere Grenze, die, wie im eigenen Rechte, doch für jeden menschlichen Sohn, aus der immerwährenden Gewesenheit die Möglichkeit seines eigenen Vorgebots nacherholend, entscheidet und durch welche das Gleichnis der Zukunft sein Bild in das Wort und die Geschriebenheit des Gewesenen und der Geschichte hinüberliefert. Kurz: wo die ewige Natur in der einzelnen durch die Geschichte fußt und erblindender das Recht genommen wird, das die bloße sehende Gewachsenheit nicht hat. Der geringe Mensch, wenn er Christ ist, kämpft heute am meisten um diese nähere Justitia aus der inneren Grenze; um diese Immaculataform, welche nie als in der Kirche verebenbildlicht, nie als in Maria wirklich gewesen, nie aneigenbar ist als mit der tötenden Hinüberlieferung des Erwarteten in das Vergangene, oder im gleichen aber nun umgekehrt von der Kreatur her gesagt, welche im Tun des Menschen und vor allem auch zu seinem gesellschaftlichen Anteil sein Vorgebot und den Übergriff ermächtigt, der ein Mehr dazu gibt, das nicht vom Eigenen ist, eine »Eigenschaft«, die ein Handeln in der dritten Substanz ist. Diese Form des Lebens, nicht nur im Sinne gewachsen, sondern auch im Gegensinne kämpferisch, gibt dem Menschen das nähere Recht. Aus dem bloßen Geiste erhält er es nicht. Dies ist das Geschehen am Rande der Schöpfung und die Aufrichtung des Geschöpfes in der Geschichte, die das sehende Auge des geringen Menschen, wenn er ein fühlender ist, erschreckt oder das ihn mit sich selber nach vorwärts stürzt, wenn er es nicht mit seinem Vorgebot übergreifen kann. Das ist in diesen Tagen das stärkste Gefühl und seine Wurzel wie davon die Entwurzelung, der radikale Instinkt hat hier seine innerste Stelle.
Die Kreatur des einzelnen zeigt aber an dieser Stelle, wie sie gespalten ist. Der Schmerz der Empfindung, der mit der Justitia eifert und ihre Wirkung verlangt, bei den einen ein Anklagesinn, der sich im Rechte schart und diese deutsche Zeit beherrscht, und der auch für eine große soziale Gesellschaftung einen reineren, unegoistischen Mittelweg zu garantieren scheint, dieser Schmerz ist bei den anderen als eine Art blinderer Bewegung vorhanden, welche übergreift und womit dieser wesensbildende Gegensatz im personalen, der zugleich Parteien bildet, nämlich mit der Klugheit und gegen sie eingeschnitten diesem blinder vertrauenden Trieb eine heute außermaßen zeithafte Wirkung bekommt. Das soziale Rechten um Gerechtigkeit ist in dieser Weise politisch groß geworden und hat das liberale Gesellschaftswesen aufgespalten. Die geschichtlichen Herkünfte haben sich auf dieses Gleichheitszeichen zwischen personalem und politischem Rechtsdasein verkürzt, das zu den Parteiungen etwas Soldatisches in die Entscheidung mitbekommen hat, das als ein Rest noch, aber auch wieder als das Mark und die Innengrenze aller geschichtlichen Größe angesehen werden kann.
Man hat, um bei diesem Wort vom Marke kurz zu bleiben, den Wahlruf für Hindenburg hinausgegeben: die Treue ist das Mark der Ehre. Aber um in diesem Zusammenhang noch enger zu sagen, daß der Mensch gleichzeitig als ein Blinder und als ein Sehender, epimetheisch um etwas Verschlossenes in seiner eigenen Natur beharrend, in einer Innengrenze oder nichteigenen Angulation geteilt ist, so ist eben das Mark des Menschen und voran des deutschen Menschen wie zwischen Treue und Untreue gespalten, oder, in Gleichungen der Kreatur gesagt, zwischen der gleichen und bleibenden Richtigkeit der Pflanze und der heftigeren Wiederkehr im Willen des Tieres, zwischen der inneren Faser und der Wiederkunft oder Erinnerung vom Auswendigen, welche sich abbrechend wiederholt. Die Tage der Schöpfung — vorsinnige Geschichte —, werden durch ein gesteigertes Auswendiges ins Inwendige gesteigert und so ist auch das Tier noch mehr im Innern als die Pflanze und seine komparativische Stufe treibt noch näher auf das Inbild des Menschen — »Untreue« also, die noch eine größere Treue ist und die im Zuvorkommen das Integre eines Lebenskernes erst erbildet. Dies ist ein Verhältnis im deutschen Sinne, das man etwa an den Gestalten der Dramen des Heinrich von Kleist als Spiel zwischen Kühnheit und einer Immaculata des Lebens — wie in zwei Teilen, als ob sie einander je weniger erkennen, doch gegenseitig um so mehr vertrauen — heftig verfolgen und weiter an der Gestalt Hermanns des Befreiers auch ganz als politische Bewandnis bedenken kann. Dies, indem man es weiter bezieht, ist am mittelalterlichen Pfeiler das Gesicht zwischen Tier und Pflanze, gerade das deutsche Gesicht am meisten in der christlichen Restitution von seiner ersten Natur abgeschnitten und darum am meisten wieder zwischen reinem Trieb und säkularer Wiederkehr dazwischen gestellt, das epimetheische Gesicht, das die offen gemachte und schwere Gabenfülle der christlichen Pandora am meisten in sich zurückbesinnt, wie an einem noch nicht gekommenen Reste harrend, und das nun Gegenwart geworden ist. Seine Treue ist ein blinder Mut wie ein stummer Schild über einem sehend eingeschnittenen Auge, wie ein Geschildet-sein über dem Marke, je mehr nach innen verletzbar, um so mehr nach außen gerüstet. Hier hat kein klassischer Schicksalsbegriff seine abebbende Lände, sondern hier hebt sich das christliche Müssen ins Offene. Nicht Körper werden hier frei, analogiemäßig vom Schicksal gebildet und verlassen, sondern eine Front bildet sich aus der Angulation der Geschichte, einer gleich dem andern in der gleichen Haltung für das Integre, und die Menschheit bekommt Stufen, wie sich Front über Front hierarchisch hinaufträgt. Die christlichen Perspektiven sind nicht in einem objektiven Raumsinne erschöpflich, sondern die Komparation ihrer unbesitzbaren Mitten kommt in Stufen zuvor. Aber der Grund der Stufen ist eine Krypta.
Also ist der Begriff des Integren eine Reklusa des ersten Sinnes, bevor er Geschichte wird, eine Verschlossenheit um eine innere Grenze, und wieder, Geschichte werdend, wie eine Krypta und im gleichen die tote Sohnschaft auf dem Schoße der Mutter; um damit wie in drei Formen die Geschichte auf einmal gegenwärtig zu machen: als Reklusaform, als Immaculataform und als Pietàform. Oder um auf den Zeitsinn und den einzelnen zu kommen, der aus dem Totwirklichen des integren Sinnes der Mutterschaft und Kirche das zeitlebende Vorgebot bekommt, den eingestückten Eigenraum in das Geschichtliche und das Wort des beeilenden Teiles zu einem Nein im Eigenen, so ist für ihn das Integre eine Geteiltheit in sich, die den Schild der Ohnmacht nicht von sich empfängt und die nicht dialektisch stark ist, sondern mit ihrer Stärke gespalten, wodurch die menschliche Selbstbehauptung sich in die größere Zeugenschaft der Geschichte »abschwächt« oder »entleibt«. In einem Zuvorkommen über eine »Reinheit«, welche man von der Justitia als gegenwärtige anfordert und welche im sozialen Allgemeinmaße zu einem Neide wird am lebendigen Worte der wesentlichen Kreatur und Geschichtskraft, in solchem Zuvorkommen dagegen wie durch Entleibung liegt der politische Gedanke des einzelnen. Seine willenhafte Gesinnung ist wie eine angenommene Vorgabe gegen das »Reine«, als welches man heute überall eine zum Künftigen hin logisierte Geschichte ansetzt gegenüber einer durch Vergangenheit realisierten. Die Gepaartheit des Baumes des Lebens mit dem Baume der Erkenntnis geht durch die Anerkenntnis, daß das Mark gespalten und Erkenntnis mit Leben nicht gleich ist, in die Geschichte.
Dieser genannte Neid nun um das »Reine« kann die christliche Insinnigkeit mit der sozial-naturalistischen Denkweise heute immer wieder zusammenbringen und es wird daraus eine mesótes der praktischen Wirkung. Und wohl, was kann die Ehre der Geschichte, eben diese Annahme einer Vorgabe von richtender Blindheit gegen das sichtbare Unrecht der Welt und was soll sie dem armen Menschen? Aber ist es nicht doch im Innersten immer wieder die Tatsache einer Gegenempfindung und eine Art Notwehr des Gefühls, das ein »natürliches« ist gegen die neidende Verhärtung der Daseinsrechte. Und ist dies nicht auch ein Vorgefühltes von der »Natur« ins Christliche? Hat nicht an der Angel des Integren, indem die persönliche Natur als der geringere Teil davon in der stillen Ermächtigung bleibt, eben diese Natur eine Gesundheit, welche im christlichen Sinne gewissermaßen noch härter, weil aus sich entstellter ist. Unser Recht kommt aus der Geschichte. Und warum ist der arme und heute auch der arme nationale Mensch politischer als der Wohlgesetzte; gewiß auch von dem Vorgebot her, das in ihm zuerst an die Geschichte glaubt, obschon verkürzt auf bloße Politik. Hier ist die Natur nicht These, sondern Antwort und diese wehrt sich gegen den generellen Neid um das Integre. Dies aber, das auch ein Grundgut ist gegen die neutralisierte Bildung, deren Proteste auch etwa gegen die neuen Barbaren nicht genügen können, dies ist vom geborenen Menschen der lebendige Teil, welcher den Sinn des Ich, die Rasse und die Nation mit sich bringt und welcher der sozialen Neidgleiche nicht unterliegt. Und also weil die Geschichte antwortet, bevor die Natur fordert, kann auch der katholische Sinn kein generalisierender sein.
Man bleibt lange in den Bedenkungen des nationalen Vorgebots, wenn man sie vom Sinne des armen Mannes her bedenkt. Die gefährdete Ehre des Insinnes, in den größeren konservativen Ehrbegriff des nationalen Deutschen übertragen, weist aber in der direkten Notwendigkeit der Geschichte erst recht auf die härtere Kraft der Gesundheit. Die wahren Herkünfte der Geschichte werden nur durch Bauen erhalten.
Zu dem Wahlaufruf der Nationalsozialisten, der zunächst oder am deutlichsten mit einer anderen Direktheit erscheint, als dem epimetheisch »umwegigen« Menschen und seinem Sinne einer »sekundären« Direktheit trotz einer Berührung des Lebensgefühls im blinderen Vorgebot gemeinsam ist, kann man nach der hier also eingeschlagenen Gedankenrichtung nicht sprechen, ohne das, was heute allzu leicht Kulturprogramm geheißen wird, in die Möglichkeit der politischen Lebensform überhaupt und gerade in diesem Zeitpunkte der gesellschaftlichen Zerspaltung wieder hineinzubringen.
Zunächst von der Sinnfälligkeit der politischen Wortführung zu sprechen, ist die feststellende und fordernde Sprache eines solchen Aufrufs in eine Positivität gestellt, welche rein frontal auch mit dem Willen zum Affront wirkt. Sie ist, was sie wesentlich vom Wortlaut der Vertreter einer politisch-neutraleren, hauptsächlich liberalen Mittelstellung unterscheidet (z. B. wenn Wilhelm Schäfer einen kurzen Katechismus der Reichspräsidentenwahl schreibt), nicht schulmeisterlich. Da diese Sprache allerdings wesentlich durch Abkappung entsteht, besagt das hier auch, daß das Echo über eine Art Befehlsmäßigkeit und Frontwirkung nicht hinausgeht. Es braucht Anhänger und es ist vor allem eine politische Technik. Aus der Mitte heraus ist aber eine Wendung wie die, daß der Wahltag ein Weihetag sein müsse, heute allzuleicht möglich. Es sind solche ganz leer gebrauchten Worte von Weihe und anderen Begriffen einer geistigen Ordnung, mit denen sich eben jene Mitte kennzeichnet, welche nicht mehr weltanschaulich gehalten ist und welche einen neuen konservativen Sinn durch ihre scheinwesentliche Anbequemung schon zum voraus wieder verdirbt. Das bürgerliche Wesen, das alle größeren Herkünfte in sich hineinzieht und praktisch verstofflicht oder ideell verflüchtigt und das in dem Verbrauch der höheren Worte gerade heute für sein unhieratisches Befinden eine unendliche Zähigkeit bekundet, ist in dieser Weise ein Unwesen geworden. Daß diese im Grunde hoffnungslos neutralisierte Wohlmeinung in der gegenwärtigen politischen Gewissenslage mit das Wort führen kann, ist die besondere Peinlichkeit dieser Tage.
Man bedenkt dazu, wie sich überhaupt die politische Redeform, geführt von dem liberal-geistigen Binnenneutrum des Wissens und Gewissens, nicht wegzubewegen versteht von Begriffen wie »Schönheit und Würde«, von allgemeinen Menschlichkeiten in Recht und Pflicht, von leeren kreatürlich nicht vollzogenen Balanzen zwischen den Einzelnen und dem Ganzen, von einer zuletzt bei diesen deutschen »Charakteren« charakterlichen Ungenauigkeit. Und wo doch die Differenz der schärferen Gewissen behauptet bleiben will, geschieht es durch die hergebrachten Einsprengungen christlicher und deutscher Begriffe. Das Gewicht wird aber nicht auf diese »sekundären« Merkmale verlegt, welche den Mittelsinn erst formen und ermächtigen müssen, sondern bleibt in dem »primären« Neutrum seiner Mitte, von welcher das »Sekundäre« auch neutralisiert wird. Man liest dagegen etwa in Raumers »Hohenstaufen« Bruchstücke der politischen Sprache, die im stadt- und weltgroßen Mittelalter gesprochen wurde, und findet eine Wesentlichkeit bei ihnen, welche man als eine disjunktive Gewalt bezeichnen muß. Es wäre eine falsche Folgerung, wenn man eine solche Sprache von Partei gegen Partei zugleich oder bloß Egoismus nennen wollte. Denn dieser Egoismus politischer Gegner und ebenso die Sprache von Feinden, z. B. in den Kreuzzügen, ist dadurch, daß man gar nicht primär eine menschliche Mittlerschaft und eine dafür eingefangene bewegungslose Integrität in der Voraussetzung hat, sondern daß alles aus den wirklichen geschichtlichen Verschiebungen des Integren, aus der sekundären Geschaffenheit der Geschichte und ihrer Rechtsdinge erholt wird, eine reinere Kraft und sie bringt die Waage der wirklichen Schicksale ins Wanken, um dadurch eine erschütterte Wissenheit, eine gezähltere, gewogenere und geteiltere Wahrheit herauszuschnellen. Sie ist ehrenhaft auf einem blinderen göttlichen Grunde. Sie ist auch aneigenbar aus der unbesitzbaren Mitte, welche die Kirche behütet, aber die Geschichte zwar nur als die zweite, aber dadurch gewissermaßen treuere Hand ergreifen kann. Sie bleibt, obwohl angeeignet, doch im Empfang und deshalb mehr eine Methode, eine dispositive Kraft, statt eines in sich gefertigten Zieles; und sie bleibt deshalb viel mehr ohne Lüge.
Hier kann auch der Naturalismus einer Denkweise nicht statthaben, welche in unserem letzten Kriege aus sozialistischer Gereiztheit oder überhaupt aus der empfindsamen Böswilligkeit des unpersönlich Menschlichen heraus daran gerne ihren billigen Anstoß genommen hat, daß eine Kriegspartei gegen die andere den Namen Gottes und besonders die deutsche den deutschen Gott zum Kriegsgeschäfte angerufen habe. Denn eine Partei in solchem Falle vor Gott bestellt sich nicht zum Richter, sondern sucht ihren Anteil am Rechte. Sie bleibt gegen die künstliche mittlere Empfindsamkeit und ihre Belange zwischen dem Einzelnen und dem Ganzen im Sinne des Ordals.
Man hat mit der Sprechplatte, welche die stimmlichen Oppositionsmanöver im Reichstag gegen Brüning festgehalten hat, durch die Verbreitung im Rundfunk starke Eindrücke erreicht. Die Unterhaltungen überhaupt in diesen gegenwärtigen Tagen erreichen sofort explosivartige Steigerungen. Die Entrüstungen wie die Streitgefühle der Gemüter sind sofort in Höhegraden, und wer die radikalen Dinge rückwärts bedenken will, epimetheisch an das Gesetz gefesselt, daß die Wurzel der menschlichen Dinge oder dafür richtiger der geschichtliche Mangel einer bei ihnen eingewohnten Innenheit in einer furchtbaren Stete bleiben muß, der wird mit dem Schwall katastrophaler Wendungen, welche die Worte lieben, allsogleich in den Strudel gezogen, den das um sich selber treibende Ärgernis der Menschen an dieser ihrer Zeit immer lauter gebiert. Es ist zuletzt ein Ärgernis daran, daß nicht nur ein Krieg wie der letzte große sich als eine Art von unvermeidlichem Naturereignis offenbar gemacht hat, sondern daß auch die politischen Kontraktformen der Gesellschaft, welche man im vernünftigen Staate geschützt sieht, wie Naturereignisse ihre Statik ändern können. Es ist das Ärgernis, daß auch die bequeme Stete der krieglosen Geschichte eine furchtbare Stete von haltloser Immanenz werden kann; daß gewissermaßen auf die Katastrophen in der geschichtlichen Vaterschaft und ihrer Freiheitsbehauptung im lauten Menschenworte auch Katastrophen der Mutterschaft und der stummeren Zerstörung in jedem Bild und Bildungssinne nachfolgen können. Und die Furcht ist in ihm, daß, wenn nach dem Abfall von der Kirche Jahrhunderte von sozusagen mehr vaterschaftlichen Schicksalen gewesen sind, jetzt ein viel größeres mutterschaftliches Schicksal ahnbar wird. Die blinden Gemüter treiben im Kreise und die blindere und größere Stetigkeit der Mutter, in den Gevierten der Welt unbehaust und wie ein dunkel kommender Schatten irrend, erschreckt die Behausten.
