Konrad Weiß: In keine Sammlung aufgenommene Gedichte


Brand der Lichter

 

1:

 

Brand der Lichter, Hand und Hirt,

ihre Starrheit weint zugleich,

wie Vernichtung durch das Morgenreich

jetzt zur Lesung wird.

 

Ihrer Kerne lichtes Grab

blickt wie ein gestrecktes Band,

nur am Knöchel zuckt die Hand, die Hand,

sieh, sie nehmen nicht ab, nicht ab.

 

2:

 

Jede Gabe grundgeteilt

herrisch kommt sie ganz zurück,

uns erdrückt der ungemeßne Blick,

der uns noch ereilt,

 

Luzifer, der uns betrifft

und im ersten Grunde krankt,

weil die lichte Waage nicht mehr schwankt

jetzt wie eine verworfne Schrift.

 

3:

 

Weniger nur bin ich mehr,

mir im Herzen geht der Wind,

alle die erfüllten Örter sind

wie von Einkunft leer,

 

die ich bin, sie ist mit mir,

Narbe, die nun strahlig brennt.

So durch alle Lücken abgetrennt

wird der Körper das Ganze hier.

 

4:

 

Wenn das Blumenbild vergißt

blutiger, so geht es mir,

daß das Wasser wie ein andres Tier

noch im Raunen ist,

 

steh ich eingeflochten auf,

allem teilt sich Sperrung mit,

doch die Flucht von einem einzgen Schritt

ist als heftiges Selbst im Lauf.

 

5:

 

Deutlich wird die halbe Welt,

die wie vom verstörten Druck

aufhebt Herzen wie geschnittnen Schmuck,

der sich selbst erhält.

 

Wie erhält sich dieser Glanz,

weil der Widerpart ihn stärkt;

weil ihr keines Teiles Teil verbergt

ist das Hälftige mehr als ganz.

 

6:

 

Die Gestalt, die von sich flieht,

die mit sinnentrücktem Gang

auszubrechen aus dem gleichen Hang

plötzlich Früchte sieht,

 

ich bewege mich doch nicht,

die doch ihr bewegtes Viel

ausgebrochen aus dem gleichen Ziel

in die Ursache selbst verflicht.

 

7:

 

Laß mich jubeln, wie ich bin,

der verteilten Schickung Lust

wird ein steter Reim in meiner Brust

und läuft ganz dahin;

 

zwischen Halt und anderm Ort

zahllos in ihm ingesinnt

bin ich in Bewegung hart und lind,

durch Zertrümmerung leb ich fort.

 

8:

 

Was mit uns inmitten braust,

dieser Perlen wildes Sieb,

anders bin ich und bin mit dem Dieb

von mir selbst behaust;

 

dann noch in der Gleichung leicht

aus Verschränkung weggetan

rühren jäh mich andre Erden an

weggenommener unerreicht.

 

9:

 

Schnürung, Schrift und doch nicht schwach,

ein Entweichen einem Plan,

doch der Ingrund kommt wie eigen an,

wie entnommen wach;

 

dieser Spiegel ist ein Kleid;

in das Gleichnis eingebannt

ruft und wehrt sich und versagt die Hand

liebste Kümmernis Zeit, noch Zeit.

 

10:

 

Trotz zu wissen, was ein Mund

nur durch Bilder sagen kann,

rede ich den Kommenden nicht an,

diesen zweiten Grund —

 

diesen; und ist hundertfach

nicht sein Gang der Grenzen bar?

Einsam wird, so wie ich noch nicht war,

wie entnommen das Ganze wach.