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Konrad Weiß: Kriegsbuch 15 (1. Dezember 1918 bis 2. Februar 1919)

Konrad Weiß

Kriegsbuch 15

1. Dezember 1918 bis 2. Februar 1919

[eingelegte Zettel und Kalenderblätter]

[Blatt 1 rechts]

29. XI. 18 [Freitag, 29. November 1918]

das Groß schwingende
des christl. Progressus
wenn es sehr allgemein
genommen wird
<3> Dez. Heft [quer am Rand]<1> Utopie

dagegen die Erfahrung
des Gesetzes des
Kaisers, dies
ist, was heute dargestellt
werden muß
[quer am Rand]der Weg des Verderbs

[Blatt 1 links]

Neue europäische
Zeitung

Herausgeber F<.> v. Gleichen
und H. <1>

Schriftleitung, Berlin W. 8
Charlottenstr. 46

[Blatt 2 Vorderseite]

der Handler ist [?]
in die Klassik
<3>
es ist rein Glauben

[Blatt 2 Rückseite]

29. XI. 18 [Freitag, 29. November 1918]

Caspar
Wandrer [?]
das drastische
von
Wort zu Handlung

[Blatt 3]

30. XI. [?] 18 [Samstag, 30. November 1918]

der ganz durch Ohnmacht zu sich gekommen
der ganz vo<.> unter den Wegen [?] mußte wirken
Wahrlich mein Teil wird mir [?] nicht genommen

das <2>
der <1>, die Bitterkeit
durch Arbeit hinaus
bringen
nur meinen
Schmerz

[Blatt 4]

30. XI. 18 [Samstag, 30. November 1918]

Ich muß jetzt
fließend
werden
da spüre ich das
quälen [?]

1

1. Dez. 1918 1. Adventssonntag [Sonntag, 1. Dezember 1918]

Von jetzt an beginnt der freudenreiche Rosenkranz.
Morgens im Zwielicht erwacht. Dächer und Erde leicht
beschneit. das ernste Dunkel unter der weißen
Decke, die gerade Stirn der Dächer und die einfachen
Winkel. Es ist erhaben wie Ernst für Staunen.
feierlich ruhig langes Warten, Standen Ver-
wandte in der Nacht und ich schlief im Haus. Es ist
die Erwartung auf Joseph und Maria.

Daß ich nur quellend werde und einfach gestalte.
Ich konnte nicht vom Berge kommen, weil Stolz
mich hielt. Der Stolz der Planentdeckung, der
Vernunft, der auch mich nicht zur Innewerdung und
dem einfachen Worte kommen ließ, die Pro-
phetie im Kampf mit dem eigenen Ver-
nunftwesen, dies eigensinnig hartnäckige Ringen

2

in einer noch nicht Eigenseele gewordenen falschen
Höhe. Dies nicht fruchtbar, nicht herznah werden können
dieser Luciferisch göttliche Kampf zwischen unergebenem
Geist und innerem Gefühl des Kindseins ist bis
jetzt in meiner Arbeit gewesen. Das war auch das
falsche Leid, die falsche, nicht filioque vermittelte
Passion. Jetzt kommt der freudenreiche
Rosenkranz und statt der nicht fruchtbar wer-
denden Demut aus falschem Leid, aus der
unerlösten Passion, die Annahme der
Kinderlöstheit. Jetzt kommt die Zeit, De-
mütig zu werden aus Freude, aus Erfülltwerden
in und von der Zeit. Die tiefere glückliche
Demut aus der freudenreichen Erfüllung,
sie soll mich heilen. [Zeichnung: schmales Rechteck] Jonas war dieser Kampf,
zwischen Einsichtshärte und nicht Eigenem Fließen und nicht
eigener Demut