Es gehört in die Signatur des heutigen innenpolitischen Kampfes, daß, einfach gesprochen, die Kulturfrage, oder, höher geführt, die Volks- und Religionsfrage mit der politischen Sinnesfrage in naher Bindung erweckt wird. Hier ist etwas erwacht, was die politische Verschärfung auf jeden Fall zu überdauern und in eine andere Notwendigkeit fortzusetzen scheint. Die getrennten Bekenntnisse scheinen, wie sie zunächst politisch müssen, auch zum höheren geistigen Volksleben sich anders als bisher disponieren zu wollen. Es gehört in diese Sachlage zunächst auch vom Gegenteil her die Feststellung, welche die Korrespondenz einer Berliner politischen Arbeitsstelle, die konservativ arbeitet, in folgender Weise angemerkt hat:
»Besonders charakteristisch für den gegenwärtigen Wahlkampf im Unterschiede von dem Wahlgang 1925 ist der Umstand, daß das Religionsbekenntnis der Kandidaten von der Wählerschaft stark beachtet wird. In nationalsozialistischen Kreisen ist sogar schon eine Besorgnis aufgetreten, daß das katholische Religionsbekenntnis Hitlers auf die Wahlziffer schädigend einwirken könne. In der Anhängerschaft der Hugenberg-Gruppe wird dagegen die Kandidatur Duesterbergs stark als eine Kandidatur des evangelischen Volksteiles gewertet, während gegen Hindenburg stimmungsmäßig geltend gemacht wird, daß er mit dem katholischen Reichskanzler politisch so eng verbunden sei. Unter diesen Umständen muß man es als ein Glück bezeichnen, daß die Zeit bis zu dem ersten Wahltermin ziemlich knapp bemessen ist; denn sonst könnten wir vielleicht noch erleben, daß wir zu allem anderen inneren Streit auch noch einen scharfen Religionskrieg hinzubekommen würden.«
Dazu, im engeren zustimmend, kann man doch unschwer sagen, daß die Zeit bis zum Wahltermin nur ein Teil sein wird von einer Zukunft, welche neu entfachte Kämpfe um das christliche Deutschtum kennen muß. Der Kampf gegen den »Geist«, eben den, welcher wie eine demokratische Bankgeldidee für alle rationiert wird, ist in grobem Zuge ein solcher Ruf an die Zukunft. Der Regierungssinn nach dem Kriege ist vielfach unter einem solchen Geiste entstanden und gerade von einem künstlerischen Gefühle her, das in sich selber mehr das Vorgebot der eigenen Kreatur zu erkennen hat als den Anteil am allgemeinen Geiste, hat man sicher auch das katholisch-politische Verhalten vielfach allzuwenig von diesem Neutrum sich abtrennen gesehen. Es ist aber jetzt eine Wendung gekommen, eine gegenbewegte Zeitnot, welche gegenarbeitet gegen die politische Neigung, die Dispositionen des Volkstums, seine Rechtsgebürtigkeit und die glücklich-unglückliche Gebrochenheit gerade des geschichtlichen Deutschtums vom religiösen Gedanken her und unter einem formlosen Solidarismus zu vernachlässigen. Ist nicht diese Neigung mehr bloß eine allgemein religiöse anstatt einer eigentlich im Christlichen accident gewordenen, accident wieder in dem Sinne der geschichtlich sekundär eingetretenen Kreaturbürtigkeit des Volkstums, welche Bürtigkeit dann als Vorgebot zur Antwort an das Integre bereit wird? Der Geist ist an sich liberal und abfällig, sobald er einen eigenen Zweck entdeckt. Ja es besteht aus der in sich selber feindlichen Selbstverstärkung jedes vom innersten Grunde zu sich selber abgestellten Eigenwesens, indem es die Fähigkeit der Antwort verliert, die Möglichkeit, daß gerade der im Christlichen auf diese Weise zu sich selber abgesetzte Geist ein besonders unfruchtbares Neutrum werden kann. Er versteht, aus dem Ordo der Trennung von Angulation und Proportion gerückt, am wenigsten mehr die Proportion der geschichtlichen Kräfte und befördert auch den Verfall der natürlichen Proportionskraft und die Hierarchielosigkeit der vom positiveren Auftrage verlassenen Dinglichkeiten und Wesenheiten.
Die weitere nationalsozialistische Bewegung hat hier einen Ansatzpunkt gefunden, soweit man bei den ganz ungeklärten Verhältnissen im neuen konservativen oder nationalen oder deutsch-christlichen Denken einen solchen Ansatz schon feststellen kann. Der Gedanke des Solidarismus, der nach dem Kriege eine pietistische Verallgemeinerung bekommen hatte, ist hier in eine gewisse volkhafte Rüstung getreten. Aber zunächst wird dabei auch ein viel gröberer Abfall von jedem geschichtlichen Sinne möglich und jene epimetheische Kraft des Deutschen, der zwischen Vergangenheit und Zukunft gespalten den Weltsinn in sich trächtig über Europa getragen hat, ist zu einer baren Positivität bereit, welche keinen Nachsinn kennt und welche die geschichtliche Kreatur des Deutschtums in eine bloße Rassenposition umzusetzen versucht. Das gespaltene Gesicht des Menschen, das zwischen Tier und Pflanze, zwischen Wiederkehr und Fortgang seine Zukunft erblickt, ist auf einen Animalismus zurückgesetzt, der, zwischen diesen beiden entschiedenen Teilen amorph bleibend, zuletzt doch wieder auf einen bloßen klassizistischen Eklektizismus und dionysischen Vitalbegriff hin hymnisch und pädagogisch reaktionär wird. Er ist in der Richtung auf das Menschliche von einem gewissen Adamsgefühl der künstlerischen Linksbewegung nach dem Kriege schon überboten, da dieses, wenn nicht in die Spur der Geschichte, so doch der Zeit selber und ihres Erstbeginnens getreten ist, und den mediocren Glanz des Menschwesens mit der Hypothese der zeitlosen Natur abgelegt hat.
Besser oder näher — und allerdings dann auch in der stofflichen Verkleinerung zu ersehen, welche nicht mehr zu einem weltanschaulichen Formsinn ausreicht — ist der völkische Kulturgedanke eine ethische Rassentüchtigkeit. Noch enger und zugleich als Tradition gesehen ist er eine bürgerliche Gemütssache, ein Charakterstil spätgotischer Restempfindung, da der bürgerliche Mensch aus den großen Formzuständen zu sich selber ereignet war, der nun heute noch immer in dieser Weise geschichtlich eingesiedelt sein möchte. Aber damals wurde gerade unser geschichtliches Schicksal aus einem bekannten Ende in einen unbekannten Anfang gestellt. Damals ist für uns die zu enge charakterliche Verortung, die eine Aufschließung ins Gemeinsame und Kleinvolkliche ist, und dawider zugleich die Form der geistigen Zeitlosigkeit, die ihrerseits wieder eine Zuschließung der sinnhaften Offenheit ist, eingetreten; Anschauungsformen, zwischen denen die genaue Disposition oder Eingesetztheit eines Dritten zwischen dem Einzelnen und dem Ganzen nicht mehr wirkt. Die innere Grenze ist zwischen Technik und Form verloren gegangen. Und dies hat sich heute aufs entscheidenste verstärkt. Die Masse steht gegen den einzelnen. Aber auch der Kulturdenkende muß, wenn er den formalen Begriff der Kunst und ihrer Emendation des bloßen Menschenbegriffs aus der »klassischen Sphäre« in die Geltung für eine disponierte Gesellschaft, d. h., aus der dialektischen Form in eine disjunktive, aus der substitutiven Einheit in eine Mangeleinheit zu einem Dritten hin, aus dem Zentralen ins Universale übersetzen und umschlagen lassen will, wenn er die Substitution in eine Transsubstantiation verwandeln will, immer an der Cäsur scheitern, die den Begriff Mensch von dem Begriff Menschheit trennt. Die »klassische« Form beruht auf einer Analogie von Mensch und Menschheit. Die Gruppen von Menschen, die Nationen, die Herkünfte und ihre Dispositionen, die Proportionen der geschichtlichen Geschaffenheiten haben darin nur künstlich einen Platz; ihre Verhältnisse werden unter die »Idee« subsumiert, aber nicht gegen das Ideelle in der Realität des Wortes der Geschichte vorgegolten. Sie können prometheisch eifern, aber sie sind nicht epimetheisch ihrer eigenen Innenheit im Vorausgang begriffen. Eine solche Umkehr ist aber in der christlichen Geschichte. In ihr sind die Wesenheiten nicht analogienhaft gleich. Die christliche Geschichte und ihre Kunst ist eine Wegnahme wie aus einem Mangel, ein Wegholen aus der Mitte und dadurch verstärken sie den Mangel Gottes in der Geschichte zu einem kreaturierten Reichtum. Hier ist der Innensinn der christlichen Kunst und das mit ihr herangewachsene deutsche Schicksal.
Indem man nun sagt, daß durch das Christentum die Naturwurzel abgeschnitten ist, indem man den Grund verloren gibt für ein komparativisches Geschehen, das über ihm in der Zeiterfüllung stattfindet, wird der Blick ein anderer; auch gerade der Blick für die Rasse und für die nationale Geschaffenheit. Es findet dann für ihn in diesen geborenen Dingen durch die Geschichte eine Rückkunft statt zu ihrer zweiten Geschaffenheit. So ist auch die deutsche Nation durch den Lauf der mittelalterlichen Geschichte erst ein wieder Zurückkommen auf sich selber; und sie ist dies wesentlich schon geworden, bevor eine nationale Eigenbehauptung aus nun neutraleren Begriffen einsetzen konnte. Und so kann man also nicht die Wurzel erneuern, sondern das Zurückkommen auf dieselbe befördern. (Kunstgeschichtlich wäre es dazu deutend, am Verhältnis der Merkmale — sie sind als Accidens des Wesens zuerst da und entstehen wie aus einer Eingegrabenheit oder Eingesätheit — die Innenheit zu erschließen von ihrer lückenhaften Größe bis zur allgemeineren Ausgleichung im Raumsinne, bei welcher die Merkmale des mitgeschaffenen Menschen sich dann als generationelle Summe zusammenfinden, aber das Frakturhafte des unvergleichlichen Einzelschöpfungssinnes oder die gleichsam siderische Vorbestimmung elementlicher Kräfte verlieren.)
In diesem Kunstsinne findet dann keine bloße ethische Durchsetzung des hypothetisch Formalen statt, um es einzudeutschen, sondern man blickt auf die Realisierung, bei welcher das Einsinnige des Ideellen immer verschoben ist auf das Vielsinnige des Kreaturierten. Dieses entscheidet und macht als letztes Bekenntnis wahr, daß es Ideen nicht mehr gibt, sondern daß sie durch das eingeborene Wort ersetzt sind, welches wie ein Mangel ist zur Geschichte und durch welches jedes weitere kreaturierte Wort reich wird. Dies ist der Versuch einer komparativisch christlichen Anschauung in der Geschichte gegenüber einem Idealismus, der dagegen als etwas künstliches erscheint.
Der Zusammenhang hier und der engere Übergang auf Kunstanschauungen, welche zunächst wenigstens von der nationalsozialistischen Bewegung besonders gefördert scheinen, kann uns auf den Wert oder Unwert der Erziehung in den Dingen der lebendigen Kunst überhaupt führen. Der Erziehergedanke in der Kunst hat gleichzeitig mit dem Naturalismus vielen Boden gewonnen. Obgleich mit einer Popularphilosophie, mehr vorausgesetzt als in bestimmten Zügen besessen, von Kunstmittlern und Volkserziehern, vor allem auch in periodischen Organen vielerlei unternommen wurde, um dem Naturalismus und den »l'art pour l'art«-Reden gegenüber eine Verbindung von Kunst und Volk zu schaffen, ist dies ein doch ziemlich unfruchtbares Kapitel. Es liegt in der Natur eines allgemeinen Geistes, daß er sich in einem immanenten Fortschrittstrieb mit der Masse identifiziert; und so ist die bloße logische Kunstentwicklung heute immer in einer Verhängung mit der Linksbewegung. Hegel und Marx haben an diesem formalen Selbstbewußtwerden des Geistes von verschiedenen Zugängen her Anteil. Wo man in den Herkünften und geschichtlichen Gütern des Volkes ältere Rechte und Charakteraufgaben sah, hat man sich gegen die logische Artistik aufgemacht, um mit Erzieherbedürfnissen einer volleren Menschlichkeit gerecht zu werden, ohne allerdings einer eigentlichen Rechtsbewegung viel Nutzen bringen zu können, geschweige in eine radikal-konservative Inständigkeit zu kommen. Auch diese Erzieher sind bei einem leeren gemütsmäßigen Naturalismus stehen geblieben, wie es oft ist, daß Nächstbenachbarte sich am stärksten befeinden. Diese mittelsinnige Gemütsform zwischen Kunst und Volk, die unterhalb der stereotypen Werte der Bildung einen beweglicheren Zusammenhang im breiteren Kulturleben erhalten will, kann man geradezu als eine Krankheit der Rechtsstehenden bezeichnen. Man wird nicht sinnhaft und nährt sich statt von der weltanschaulichen Strengheit der Kunstformen immer wieder von volkspolitischen Reflexionen. Hier finden dann von rechts und links die bloß Mittelsinnigen zuletzt doch wieder differenzlos zusammen, und auch gerade der Rechtsstehende erringt nicht oder vergißt den Glauben, daß Kunst und Politik im großen Sinne untrennbar sind und daß die Kunstform die Bedeutung der politischen Kräfte und ihrer Krisen geschichtlich in sich dokumentiert. Er will ein »objektives« Kulturfeld für das Volk bewachen und glaubt, daß ein solches für Kämpfer unbetretbares Reservat des Schönen gegeben sei. Tatsächlich schafft er an einem neutralen Gemeinplatze, der von der immanenten Richtigkeit der Linksbewegung durchquert wird, welche aus Grund des »abfälligen« Geistes immer in Bewegung ist. In Rückstand aber bleibt der an sich, wenn er nicht geschichtlich inkorporiert ist, formlose Erziehungsgedanke.
Nun müßte es eigentlich höchlich verwundern, daß eine politische Bewegung von radikal deutschem Charakter nicht einen ebenfalls radikalen deutschen Kunstsinn aus sich erweckte, wenn nicht eben diese Tatsachen wären, einmal, daß sie das liberale Erbe in vielen Kulturdingen noch mit sich nimmt, zum anderen, daß der Deutsche, wenn er seine weltanschauliche Formherkunft — oder was dem starken deutschen Sinne dafür aus seiner frakturhaften Schöpfungsanlage her ahnbar bleibt — verliert, zum Erzieher und Ethiker wird. Und so sieht sich eine teildeutsche Bewegung zunächst an, um so bedauerlicher, als heute wirklich eine neue deutsche, germanische und nordische Faser von Kunst- und Weltgefühl lebendig geworden ist, da Künstler wie der deutsche Corinth und der Norweger Munch — auch den Holländer van Gogh muß man dazu stellen — wie aus dem Blute und aus den Elementen von Erde und Wasser und von gebrochenem Lichte her, aus den kalten und heißen Wegen der Schöpfung zu neuen Inständigkeiten einer rassenhaften Geschaffenheit aufgestanden sind. Die neue deutsche Kunstbewegung würde noch mehr in dieser Weise zu deuten geben, um einen neuen radikaleren Einbruch und persönlicheren Ausbruch des deutschen Sinnes in den Dingen der Schöpfung und ihrer dispositiven Eingewirktheit zur Mitwelt zu verstehen und eine wirkliche und tiefe deutsche Innengrenze in dieser Kunstzeit zu spüren.
Was aber von den gegenwärtigen Kunstdingen gilt, daß man ein deutsches Grundgesetz dabei nicht erkennt oder fühlt, das wird noch viel deutlicher im Hinblick auf entscheidende deutsche Vergangenheiten. Sicher sind wir Deutschen, die wir an unserem Wesen die Welt genesen machen wollen, in den Geheimnissen unserer eigenen Vergangenheit uns noch selber am verborgensten. Man hat geglaubt, die mittelalterlichen Figuren, so am Bamberger Dome, in einem rein rassebegrifflichen Sinne verstehen zu können. Wer so einfach glaubt, hat — abgesehen von der mitlaufenden Differenzlosigkeit der Meinung gegen die eigene Vergangenheit hin — nicht gesehen, wie am Gesicht der Bamberger Eva das Fleisch entsteht gleichsam aus siderischen Bogen, als ob ein Gesetz der Scheidung, man möchte sagen eine eingeschriebene Astronomie und Sinnfingerführung der lebendigen Eingehauchtheit zuvorgegeben sei; wie denn die Glieder nicht durch Nachahmung von Lebendigem, sondern mehr noch wie durch ein Negatives, durch ein Ausschließen vom Nichtlebendigen entstanden sind, von dem das Tun als Lichtgrade oder Umschläge mitstehen bleibt, die an ihrem Schnitt den Lebenspuls haben. Man könnte also vom Rassekünstlerischen nie als von einem bloß primär kennbaren Merkmal sprechen, — geschweige von einem Züchtungsbegriff —; sondern es zeigt und erzeugt sich wie die mittelalterlichen Dinge in einer sekundären Kreaturierung durch das Tun und ein darin zu sich erfindbares Müssen, welches dann trotzdem das Vorgebot gegen eine bloße Form erbildet. Dann hat man vor allem auch zu sehen, daß solche Figuren von ihrem Rücken her wie aus einer Justitia oder Angulation bestimmt sind, wodurch sie in ihre Lebensgliederung wie aus einem Gegensatz und wie durch primäre Ohnmacht und eine Anmut der Schwächung erkräftet hertreten; — um dies, was man sonst als eine bloße architektonisch-plastische Bestimmtheit bezeichnet, auf eine weltanschauliche Weise des Herkommens mit seiner inneren Grenze im Integren anzugeben. Die Figuren stehen in ihrem eigenen Vorgebot und bringen dazu die Zeichen ihrer Gewandetheit noch stärker mit, wie eine Bergung für ihre leibliche Gewordenheit. Indem sie so hertreten, sind sie — wer hat dies noch nicht gefühlt, — näher gekommen als nach einem bloß objektiven, optischen Begriffe. Sie haben sich gewissermaßen epimetheisch zuvorkommend eingeholt; wie denn die mittelalterliche Figur stets mehr zugleich innerhalb und außerhalb einer bloß objektiven Distanz sich befindet. Das heißt, sie trägt die Sinne einer Innengrenze an sich mit und gibt der Welt der Sinne dadurch weitere insinnige Teile. Kurz, die Figur steht in Komparationen, welche man mit bloßen Rassebegriffen schlechterdings nicht begreift. Und wenn der Deutsche ein besonderes Gefühl hat für solche Insinnigkeiten — allerdings noch nicht wieder der heutige Deutsche — und wenn man solche Sinne erst recht auch auf die Dürerzeit hin fortsetzen könnte, wo der Sinncharakter sich zwischen »absoluten« Formen und Zwecksinnen gebrochen hat, so würde sich noch stärker ein Schicksal verdeutlichen, in welchem der Deutsche sich dann epimetheisch nicht mehr eingeholt und, weiter aus der Angulation losgelöst, zum prometheischen Versuche umgeschlagen hat. Die künstlerische Rassentheorie macht dieses weltanschaulich formhafte deutsche Drama nicht begreiflich.
