Konrad Weiß: In keine Sammlung aufgenommene Gedichte


Gleichnis

 

Wächst aus Trieben das Verlangen

höchst bewußt mit einem Mal,

bis die letzte Kraft empfangen,

ist zu groß der Dinge Qual.

 

Immer muß die Seele proben,

ob der Geist den Geist bezwingt

von der Erde abgehoben,

die sich nährend selbst verjüngt.

 

Wohl und rastlos aufgeschossen

tausendfältig in die Frucht

steht die Ähre eingeschlossen

zwischen Himmelreich und Schlucht.

 

Über sich hinweggebogen,

während rings die Sense fliegt,

in der Summe hingewogen

jede in der Ernte liegt.

 

Will der Geist nun Brot gestalten,

der mit in der Tenne lag,

ehe sich die Hände falten,

springt er unterm gleichen Schlag.

 

Aufgeweckt und hochgetrieben,

nicht vom steten Keim geheilt,

gleicht den Dingen er zerrieben,

die die Kraft der Erde teilt.

 

In die Garbe mitgebunden

Gleichmut oder Lust und Zorn,

eins dem andern gleich entwunden

liegt zerronnen Korn an Korn.

 

(11.11.1916)