Die Nacht der Jungfrauen
1
Die Nacht
Was sucht man in der Schau die eine Haft,
dies sonderbar und wirklich dunkel Helle,
wovon der Geist entzückt und keine Quelle
den Weg zurücknimmt in die Mutterschaft,
und schweres Öl den lichten Ring errafft, —
es wirft sich hin und her an keiner Stelle
und kommt wie Laubwerk stehend ins Gefälle,
da sucht man Anhalt mit verlorner Kraft.
Man ist umsonst von Anfang her bestimmt.
Und was im Innern war das Mark des Lichtes,
muß dunkel werden, wandelhaft von Art,
daß es den Gegensatz im Kerne nimmt,
und in sich schwächend jedes all sein dichtes
Getrenntsein aller Wesen aus sich spart.
2
Jehova:
Wesen meiner Freude inne,
daß dein Hauch in mir beginne,
eingeboren aus mir werde,
alles fügsam mir zu Sinne
runde um den Zaun der Erde.
Lucifer:
Der von deines Fingers Zinne
in mein tauend Netz ich rinne,
Sinn in jedem Ding verloren,
ich die nimmersatte Spinne
warum blieb ich ungeboren?
Jehova:
Meine Zeichen wandern alle,
harrend ihrem Widerschalle
mir im Ohre, wo ich bleibe;
daß die Welt mir widerfalle,
übergab ich sie dem Weibe.
Lucifer:
Unbegrenzt auf diesem Balle,
Wespe in der eignen Galle,
was ich sinne, daß mich treibe,
Spiel der sinnverstörten Kralle
kümmre ich am Erdenleibe.
Luna:
Wortes Schlag in Herzens Vene,
bis ich ganz Empfängnis sehne,
wie den Kelchgrund schlägt die Labe,
Zitterstern in Goldpatene
spielt mit mir die reine Gabe.
Jehova:
Kummereinziges Gebilde,
das mit reinem Schmerz ich füllte,
randlos Wort du ohne Habe,
untrübbar in Seelenmilde
bleibst du meines Hauches Wabe.
3
Die Jungfrauen
1:
Wir gespart, bis morgenklar
liebe Sonne uns beschaut,
ob die Nacht noch stärker uns betaut,
nicht des Lichtes bar,
wenn sich wie die Blume füllt
unsre Lampe in der Brust,
alles, was ihr himmlisch noch bewußt,
immer irdischer in uns quillt.
2:
Harren ohne Widerstand,
bis die Seele, was ihr flieht,
endlich in sich selber kommen sieht,
dieses letzte Pfand,
wird es oder bist du ihm,
Seele, die du zweifelnd stierst,
nur der Spiegel noch, der grell zerbirst
vor des rinnenden Lichtes Grimm.
3:
Der mit dir noch grimmig spielt,
Seele, du bist ihm zu klein,
spiegelsatt die Fülle selber sein
willst du ungestillt.
Wie ich speise, so begrenzt
ihn, laß mich sein Wesen ganz
füllen, bis in ihm mein trunkner Glanz
immer williger widerglänzt.
4:
Seelenbloß und kalt vom Licht,
das, weil mich sein Scheinen warnt,
jenen frohen Seelen fern umgarnt,
denen es entbricht,
gleicht mein Wille, wie gering
er noch flackernd in den Docht
zuckend ohne Herzenswärme pocht,
einem sterbenden Schmetterling.
5:
Über allen Wesens Kraft
zündend, wo in blindem Gischt
eine Seele wandelhaft erlischt,
ihres Lebens Saft
schon verloren, eh verzagt
diese Seele ganz zerrann,
immer wieder steckt dies Licht sich an,
bis es über ihr himmlisch tagt.
6:
Ruhe suchend meiner Lust
ich mich ganz der Erde glich,
wie zerlegt dies stille Wesen mich
immer mehr bewußt; —
nein, ich bin nicht wandelbar,
keines Wesens Schein vermischt,
reiner Geist, — o wie der Hauch erlischt,
mutterseliger daß ich war!
7:
Wer die Ruhe still bewahrt,
schmelzend in des Kummers Docht,
bis sie sich dem Lichte ganz verflocht,
das ihn nicht mehr spart,
meine Seele singend leis,
wie das Tröpfeln an den Rand
aus der Quelle sie bewegt und spannt,
schluckt die Bitternis nicht mehr heiß.
8:
Spielend mit dem schnell entflammt
nahrungslos versunknen Schein
letzter Wärme kalt entfließend wein'
ich und bin verdammt,
quellengleich, doch wie die Trän
nur den Hauch der Wange sehrt,
einzusinken trostlos unvermehrt,
wie ich äußerlich heftig brenn.
9:
Schaue nicht, ich bin gelähmt,
brenne überm Herzensgrund,
daß die Speise deines Bilds mein Mund
gegenbrennend hemmt,
fühle nur mein Augenlicht,
das, weil auch die Wange brennt,
sich zu dir aus meiner Abkehr trennt,
dich doch innerlich überflicht.
10:
Weniger als dieser Ton,
der zu lange Stille brach,
bin dem Licht, das meine Lider stach,
ich gebrochen schon,
Hauch ich, den mein Sterben trinkt,
der mein Herz noch schluckend traf,
in die rauhe, wie zum jähen Schlaf
aufgebrochene Kehle sinkt.
(5.5.1918)