Die cumäische Sibylle
Vollbringung

 

Geknechtet, daß ich nicht zum Knecht

den Menschen mache,

nur härter trete dies Geschlecht

vor sich in Angst,

das in sich sinkend kernlos schwache,

bis ich sein Gründen spüre, will ich sinken,

ich will den Kelch nicht so weit trinken,

wie du ihn trankst.

 

Was schreckt mich diese Vorbildspur

mit jedem Worte,

bin ich nicht, dessen Mund entfuhr,

daß ich nicht will,

unwürdig selbst nur deinem Orte,

der ich Vermessenheit noch auf mich lade,

es fürchtet sich der starken Gnade

mein Kummer still.

 

Die Mutter trug des Lebens Qual

mit keinem Wehren,

vertiefte nur ihr Wundenmal

zum letzten Harm,

daß nicht vergeblich ihre Zähren,

des Jammers Körner furchenlos nicht schwinden,

um dies und Sorgenbrot den Kinden

nur rang ihr Arm.

 

Ich wurzelte des Jammers Korn,

daß du es fändest;

die Frucht vom eignen Lebensdorn

kann nicht zum Tod

den Seelengrund, den du dir wendest,

nur in sich tätig mutterhaft verzehren,

ich muß mich unter Menschen kehren,

nun gib mir Brot.

 

Ja wo erhält der Schwache Brot?

Du ganz verarmte,

du Seele, der den Kelch ich bot,

der Seelen speist,

Erbarmung, die sich dein erbarmte,

wird hundertfältig Wort im Zeitengrunde,

dich teilt mit jedes Menschen Munde

mein treuer Geist.

 

Wer nur die Kummersteine liebt,

wirkt sich entgegen,

er geizt dem Hauch, der Herzen siebt.

Das Mutterblut

schickt seines Stromes ganzen Segen,

ich bin entstockt, du kannst mich zahllos wenden,

unlösbar aus den ewgen Händen

die schwere Flut.

 

Geschlagen ist der Muttergrund

gleich einer Tenne,

nun darf das Wort aus vollem Mund

im Widerschall

die Grenze um sich, wie die Henne

die Küchlein sammelt, ziehn und durch die Lande

die winterweiten seine Bande

verknüpfen all.

 

Der fort aus seinem Blute schwimmt

und sich zur Speise

verwandelt aus der Erde nimmt,

der Menschenkern

wie du ihn gnadest wird er leise

gezeigt den Königen von Morgenmächten,

mit ihnen folge ich aus Nächten

in mir dem Stern.

 

Und bin der willig treue Knecht,

der zum Geleite

dem unerschrockenen Geschlecht,

das sich vollbracht,

das Korn des Leides in der Seite,

wie einen Kelch die liebe Seitenwunde

trägt und zu tragen gibt der Runde,

die mit ihm wacht.

 

(20.12.1917/9.1.1919)