Allerdings — und weshalb gerade aus dem deutschen Schicksal heraus die Diskussion zwischen Menschen verschiedenen deutschen Glaubens schwierig bis zum Gegensatz geworden ist — hat die Umbildung in der Renaissance, fast naturhaft wirkend, nachdem das Inbildlich-Speziale der Kreatur in ihrer mittelalterlichen Geschaffenheit zum großen Teile außer Wirkung gekommen ist, die Frage nach einer generalen Naturbestimmung erhoben, welche das »angeborene« Merkmal nicht mehr in der »sekundären« Folge und als Vorgebot und Wachstum im »Accidens« ersinnend bilden will und dafür im »Prinzip« sucht. Hier ist dann der geschichtliche Angelpunkt einer »biologischen« Kunstfrage entstanden, welche von der »komparativischen«, metaphysisch-realen Widerbedingung der christlichen Kunstkreatur wegführt zur »positiven« These. Ob nicht dieses Sinngeschehen für das christliche und deutsche Kunstschrifttum zum wesentlichsten geworden ist?
Die Kunst hat gerade heute eine eigentümlich große und geheimnisvoll wichtige Rolle. Es ist seit langem unerhört, daß sie wie heute aus den bequemen liberalen Wegen mitentscheidend in den politischen Streit gezogen wird. Wenn hier auch ein Vorgebot besteht, — ein aus dem eingeborenen Worte in der Umkehrung folgendes und mystisch in der Geschichte geltendes —, daß nämlich das blindere Bild dem sehenderen Worte vorausgeht, dieses christliche Paradox der Umkehr am Integren, d. h. daß das Gesicht und seine bildhafte Spiegelkraft eine schon immer vorhandene und im Christentum verstärkte Proportion wird für das angulative Wort, eine Begegnung in der inneren Grenze wie im Schweißtuche des Menschensohnes, um wie eine noch weiter fordernde Mangelform dem Wort auf seinem Wege vorauszugehen, so ist dieses Verhältnis, welches im Mittelalter zwischen Bild und Wort wie zwischen Lücke und Füllung ein unersättliches war, heute wieder in etwa vorhanden oder doch auf eine seltsame Weise fühlbar. Jene Cäsur im Menschlichen, indem sie nicht der Abgrenzung der einzelnen Figur und auch nicht dem Homo gehört, sondern als Schnitt auch nach außen gültig ist und damit die Gruppen der Menschen begründet, wie Pfeiler ihre Trennung bedeuten, jene dispositive Cäsur ist zugleich der Spiegel der Innengrenze und der Erblindung, welche jedes Geschöpf gleich allen und mehr als bloß analogieartig verglichen auf sich stellt; sehender in allen, blinder in sich. Das christliche Kunstsehen aber ist überhaupt zuerst eine Gesehenheit wie empfangen im Ganzen und dann gegen die Gänze das Universe der Haltung für den einzelnen. Hier findet ein inneres Verhältnis statt, das mit dem optischen Kunstbegriff von heute nichts zu tun hat.
Der Deutsche setzt sein inneres größeres Schicksal gerne in eine bloße allgemeine Vernünftigkeit um. Und heute finden sich alle eilends gerade in den Kunstdingen zu solcher mittlerer Vernünftigkeit zusammen, um nichts Weiteres spüren zu müssen. In Wahrheit ist der liberale Überfluß im Kunstschaffen ein Ausweichen vor dem eigentlichen Bildsinn gewesen, der eine Konfrontation bedeutet, welche auch dem Sozialisten Marx bewußt war. Der Bildsinn dieser Zeit will wieder, indem er zugleich die Kreatur tiefer inkorporiert, einen richtenden Abstand schaffen; er will konfrontieren. Und hier wäre für eine neue deutschpolitische Bewegung im Kultursinne ein wichtiger Ansatz zu finden. Aber die sich dafür berufen hielten, haben sich zunächst nur eben auf dem Gemeinplatze versammelt. Und je länger sie sich darauf, beredt und verständig, festhalten lassen, desto gewisser gehen wieder die größeren deutschen Kulturverhältnisse am politischen Gewissen ohne Erfolg vorüber.
Das Hören der Stimme Hindenburgs gestern abend im Rundfunk bleibt im Ohr als ein Erlebnis von politischer Stärke in einem unpolitischen Vertrauen. Es ist in dieser Rede alsbald dem Hörer auffallend gewesen, daß die Schlagworte des Volkes und der bestimmten Aufgabe, auch die Worte um das von der Opposition angegriffene »System«, daß solche Worte im älteren noch ständischen und standhaften Stile hier gesprochen, nicht als Schlagworte klingen. Sie sind in eine Rede eingesetzt, welche keine anderen Abwägungen und Umwägungen hat als eben diese Gewichte, und als solche stehen sie nebeneinander.
Am Abend auf der Redaktion — da es in Nacht und Tag vorher mächtigen Schneefall gegeben hatte, mit jener Wirkung, wo die Wintermorgenlandschaft die Stimmen der Gehenden manchmal in einer unerwarteten und doch unnahen Raumweise erhebt — kam plötzlich die Stimme Hindenburgs aus dem Zimmer mit dem Apparat über den dunkleren Gang und in die Räume. Da man nachging und hörte, fiel zunächst die sehr preußische Sprachweise und Wortfärbung auf, soweit man bei preußischem Sprechen von Färbung sagen kann, da diese Art des Sagens, besonders auch so in gleichmäßiger Ausgabe der Worte wie bei Hindenburg, etwas hat, was man als eine männliche Echolosigkeit bezeichnen möchte. Sie ist nicht sehr in weiterem Gefühle moduliert. Sie ist vor allem auch nicht die zu abgeleiteten Zwecken modulierte Stimme eines politischen Redners und noch weniger die im Selbstzweck schöne Rhetorik, in welcher der Augenblick verallgemeinert und scheinbar menschlich größer und dabei über die Sachlage hinweg ungenau gemacht wird, sondern eine durchaus im persönlichen befestigte Form, welche eine feste und gleiche Basis gibt für die darauf erhobenen stärkeren Bekenntnisse, welche dann auch die Stimme in kurzen Teilen mit sich erheben. Der Preuße hat nicht eine über einem Grunde oder unter einem Echo hinspielende Art zu sprechen, sondern eine Haltung der Worte in der Nähe des Zweckes, doch mit diesem zusammen gewissermaßen entpersönlicht, eine sich selbst vermittelnde Direktheit, welche auch das Militärische an sich hat. In diesem Sinne ist es gemeint, daß ein solches Sprechen eigentümlich echolos sei; und daher kann es auch unmäßig überflüssig werden, wenn es bloß in einer gesellschaftlich scharfen Technik gehört wird. »Echolos« will also nur sagen: im Sinne eines Bildes und eines Dritten, nicht aber daß es in der natürlich-menschlichen Gesinnung des Befehles, des Herzens, des nahen Zweckes nicht ein sehr starkes Echo haben könne. So verstanden gibt es in dieser Sprechart auch nicht leicht jenes verallgemeinernde Ethos, welches sich an zwecklose Gefühle wendet. Jedenfalls hier war davon nichts, und dies ist nun das politische Moment gewesen, daß es so ohne Partei um die durch menschliche Aussage versprechende und doch etwas fremde Stimme sich gehandelt hat. In diesem Sinne ist es gesagt: »wer mich nicht wählen will, der unterlasse es«; und so ging es auch geradsinnig zum Schlusse: »das ist Sinn und Ziel meiner Kandidatur«. Die Stimme hatte sich zu einigen Stellen weniger des Gefühls als der Entscheidung mit einer atmenden Kraft erhoben und fiel dann wieder in den nächsten Worten unmittelbar zurück, so etwas vom Alter hören lassend, aber auch überzeugend in einem Verhältnis von momentan und dauernd fortgesprochen, welches in seinem begonnenen Wege bleibt. Die Begriffe wurden laut, ohne von Menschen abgetrennt werden zu wollen, und Worte nacheinander wie Arbeiterschaft, Landvolk und Bürgertum klangen wie in alter ständischer Gliederung. Kurz: die Schlagworte waren hier wie Wort und Schlag. Und während es für die Zeitlage bezeichnend ist, daß anders als früher im Politischen die Meinungen und Weltanschauungen gegenüber dem Wirtschaftlichen und Konfessionellen übereinandergreifen und sozusagen gegenüber den vertikalen analogiehaft aufgestellten Bestrebungen sich Horizonte abgetrennt haben und politische Anschauungen zu neuen religiösen Länderkarten, zu säkularen Angeschautheiten unter dem Himmel sich breiten wollen, steht hier noch der Vertreter der alten einfachen und einzelnen nationalen Glaubensstimme.
Aber mehr als früher greifen diesmal die Parteistimmen übereinander, indem sie gegenseitig in den gleichen Dingen, die ihre Gesinnungen meinen, sich ausschließen. So haben sich die Dinge und Anschauungen selber übergriffen und die Formen der Inklusion und Exklusion sind in dem über die bürgerliche Mitte hinweggreifenden Bild dieser Zeit. Dieses Bild ist wie beim jungen Menschen. Erkennbar ist ihm nicht die Causa, sondern das Erkennen ist mit dem Streben zusammen ein Sehen wie an einem Teppich. Es ist die frühere Art der Geschichte; erst später bildet sich die Causa und richtet dann das einzelne auf. Aber diese rationale Form will sich heute wieder in die jüngere Anschauungsweise zurückführen. Ist darin — und so kann man auch die »Heraldik« unserer neuen Farbsinne nach Grundverhältnissen befragen — mehr Zersetzung oder mehr neuer Sinn von geschehender Bildung?
Mit der außerordentlichen Zunahme der Wahlstimmungsmittel, Plakate, Programme, Handzettel, und was anderwärts noch mehr aufgeboten wurde, war alsbald das Wort Materialschlacht da. Wahlplakate, Zigaretten- und Kinoplakate beschäftigen die Augen der Stadt. Das politische Wahlbild gibt, obgleich man meinen sollte, daß der Tag seine Sprache hier am deutlichsten zeigen könne, wenig zu semiotischer Deutung aus. Es sind hauptsächlich Inhaltsplakate, oft von rechts her auch in einer kunstgewerblich neutralen Fertigkeit, nicht mit dem geistigen Fraktursinn der Zeit sprechend. Das politische Sprachbild hat sich in den Revolutionstagen mit den Abstraktformen und der zerklitterten Druckfügung des Expressionismus zum ersten Mal deutlich gemacht. Man hat damals oft nicht verstanden, daß der politische Mensch für seine soziale Not und seinen radikalen Willen sich in solchen etwas rätselhaft zerklitterten Formen erkenne (man ist bei solcher Meinung noch auf die bourgeoise und stoffliche Proletarierkunst des letzten Jahrhunderts eingestellt). Tatsächlich ist aber in dem marxistischen blind gesehenen Parallellauf oder Spiegelbild von geistiger und materieller Ökonomie diese künstlich technische Fraktur des revolutionären Bildes richtig gewesen. Die Flachsinnigkeit des von der persönlichen und geschichtlichen Fraktur entledigten und dadurch auch der Geschichte bloß noch ohne die fruchtbare Verschränkung zwischen dem einzelnen und allen »raumlos« anbeteiligten Geistes in seiner Selbstdarstellung hat diesen Ausdruck gefunden. Es gab da eine mittlere, instinktivere Richtung in Grundkontrasten der Flächen, und eine technisch künstlichere, welche sich, modischer ins Gesellschaftliche gewendet, dann weitergehalten hat. Die politische Heraldik der Rechtsstehenden betätigt sich dagegen mehr in historischen Formen oder in volkstümlichen Motiven. Es ist deutend, daß das politische Plakat hauptsächlich nur nach links einen zeitgeschichtlichen Stilsinn bekommt. Der Schreibsinn der Politik, wenn sie, wie gesagt, die »Fraktur« verliert, versinnlicht sich in ihrem formalen Entwesentlichten und der Geist, der nichts weiteres mehr inkorporiert als die Zerbrechung im Massenhaften, ist hier im Ausdruck voraus. Er bleibt aber abstrakt spiegelsinnig und damit auch — soweit dies nicht selbst eine böse Eigenschaft ist — als geschichtliche Erscheinung der Menschennot gegenüber, obwohl er gerade in dieser Form nur aus ihr erzeugt werden kann, neutral. Anders ist es mit dem politischen Bildstil im Sinne des Daumier gewesen. Hier trat die Spur des Menschlichen aus Kontrasten, aus einer kosmisch schattenhaften Abgelegtheit oder Schrift als Aneignung in den Typ selber über und dies ist, etwas rätselhaft zu sagen, das Geheimnis des Tieres, wenn es nicht mehr anguliert ist. Es ist dies aber eine verderbliche Freiheit, welche den Zweck und Sinn in der Kraft verliert, welche sie sich haltlos und bei aller Eigenkraft doch wie eine Silhouette und ein Schemen aneignet.
Heute am hellsonnigen, blau hinter kalten Schneebäumen aufgestiegenen und blinkenden Sonntag ist die Wahl, die vor allem aus der rapiden Art der Hitlerbewegung her einen Tag der Spannung, aber auch der belebten Ruhe macht. Man denkt, welcher Art religiöser Fanatismus in der neuen Bewegung der jüngeren Geister sicher auch mitspreche, weil doch die Auseinandersetzung mit den älter bewährten Kulturkreisen heute politisch eine Steigerung gebracht bis zum Gefühl einer religiösen Entscheidung. Die Existenz des neuen Rußland steht dahinter, die Frage von Ost und West und nach dem Faschismus, wenn auch diese bei der religiösen Spaltung Deutschlands mehr eine solche der feineren politischen Ästhetik scheint; und wenn auch jetzt alles in die Praktiken der Wahl verkrampft ist. Kurios bleibt dafür, daß man auch das Wort iudica vom Introitus dieses Sonntags von der Opposition her in den Wahlkampf gerufen hat.
Die Berliner Wochenschrift »Der Ring« hat in dieser Nummer den Einsatz einer Zuschrift, welche graphologische Deutungen für die Hauptkandidaten bringt. Über Hindenburg wird gesagt:
»Es dürfte schwer sein, den handschriftlichen Namenszug von Hindenburgs nachzuahmen; er ist ebenso großartig in der bescheidenen Stereotypie der gleichmäßigen Wiederkehr des einmal so Geformten wie im Schwunge unbewußten, symmetrischen Empfindens. Er trägt das Stigma des Einmaligen. Es mag sein, daß sich in den merkwürdig, wie zueinander gespiegelt, wiederkehrenden edlen Schwüngen der Schleifen am Anfang und am Ende dieses Namenszuges die strategischen Fähigkeiten, die ja auch künstlerische sind, herauslesen lassen, sie sind nur ein Ausdruck in dem ebenso anspruchslos wie — auch heute in so hohem Lebensalter — immer noch sicher geformten Gesamt-Schriftbild für das Gereiftsein eines Lebens, das die Dinge der Welt in allen Lebensjahrzehnten dankbar in sich aufnahm, in Bilder nach innen und in Entschlüsse nach außen umsetzte. . . .« (H.F.F.)
Ob man die Graphologie der persönlichen Formen in der Schrift auch auf die geschichtliche Komparation übersetzen kann, welche die Kunstformen haben? Wie viel wohl das Rudimentäre des Schriftsinnes von dem inkorporierten Substanzsinne der Geschichte mitenthält?
Folgendes wurde das Wahlresultat: es stimmten für Hindenburg 18.650.730; für Hitler 11.339.285 (für Duesterberg 2.557.590 und für den Kommunisten Thälmann 4.983.197).
Warum im Frieden gewinnen wollen, was man im Kampfe nehmen kann — dies, ohne Blick gewissermaßen auf neutrale Gültigkeiten, ist ein Rüstungsgefühl der Ehre, das oft im Privaten eines beleidigten Gemütes sich rächend einbildet, und dies Ordalmäßige der inneren Ohnmacht gehört auch als eine Grundstimmung in die Leidenschaft des Wahlkampfes. Man hat gegenüber der zuerst geplanten parlamentarischen Verlängerung der Reichspräsidentenschaft die Nachteile des Wahlkampfes aus innen- und außenpolitischen Gründen betont. Aber sicher hat, von anderen inneren Klärungen abgesehen, die Stichprobe einer solchen Wahl etwas von der Dramatik, die das Parlament in Wirklichkeit nicht hat und welche die Volksabstimmung immerhin soweit erspüren läßt, als die Masse bewegter ist als das Gesetz und selbst die zerstörerische Wirkung der Teilheiten deutender als ihre Neutralisierung. Die breitere Stimmung geht zunächst mehr, als im Verhältnis der ersten Spannung liegt, zurück und es gibt bei manchen die Wahlfreude, welche sich an Zahlen wie mit einer Art Aneignung noch nachelektrisiert. Der Charakter einer prinzipiellen Wahl, und wie sehr für den Rechtsradikalismus gehofft oder von ihm befürchtet war, kommt noch in heftigen Nachreden zum Austrag. Aber wenn die baren Münzen der Abstimmungszahlen gegeneinander verglichen sind, was wird, da doch nichts prinzipiell ausgetragen ist, weiter zu tun und zu denken bleiben?
In der Schlußentscheidung am zweiten Wahltag erhielt Hindenburg die absolute Mehrheit mit weit über 19 Millionen Stimmen. Aber auch Hitler hatte noch Zuzug von über zwei Millionen zu seiner ersten Zahl bekommen. — Alle Fragen bleiben verstärkt bestehen.
