Konrad Weiß: In keine Sammlung aufgenommene Gedichte


 

Sichel schmal am Morgen, —

wohin den Schritt

durch Frost wie einen schartigen Rand

finsterer in Härte

zieht der Leib,

die den Bogen fliehen will,

lockerste im dunklen Band,

innerlichst daß sie bewußte werde,

die Seele mit?

 

Über der Erde ungeborgen

stehen die spitzigen Hörner still.

 

Heimliche bleib!

Unter die Sohle gespannt

härter erzittert das feste Land,

hebt sich die Schwelle.

Helle

und ein verborgener Wind

windelt das bloße Kind.

 

Daß es alleinig erhaben liege,

verläßt die Mutter unsichtbar die Wiege.

 

Ob der Mörder schon floh,

oder wie den zerfurchten Kern

die Schale, trägt sie nun doppelt gern,

die Seele noch im Leibverließ,

sonnenspiegelnd das Geheimnis,

ist die ungeborene froh?

 

Über Erden zuckt das Beil.

Wie viel Mal bin ich ein Teil,

Hunger von allen Gaben,

rinnend aus dem kommenden Licht,

Dunkel aus der Starrheit bricht,

von des Baumes Neige

steigen und fallen

getroffen die Raben.

 

Bin ich in allen

Dingen, die ins Licht gebiert

bereifter Schoß,

golden und unbefleckte Zweige,

kommender Hauch

und im Entfliehen auch

Vogel auf und nieder

Wiege allem und Gefieder

innerlich unirdisch bloß

in schwindender Sichel unbeirrt

stummer Laut,

der zur Erde kommt und taut

wie eine Knospe durch die Kehle:

das ist meine Seele.