Das Herz des Wortes
Schöpfung

 

Die unbegreifliche Liebe zwingt
in jedem Ding einen Sinn zu lassen,
bis das Herz in die opferblassen
Wasser der letzten Unruhe sinkt.

 

Geschah ein Wille, der so verschied
zerbrechend die unerschöpften Gesichte,
wer löst das eingesaugt zum Gerichte
gefesselte Wesen Glied um Glied?

 

Unter dem Geist, der brütend ruht,
schüttert das Meer zu furchtbarer Ebbe,
es entflieht des Landes gebrochene Treppe
verlöschend, es keimt die Last der Flut.

 

Das schroffe Gesicht hat nicht Verbleib:
geworfen an das leere Gestade
offen dem hilflosen Ruf nach Gnade,
ohne Duldung enttaucht der Leib.

 

Wer tiefste Ohnmacht körperlich speist,
glücklich, sein Sinn kann nicht veralten,
verkümmert, verdorrt, ihn verjüngt sein Gestalten,
bis du der Brüder Geringster heißt.

 

Ankommt der Täter von Anbeginn,
nirgends eigen und loser Stimme,
der gewachsen im störrischen Grimme
Opfer schlägt mit erhobenem Kinn.

 

Und tiefer wird das Geheimnis wahr,
die Grenze von Gott und Schöpfung zu fassen,
mußte ein Mensch das Leben lassen,
göttlicher Fülle offenbar.

 

Siehe, der Täter verdirbt ihn nicht;
Samen hundertfältig gelegen,
es keimt die Erde allerwegen,
jeder Ähre gesegnet Gewicht.

 

Jedes Wort wie alte Schrift
gefeit im Sinne, bevor geboren,
dem der die Ohnmacht sich erkoren,
fließt es zu wie lebendige Trift.

 

Löschend den Geist des Widerspruchs
im stillen Herzen des Widersagens,
so trägt die Flut des geduldigen Wagens
das sprossende Segenskorn des Fluchs.

 

Wie löst sich vom blinden Auge der Star,
Auge der Schöpfung, die Träger des Thrones,
wir sind Leibeigene deines Sohnes,
der bis er wurde immer war.

 

Die unbegreifliche Liebe zwingt
jegliches Herz nun in sich zu fassen,
bis von der Erde, der opfernassen,
der frohe Kern in die Seele sinkt.

 

(18.10.1918)