Gedanken erhalten soviel Bemächtigung im Wahren, als mit ihrer Entnommenheit aus ihnen selber sie nur inbildlich in sich zurückbleiben. Das Denken hat seine Beginne wie von einer Ohnmacht am Bilde. Das innerste Bild wird in der Welt gestärkt wie durch Ausflucht und die Entnommenheit aus einer wie ihr innemangelnden Mitte ist die sichtbare Zeit. Zwischen Inbild und Geschichte, und zwar wie durch Gewesenheit gleich Mangel das Wachstum rufend, geschieht die stets neue Wirklichkeit. Ihre Entnommenheit vom Innen wird um so gültiger im Eigen, je mehr sie vom Inbild getrennt diese Trennung zu sich bringt. Diese Anschauung wie von einer stets um eines Willens Inständigkeit zu sich selber abgerückten Welle ist im Gegenteil zu einem integralen Denken. Je mehr sie von der Freiheit des Gedankens weg kommt durch Abnahme an ihm wie eine Zunahme an seiner Geschlossenheit und das Beschlossene eine Notwendigkeit wird von der Wahrheit, nämlich eine bloße Einstückung für das Inbild zu sein in der Zeit, desto vorkenntlicher wird das Inbild wie aus einer ihm vorgegebenen Gewesenheit. Denn je mehr die Gegenwart gewesen sein will (— um so aufs stärkste den Ausdruck dafür anzugeben, daß nicht Entwicklung unseres Wesens ist und nicht davon eine einsinnige Geschichte, sondern daß die menschliche Geschichte, und wieviel mehr noch immer, gegenwillige Begleitung ihres Inbildes ist —), desto mehr trägt sie ihr Inbild nach vorne. Die Fahnen des Königs strömen wie Bilder aus der Passion.
Sinn der Geschichte vollzieht sich außer der Mitte. Wenn sich nun der einzelne dem Sinne fruchtbar überliefert, wird er unkenntlicher vor dem Gedanken, aber geprägt durch das Gericht, das sichtbar macht aus dem Inbild. Er wird außerhalb und in sich ausgesetzt wie eine Figur der Erde und er steht noch außer dem Zwischenraume, der die Gedankenheit bedeutet als Gemeinschaft zu der Mitte. Es ist wie die Form und Stellung der gotischen Bogen aus der Mitte, welche über die Seitenschiffe greifen, wovon sie wieder zurückkehren, und die Figur steht noch weiter außen. Diese Flucht aus dem Inbild geschieht im Trennungssymbol der Dreiteilung; und so, und also wieder im Überspringen über das Allgemeine der Menschen, wird in diesem Querschnitt und wie am meisten nach außen die Zeit kenntlich als ihr einzelhafter Abstand zum Inbild. Die einzelhafte Figur — ebenso ist eine Figurengruppe durch Hinausbewegtheit etwas weltanschaulich anderes als eine Summe von Einzelfiguren — ist auch maserhaft anzusehen durch ihr Außensein bei der Erde, und also gegenüber dem Gedanken befruchtet, und sie ist in einer solchen weiteren Ordnung, auch wenn sie im Innenraume ist. Sie trägt den kenntlichsten Teil der Verschiebungsform als kreaturierte Wahrheitsbewegung. Eine solche Verschiebungsform nun, welche durch die Geschichte greift und das Inbild wie durch äußere »Gewesenheit« immer wieder »erinnert«, wirkt gegen einer humanistisch-ruhenden Äquitas durch Begegnung. Und der einzelne zu dem Inbilde wie im Gegenteil und wie von der Gemeinschaft noch mehr zum Gegenteile berührt, wird wie der Nichtgedanke wirklich und von den trennenden Pfeilern einer Gegenschaft — Vorgebot dieser wirklicheren »Flucht« gegen die bloße spätere Perspektive —, von den fortgefügten Kreuzungen der Tat als die geschichtliche Gegenbildung für das Inbild sichtbar. Sichtbarkeit ist hier eine stete Verschiebung von geschichtlichen Kräften um das Inbild, das wie nicht vorhanden im Umschlag zur Zeit den Willenskampf der zeitlichen Gesellschaft anzeichnet. Es zeichnet ihn an wie in einer fortgreifenden Ausschließlichkeit, die, ein Kampf des »Einen« gegen Alle, von einem solchen Kampfe doch soweit entfernt ist, wie das Inbild durch die außer seiner Mitte verwirklichte Gewesenheit von dem einzelnen. Der einzelne hat nur die Macht seiner Entnommenheit aus dem Inbild; es ist seine Proportion und je stärker sein Recht, doch — Schwere des kämpferischen Geheimnisses — um so schwächer vom Inbild. Es verwaltet in ihm seine geschichtliche Form aus dem Ingrunde und diese durch einen Sinn außer der Mitte wie einen Gegensinn und nicht in der Analogie einer Vollkommenheit. Die Wirklichkeit der Zeit kommt dieser Vollkommenheit als eine Rechtskraft zuvor, die im Säkularen spricht wie durch ihr Einzelnes und im Gegenteil, und die deshalb mit allen kämpft; und deshalb sind die Formen nicht zuerst Einheit, sondern Abstände. Abstände sind Gerechtigkeiten. Und so wie jeder in seinem Gegenteile ist als Wahrheit zum Inbilde, so geteilt in sich zwischen Sinn und Gerechtigkeit und so in einem Urteil noch vor dem Gedanken und rechtsam in seiner Zeit, so kommen alle Gedanken Gottes im Gegenteil, das ist die geschichtliche Sichtbarkeit, zu ihrem wie außer sich bestehenden Rechte. Ihre Wahrheit wird wirklich im Zeitorte und sie werden die beschlossenen Rechte des aufgenommenen Inbildes außer ihm und sind die Grenzen des Gleichnisses und sind außer seiner Mitte.
Es gibt nicht einen Gedanken und es gibt nicht viele Gedanken, sondern sie sind nur wirklich als Proportionen zu der angulativen Mitte und wie in einer Zeit bestimmte Zahlen, wandelnd gegen ihr Innenbereich und daran teilhaft, je weniger sie es besitzen können. So vermehren sich gegenüber der bloßen logischen Vernunft die künstlerischen Dinge ohne andere Einheit als durch den größeren inneren Mangelsinn; und in den christlichen Kunstzeiten sollen auch die Gedanken wie Künste sein, die den Mangelsinn vermehren. Es ist die Kunst, daß die Kräfte den Gedanken nicht stärker vermehren, als wie die Wahrheit seines Mangels ist. Wo, Epimetheus der vorgültigen Mangelsinne, spürt man diese Wahrheit im christlichen Tageswesen noch gültig? Und so kommt der unbefriedete und doch allzu setzbare Ort des Inbildes heute, wenn es nicht mehr »beschränkt« ist durch eine wie aus Mangelbegier eingestückte Beschlossenheit in die Zeit. Und es paßt eine Demut dazu, welche allbereit ist, um sich selber zu schonen. Sie gibt sich aus in dem religiösen Rundfunk an alle. Wogegen das Seelenfünkchen seine Stufen wählt, eine Trennung wie ein Blitz durch die Zeit von oben bis unten. Die harten Kräfte aber, indem sie ihre Mitte entbehren, suchen die schonungslose Fruchtbarkeit und werden immer noch reich in den bestimmten Maßen einer dem Bilde nachgesinnten Gerechtigkeit. Um Gedanken, nachdem ihre bloße einsinnige Unzahl entstanden ist, kämpft heute die Zeit und sucht sie immer stärker wieder zwischen »Einem« und Allen in der Teilung einer Gerechtigkeit. Die »Entwicklung« ist schon fast gleichgültig geworden. Den einen und ersten Gedanken, den Gott nicht hergegeben hat — er müßte denn selbst nicht sein — kann die Menschheit nicht ersetzen — sie müßte anders das Heilmittel ihrer eigenen Welt sein. Diese letztere Grundlage der gesellschaftlichen Eigenherrschaft hat heute aber eine so schnelle Zersetzung ihrer eigenen Unwahrheit erfahren, daß ihre Anhänger, als gewissermaßen von diesem scharfen Schicksal mit der Notwendigkeit einer wahren Erfahrung angestreifte Märtyrer zur alten Kirche eine neue Bundesgenossenschaft mit wehleidiger Frömmigkeit mitbringen. Die falschen Wölfe, bis auf eine bessere Gelegenheit, dulden es heute, daß die Schafe weiter oben am Wasser mit ihnen trinken. Inzwischen kämpfen die Radikalen nicht um den Gedanken, sondern um eine nähere Gerechtigkeit. Und alle Vielheit der Gedanken, gewachsen bloß noch wie unsere gerechtigkeitslose Summe von Menschen, ist gleich dieser in der beziehungslosen Verlassenheit vom ersten Sinne. Der Sinn außer seiner Mitte muß wieder die Beschränkung suchen durch die Maßzahlen einer epimetheisch nächsten Gerechtigkeit.
Je mehr uns heute diese Maßzahlen großer Gedanken als Geschichte der Gerechtigkeit des Inbildes zwischen »Einem« und Allen oder also die großen sichtbaren Verhältnisse des »Sinnes außer seiner Mitte« verloren sind, je mehr das »Objektive« als Selbstzweck gedacht und um die Vorgeltung der Gerechtigkeit aus den geschichtlichen Innengründen gekommen ist, desto mehr wollen bloße verhältnislose Summen in die Volksmitte sich einschicken zum politischen Kampfe und sie — mit einem eigentümlichen mystischen Glaubenssturm in der großen Zahl — rufen diese ihnen bekannteste und unbekannteste Stelle um Gerechtigkeit an mit einer wahren Sehnsucht nach geschichtlichem Ausbruch im TagesschicksaL Diese Summen, indem sie proportionslos die Angulation ersetzen wollen, werden kein Inbild in ihrer Mitte dulden. Anderseits will heute aber auch gegenwirkend ein begrifflicher Integralismus die Mitte einnehmen, der sich selber gedanklich verwaltend das Inbild selbst nicht hegen kann. Beides — heute der Kampf und Wettbewerb des Tages — ist abtrünnig gegen die Reichweite des Inbildes und des »Reiches«, wenn unser Reich ist wie die Schwester unserer Geschichte, für die wir die gerechte Einstückung und die Eingesetztheit in den Lebensraum dieser Gegenwart erkämpfen. Es geht alles um die Frage, wie unser Abstand der Gerechtigkeit von unserem eigenen Inbild und unsere zeithafte Bewehrung (säkulare Proportion) in einem Geschichtsraume wiedergefunden wird, welcher dem deutschen Sinne noch weiter außer seiner Mitte abgemessen ist als einem andern. Der Deutsche hat immer mehr als andere die Verhältnisse oder Maßzahlen zum Inbilde statt der »Objektivitäten« zu finden gehabt und die Widerwirkung zwischen »Einem« und Allen ist deshalb bei ihm am stärksten, aber auch wieder durch abfallmäßige Verkleinerung vom Weltsinn bis zu einer zeitlangen Unbeweglichkeit verklammert und verzahnt. Eine solche verzahnte Unbeweglichkeit hat wieder, doch mit größeren Maßen als im kleindeutschen Reiche, die Revolution mit sich gebracht, eine Mißwirkung seiner geschichtlichen Anlage, welche in der kleineren Freiheit heftig sich rührend gerade in den großen Notwendigkeiten die Anstöße dann von außen auf das deutsche Schicksal dulden muß. Der deutsche Sinn, zwischen Inbild und Gerechtigkeit aus der organisch-disjunktiven geschichtlichen Stetigkeit gesetzt, wird in der Aktion des Rechtes leicht von einer heftig begrifflichen Inständigkeit gefaßt und also kleiner als der geschichtlich freie, das ist im Inbild zum Teil unberufbare Augenblick, weil ihm die Kontemplation des Inbildes, das in seinem Volksschicksal verkümmert ist, nicht mehr das Recht über die eigenen Grenzen mit größerer Beschwerung der Geschichte und eben dieser Berufenheit ins noch Unberufene zu tragen hilft.
Nachdem unser inneres öffentliches Wesen von der Revolution ab durch die Demokratie in allen proportional gerechten Sinnen verdorben worden ist, — wie leicht wird gegenüber der »legalen« Gerechtigkeit die »proportionale« abgesetzt —, hat sich also nun, wie eben gesagt, zwischen Summe und Einzahl, zwischen der Masse oder dafür der erdhafteren Maser des Volkskörpers und einer gegensinnigen integralen Mittelform neuerdings ein innerer Gegensatz wie zwei polare Kräfte, die zuerst im Beginn dieser Phase sich noch gemeinsam hielten, auseinander gestellt. Und zwar konnte dies erst mit der rechtsradikalen Massenbewegung deutlich werden, weil die Linksbewegung außer der praktischen keine eigentliche geistige Trennung zwischen Entwicklungszustand und Masse kennt, zu der ihr die proportionalen Begriffe fehlen müssen (— der »Geist« oder bloße menschliche Gedanke, ohne geschichtliche Brechungsanerkenntnisse, kennt keine Proportionen —); während der Rechtsbewegung bestes Wesen ist, eben um diese proportionale Aneignung von Volk und Geschichte gegen den »Geist« zu ringen. Aber hier nun hat sich der Gegensatz mit einer neuen Verklammerung aufgetan. Dieser Gegensatz und besonders sein als Sinn deutlichster, auch mit den noch gefestigteren Begriffen der Vergangenheit werbender und damit herrschend gewordener Teil — das ist ein konservativer Integralismus als Regierungsprogramm — ist die eigentliche Signatur des Sommers und Herbstes geworden, in diesem Jahre, in welchem das deutsche Volk seinen wiedergewählten Reichspräsidenten Hindenburg und damit die menschliche Reichweite über einen polareren Konflikt, als welchen bisher die Parteien verkörperten, behalten durfte. Hindenburg hat dem neuen präsidialen Begriff einer Regierung über den Parteien die mögliche Hand oder Chance gelassen und von ihm ist dann in einem weiteren Höhepunkte des Gegensatzes das Wort bekannt geworden, daß er dem Trommler und Führer der national-radikalen deutschen Summe gesagt hat: »Auf jeden Fall wird Ihnen von jetzt ab meine Türe stets offen stehen.« Er hat die Wage in seiner Hand behalten; und dieser alte deutsche Mann ist inmitten aller Parteien frei von Gesinnungstechnik. Diese Deutschensumme aber, bei allen Erklärbarkeiten ihres Anwachsens und auch bei aller Bedingtheit in ihrer echten deutschen Verklammerung ist doch die unerhörte Geschichtstatsache dieser Tage und um so eindrücklicher gegen die gleichzeitige linksradikale Zunahme, als jeder mehr bedingte und darin erwachende Wille um so mehr auch einen eigentlichen Kampf zu führen hat, der ihm hinderlich ist gegenüber der dinglich verhältnislosen Linken, deren Kampf durch Abfall zu sich selber aus dem Selbstverräterischen des »Geistes« unterstützt ist. Gewiß allerdings wird auch im bloß zur Bewegung aufgerufenen und gesteigerten Rechte das Inbild um so verschlossener. Aber, und das ist nun die Frage dieses weiterlaufenden Jahres geworden — dieses Inbild, welches noch weniger von dem Gedanken als immer vom Blute des Volkes genährt und wie eingeschlossen von der Erdmaser und der Summe aller einzelnen mitten in seiner Volkschaft behaust werden muß, wurde es durch die integrale Sammlung in der präsidialen Form so gestärkt, wie es ihm aus den konservativen Kräften zukommt, die selbst an ihm geworden sind? Wurde es, wenn nicht gestärkt, so doch auf einen weiteren Zwischenraum bewahrt; ein Gewinn, der in der Ungewißheit der Bewegungen und ihrer inneren Unaufgeschlossenheit entscheidend sein kann? Was aber in dieser Frage noch eine besondere Fraglichkeit mit einbringt, das ist dies, daß der helfende integrale Staatssinn dieser Tage ein wesentlich sehr juristischer ist, der nur scheidet zwischen Ja und Nein, ohne die Abrückbarkeit von seiner eigenen Autorität[2]. Er macht das Bild vom Rechte abhängig. Und dies muß wohl leicht das Gefüge des konservativen Gedankens überhaupt (einstellbar auch in einen katholisch-konservativen, falls es diesen heute gibt) werden.
Die Fraglichkeit der innerpolitischen deutschen Lage brachte alsbald im Laufe des Sommers einige weitere, zunächst unerwartete Daten. Am 30. Mai wurde Brüning gestürzt; am 1. Juni hieß der Reichskanzler von Papen (auch aus dem Zentrum kommend, aber von diesem sofort bekämpft), mit welchem General von Schleicher hervortrat; der Reichstag wurde aufgelöst und am 31. Juli fand die Neuwahl statt, welche 230 Nationalsozialisten (37,5%), aber auch eine Erstarkung des linken Flügels brachte. Die Lage erschien innerlich immer schwankender, ohne sich nach älteren Begriffen entscheidend verschoben zu haben. Von vielen Hindenburgwählern, besonders auch den Katholiken, wurde das Verhalten des Reichspräsidenten als eine Untreue heftig zu schelten versucht; die Handlungen nach innen und außen wurden als Fehler erklärt und der neue politische Ansatz als eine Verschleppung und Hinderung positiver Arbeit bezeichnet, welche soziale und außenpolitische Rückschläge um Monate verursache. Mitte August hatte sich Hindenburg den Ansprüchen der Nationalsozialisten in der Form einer absoluten Parteiregierung entgegengestellt; seine Person und Stellung hatte »mystisch und realpolitisch« nochmals entscheidende Züge gewonnen.
Welcher Art Umschlagsgefühle können auf diese Weise an einem einzelnen Menschen und an seinem hohen Alter sich brechen und bilden? Wie ist die Wirkung einer gleichen Dauer durch eine einzelne Person in dieser Zeit (neben welcher die Regierung des jetzt sogenannten Präsidialkabinetts noch ungewiß als eine Flucht oder als ein neuer Ausgang erschien) bestimmungshaft geschichtlich, ohne eine Lösung zu sein? Es weist auf das angulative und wie zum Anstoß wirkende geschichtliche Verhältnis, daß gerade solchen Tagen, welche allgemeine und fertige Lösung begehren, statt dessen die Person einer Dauer — und in dieser ungewöhnlichen Überdauer — gegeben ist, welche nicht löst, sondern gewissermaßen aufhält und welche auch keine Eile der bloßen oder vermeinten Bereinigung eintreten läßt. Indem überhaupt dieses Jahr der Wahlen und sofortigen Wiederwahlen den Glauben an eine legale Umwälzung der Gemüter und damit der legalen Geschichtsänderung in sich zu bergen scheint oder jedenfalls ein solches irrationales Überzeugungsbedürfnis gerade aus dem Kampfgebrauch der demokratisierten Massen und der rationalen politischen Rechnung her in seiner Spanne hat, so muß Hindenburg dazu mit seinen isolierten Altersjahren wie ein unzeitlicher und unzeitiger Gegensatz wirken. Dieser Einzelmensch wirkt als Begriff der Tat gegen die mystischer bedürftige Zahl; die Zahl möchte sich gegen den einzelnen auf eine tiefere Komparation berufen.