3

gestern abend und am Nachmittag war [? VR] tiefste Betrübnis oft
angefallen, Bitterkeit über Schande der Gegenwart und die Unge-
wißheit des Brotes der Zukunft, Bitterkeit bis in den Tod. aber
es soll die Verwirklichung in der Jungfrau den Glauben bringen.
Es war noch nicht der starke Glaube. Es war immer noch nur
ein Glauben gequälter Einsicht, der Unvollkommenheit
und Schwachheit, die zu keiner Wortwerdung, zu
keinem Kern führt, es war der Glaube aus Unfähig-
keit eines anderen Weges. Es war der Glaube aus in
Entfernung gehalten sein, aus der Nacht, die
den unerreichbaren Stern hat. Jetzt aber Glauben
fassen, daß der Stern führt und das Kind gefunden
wird, Versuchen, zu glauben, daß die Ohnmacht
und Angst und Unkraft durch reine Meinung in
der Glaubenskraft gebändigt und [VR: sei,] Heiterkeit <1>
inneren nächsten Tuns Verwirklichung bringt.
Sich in die Krippe legen der winterlichen Menschenzeit
der harten Glaubensnacht.

Das Innerste, was Not tut, ist die nächste in sich
Verwirklichung
. Statt des falschen großen Religions
wortes das

4

das Wort der Innenerfüllung, alles im bestimmtesten Sinne
nehmen, so fast naiv in einer Sache und auch Abneigung
hartnäckig werden wie Caspar. Alles gegen die falsche Tugend-
haftigkeit, die leere ges. Tugend, das leere Förster-
tum und Eisnerschulmeisterei auch die Tugend ist keine
außer in dem verwirklichten Menschen
. das
ganz dumme Geschwätz Heinrich Mann gegen Klop-
stocks wahres Wort, an das er polemisch anknüpft
Deutsch „Seid nicht allzu gerecht“ das Klopstock
den Deutschen zurief. Diese blasse, leere, ganz
enteignete (vor jeder Beladung) Tugend und
Gerechtigkeit, dies gegen alles Tun und sich in Kälte
verderben. Fichtes Lehre (Baum) da verging
die Achtung vor dem Ding und seiner Geschöpf-
lichen Gotteswürde und der Mensch kam auf [? VR: vor] Kampf <1>
sich, wo die Achtung vor dem Dinglichen, die erste Ehr-
furcht des Genusses verging, da muß eine falsche

5

tunlose, Gerechtigkeit, falsche Menschenachtung, die nicht ver-
wirklichtes Vertrauen ist, um sich greifen. Man hatte
nicht Gerechtigkeit und Ehrfurcht gegen die Dinge und findet darum auch
nicht die wahre menschliche Würde und Nähe, sondern muß hier
eine falsche Gerechtigkeit machen. | So ist jede zu weite
Gesinnung, noch so gut gemeint, falsch, sie wird falsch
durch ihr Sichselberwollen, so Förster Gerechtigkeit zum
Verderben der Deutschen Brüder, so lächerlich in Theater
Eisners Versicherung, er habe den ganzen Tag noch keinen
Bissen gegessen. Besser ist hier genuß als das
Brüsten mit Fanatismus; man versteht
so in dieser Askese, dieser Gerechtigkeit das Wort von den „Tugen-
den der Heiden als glänzende Laster“. Jede
Tugend selbst muß Kind werden, wie jede Eigen-
schaft und Form zeitlich und geschichtlich, wie ich in ara
coeli am Baptisterium sah. Kern von ara coeli

6

Jede Tugend selbst muß Kind werden und
unvollkommen und sich durch Gottes Vollkommen-
heit demütig erst [VR: ernst] ergänzen lassen
.

2. XII. 18 [Montag, 2. Dezember 1918]

Indien, Samsara, Tragik der reinen Beschauung, der
zu großen gedacht und piet. gefühlten Todbewegung, weil
geschichtl. Weg nicht eingeschlagen. Warum ist Indien
für Schlegel wichtig?

Da ich sah, wie alles zur Welt geschickt, zu Geld, Vorkommen, zu Nutzen
aus Unglück und jetzt nach Krieg jeden Vorteil {findet}, der nicht gesetz des
Kaisers folgt.

