Das Herz des Wortes
Das unverbrauchliche Linnen

 

Für Karl Caspar

 

Jungfrau, die der Herr erkoren,
liebst du länger noch des alten
Linnens drein im Schaun verloren
Ein- und Durcheinanderfalten,
lang schon ist dein Sohn geboren?

 

Bis es aufblüht wie ein Garten,
meines Linnens muß ich warten.

 

Fort von Bildern rings umworben,
die zu sich die Seele laden
immer neu und unverdorben,
Jungfrau, dies Gewand der Gnaden
nimm, dein Sohn ist lang gestorben!

 

Bis die Toten aufertauchen,
meines Linnens muß ich brauchen.

 

Jungfrau, wird, ich seh es fallen
dir vom Auge und ein nasser
gilbender und fast mit Schallen
Tropfen, wird das Linnen blasser,
Tropfen hör ich widerhallen?

 

Einer will vergeblich rinnen,
wie ein Brunnen wird mein Linnen.

 

Die im Herzen, Jungfrau, Worte
alle du bewahrtest, Dinge
Wesen aller, das verdorrte
Bild, o laß es blühen, ringe,
ringe am betauten Orte!

 

Ach noch tiefer muß es rinnen,
tiefer schlag ich es ins Linnen.

 

Daß, als ob ein Meer mit Branden,
sich ein Quell von unten löse,
ich, daß gute Sinne schwanden,
habe, daß mich trägt das Böse,
diesen Brunnen nicht verstanden.

 

Hart einst gleich des Lichtes Schilde,
sieh, mein Linnen wird so milde.

 

(Dezember 1920)