Indem dann aber weiter die Praktischeren hinsichtlich politischer Wendungen auf Zeitverlust und Tatenlosigkeit hinweisen wollen, wenn sie in dieser Weise die demokratische Brauchbarkeit des bloß positiven Staates wieder anrufen und die neuen Störungen eines abgestimmten Laufes anschuldigen, so gibt auch da der menschliche Umschlag um die Hindenburggestalt ein eigentümliches Gegengefühl. Hier ist nicht die Eile zum Zwecke an sich und die Umstände des persönlichen Sinnes sind wie ein Teil von Zeit, die auch in Taten harrend bleibt, und andere als die neutralen Geschäfte. Es mußte, nachdem das Reich der Revolution sich glauben mochte, zweckmäßig gemacht und ethisch zur neutralen Arbeit gereinigt zu haben, dieser »Zeitverlust« der neuen inneren Auseinandersetzungen kommen. Es kann nicht schneller zu den Zwecken Eile sein als in den Graden, in denen die inneren Bilder des Reiches wieder an sich gerecht zu werden vermögen. Freilich: ob wir jemals so weit sein werden, an ein sozusagen nach dem sozialen Innensinn eingekehrtes Wunder der Brotvermehrung zu glauben und zu sagen, daß die Speisung der Tage durch eine rein innere Vervielfältigung geschehen könne? In diesem Wunder würde die Proportion der Gerechtigkeit aufhören; aber wir leben in der Geschichte und kämpfen um das Proportionale der Gerechtigkeit, das, soviel es weniger ist als dieses wunderhafte Äquale, eben um dies Weniger mehr sein muß; um so viel weniger aber auch muß die Eile zum praktischen Neutrum gelten, als der Glaube mehr ist als die Menschheit. Und wenn allerdings die praktischen Zwecke schneller eilen, da sich stets ein mittleres Wesen des Menschlichen und Staatlichen zuerst zu versorgen pflegt, wie das der neue Staat getan hat, und wenn deshalb das christliche Indigenat in der Zeit mit Recht und mit Unrecht den Nachteil haben muß — mit Recht und mit Unrecht; denn mit dem Recht allein wird das Inbild nicht erfahren — so ist doch, daß das christliche Recht und Indigenat in der nächsten Zukunft von neutralen Seiten wieder ungestraft benachteiligt werde und daß ebenso das Unrecht statt mit Warten und zum Kampfanstoße aufgesucht, statt dessen durch Vergleichung eilends neutralisiert werde, zu diesem beiden noch weniger Eile. Vielmehr, da man, wer will, sieht, daß das Feld des Gewissens heute möglichst neutral bestellt ist und daß etwa auch ein geistlicher Gemütsbiologismus — schlimmer als die deutsch-radikale Biologistik — das gerechte Christliche in mundgerechte Phrasierung und christliche Kosmetik verwandelt, muß der Nacken der christlichen Deutschen starr werden. Und sei es auch, ohne ein Mittel sonst für die Zeit zu wissen, nur darum, daß der Glaube auf die Fruchtbarkeit hoffen muß aus der Ordnung, welche ist zwischen dem Inbild und der Gerechtigkeit. Eine sonderbare innere Gerechtigkeit hemmt und fördert doch zuletzt wie ein Takt und ein Pendel den Lauf der Zeit; und Epimetheus sieht nicht voraus und mißt nur am Geschehen die kommende Hoffnung. Denn also, indem die Dinge nahe sein müssen, entsteht ihre beste Wirklichkeit und ist wie Hemmnisse, ehe daß sie vor dem weiteren Geiste ihr richtiges Maß und ihr Gewicht verlieren wollen; indem sie dann bloß in der allgemeinen Apologie noch als Material dienen, statt dem Augenblick als die gerechten Einhalte. Denn das Gesetz des christlichen Zustandes ist eine stete Teilung, wie das Wort bedeutet, daß Gottes Reich und seine Gerechtigkeit zuerst zu suchen sei. Dem Reiche wird, gespalten zwischen Bild und Gerechtigkeit, seine Zuvorkunft wie eine aus Mangel folgende Zugabe. Damit aber ist auch das Reich keine Analogie der göttlichen Vaterschaft, sondern eine Eingeborenheit gegen diese, nicht ein Reich in der eigenen richtenden Mitte, sondern ein Sinn außer der Mitte, das Reich einer schwesterlichen Teilung mit der sohnhaften Gerechtigkeit. Damit auch ist die Nation um so berechtigter, die beharrt in dieser inneren Teilung. Sie braucht keine antisäkulare Front gegen andere Welt, sondern bildet die eigene säkulare, damit diese innerhalblich und exklusiv sein kann mit jeder anderen. Es ist der Sinn der christlichen Dividualität.
Die Sommer- und Herbstregierung mit dem Reichskanzler von Papen gewann die nicht allerdings so leicht zählbaren Sympathien, welche dem Versuch eines konservativen Freistehens und Aufhaltens zufallen müssen und welche sich aber in der präsidialen Einförmigkeit mit ihrer juristischen Abstützung nicht verteilen und verdeutlichen können. Sehr erstaunlich und befremdend war alsbald und hat auch den politischen Geschmack gegen sich selbst eingenommen, daß Richtungen, die sich gerade auch weltanschaulich noch aufs heftigste bekämpft hatten, nun sehr schnell gemeinsam schienen, um eine andere Regierung zu besetzen. Dann allerdings ist aus der Zeitnot jene innere Zweiförmigkeit des Lebens deutlich geworden, die nicht mehr an Parteien hängt, sondern, wie schon versucht, formuliert werden kann als der (jetzt entscheidend anders als nach der Revolution gewendete) Gegensatz von Ratio und Masse. Während eine gewisse, tiefstnatürliche, aber im Schlagwort auch tiefst verdeckte Naivität der Masse eigen bleibt, hat die (nicht aus der Masse »entwickelte«, sondern aus der außerzwecklichen geschichtlichen Fraktur zum Zweck erholte) Ratio einen schweren Stand. Und jenes sonderbare soziale Geheimnis, welches man so aussagen kann: die Vernunft ist dem armen Menschen feindlich, muß bei einer konservativen und rationalen Vernunft und Herrschaft gerade besonders seine tragische Wirklichkeit bewahrheiten. Das konservative Problem — es ist das einzige wahrhaft nationale Problem — kommt aus diesem Gegensatz in seine entscheidende Stunde. Der arme Mensch ist nicht konservativ in der Geschichte der Gemeinschaft, sondern in der Geschichte der Natur. Obgleich uns heute eine soziale Verrechtlichung der Erwerbslosigkeit das stärkere Sinnwort »Armut« öffentlich in etwa weggenommen hat, darf heute doch über diesen kreatürlichen Begriff nachgedacht werden, der sich soweit der Geschichte entschlägt, als er selbst der ewige Naturteil der Geschichte ist. Er ist gewissermaßen die Lücke in Gottes Sinn und Ordnung, wo Gott nun aber selber mit dem Armen Platz hat. Hier verzichtet das Konservative auf sich selber. Indem eine erhaltende Wesenheit gewissermaßen auf sich selber verzichten muß, um wirklich werden zu können, indem die konservative Ratio ein Sinn außer der Mitte sein muß, indem also der eigene Gedanke nicht vorgültig sein kann, sondern statt seiner die aktiven Vorgaben und also auch die ganzen geschichtlichen Bedingnisse stets mehr zu gewinnen als zu halten sind, erscheint gerade das Konservative bestimmt zu den größten Umschlägen in der Zeit und Geschichte. Es grenzt an eine Revolution, welche rein aus Vertrauen geschieht und alles in inbildlicher Kampfbewegung hält. Wenn man so sagen darf, ist dies die Revolution des Christentums, weitergesetzt im Mittelalter in eine blindere Ritterschaftlichkeit. Wer weiß, welche christliche Verlassenheit noch in diesem Vertrauen, blind im Kerne und inständig seines Sinnes gewiß außer der Mitte, weitere Wege zu solchen Umschlägen findet? Die Angst der »Geistigen« und ihre gängelnde Absicht auf christliche Kollegialität in diesen Tagen beweist, daß sie dem Konservativen und auch dem Christlichen mehr zutrauen, als besonders dieses letztere, das doch immer und gerade heute mit in der Entscheidung ist, sich selber. Unschädlich aber für die »Geistigen« wird die konservative Ratio bleiben, welche ein begrifflicher Integralismus ist. Dieser, auch als Erbebegriff, kommt merkwürdig schwer zu dem Sinn der christlichen und deutschen »Außermitte«. Und er ist deshalb alsbald der Gefälligkeit des mittleren Entwicklungsgeistes ausgeliefert, der heute gegen die schärferen Außenheiten der Geschichte vor anderen Eigenschaften seine mittlere Menschlichkeit anzubieten veranlaßt ist. Falls jetzt im einzelnen die konservativ-radikalen Kämpfe bereits wieder Abbröckelungen zeigen, so ist es zumeist auch, weil die konservativen Geister mit ihrem Kulturwillen einsinnig sind und sich nicht außer der Mitte säkular verteilen können. Sie glauben zu haben — und aller Analogiebegriff, auch der christliche dieser Art, steht auf dieser Meinung; aber der Mensch — wesentlich immer ein »Armer« — kann nur mit dem arbeiten, was ihm mangelt.
Ist es nicht so, daß der christliche Epimetheus alles Vorgiebige außer der Mitte nur gewinnt im Nachsinn nach dieser Innenheit? Und so ist der Mensch in der Verschränkung und ein Teil und der Teil vorgültig am Gedanken. Gefahr ist für den einzelnen, daß in diesem Verhältnis der Vorgegebenheit und ihres Nachsinnes zum Gedanken der Gedanke selber eine Sympathie gewinne zur Apathie. Sinn und Nachsinn liegen bei dem Deutschen so im Streite und Dürers »Melancholie« ist dafür, an einer Schicksalsberührung von Außermitte und Mittelform der deutschen Geschichte, das Sinnbild. Über den einzelnen hinaus ist aber die Gefahr für die größere Deutschenzahl, daß Sympathie wie Apathie in bloßen Zwecken verstumme, in denen kein Gott mehr Macht hat. Die geistig-volkliche Verklammerung dieser Tage hat die politische Peripetie zur Gewohnheit werden lassen und was sich jetzt geistig oder national gebären will, bleibt noch unbekannt. Der Herbst hatte nach nochmaliger Auflösung des Reichstages durch Herrn von Papen wieder einen Wahlkampf, und am 6. November erhielten die Nationalsozialisten 33 Prozent der Stimmen mit 195 Sitzen. Die Deutschnationalen als Beiständer des Präsidialkabinetts hatten Zuwachs, der in die Wage fiel. Aber unter dem Druck und der Auswirkung der hinsichtlich des Mittelsinnes spezifischen konservativ-radikalen Antinomie in der weiterlaufenden Peripetie des Jahres mußte, nachdem Hindenburg für Hitler zuerst, aber ohne Erfolg in dieser auch persönlichen Antinomie, einen bedingten Weg hatte freigeben wollen, von Papen seine Kanzlerschaft an General von Schleicher hinüberlassen, ein Wechsel von der mehr ideellen zur mehr praktischen Präsidialform. Der Gedanke der Präsidialregierung ist ohne Zweifel ein Ersatzmittel und eine Art Stellvertretung für die deutsche geschichtliche Sinnesform, wie auch die darin verhängte Dualform von Reich und Preußen zeigt; und sie ist eben damit für eine wirkliche Peripetie charakteristisch. Unsere große Sinnesform ist, gesehen an der aktuellen Frage einer Identifizierung von nationaler Partei und Reich, daß in Deutschland gegenüber dem Italien Mussolinis die Partei immer doch weniger sein wird als das Reich. Deutschland geht über die Aufgabe einer Partei; denn dieses Reich hat eine größere weltanschauliche Mangelkraft außer seiner baren Mitte. Das Statthaltertum Deutschlands kämpft um seinen Sinn. Und immer auch trachtet der Deutsche in solcher Zeitlage nach einem religiösen, auch und gerade der protestantische Deutsche nach dem christlichen Grunde oder Ende unseres Wissens vom Staate. In seinem Buche über den christlichen Staatsmann, in diesen Tagen auch ein heftiger Beweis hierfür, ruft W. Stapel eine antisäkulare Front ins politische Feld. Ist nicht aber in dieser Wendung gegen das Säkulare und gegen den Sinn seiner proportionalen Ordnung, in dieser Unbereitheit zu einer säkularen christlichen Komparation noch die alte lutherische Abneigung gegen den Wert der Werke mitenthalten? Unsere Werke sind nicht unsere Angulationen, aber sie tragen gegen den Sinn der Mitte die proportionale Kreatur. Sie sind vor uns, wie wir selber vor dem Sinn der Mitte und das Säkulare der Geschichte ist um so stärker, je mehr die Schöpfung sich nach ihrem Sinne sehnt. Der Lebensraum und der deutsche Sinn des Reiches hatte in seinem Mittelalter die weltsinnige Größe der säkularen Proportion eingeschlossen.
Der Deutsche begehrt heute, wie das Wort üblich geworden ist, »Lebensraum«; aber dieser Begriff ist bei ihm ein ausschließlicher mehr als ein einschließlicher. Er kämpft um eine komparativische Situation und muß, was nach außen liegt, nach innen austragen. Der Deutsche ist mit seinem Reiche in zwei Teilen; es ist das kämpfende blinde Gesicht des Mannes neben dem sehenden weiblichen.
Der germanische Mensch, um die gekreuzte Innenheit des Sinnes zu finden, vermehrt die Last der Erde noch durch die Last der Geschichte. Dies ist die Vermehrung des Christentums durch Vorgebot in der Geschichte und das ist der christlich deutsche Epimetheus.
Soweit wir heute bloß im Tage leben und die größere, verlängerte Tageform oder den Gegentag der dunkleren Geschichte — diese ihre göttliche gethsemanische Nachtwache gegen die Natur — nicht mehr wissen, erhebt sich die bloße politische Neugier. Die Vorgebote auf den Wegen der Geschichte aber sind halbblind, oder geteilt mit einer vertrauenden Blindheit und deshalb ohne eine Neugier, welche den Sinn in den täglichen Dingen befriedigen will. Wenn ein neues Geschehen beginnt, will die Neugier alsbald mehr; aber so gewiß es ist, daß das Zentrale sich erst am Sekundären und das Inbildliche an der äußeren Gekreuztheit seiner Zubildungen sich mißt — man versteht so die Außenfelder der romanischen Kreuze —, so gewiß ist es anderseits auch im gleichen, daß das bloß Mittlerisch-Menschliche immer weniger meßbar bleibt von einem größeren Sinne. Und also mit Vertrauen auf die Fortwandlung ist der treuere Sinn doch nicht ein solcher, daß er mit der immerwährend nachläufigen Interpretation des Mittleren sich erfüllt, und er muß, nachdem er aus dem Mutterschaftlichen in diese alltägliche Verlorenheit gekommen ist, zu der Jungfräulichkeit seines unfaßbaren Vorbleibens wieder nacherholt werden. Er muß nacherholt werden wie eine Tat, wie der Sinn der Hoffnung vor ihr selber, oder wie das, worin stets erst der Sinn sein Nichtbekanntes zeigt. Denn immer ist auch die Handlung aus dem Sinne wie eine Schwere gegen ihn, und wie von einem Widerpart; und dies — was auch dem Christen keine pantheistische Form zukommen läßt — ist wie ein Negatives in der Freiheit, ein bleibendes Außensein zum Inbilde; und alle Begriffe, von diesem zerschnittenen Grundbestande gezeichnet, sind deshalb, wenn sie christlich sind, ganz anders als die »positiv« menschlichen, und wenn sie mit diesen den gleichen Namen tragen, doch auf ihrem ganz anderen Wege sinnentgegen dem Innern entstanden. Sie wissen, daß sie nicht sein können als durch ihr unbesitzbares Inneres und mit diesem sind sie im Zwiespalt bis zum Glücke. Es ist unser Weg der Freiheit.
Da dieses unser An-uns-sein kein bloß persönliches ist, sondern ein entäußert persönliches, so ist es zugleich und (nicht positiv zwar, aber komparativisch durch das Inbild der Geschichte) noch zuvorgegeben unserm menschlichen unser säkulares Sein und unser politisches. Wir sind priviert, um nicht privat zu sein. (So sind die frühen christlichen Kunstformen gegenüber dem Völligen der Antike entstanden.) Wir kommen zu unserem Verhalten mehr gegen uns als aus uns; und durch die Geschichte unserer Natur entgegengebracht, bleiben wir zu ihr in der Spanne der Gerechtigkeit zum Inbild, in dieser Abgehaltenheit, welche gehörig ist zu dem über der Natur epimetheisch Zweiten. Während also die Neugier fragen kann: was nun?, ist die jungfräuliche Kühnheit des Sinnes, — je weiter zu sich vorgegeben, um so mangelstärker von ihrer ganzen Gewesenheit —, die kühne Antwort nichts als restitutiv an einer Ordnung im Handeln. Die Kühnheit liegt aber wie in einem Verzicht durch größere Erwartung und die Ordnung ist dazwischen. Man weiß nicht, was ein persönliches Lebenswerden vermögen und tun wird, aber die Frage: was kann ein Mann tun?, ist seit der christlichen Geschichte gegengezeichnet von der anderen Frage: wessen wird das Bild vermögend bleiben? Herr zu sein, ist seitdem ein epimetheischer Begriff, der sich am Bilde widerpartig aufhebt, dessen Gaben er nimmt; und der arme Mensch, konservativ nicht aus der Geschichte, sondern aus »Natur« oder eben dafür aus jenen Mitteln, in welchen die Geschichte ein Ziel nicht hat als inwieweit aus ihrer Gewesenheit ihr die naturnachsinnigen Mittel bleiben müssen zu einer geahnten Offenheit — diese letzte Wehr des Menschen zu einer guten Ohnmacht und Stärkung —, der arme Mensch müßte eigentlich, nachdem die Kirche nicht mehr die Sinnesäußerung der Pracht dem Kaiser gibt, der dichterische letzte Grund und Sinnträger eines Herrschers geworden sein. Es erhebt sich aber heute in der Härte der Wirklichkeit und aus der weiten Verrestlichung der Geschichtsform, aus den Fährnissen der Zeit wie eine technisch-politische Kraft der Parteiführer. Und vielleicht ist mit der letzten Verstofflichung und Verrestlichung der Geschichte doch auch der Sinn oder die Spanne zu diesem — sichtbar zunächst am Begriffskampfe der Freiheit — wieder gewachsen und die Zeit trägt mehr in sich, als ihre menschliche Verpositivierung ahnen ließ.
