Die cumäische Sibylle
Krypta

 

Ich lebe wie die Kirche ein

in Armut purpurschweres Sein,

bin innerlich gerüttelt voll

Martyrium, peinglaubentoll,

und glänze mit dem Narbenblut,

das schwere Falten um mich tut.

 

Wie Mauersteine ist mein Leid

mit Worten um mich prophezeit,

je mehr daran der Sinn zerbricht,

glüht wie durch Scheiben innres Licht;

es wallt ein Herz im dunklen Schoß,

das sich dem Eigensein verschloß.

 

Und wie er mit Gepränge ringt,

wie Fluch die Worte um sich singt

vom unlösbaren Blick verführt,

wird ihm das tiefste Herz berührt,

da wendet schwer sich ab der Knecht

und wie vom trunknen Bild bezecht.

 

Stirb hin, so liegt die alte Zeit,

ein Knochenton klirrt in dem Kleid,

und der um seine Seele darbt,

sich mit dem Kern der Welt vernarbt,

er nimmt, der Lebensmark gewollt,

vom Haupt die Krone ab von Gold.

 

Ich werde immer mehr gering,

bis daß ein Schmuck das letzte Ding

so rein geschaffen mehr als ich

sich an mich schlägt und feierlich,

wie sich die Kruste um mich baut,

haust nackender die Seelenbraut.

 

So weiß wird ihrer Wangen Paar,

je mehr ich ihr zuwider fahr,

mit Schmuck, der meinem Sinn entschwand,

ihr reiche aus der toten Hand

in rastlos steter Wiederkunft

den bittern Trank der Unvernunft.

 

Die Kirche streitet noch und siegt,

die arme Seele in mir liegt,

ich bin noch eigenübermannt,

unlöslich in mich festgerannt

unter des eignen Schiffes Kiel,

dem dieses Wort zu Sinne fiel.

 

So stößt auf mich und Zug um Zug

Gedanken wie ein Schwalbenflug

mich stoßend wird entrückt mein Sinn,

nun hängt der Seele Mittlerin,

mein Sein gerettet aus dem Schiff

ein Schwalbennest am Felsenriff.