Ich bin ein bitterkeitgetränkter Schwamm
als müsse ich den Satz der Erde büßen
– – – – – – – mein Sinn vergeht
ich bin ein blökendes Lamm
bis daß dein ganz in Sichtbarkeit verkrümmter
dein wahrer Leib mir unvergeßlich wird.
[Entwurf zu "Gesichte des Knechts auf Golgatha 3" (Die cumäische Sibylle)]

3. XII. 18 [Dienstag, 3. Dezember 1918]

Saarlouis besetzt und abgeschlossen, so daß jetzt
auch „Gethsemane“ nicht erscheinen kann. Auch immer
neue Verzögerung bei „Tantum dic verbo“. Es soll nicht sein,
daß ich unterkomme Rache Gottes. Gedanke an Maria

7

und Joseph aus der Erbitterung, daß sie für die Geburt des
Wortes nicht Platz in Herberge fanden. Werde ich ewig nicht
mein eigen und vollendet.

die Art der Judenfrechheit, keine Verantwortung für alten Be-
stand und darum sich zu jeder Sache frech äußern. Das
scheinbar Rechte eintreten, es durch Verstandes zerfällung
töten, die eigentl. Revolution. Man äußert sich frech, durch
die Antwort eines Maßvollen kommt man dann in Schwung
und Rede, dann auf den Zertrümmerten die sentimentale
Formologie [?], das falsche Sinngeben, sich erst am Leben
verstandesmäßig gefühlig machen, wenn es zertrümmert.

Freitag 6. [Freitag, 6. Dezember 1918]

mit C. in Kaffee. 6. auf 7. Dez. Über-
fall auf Zeitungen.

7. XII. 18 [Samstag, 7. Dezember 1918]

heute wieder Wache im Eingang der Zeitung.
Das Unantastbare, wie Hindenburg immer groß
machen. Zwischen Unvertilglichkeit, Unverlierbarkeit
[flaches Kreuz] und Unverletztlichkeit das Unantastbar Sichere.
So den Glauben wirklich finden. So die Weltsub-
stanz in [? VR] das Kind Gottes umbilden, Suchet zuerst [VR]
das Reich Gottes. heute auf den seelischen Kern
des Weltkaisergesetz gewiesen. Wie ich sagte, daß

8

Rupprecht noch nicht abgedankt habe „Der Kaiser ist schwächlich, und pers [VR: so weiter]
gnade [VR: gerade] ein Gegenteil zu letzthin.

Stellung der kathol. Professoren, die für Kath. fast nichts getan haben
Stellung zu Förster besonders [VR] Augs Postztg. wegen des falsch sittl. Ideals
das böse Prinzip neben diesem falschen sittl. Idealismus.
es ist heute wie körperlich zu spüren, zu tiefst aufgerührt
und wie böse Düfte losgelassen.

Die eine Hauptfrage ist Politisch gesellschaftlich, ebenso
wie in Kunst, Frage, in wiefern nur eine Formart
zu christl. Ausdruck geeignet, wie die gotische, so auch
das Gesetz des Kaisers, statt der sich selbst meinen-
den Sittlichkeit, die sich der Verwirklichung der
Seele aus der falsch versittlichten Gesellschaft entge-
genstellt. Je unendlicher das Reich des Geistes
<1> Ziels, desto mehr wieder auf sich selbst gewiesen, nicht die
falsche kurze Spannung der Öffentlichkeit.

Menschensinn und tun braucht seine Zeit. Maß <2> [VR: Weise und tapfersein]

9. XII. 18 [Montag, 9. Dezember 1918]

Die Feigheit in der Demokratie, Geistfreiheit
und Geistfrechheit. Opferscheu und einer schiebt bei Schießerei
Schuld auf andern, keine innere Verantwortung, sondern nur

9

Schiebung auf geistige Schlagworte. Dies ist überhaupt
das Problem der Bürgerlichkeit. Es ist ganz folgerichtig,
daß jetzt die Sozialisten, die eben nach „Gesetz des Kaisers“ im
engsten im Stoff verbunden sind und das Leibgeistige materiell
erarbeiten, daß sie jetzt die Fragen in Kämpfe zunächst lösen
müssen. In der falschen Mischung und Leere des Bürgertums ist
nicht mehr das „Gesetz des Kaisers“, sondern nur eine falsche leiblose
Geistigkeit. Diese Bindung an Zeitform, das Richtige an Masse.