Mit der Hitlerbewegung ist eine Auflockerung der positivistisch-sozialen und der erstarrt konservativen Volksformen geschehen, wenn zwar die Gefahr aufs stärkste gewachsen, daß sich der deutsche Mangel am Inbild — bedürftiger ist der Deutsche immer und heute nach einer anderen angulativen Kraft anstatt des bloßen praktischen Lebens als andere Völker — nach innen aufbraucht, um dann nicht mehr einer angulativen Zerrüttung mit dem proportional-forttragenden Sinne der Handlung zuvorkommen zu können. Denn was sich bei handelnden Menschen in dieser politischen Heftigkeit als ein Rückschlag äußert, ist auch durch den Verlust allen anders als nach einem bloß liberalen und demokratischen Bildungsbegriffe noch maßstäblichen Sinnes zu sich mitangesetzt und es muß in der gleichen Wirkung spielen, welcher es entgegenwirken will. Es muß die zu bloßen Begriffen abverlorenen Werte in einen nationalen Integralismus zurückstauend verschärfen. Während aber der Geist nach links, vom größeren Sinn entstellt und zu sich gerückt, eben dadurch eine böse und sichere Einheitsrichtung hat (von welcher auch das katholische Zeitwesen zu ihrem »menschlicheren« Ende heut mitgebraucht wurde), ist die Rechtsrichtung — da der Deutsche mehr durch Sinn als durch praktische Lebensmischung zu einer noch mehr kreatürlich verwandten als national einigen Ganzheit bestimmt ist —, wenn sie die Spanne des Inbildes und in dieser Weise einen eingebundenen Freiheitsbegriff nicht mehr hat, und da ihr die Klammerhaftigkeit des kreaturlosen Einheitsgeistes nicht zunutze wird, wie eine technische Kraft mehr in der Gefahr einer mechanischen Trennung. Es kann kein Tun richtig sein als in bezug auf das ergänzende Inbild; wie denn auch Deutschlands große Geschichte eben dagegen am stärksten neben den natürlichen Unterschieden in mechanische Zertrennungen, auch jene durch diese verschärfend, gefallen ist. Und wenn nun im Zusammenhang damit bestimmter auch die sonderbar schwierige Frage zu erheben ist, wie sich Sinn und Tat verbinden — die im metaphysischen Ingrund gegensätzlich mit exklusivem Reichtum verbunden sind — und in welchen Zusammenhang gerade auch die komparativische Geschichtsform mit der Gewalt gestellt ist, so bleibt der religiöse Innenpol um so unrückbarer stehen. Besonders bei dem Katholiken aber, um so mehr er sich für seinen deutschen Sinn besorgt weiß, ist hier eine gegenwärtige Zeitfrage an Anker gelegt, entweder, wenn etwas von der zu ihm Gehörigkeit angestoßen wird, mit der widerstreitenden Antwort »my country«, oder wenn er die ganze Schwere des Augenblicks und dabei auch die zum bloßen Mitzwecke getarnten (Wort von heute!) und dem »Bilde« feindlichen liberalen Sukkurse besinnt, mit einer eschatologischen Lähmung, und zuletzt trotz allem mit einem hoffenden Wissen, daß die komparativische Geschichtsform, so wie sie notwendig geworden ist, ihre Zu- und Übergänge braucht. Wozu das alte deutsche Schicksalsgeheimnis gehört, daß eine komparativische Auflösung immer näher bei einer Zerstörung zu sein scheint, als die bloß positive Gründung des öffentlichen Daseins.
Das neue Jahr begann alsbald mit einem schnellen Schritte. Auf den praktischen, zwischenparteilichen Präsidialbegriff des Generals von Schleicher, vom Umlaufe der politischen Bewegung weggeschoben, folgte am Januarende von einem Tage zum andern das Kabinett Hitler als Reichskanzler mit Papen als Vizekanzler, die Gemination eines konservativen Deutschtums mit dem faktischen neudeutschen Parteistrome, damit die größere Ungewißheit und die nähere Größe von Entscheidungen. Der Reichstag wurde wieder aufgelöst, das Heer Hitlers erschien auf der Straße; das Reichstagsgebäude brannte, in dessen Folge der Druck auf die Linksorganisationen bis zu einer gewissen Ausschaltung verschärft wurde; die nord-süddeutsche Frage spielte dazwischen. Hindenburgs Gestalt ist mit einer stummen Ruhe außerhalb des Wahlkampfes. Man sieht in dieser Zeit die kleinen Leute und die Arbeitslosen — es gibt so viele, welche Zeit haben, die Dinge hilflos zu besprechen — mit Gesichtern, deren Hauptzug Besorgnis ist, und welche ihre Neugier mehr dahin haben, daß sie nicht enttäuscht werden, als daß sie hoffen. Es ist jener Ausdruck eines Gesichtes, welcher, auf eine Sache gerichtet, nicht die stillere Sättigung weiterer Gewißheiten mehr hat, welche nicht politisch sind. Der Nachsinnende aber — und der Katholik ist außer der politischen Positivität heute gerne ein solcher — bleibt mehr bewegt in der großen Spanne der Dauer als im Umschlag der Entschlüsse.
Je mehr auch einer in der Gewißheit der fruchtbar weiten Kontemplation die Geschichte ruhen fühlt, desto weniger ist er eilig und fügsam in der Aktion. Und doch ist die Zeit als in eine Antithese in die fühlbarste, durch innere Reizkraft und die Gegensinne gegenüber den »objektiveren« Richtungen und Wertbetonungen in diesem Augenblick charakterisierte Teilung gestellt, aus der heraus man, ins Größere gehoben, fragt: was nun dem Sinne und dem Inbilde förderlicher werden müsse, die konservativere politische Stilform oder der auf einen Punkt fanatisch geworfene maßlose Einsatz? Was hat einst für die Zunahme des Inbildes entschieden, die Reife der wissenden Weltform und ihre Eingesprochenheit in dem Konservativen oder die in der Sprachlosigkeit eines fortwährenden Notwendens der Barbaren herankommende Zukunft? Der Glaube, der alles zum Anfang und zum Fortgang nimmt, hat das eine in seiner generellen aus dem Menschen forterbildeten Dauer zum Grunde genommen — Grund, der in der Komparation zur zweiten Wirklichkeit gehoben ist —; und in dem anderen hat er, dem kreatürlichen Hang zum Inbild folgend, seine eigentliche Geschichte angetreten. Jede wahre Form des Handelns liegt durch den Glauben außer der Mitte und ihre größte Ehre ist, wie sehr sie selber außerhalb bleiben kann und wie sich die Tat in den Abstand verwandelt. Denn doch kann die Welt nicht integral sein dem Sinne nach, sondern, obwohl sie um den Sinn zu fügen ist, nur nach dem Handeln. Es geschieht nicht aus einer eigenen Natur, sondern nach einer anderen Zeit. Die Gerechtigkeit aber muß die Menschendinge erschweren, welche der neutrale Geist menschlicher erleichtern will; die Erleichterung ist uns nur gegeben im unfaßbaren Inbilde. Die Ehre ist nicht in sich und die Geschichte, die epimetheische Hinterlassenschaft der Tat, ist eine Wunde am Sinne; von ihr wird der Sinn sichtbarer.
Wir denken an unsere Liebe zum Reiche. Ist es möglich, das Freiheitsgefühl des Inbildes in sich schützend, wieder eine reine Beschlossenheit von Staat und Volk zu bekommen? Es ist keine Abwendung möglich, sondern der Gedanke muß uns weiter anrühren und also statt der armen Beeiferung am Sozialen und statt des geschichtlichen Neidsinnes am Eigenen wieder sein und werden, daß sich die treue Magd des Sinnes umschlägt in die reine Schwesterschaft. Es ist dann die reine Tapferkeit.
Die Reichstagswahl am 5. März hat den Nationalsozialisten rund 44 Prozent der Stimmen gebracht; mit den Konservativen unter den alten Reichsfarben zusammen die Mehrheit. Diese Bewegung, seit einem Jahre der politische Angelpunkt, ist nun auf legitimem Wege geschehen; wenn man so sagen will nach alter Weise der Deutschen eine Bewegung des Fußvolkes.
Die göttlichen Gedanken sind in die Welt gegeben, nicht um von der Menschheit in Brauchbarkeiten verwandelt zu werden; sondern sie gehen — und dies ist ein Gang wie durch Mangel — an den Einzelnen.
Oder — im Wehren des Gefühls, denn es will nicht, daß ein Mangelsinn sich selbst behaupte, ohne es hat ihn wie eine Insinnigkeit ergriffen und wie ein unbesitzbares Inbild ist es in ihm von bloß einem Entgegengekommenen; und also der Mangel allein; und der einzelne Sinn durch die göttlichen Gedanken zu sich jeder von der Vorgegebenheit ihrer großen Sinne in Rückkunft, jeder in sich wie zugeschlagen an der Fühlkraft der Pforte; ja wie der Sohn durch die Jungfrau, der Entgegengekommene in das reine Gleichnis, gleichsam mehr ist durch dieses, das ihn im Mangel der Menschheit noch vermehrt wie im Gegensatze, der sich nach außen richtet und wovon wie ein Recht die Geschichte wird; und ihr weggelegter Sinn, wie herausgebrochen durch den Einzelnen aus allem Geiste, sein getrenntes Recht von Hoffnung im Gleichnis und wie vom Inbild im Schmerze, findet sich wieder in der Natur der Erde, es ist wie Erinnerung; noch wächst es pfingstlich zwischen Erde und Himmel und wird das erschütterte Gefühl im Worte gegen seinen Mangel durch die Entnommenheit; — all dies zunächst aber in der Angeschautheit noch ein Bild und Mangel und Sinn in seiner Waage, bis die herausgebrochene Erde stärker wird, sie wird bewegter im Zeitpunkte, zunehmend verlassener im Rechte, und mit ihr der mangelgleiche Einzelne — tritt es so zwischen ihn und den Mangel — in jeder Fülle ergänzt und verlassen; noch also das unbesitzbare Inbild der Hoffnung in seiner Angeblicktheit wie Blüte und ein ersterbender Sinn daran wie durch ein Gewicht des Mangels, nun in sein vorgegebenes Gethsemane nachkommend, das die Trennung will wie von ihrem Gesichte und wie hinweggewendet, daß sie davon zum Inbild werde, worin ein Sinn bricht, welcher so mehr wird gegen den Gedanken, und er ist gebrochen wie im Blicke gegen seine Erfüllung; ein Gewicht fällt und eine Waage steigt und es ist die Trennung in der Hoffnung; denn die Hoffnung in ihrer Einkunft zur Eigenheit geht durch eine Trennung, sie bleibt zwischen Bild und Wort durch die Erde; und der Einzelne, Eingekommene, wie ein Sinn untergeht, der aus dem Gleichnisse gebrochen wird zum Anteil an der Erde, ist mit ihr im Verluste, und es ist sein Gewinn, von dem ein Teil des Sinnes eingeht in die Geschichte; dies wird zum Sinn und Vorgang eines komparativischen Lebens; die Erde aber bleibt ihr Anblick hinter der Hoffnung; Anblick aus der Natur zum Gleichnis eilend, der so den Mangel zurückläßt, wie er Hoffnung findet als bloße Reinheit in jeder Trennung; er selbst zurückfallend in die Schwere; und wieder ausgeschieden, das ist Geschichte; der Mangel nämlich bleibt ungetrennt und im Ganzen, aber die Natur als des Einzelnen wird sein Vorgebot gegen Hoffnung wie von einer Schwere und getrennt wie vom Besten das Geringste, der Schatten noch, der an seinem Lichte sichtbar wird vom Mangel und nun vom Inbild verlassenste Fülle und Blüte — so also umgekehrt durch die christliche Pandora, daß Mehrung geschieht in einer reinen Ordnung gegen die Hoffnung und wie »erinnert« — so geht jeder Gedanke durch den Sinn und den Mangel und kommt zu sich wie im Verluste mit der nachkommenden Hoffnung. Es wird sein Grad von Dinglichkeit in diesem komparativischen Vorgang; und so ist die ganze Erde in der nachkommenden Hoffnung. Und die Erde bleibt auch — der Gedanke der Trennung im Inbild — das Bild für die Trennung der Menschen.
Also geht der göttliche Gedanke nicht durch den Mangel, sondern wie durch Mangel. Und dies wird zur Sinnbildung in der Geschichte. Welche die Hoffnung wie eine zweite Mangelerde in sich eingeschlossen hält und die aus dem Sinne gebrochene Hoffnung der Erde ist sichtbar mit dem Einzelnen im Gleichnis. Mutter Erde unter der tieferen Bahn des Himmels ruhend, die vorbietet je mehr aus immer größerer Ohnmacht; ihr ist gegeben wie selber ihr Sinn zum Opfer und getrennt in ihrer Ohnmacht »einer« gegen alle wird der gebreitete Grund wie Löschung und entsteht die reinere Trennung sinnentkräftet vom ersten als Folge; gelöscht im Sinne, wovon der Ausschluß rein beschlossen und aktiv sich wendet wie rechtens vom löschenden Gleichnis jedes gegen das andere, wird die Folge zum geschichtlichen Sinngrund. So wird das erste im Sekundären wie Löschung und wandert, getrennt im Gleichnis, was geboren ist, in die Folge — stärker blüht sie im stärkeren Ausschluß — und in die Erwartung eines blinden Gesichts; wie über einem Gitter von Menschheit ist sie über einer dispositiven Ordnung. (Eine besondere Stoffwahl in diesem Sinnvorgang ist die christliche Emailarbeit.) So hebt die Geschichte sich wieder auf, wie sie von der Natur aufgehoben ist, und ist in ihrer schwebenden Mitte. Rettung ist über der ersten Ordnung im Gleichnis; wie zum Ausschluß der Hoffnung wird sie stärker empfangen, nicht in sich und nicht aus sich und also nicht wie ein Gedanke und wie kein Mangel. Von der Hoffnung zum Gleichnis die wie zu einer glücklicheren Erblindung vorgebotene Spanne wird als Wiederkehr Gedanke; denn der Gedanke ist Umkehrung und der Grund des Gedankens ist selber nur die Folge wieder aus dem ersten zum zweiten Grunde. Durch das Gleichnis aber geht das epimetheische Vorgebot wie durch Kunst gegen den Gedanken, unruhiger gegen die Dauer der Zeit und im starken Umschlag wie das Tier gegen die Pflanze; und der Gedanke, der erinnert wird an das Gleichnis durch die Wiederkehr des Tieres, bricht wie durch Mangel gegen sich selber. Und wird nur wie weggenommen zu Erde vor einem Anblick. Wie wäre es auch möglich, daß das Vollkommene vor sich gehe durch Mangel, außer es geschieht in seinem eigenen Anblick und ist davon wie verwundet im Worte, wie Mehrung in diesem Zweiten und wie durch Nein vom Übergebot des Bildes in der Kreatur erinnert; und bleibt doch das ewige Gleichnis durch reinen Anblick im gegenwärtigen Bilde. Das Unvermehrbare geschieht also wie gegensinnig durch Mehrung. Je mehr es in sich nachkommt und gegen sich wie das Geringste, um so größer wird sein Gesicht und wie verwundet gegen die Hoffnung; sein Maß wie Unmaß aus der innersten Nähe und der Gedanke wie Witterung zum Inbild und doch Gesicht gegen Gesicht nur eine reine Ordnung der Größe. Die reinste Ordnung ist mittelhaftest in sich wie gegen ihre erste Natur, ja wie gegen Hoffnung in Schmerzen. Natur und Geschichte im weitesten getrennt begegnet sich die Jungfrau mit der unbefleckten Mutter wie entzweit unter vorgegebenen Sinnen. Sinn gegen Sinn aufgehoben wird die Geschichte der Sohnschaft, womit sie Gewesenheit ist, im Gleichnis empfangen und kommt zuvor in die Freiheit eines Tuns, welches wie aus Nichttun ist, aber durch die reinste Mittelhaftigkeit deutlich und wie in Erblindung hingelöscht über der ersten Erde. Es stirbt Sinn gegen Sinn gelöscht das Übergebot des Gedankens in der Witterung seiner Eingeschriebenheit hinüber zum Gesichte, in Spannungen wie in Farben, und das Schicksal im zweiten Grunde ist durch Gewesenheit im Gleichnis größer als das Licht der ersten Erde. Eine Komparation entscheidet über die Schöpfung und das »wie« ist die Proportion aller Schmerzen.
