Das Herz des Wortes
Ave crux

 

Hebe dich du meine Seele,
Vögel kreisen hoch daher,
trächtig, wuchtig, schwer,
eilender als ich sie zähle,

 

nein, ich will sie nicht mehr zählen,
denn dann schwimmt ihr Kreisen fern,
einen will ich gern
ganz in mein Gesicht vermählen.

 

Ruhlos wandelhafte Gäste
blinkend wie ein Jugendtraum,
seid verlassen, Schaum
schlägt ins Auge, tränkt im Neste

 

meine Seele, harte Äste
tragen diese Schwere kaum;
knospe, kalter Baum,
den ein Himmelstropfen näßte,

 

in den Regen durch die Lüfte
hebe deine Blüte her,
Wasser machen schwer
letzten Wirbel dunkler Grüfte.

 

Wurzle, ranke in die Erde,
grüne, blühe, Galgen, Pfahl,
Wiege stummer Qual
immer in dich selbst gekehrte,

 

flügle, wie man schwingt die Schwerter,
bis sie rosenrot belaubt,
um das kranke Haupt
flügle deine Schwingen härter,

 

bis ein letzter Sinn geht ohne
Regung über in das Blut,
flechtend um die Flut
randlos Kreis und Dornenkrone.

 

Schwanke nun du reine Schale,
schütte aus dem Herzensgrund
einmal in den Mund
deines Wandrers Wundenmale,

 

der fast im Gestrüpp erstickte
und am Holz hinab hinauf
unfruchtbar im Lauf
Ruten gen den Himmel schickte.

 

Du verlaß den kranken Zügel,
flatternd um das Haupt am Kreuz,
Ruten treibt der Geiz,
schwinge deine Balkenflügel,

 

hebe dich du meine Seele,
Vögel kreisen hoch daher,
sieh das Nest ist leer,
flieg, erlöste Philomele.