Ein Schäfer grüßte mich: Grüß Gott,
doch ich war wie im Schlafe
und sah nur seine Schafe,
so daß ich Gott und ihm nicht Gruß und Zeit nicht bot.
Der Gruß lebendig, der nicht stirbt,
nahm mir aus meinem Munde
den Hauch von dieser Stunde
und flog nach einer Seele, die vor Gram verdirbt.
Ein Weib den Korb am Arm und zag
ging hinter mir vorüber
und sprach im Herzen: Lieber
Gott gib, daß ich das Elend leicht wie dich ertrag.
Da hielt der Gruß im Flug ein Nu
und faltet seine Flügel
und schwang sich um den Bügel,
verschwand im Henkelkorb, sie schloß den Deckel zu.
Und heimlich sprach der Gast: Schau aus,
im freien frohen Leben
wird niemand mehr dir geben,
als was dein Herz besitzt und mich dazu im Haus.
Der Frau lag wie ein Korb die Brust
voll Gaben und Erbarmen,
da schwang sie mit den Armen
und schwang den Gruß und Gott und war es nicht bewußt.
Man schwingt Gott nicht wie eine Last;
als fiele eine Zähre,
kam sie aus ihrer Schwere
und sprang, und sieh, das Weib hielt wider Willen fast
vor eines Wagens rotem Roß;
der Fuhrmann schrie: Ei weiter,
ist sie vielleicht so heiter,
weil sie der Teufel reit, so bin ich mit im Troß.
Sie hörte, wie das Herz ihr scholl,
als ob Gott sie versuche
mit diesem Fuhrmannsfluche,
der Korb war ihr so schwer wie aller Erde voll.
Ihr bebte in den Brüsten fort:
Wie bin gen allem Hoffen
noch tiefer ich getroffen
und mir gelingt kein Hauch zu einem reinen Wort.
Und wie gering ist, was mir fehlt,
daß ich mich nicht mehr quäle,
Gott gib mir deine Seele,
dann widersteh ich allem Fluch der harten Welt.
Der Wunsch war ihr schon lang erfüllt:
weit wurden ihre Blicke
und als ob Gott sie schicke,
so wuchs sie groß und schien dem Knechte sonnenmild.
Ja alles war in ihrer Macht,
und wo sie um sich schaute,
der Himmel vor ihr taute,
und jeder Mensch betrieb sein Werk getrost und sacht.
War still ihr Herz nun im Genuß,
daß sie auch nicht mehr sorgte,
wer immer von ihr borgte,
daß er nicht darbe und empfange gleichen Gruß?
Sie sah die Runde weit herum,
wo alles Leben hauchte,
ob keines Hilfe brauchte,
und oh wie war sie froh und alle Welt war stumm.
Ihr hoher Sinn ward kaum gewahr,
daß ihr der Korb entrollte,
als ob er selber wollte,
er rollt von ihrem Fuß in eine Kinderschar.
Ach war nicht, wie's im Spiele ist,
ein armes Kind im Reigen,
sie sah, das war ihr eigen
und war ihr Kind vordem und wars zu dieser Frist.
Daß sie nur nicht den Korb verlor!
Sie trat in aller Mitte
und aller Kinder Bitte
drang gleich vor sie und alle rührten gleich ihr Ohr.
Ach bliebe nur das Herz in Ruh,
von einer Mutter Gaben
will jedes Kindlein haben,
ihr Auge allen gleich, ihr Herz floß einem zu.
Wo war der liebe Klang vertraut,
da sie, so oft es tagte,
mit ihrem Kindlein zagte,
und wie sie immer sprach, das Kind gab frohen Laut.
Wie kommt mein Herz nun seinem nah,
ich habe doch dies eine,
dies kleine und dies meine,
was tat ich, daß dies Unglück mir von Gott geschah?
So bin ich meiner Allmacht Spott;
daß ich mich von ihr trenne,
mich ganz mein Kindlein kenne,
gib mir nur meine arme Seele wieder, Gott!
Sie nahm mit einem tiefen Hauch
vom Korbe voll Entbehren
den Deckel ab, vom leeren,
wie sie doch glaubte, husch, entflog der Engel auch.
Wie kummerglücklich sie da rief,
er war noch kaum vom Bügel
entwischt und schlug die Flügel,
wie bin ich nun erschreckt und froh im Herzen tief.
Ein Wort tut Menschenherzen not.
»Komm Kind, gib es dem Manne«,
da war ich aus dem Banne,
ich bot dem Schäfer spät und bot mir froh »Grüß Gott«!
(2.5.1918)