Das Gleichnis geht der Hoffnung voraus und die Hoffnung schreibt den Grund nach wie in Spuren einer nicht mehr einholbaren zweiten Geschichte. Sie kann ihre erste Spur nicht vereinigen mit der eilenderen zweiten (es ist auch der Grund gegen das Humanistische, daß der Mensch sich nicht schreiben kann ohne die Verschiebung der Spuren im Dritten). Schrift und Gleichnis, es ist, als ob sie einander verfolgten; und die Natur im Gleichnis, — es ist die Wirklichkeit, wonach aller Sinn geschichtlich sehnend ist und der Gedanke wandern muß um Zurückkunft — ist eine Nachvorwegnahme (aber auch alle Zeit ist eine Nachvorwegnahme); in der Schrift aber bleibt die Natur zerbrochen. Zwischen Schrift und Gleichnis ist ein Verhalten wie zwischen Trümmerschaft und Gänze. Die Mutterschaft im Nachsinne, — glücklich geworden und doch wie gegen Hoffnung, denn ihre stärkste Vorhandenheit ist wie von ihr am meisten entnommen und ihr ganzes Sein wie das Gewesene, das nun nicht mehr ist und sein Sinn ist der Mangel des Mangels, umgeben wie von zerbrochenen Schriften; wer hält diese aufgehobene, wie vom Mangel entschwerte Erde? — faßt Schrift und Gleichnis zusammen? Und dies ist die Fühlkraft der Gewesenheit; sie verbindet die Reklusaform der ersten Erde mit der Pietàform der zweiten; tatenlose Schauerin in der Wegnahme und ihre Tragik, welche die Natur nicht hat, ist wie in Schmerzen leichter. Der Nachsinn in der reinen Mutter, — zum Gleichnis hin ist sie selber, zur Erinnerung hin ihr Schmerz in der Natur der Hoffnung und also die wachsende Länge der Zeit — hält die Komparation in der Schwebe. Es ist die Angulation für die Dinge, oder also wodurch in ihrem Inbegriff gegen Erinnerung oder als Zeichen der Erkenntnis sie wie gebrochen zeithaft sind und ein dinglicheres Maß gegen Schöpfung haben für die Gegenwart und für die Sohnschaft und wie zur Lücke für die nach Rückkehr fortsinnende Geschichte; und harren auf Schöpfung durch Anblick, zwischen Nachsinn und Gleichnis wirklich. Wie entnommen ihrer zeitlichen Schöpfung in eine zweite Zeit des Sinnes berühren also die Dinge durch innerste Zeitlichkeit gleich Mangel das Ewige; und die ihre Gänze haben wollen, — Sinnbild Mariens im irdischen Rosengarten —, brauchen das Angesicht der Jungfrau wie Erinnerung rein aufgehoben in Spiegel und Gegenwart zu einem Anblick. Das Zerbrochene also macht Schrift und das Bild wartet spiegelhaft innerhalb. Das Vorgebot aber, in der Sohnschaft zu sein gegen die Schrift — und dabei ist dieser Tuende nur ein Zuschauer und das Tun, wie es sich nicht schreiben kann, treibt die Fühlkraft aus dem Nachsinn zum Gleichnis — ist der christlich epimetheische Gedanke, nur möglich zwischen dem ersten und zweiten Grunde. Er ist kein in sich behauster Gedanke. Er ist ritterlich und ist geschichtlich auf dem Wege zwischen Mutter und Jungfrau. Zwischen dem Nachsinn und der Unerkanntheit — Unerkanntheit nämlich oder die Liebesform ganz im Tapferen, da der Einzelne zum Gleichnis nicht wartet mit dem Sinn der Gemeinsamen — ist die kühnere Zeit der Sohnschaft wie Vorgebot der Treue vor der Hoffnung; ihre Schrift ist wie ausgeschieden ganghaft in ihrer Reinheit vom Grunde, und nacherholt anderseits zum Bilde, daß wie gebannt dieses und gefeit mit ihm sie selbst in der treuen Betroffenheit liegt. Wenn dann aber der langsamere Sinn das Verweilen sucht zwischen Nachsinn und Erde, daß er zurückkehrt wie zur Erinnerung ohne ihr eilenderes Vorgebot und Rufe richtet an die stummere Mutter, stumme Hoffnung der Natur ohne Gleichen, indem er die Schrift deuten will, die seine Gewesenheit mitbringt — ein Schein von Frieden und doch wie Hunger nach ihm selber wird die Lesung; und die Schrift, welche die Grundruhe erster Spuren sucht, rückt sich bildlos nur selbst in ein Werkzeug — dann ist die Zeit der leidenderen Mutterschaft und es wird der Ecce Homo aus dem Schoße der Jungfrau genommen. Alles wird nun aus der Länge genommen und hingestellt wie ein bloßes Gewicht der Erde am Sinne. Mangel neidet die Fülle, die Schrift das Gleichnis, die Gewesenheit ihr Vorgebot, um ein Recht zu nehmen — aber nicht mehr hat sie es wie schon im Vorgang gegen Hoffnung aus dem Bilde —; und das Wort wird sich vom Nachsinne weg bildlos verstocken. Denn in was der Nachsinnige lebendig bleibt, ist die harrende Trennung, und dies ist eine wie aufbewahrende Gerechtigkeit im Bilde; kühn im Vorsinn der Zeit, was so im Hauche lebt wie im Vorgebot für die Jungfrau, oder doch, obzwar ärmer im hungrigen Worte, nachkommt noch immer mit der leidenden Mutter. Denn diese doppelte Möglichkeit, eilend im Gleichnis mit all seiner Erreichtheit oder nacheilend in der Schrift ohne Erreichen, ist zwischen Bild und Wort als zwischen vorgegebener Immaculata und Erinnerung die wirkliche Geschichte. Wirklichkeit der Geschichte besteht durch die Immaculata des Sinnes und noch im Nachsinn wie ein stetes Entnommenes zuvor der Schöpfung. In Zeit gemessen ist sie die doppelte Möglichkeit des Mittelalters und so verankert mitten zwischen Zuvorgang und Wiederkehr im deutschen Schicksal. Es ist der ganze deutsche Gedanke.
Als die Hoffnung aus der Größe der Erwartung und ihres Umschlags gegen sich selber in der Geschichte zurückging wie gleichgesetzt zu Menschen und als nachgekommene Schöpfung oder gegensätzlich im gleichen wie für eine erfaßbare Schrift, hatte sie vorher noch Aufenthalt in der Barmherzigkeit wie auf einem gemeinsam-größeren Grunde. Das waren zuletzt die großen Dome; und ihre Größe sinnbildet im Longitudinalen die Barmherzigkeit, wachsend im Nachsinne und ohne Umschlag in der durch Gleichnis vorsinnigen Aktion. Sie stehen am Ausgange des Mittelalters mehr umfassend als insinnig gespalten — oder wo die Spaltung mehr Zahl ist im Sinne als Brechung im Worte — und auch wie auf einem ausgeruhten Boden; aber der nun erdhaft wird und auf welchem sich die Wirklichkeit anders vermehrt, und so, wie sie zwischen Bild und Wort verlassen ist. Gewissermaßen: wenn die Erde unter dem großen Baue von der aktiven Krypta ausruht, wird sie bebender im menschnäheren Bilde; sie verschiebt also ihre dispositive Wirklichkeit. Die Wirklichkeit bei Grünewald steht in einer epimetheisch furchtbaren Verlassenheit; sie wird wie entnommen einem entblößten Gesichte, das nicht mehr begegnen kann in der schwebenden Mitte, und ihre Natur ist nicht mehr erinnert im Gleichnis gleichwie ein in ihm glücklicher Mangel. Gleichzeitig aber noch stehen bei ihm zusammen die Kirche und das Gleichnis, die Lücke innert allem Sinne und die Jungfrau in einer unstillbaren schönen Waage. Das Maß zwischen Verschlossenheit und Offenheit, zwischen der bleibenden Reklusaform und der Immaculata der hoffenden Natur, nun in seine deutlichste Gleichung getreten, ist wie das ganze Wagnis der Endlichkeit im Gegenspiegel des Augenblicks. Die Immaculataform — das Wirklichste durch das innigste Gleichnis — bleibt aber nur wirklich in dieser Waage mit der Kirche. Es ist zwischen Hauch und Hunger die sterblichste Schönheit der Geschichte. Tritt nicht Maria, wenn der Raum statt wie eine in ihrem Gleichnis gebrochene Stufe des Wortes nun zum eigenen Zwecke wird, aus der Kirche? (Die Renaissancekirche ist auch bloß noch analogiemäßig marienhaft.) Aber die Barmherzigkeit machte ihr Gleichnis wie mit Natur vergleichlich und wie eine nachgewogene ganze Hoffnung der Erde am schönsten an diesem Ende und das Inbild wie ein entblößtes Gesicht alles in der Zeit der Harrung geborenen Fleisches kam am nächsten zur Ahnung seiner reinen Gegenwart. Die Dinge selber wurden hier schriftsinnig vor Wirklichkeit — allenfältigst waren sie so ganz und gebrochen — und die Natur erreichte ihre Hoffnung wie einen innigsten in ihr selber eingewesneten Spiegel. Jedoch der Geist der Menschheit muß einen kreatürlichen Augenblick verderben und die Hoffnung trägt sich aus den Spuren ihres Nachganges wie Stein und Gewicht auf eine bloß positivere Erde.
Es ist alles die Frage nach einer Immaculataform der Geschichte. Sie ist nicht positiv — die Naturposition bleibt in ihr zurück —, sondern stets durch die Geschichte komparativisch in zerbrochenen Wirklichkeiten. Im Ingrunde des Sinnes wie in einer von dem Geiste unbekernbaren Lücke erscheint das Gleichnis und wird verfolgt von Gewesenheit und Erinnerung wie feindlich; oder auch: die Kraft des Gleichnisses wird in Einkunft und Ausflucht erkannt an der Stärke seiner dispositiven Ordnung. Die Vereinigung von Trümmerschaft und Gänze, dispositiv geordnet statt einer substitutiven Einheit im Geiste und sinnhaft sprechend wie nur von einer Hälfte der Erblickung, die unter dem göttlichen Hauche liegt — denn die Erde bleibt immer nur die Geschichte eines Anblicks — hält diese Geschichte der Zeugnisse spurlichtig in der Schwebung und wie in einer transsubstantiativen Vermehrung zwischen Sinn und Dingen. Alles geht durch die Stärke der metaphorischen Kräfte, deren geschichtlicher Ingrund Maria ist. Es wird eine Zeit wie des Tieres als Gedanke in seiner steten Wiederkehr und dies die Zeit des größten Gedächtnisses; dann die Zeit der Pflanze, worin die Brechnung zurück will in ihr Mark und Wachstum wie mit Vergessen und dies die Gotik zu ihrem Ende; und dann das Gedächtnis des bloßen Geistes, der das kreatürlich und sekundär geprägte Wirklichkeitsmerkmal — und die komparativische Differenz als seine Sinnträgerin — wie eine Minderwertigkeit auslöscht und wie nur durch Schöpfung gleich und generell ist. Aber um die Flucht des Gleichnisses handelt es sich immerfort für die Kreatur, um die Verlassenheit der Jungfrau und das Komparativische der Uneinholbarkeit. Und weggenommen aus sich selber lebt so die Geschichte in ihrem eigenen Gedächtnis als die Jungfrau der reinsten Liebe und es wird eine Angulation der Gerechtigkeit daraus wie ein Nein der Gegenwart und ein Raum, in welchem die Geschichte ihren komparativischen Abstand hat und worin das Zeugnis wie weggetragen ist und das Bild im Schweißtuche den Anblick einer Löschung weitergibt und das Gedächtnis die Gemeinschaft und Gattung mitnimmt und aufhebt für die bloße Einkunft in der Weitergabe. Die Geschichte wird das von Maria getrennte Bild einer Löschung, welche die Züge der Gerechtigkeit mitnimmt und sie nicht anders hat als in einer gegensinnigen Doppelung. Das Bild verdoppelt sich durch Veronika und die Frauen wie aus dem schweigenden Atem des Tieres der Erde, wenn es dem Sinn begegnet in der Ohnmacht Mariens. Es wird alles Wiederkehr und Abstand in dieser Löschung. Es war der erste Raum der Kirche. Die Uneinholbarkeit sich selber forttragend, färbte die blutigen Züge des gerechten Sinnes für die kommende Welt, und in dieser Sinnbegegnung ist der Abstand und die komparativische Umkehr und innere Grenzgröße der Kirche erhalten. Die Natur aber, welche sich wie die Pflanze eines in sich fortgehenden Wachstums ohne Wiederkehr mit der Immaculataform vergleichen will — Wachstum, das in der Spätgotik astig verdorrte und in das geometrische Segment zurückfiel — ist das Sinnbild einer nur generellen Reinheit, die ihr epimetheisches Vorgebot, das Geringere zum Größeren, nicht mehr im Gleichnis vorangibt. Ist nicht auch deshalb der Deutsche eine junge Rasse, weil — Wagnis und Schrecken des Jugendsinnes — auf eine Zeit sein epimetheisches Vorgebot gegen seine generelle Natur als das größte die christliche Geschichte am meisten bestimmt hat und weil dann der Sinn aus der großen Ermächtigung im Augenblick der notsinnigsten Witterung des unstillbaren Inbildes und seiner immer stärkeren Flucht zurückstrebt zu seiner generellen Stillung? Aber gerade zu diesen Deutschen, welche ihr Lebensgesetz in ein bloßes eingeglichenes Wachstum zurücksetzen wollen ohne Widerschlag aus dem anderen Gleichnis, kam der Grund der Geschichte als ihr Ausschluß aus der Mitte, von welcher sie gesteigert wird. Gerade dieser Rasse ward die Nacherholung in das Sekundäre wie in eine Fremdheit, woraus wie aus einer Verletzung die Geschichte um so eigener wird, das gewaltige epimetheische Wesen des Mittelalters. Und wenn ein Volk, so muß das deutsche mit dem Bilde wachsen und nicht mit dem Begriffe; wenn eine Kreatur, so ist die deutsche zwischen Mangel und Sinn nicht in sich und nicht aus sich, mutterschaftlich im geschichtlichen Sinne entzweit und aus dem Kontemplativen gegenüber ihrer generellen Natur zum aktiven Leben und Gleichnis vorgeboten; und also, wenn sie sich diesen stärkeren Umschlägen im Religionsbilde bloß konfessionell entzieht, nicht in der ihr zugehörigen geschichtlichen Wirklichkeit. Je mehr aber überhaupt von der ersten Natur abgeschnitten und darauf zurückkehrend, je mehr im schwebenden Gleichnis und mütterlichen Nachsinn für die Sohnschaft frei, je mehr also seiner Natur zum gegensinnigen Vorgebot mächtig und das ist, daß es im Ingrunde wie ohnmächtig und sinnhaft ergeben ist, desto jünger in diesem Ritterdienste ist das Volk. Schnell konnte es sich in einem Abfall verältlichen. Also gibt es wohl verschiedene Altersproportionen der Völker zur Angulation des Christentums, aus den Möglichkeiten der größeren oder geringeren Spanne von Natur zu Gleichnis, welche in der naturhaften Komparation sich ausdrücken und gleichsam meßbar sind. Und um wie stärker, ja gewissermaßen Gerechtigkeit ersetzend diese Proportion aus Natur und Hoffnung zum Inbilde ist, um so stärker kann auch der Abfall sein zu einem generellen Vergessen, welches sich aus der einzelhaften Tapferkeit im Bilde zurückzieht auf ein bloßes und schließlich unbildliches Rechthaben mit- und untereinander. Das Umschlagen aus den großen Sinnesfühlkräften der Geschichte in dieses zur Unfruchtbarkeit des Gedächtnisses bestimmte »Vergessen«, das auch seine Tapferkeit in den bloßen Streit vertun wird, ist heute noch deutlicher geworden in der bloßen biologischen Position. Es hat vorher den strengen und langhin ins Abstrakte gärenden Denksinn der Deutschen nach sich gezogen, Gegensatz im gleichen zu dem geschichtlichen Wesen, das charakterlich ihre ethische Eiferung um Gerechtigkeit aus dem vorgebotslosen Glauben zu einer »privaten« und vom Bilde getrennten Konfession befördert hat. Das Umsetzen der Immaculataform und ihrer komparativischen, einzelhaften Verschiebungskraft der Geschichte in die bloße generelle Glaubensposition, bringt den Verlust der dispositiven geschichtlichen Kräfte und setzt eine Nation auf einen nicht im Bilde bevorrechteten Eigengrund. Das komparativische Gedächtnis aber, aus dem gemeinsam vorgegebenen Bilde einzelhaft epimetheisch gewonnen, das in seiner Ausschließlichkeit gegen den generellen Grund erwartungshaft bleibt und das der Gerechtigkeit gegenüber wie ohne Alter und doch nicht zeitlos ist und das immer Jugend hat und die Gedanken zum Dienen leitet über dem natürlichen Lebensgrund und die Zeit überendet durch Vorgebot, ist doch noch am meisten fortharrend in diesem Herzen Europas.
Die Gerechtigkeit sättigt sich durch ihr jungfräuliches Inbild und auch die dispositive Aussage Gottes in der Geschichte reift sich aus in dem Verhältnis der Völker zum Gleichnis. So wird auch das lebendige Vorgebot des Glaubens gegen die Kirche hin wie Ehre, und das ist eine vorgestillte Gerechtigkeit. Sie macht den Sinn frei vom Knechte und hält Wort und Bild in der Wage. Durch die Glaubenstrennung ist ein Teil der Deutschen von dieser geschichtlichen Komparation in die christmenschliche Position übergegangen. Das Wort des Glaubens allein, wenn es in der Jungfräulichkeit des Vergleichs, wodurch eben die Geschichte vorgegolten wird über ihre Kreatur und der Sohn gleichsam mehr wird durch die Jungfrau, — denn so ist er der »Sohn der Freien«, — das Wort des Glaubens also, wenn es nicht mehr eingeschwiegen ist, macht den Deutschen zum bloßen Nachzähler des Rechtes und er wird ohne Vorstillung darin sein eigenes bloßes Werkzeug. Dies ist ein sich erhebender Neidbegriff am Gleichnis. Er will einesteils den Mangel am Bilde ersetzen durch eine freie Idealität über dem geschichtlichen Rechte — (Idealität, das ist die bloße im Gedanken ohne Umkehr gegen seinen Grund gehegte Fortbildung zu einer wunschhaften aber nicht zum trennenden Inbilde zwischen »Einem« und allen vorgegebenen Hoffnung; und diese nur aus ihrer Position fortgefolgert durch das substitutive Neutrum des Geistes; durch das eingeborene Wort ist aber die Idee aufgehoben und die Hoffnung in das empfangene Inbild nachgeschaffen) — und verliert dabei die ihm in seine angeborene Natur nachgeschaffene geschichtliche Vergleichskraft und damit auch das Vorrecht der Ehre. Und andernteils will er doch mit seinem nachgeschaffenen zweiten Wesen, was er dann Tradition heißt, nachwitternd dem alten Bilde, angesiedelt bleiben in dem Abbruch am Mittelalter, wo mit dem Sinnverlust am Bilde der rechtende Nachsinn zum Werkzeug werdend die Lebensform um ihre weltsinnige Disposition oder Verschiebungskraft brachte, wo er ein bloß rechtend empfundener Sinn und ein Material des Gewesenen zu werden begann. Also darf der komparativische Sinn nicht zum eigenen Werkzeug werden. Und das heißt: die eine Stufe des Sinnes zum Gleichnis muß herrschender bleiben als die vielstufige eigene Erkenntnis. Oder auch: der Glaube muß blinder bleiben und das ist sehender im Gleichnis. Sonst wird das Volksgeschlecht ältlich und überständig in seinem Zeitraum; und so, daß es, was dem entspricht, Emendation sucht an der falschen, weil nicht wie das Gleichnis innerzeitlichen Zeitlosigkeit von Idee. Denn »siehe, ich bin eine Magd des Herrn« ist zuerst und zuletzt der entscheidende Ingrund alles rechtenden Gedankens. Die Metapher für das Wort verbleibt Wirklichkeit in Maria und die Überwindung der bloß geistigen Werkzeug- oder ebenso bloßen Analogieform ist Geschichte in diesem Dritten. Aus dem Wachstumsgefühl seiner Natur, das auch in seinem Abfall immer wieder deutlich ist und ihn gleichsam als seine eigene Beute aus dem Sinn verwerfend immer wieder hereinholt, begreift der Deutsche am meisten von dieser Wirklichkeit der Geschichte. Seine eingeborene Naturganzheit — gerade in seiner mythischen Spaltung zwischen dem arglosesten Vorgebot des heldischen Vertrauens und dem Neid als rechtender Herstellungskraft ist sie auf das sonderbarste enthalten und die bloß positive Geschichte dabei ihr zauberhaft hinweggenommen — trägt zugleich am meisten die Trümmerschaft der Welt wie eine weitere Gänze. Er lebt als ein epimetheischer Bestauner von allem, was Geschichte ist, und zahlt diesen Tribut der Fruchtbarkeit auch mit dem eigenen Lebenssinne, so daß er wie sich verlierend ein Überfluß wird, dessen Ursache er nicht kennt und der nur durch Weggenommenheit möglich ist und wie durch ein entwurzeltes Müssen; und daß auch und gerade dem Ärmsten dies möglich, dies ist deutsch. Er ahnt oder es ahnt sich mit ihm diese eigentlichste Wirklichkeit der Welt. Zwischen Gleichnis und Recht vollziehen sich die Größenverhältnisse der geschichtlichen, der reichen und der in Armut reichen Gesellschaft, und wieder wird er das Vorgebot der Fühlkraft leisten zum Gleichnis wie zu einem ihm geneigten größeren Gesichte; und wie er sein Recht wieder ausschenkt in der Innengrenze, wird sich ihm das Gleichnis zureichen wie eine größere Hoffnung. Er wächst noch für die übrige Welt von innen. Und die Gerechtigkeit wird wieder das Gleichnis einsetzen, von welchem sie selbst in die Geschichte gerufen ist; die Kirche wieder gespeist werden von dem Grunde, den sie erst in den Grund gesetzt hat, indem sie ihn aufhob. Als eine Lebensform der Deutschen, deren Unruhe im geborenen Naturgeiste überboten sein muß wie zur größeren Ruhe durch eine Unruhe im Dritten, muß das einsinnige Christentum durch das bildsinnige »gestört« sein. Das Bild aber geht mutterschaftlich wie durch eine Innengrenze und gibt den Grund des Rechtes wie Ehre, weggenommen und hinzugefügt von innen, und so neidlos gegen Hoffnung, wie nur das Vertrauen ist, das sich ohne Rechte sättigt. Es sättigt sich wie von der Natur ein unfaßbares Inbild; es streift den Blick ab wie ein Gewand und es ist selber die Erkanntheit im Blicke; es geht der humanen Selbstausbildung voraus und richtet die Natur zu ihr kommend nach sich. Es gibt kein Recht im Gedanken, sondern nur in der Erkenntnis. So ist dieses katholische Ordal des Lebens: je mehr Maria, desto mehr Rechtssinnigkeit und Rechtsinnigkeit. Und so kann auch das Gericht eines Volkes sich nicht an sich selbst justifizieren (der Deutsche besonders, weil sein Sinn sonst umschlägt auf das bloß zureichende Zeugnis, wird davon eng von Charakter oder gläubig an Unglauben); sondern es sättigt sich komparativisch am Goldgrund, und diese Ordnung über seiner Natur wird dispositiv und fruchtbar. Wie Zeremonien der Geschichte — die Kunst versteht sie und teilt sie mit — sind die Rechtsformen des Gleichnisses.
