Die cumäische Sibylle
Der Brunnen im Felde

 

Quillt in kaum bewachsnen Gründen

noch der Saft der Tiefe mit,

kann der Tau nicht Lichter zünden,

hohes Wasser kann nicht schlünden,

wenn ein Fuß den Rasen tritt,

und die dunkelstarre Braue

kann bedrückt vom schweren Taue

nicht die hellen Bilder binden.

 

Ach der in den schweren Schwächen

wie ein schon Ertrunkner hofft,

kann den blauen Glanz der Flächen,

nicht den Schacht der Tiefe brechen,

auf vom Grunde perlend oft

rührt ein Hauch die Zittermonde,

wo im braunen Brand als Sonde

grüne Gräser Spitzen stechen.

 

Wer darf bis zum Grund versenken

sich und der den Abstand wählt,

wird ihm eine Erde schenken,

der die reiche Welt zu lenken

mit der Tiefe sich vermählt,

wenn die Wasser heimlich funkeln,

wer darf so im freudendunkeln

Geist des Schöpfers hin sich denken?

 

Und wer konnte erdverschlungen

bannen, fesseln jenen Fuß,

wer von Wassern ganz umdungen

spielen mit des Lichtes Zungen,

der von Gott sich heben muß?

Ihm schuf Gott den Grund der Dinge,

füllend in die offnen Ringe

Sinn der Welt und Hauch der Lungen.

 

(7.4.1920)