Konrad Weiß: In keine Sammlung aufgenommene Gedichte


Der Bau der Kirche

 

Zur Epistel von Allerheiligen

 

Die alte Kirche ist ein Bau der Narben,

ein Sein wie Wunde, bis sie steinern ward,

bis Stein an Stein wie Ohnmacht offenbart

der tote Bau und hat doch solche Art,

daß aller Stein wie Schollen tritt in Farben.

 

Doch stirbt ein Glanz verzehrend durch die Räume,

je mehr das Ostlicht öffnet die Gestalt

und ist nun planlos an den Ort gemalt,

und dunkler wird des Lichtes Aufenthalt

und wie beschädigt Erde, Meer und Bäume.

 

So kann die Gegenwart nicht sein und enden;

es wendet sich der Bau wie innen wund

und stirbt im Licht und wird des Tods gesund,

der wie ein Blut tritt aus des Heilgen Mund,

die Engel aber stehen an den Wenden.

 

(November 1933)