Das größte der christlichen Komparation ist aber dies, daß sie sättigt und Mehrung gibt durch Ausschluß. Der Grundvorgang der Geschichte — es ist das Gegenteil einer ethischen oder logischen Selbstfortbildung oder auch der vom Überfluß des Gefühls ahnend zu sich zurückgeschlagenen Vereinzelung, dieser ahnenden Zwiespaltung in der bloßen Analogieform von Mensch und Menschheit im Menschengeschlecht — ist die Exklusion im Inbilde; und ihr entspricht das komparativische Paradoxon, das die Exklusion aus dem Gleichnis, oder noch deutlicher die Rechtsform dieser Anerkenntnis einer Lücke, für welche die Planschaft steht und an deren Stelle dann die Kirche ist, die Zeit reich und wirklich macht und in Graden wie ohne Höhe und Tiefe einer Selbsthaftigkeit, sondern nur durch Nähe und Entfernung von der Zeit»fülle« die Menschheit in die geschichtlichen Wege eines Menschen stellt. Der Plan der Geschichte ist wie eine Lücke in der bestellbaren Möglichkeit des Gedankens und daran bildet sich und dazu geht voraus die geschichtliche Dinghaftigkeit. Das Ideelle schlägt sich durch seine eigene Ermangelung am Gleichnis um in das Reale; und die Ermangelung ist der Weg der Menschheit durch den Einzelmenschen. Damit ist die bloße Analogieform durch eine in die Zeit gesetzte Beziehung gebrochen; und hier trennt sich auch der mutterschaftliche Gedanke von dem vaterschaftlichen. Das Epimetheische des Vaters will in der Sohnschaft bleiben wie durch Verlust am ersten Sinne, und der Verlust will weiter umschlagen wachsend durch abnehmen hin und wider in ziehender Verschränkung. Hier wird auch der drohende Gott ein liebender, dieser von der beiderseitigen Verweilung drohende Gott, der die lähmende Frage ist für den Menschen, wenn dieser, ein von der geschichtlichen Gleichniswirklichkeit Abgetrennter, ahnt und sucht und der in Hölderlin eine geistige Zeit der Deutschen mit einer in ihnen eingefragtesten und wahrhaftesten Schicksalsneigung bedeutet hat. Es ist von ihm das in der Frage der Wortfindung selber fern und nah die Weltanschauung besinnende Gedicht »An die Deutschen«.
»Aber kömmt, wie der Strahl aus dem Gewölke kömmt,
Aus Gedanken vielleicht geistig und reif die Tat?
Folgt der Schrift, wie des Haines
Dunklem Blatte, die goldne Frucht?[b]
Und das Schweigen im Volk, ist es die Feier schon
Vor dem Feste? die Furcht, welche den Gott ansagt?«
Die dunkle Stummheit des Volkes, statt dessen die Geschichte nicht mehr ihre einzelhaft vorgültige Antwort hat, die Schrift und die Frucht, — wir sagen: die Schrift und das Gleichnis, die Erinnerung in ihrem unbesitzbaren Vorgebot und der ausgeteilte Sinn am Goldgrunde, an der Innengrenze alles Schweigens, wo das Wort vom Bilde abgeschnitten, nicht in die stumm umgebene goldene Frucht blickhaft versenkt, sondern wie von allem Anblick gehälftet der eigenen Lähmung mit allen Dingen zuvor ist; und statt der unbekannten Stummheit des Volkes aus der Innengrenze her die komparativische Heraldik der Geschlechter. Wir sind um Gleichnis und Gerechtigkeit entfernt von der stummen Feier der Frage. Das aber ist auch Heinrich von Kleist, dessen ganzes Werk um den Sinn der vertrauenden und liebenden Immaculata und des scharfen Rechtes wie gegen Hoffnung entstanden ist; und es bedeutet um so mehr, als diese ganze aus dem Aktiven und Ehrsinnigen kommende kühne und heftige Fühlkraft zum innersten Geschichtswesen wie ein schwerer Kampf aus dem deutschen Blute diesem Protestanten zugekommen ist. Aber es ist nicht Goethe, bei dem das Gleichnis der Liebe fast nur die bloße Metapher wie üblich, wenn auch zum idealsten Bogen vergrößert, behält, bei dem die dispositiven Sinne von Gerechtigkeit und Inbild (woraus Geschichte wird), sich zusammen einen wollen (wovon Humanität gedacht wird) und wovon die siderische Regierung der Dinge sich in eine humane Bevollmächtigung ökonomisch aufhebt. Diese nur positive Idealität ist inklusiv tätig gegen die Geschichte und sie reinigt den Menschen für die Menschheit als Beispiel. Sie macht auch den Unterschied des Gebildeten vom Ungebildeten und raubt damit die Vorgeltung der dispositiven göttlichen Wege für Jedeinzelnen und seine bildhafte, wenn auch bildungslose Vorrettung. Sie erzieht beispielsmäßig, falls das Beispiel ohne das entscheidende Vorspiel zwischen »Bild und Wort«, »Maria und Sohn« wesentlich sein kann. Das Wort kommt nicht mehr aus seinem vorgegebenen Bilde; Orpheus blickt um nach seinem Erfolge. Die bräutliche Sinnform, statt welcher sich abgeneigt ins Ethos eine priesterliche einstellen kann, ist nicht erhalten. Selbst großer Reichtum ist dann nur noch eine bedachtsame Summe; und Geist und Tun bilden eine sorgfältige Wage. Aber unser Erstaunen am Mittelalter ist es, wie es reich wird, und unser Wissen wird es, wie die ganze mittelalterliche Kirche geradezu unbedacht ist, wie sie der Inhalt ihrer vorausgehenden Sinnbildung wird und die Braut um so getrennter innen steht in der Lücke der Zeit. Sie bemächtigt die Dinge, je weniger sie sich ihrer bemächtigt; sie gibt ihnen gewissermaßen das Accidens der Wirkung, von welcher sie selber die Substanz empfängt; dies alles schlägt sich um, exklusiv an dispositiven Grenzen; und wie weniger rein — aber die Grenzen, durch Ausschluß das Eingeschlossene erdienend, machen dieses »Weniger« sicher und irdisch und dies ist, noch viel wirklicher als vom sittlich führenden Geiste, der innerhalb der Schöpfung neu vom göttlichen Blicke begüterte Weg der geschichtlichen Merkmale — ja wie weniger rein, weil abgezogen in die Sichtbarkeit ihr Gesicht im Erliegen ist und sich wie Vorgebot in die Ohnmacht ihre Macht behauptet, und weil so wie zuerst genommen was gegeben wird, ist die Braut im reinsten Selbst und nicht nur wie Mignon ein rein sich rührendes Ahnen. Dieser Braut das Almosen der Empfindung vom dunkleren Geiste zu geben, ist nicht mehr möglich, da sie überhell und gleich der wirklichsten Frühe weder hat noch nicht hat und, was der Geist noch sinnt, den Anfang ausschließt und sie schon in der Trennung ist und ihre Eigenheit, zur Grenze geworden, Hoffnung hindert und mehr hat durch weniger im angebrochenen Sinne. Sie hat schon gegen das Prinzipium die vorhandene Erde. Es ist im Mittelalter die Kirche und der Sinn der aktiven Kontemplation. Es ist die Metamorphose und die Möglichkeit einer Metaphysik der Geschichte. Diese bräutliche Sinnform ist von keinen Zwecken umgeben, und seien es auch solche des höchsten Geistes, sondern von Geschenken Gottes; sie sind nicht anwendbar, sondern ausgesetzt. Diese Geschenke liegen wie dem Vorgebote zum Verdienste nach außen in der Ordnung der Grenzen, welche das Inbild der Zeiten einfassen (und der Trieb zu einer Kunstform ist deshalb etwas Vorgläubiges wie an eine Art Prophezeiung, welche sagt, wie diese Grenzen sichtbar nach außen für das Innen in einer Zeit verlaufen). Darum hat auch alles Sinnhafte ein geschichtliches Mehr gegenüber dem geistig »reinen« Zwecke, und dieses Mehr ist eine Mehrung wie durch Dinge. Das Gleichnis, als ob es mitgenommen wie die Maser in den Dingen sei, kann nicht vergessen, was aus ihm vom ersten Blicke Gottes entbrach, und während die Natur vergessend ist, will also das Gleichnis Geschichte; es will die Geschichte, weil die Natur wie eine Wunde in ihm ist. Die Größe des Gleichnisses ist die Größe der Wunde der Natur und das komparativische Christentum ist wie aus der Wunde einer mitgehenden Naturzeit innerhalb der Geschichte das innigste Reich von dieser Welt; es wechselt mit Bildern in Bildern hin durch die Geschichte und sinkt im innersten Gegengebote hinab zum ersten Grunde. Der Gedanke kann nicht zur Geschichte führen außer durch Bilder. Dieser fallende Sinn des Gleichnisses in der Mutterschaft ist die Barmherzigkeit gegen den steigenden Sinn der Vaterschaft. Sie verlangt nach den Dingen wie um Ausflucht und ist schließlich in der Mitschau des Vaters selig. Und der epimetheische Gedanke selber, der mitschaut an den Werken der christlichen Pandora, der Mitschauende im Ausschluß, wie hofft er auf Leben und wie geht die Erweckung der Lebensform und des Inbildes? Die mittelalterliche Figur ist gerichtet insinnig im Ganzen und fühlt sich erweckt zum Leben von außen und in Teilen; sie ist mehr im Hauche als im Lichte; und die innerste Grenze beruft die äußerste Berührtheit. Immer wieder wird sich der zwischen Schrift und Frucht ziehende Geist ratlos bergen in der Elegie der Einsamkeit; aber jene Einsamkeit mittelalterlicher Bilder, welche Augen und Münder haben, ist eine andere; sie ist wie eine stets neue, zwischen Licht und Nacht erschauerte Frühe. Sie lebt wie ein starkes und treues Tier durch seine widergängige Stärke.
Wenn also die Mitte wie eine im Inbild gelöschte Gerechtigkeit ist, wird die Welt der Erde am reichsten. Aber wie kommt es zu dieser großen und schönen Verlassenheit? Denn — Geheimnis Gottes mit seiner Schöpfung — der Reichtum im Bilde erzeugt Verlassenheit. Uns teilt sich mit, was die Schöpfung nichts von Ehre weiß, die im Auge Gottes selber mitgeteilt ist und nicht in der Empfängnis; und was wir empfangen — wir müssen es in die inständige Ehre hinübertragen und in die Geschaffenheit durch die Jungfrau — es beraubt uns durch zuviel; und was wir bereinigt in geschichtlichem Sinn empfangen, es bringt uns um so mehr von der Erde. Es bringt uns in die dispositive Wesenheit unserer Erde. Scheinbar nämlich ist — um über den methodischen Begriff der christlichen Geschichtsordnung (und daß erst durch eine Lücke, in welcher die Erde ist zum Bilde und die Assistenz des Sinnes zum Ingrund, gegenüber der bloßen Analogieform eine wirkliche Metaphysik möglich sei) und daß der Grad der christlichen Form in der Überwindung der bloßen Analogieform liege, nachzudenken — scheinbar ist das christliche Maß als vorgeltende Exklusion nein-sagend gegenüber der inklusiven und mit ihrer eigenen Klärung wesentlich verbundenen klassischen Weltanschauung. Ist nicht die christliche Form, die nicht ihren Inhalt durch Klärung zu ihrem Wesen bindet, die vielmehr, je mehr sie Inhalt vom Nichtinhalte trennt, um so mehr erst ihn als Leben empfangend auf diese Weise von ihm ausgeschieden ist, ist sie scheinbar also und viel mehr nicht bloß eine Technik? (Und in der Tat führt die alte christliche Bauform auch eine Technik als eine eingebundene Inständigkeit mit sich.) Aber doch im gewissermaßen komparativischen Substanzaustausch von innen mit außen entsteht die angulative Verortung, Zwischenstellung und Disposition, welche sich negativ und positiv in komparativischer Wählung bildet und mit Angulation und Proportion, Bestimmung und Zubringung, mit der Wehr der immaculaten Gerechtigkeit und der Stärke der ihr zutragbaren Tat und Natur, mit der Antat zum Insinne die ausgetauschten Kräfte bedeutet. Die Ordnung selber sammelt schließlich Reichtum und trägt ihre eigene Folge. Bis der Sinn selber wie begriffen wird in Ehre. Hier aber kommt nun, was die Schöpfung nichts an Ehre weiß; und die Ordnung kann nicht herrschen selber als Begriff in der Empfangenheit. Sie wird abgebrochen wie eine Kreatur vom Zeugnis. Wir müssen beraubt sein und mit der Jungfrau in der Gegenwaage und sie selber kann nicht in die Ordnung wie in eine Ehre eintreten. Sie, die ohne Sinn in sich alle Dinge im Sinne hat und den Sinn in die Geschichte gibt, sie blickt harrend auf die Schöpfung und wie ausgeliefert im Zeugnis. Was sich im Sinne beschließt, bricht verlangend tiefer auf im Zeugnis, das ist der Weg der Zeit, und der Sinn der Erlösung kann nicht allein und weit von der Schöpfung durchgeführt werden. Wir haben durch den Sinn der Geschichte die Ehre. Aber wir sind, Epimetheus, im Zeugnis mitgeliefert wie in einem Sturme. Es ist von dem dreifachen Zeugnis auf der Erde; und dies, entsprechend der Dreifaltigkeit im Himmel, ist, wie Johannes sagt, daß Drei sind, die Zeugnis geben auf Erden: Der Geist, das Wasser und das Blut (und diese Drei sind eins). In diesen Zeugnissen stürmt die Geschichte und wir sind in dieser großen dispositiven Umkehr.
Anmerkungen
[1]Es braucht um so weniger Verwahrung, als ob ein deutscher Katholik hiermit sich und andere zu einem geringeren Deutschtum einstufen wolle, als gerade im Gegenteil die nach dem Naturbegriff scheinbar verringerte Aussage tatsächlich zu einem noch stärkeren Vorgebot in das Deutschtum und zu der geschichtlichen Komparation Nacherholung gewährt, welche in der schwesterlichen Erkenntnis wie marianisch spiegelhaft erst die eigentliche metaphysische Sinnbildung der Geschichte möglich macht gegenüber der bloßen »natursinnigen« vaterschaftlichen Analogieform.
[2]In diesen Zusammenhängen steht das politische und publizistische Ansehen des katholischen Rechtslehrers Carl Schmitt, dessen Rechtssinn wie ein mystisch-praktisches Integrum erscheint, woran das Ambigene der logisch-humanen und immer zuletzt christlich nicht rekludierbaren Position als an der juristischen Dezision sich umschlagen und in politisch-geschichtliche raumhafte Fruchtbarkeit ausgeleitet werden soll. Dieser Umschlag zwischen Recht und Masse, »Technik« und Kreatur erscheint auch als eine spezifisch-katholische Sinnesform der Gegenwart. Man kann vergleichsweise dafür an den Sinn von Pfeiler und Säule in der basilikalen Reklusaform denken. Es ist der Umschlag, an dessen Ordo die Komparation des Sinnes zur aktiven Kontemplation im Säkularen sich fortfördern muß; und hierher gehört auch die nach Dante gerichtete Sinnesarbeit von Albert Mirgeler.
[a]Anmerkung des Herausgebers: vielleicht fälschlich für "Gewebe"?
[b]Anmerkung des Herausgebers: In allen mir erreichbaren Hölderlin-Ausgaben lauten die Verse 3 und 4 „Folgt die Frucht, wie des Haines / Dunklem Blatte, der stillen Schrift?“