Golgatha. Ich wollte zeigen, was ich sah, besinnungslos
und mir geschah, ich bin geteilt und in der Schur des
Schmerzes fand lebendig nur ich mich erkannt auf Golgatha.
[Entwurf zu "Gesichte des Knechts auf Golgatha 1" (Die cumäische Sibylle)]

die ihr vorübergeht und steht und weist, und nichts erfasst mit
eurer Augen Schilde.
[Anfang von "Gesichte des Knechts auf Golgatha 29" (Die cumäische Sibylle)]

10. XII. 18 [Dienstag, 10. Dezember 1918]

Der Jude, der die Sohnschaft nicht angenommen hat,
muß nun die Geschichte auf jede Weise (durch den Verstand) zerstören
den Stoff ohne Gedanken der Verwirklichung, den Gedanken ohne
Stoff verfolgen, Mittelung zerstören.

M.: „Diese verhängnisvolle Vermischung von Kapitalismus und Kirche, die
schon zu franz. Revolution geführt hat, ich habe damit nicht
so viel zu tun, bin ein Mann der Arbeit, habe mein Lebtag kein
Geld gehabt. wegen Rheinlandabsonderung.

daß Gesetz des Kaisers in der Anschauung, gegenüber zu viel Arbeit

10

man muß die Schickung, die Berufung nicht unterbieten, sondern über-
bieten.

11. XII. 18 [Mittwoch, 11. Dezember 1918]

Streit über Gewissensfreiheit. Ich sagte, „sie gibt
es nicht, jedes Wort wird, je mehr des geschichtl-christl-organischen
Quellsinnes entkleidet, um so leerer, bloß noch technisch,
rein natur geist methode, schließlich nur Stimmkreis, nicht einmal
mehr Wahlkreis, jede Eigenschaft wird dadurch Laster, Verderb
ähnlich wie damals, als ich gegen Persönlichkeit vorpersönlich
sagte: („was, jetzt sind Sie [VR] mir still!“)

es ist gerade interessant, daß Gewissensfreiheit im
kirchlichen Sinn im Gewissen des Einzelnen geladen, staat-
lich aber nicht gerne zugegeben; hier ist auch die moderne
christuslose Verwechslung bzw. Gleichsetzung
des Einzelnen mit der Gemeinschaft, hier ist auch
das moderne Fehlen der Verschränkung. wie ist
Lebensform möglich, Ende Michael
Gewissensfreiheit ist eine liberale Forderung, indem das
was dem einzelnen Gewissen schwerer Wahrheitskampf
ist und bleiben muß, daß es sich immer für das Verwirklichen
nur im Sinne von Gesetz des Kaisers entscheide, nun leichtes
methodisches Spiel wird des Staates. Wie ist Übergang
auf einzelnen? Auch Problem der Bürgerlichkeit

11

Inwiefern ich nicht klerikal sein will und Stufe fühle, deutlichen
Abstand eben als Ausschränkung, als durchgegangen durch
den Schnitt und Verschränkungspunkt, als auf der Linie der Inne-
werdung rückwärts, gegen Klerikalismus, der ebenso wie Lib.
methodisch. die größte Wut eines Menschen, wenn plötzlich,
nachdem er sein Gewissen, das ihn schlecht trieb, seine
falsch treibende Erkenntnis Beruhigung in der mit sich
gleich gemachten schlechten Gesellschaft finden ließ, Ge-
wissensfreiheit „König der Juden, daß er gesagt hat,
jetzt aus der Entwicklung“, die rückläufige Bewegung kommt
der zunehmende Haß des Geistes „Ich bin ein hingetretner
Wurm und kein Mensch. Gott [Anfang von "Gesichte des Knechts auf Golgatha 7" (Die cumäische Sibylle)]

11. 12. [Mittwoch, 11. Dezember 1918]

und immer wieder nur das Wort. [Anfang von "Gesichte des Knechts auf Golgatha 30" (Die cumäische Sibylle)]

Schaukal nennt den jüdischen Intellektualismus
ohne greifbaren Gegenstand die „Unzucht des Geistes
Sinn des Puritanum.
mein Gefühl bisher den Juden gegenüber, er [es?] kann mich
nicht töten

Die reine Vernunft X die immaculata die
Kunst des Wortes, das Unfehlbare der Form des
Mangels.

12

Rasse, so lange Wort und Geborenheit sie bildet, und
Berufungsgedanke muß untergehen, bis der jüdische
Antichrist kommt.

gelegentlich Schaukals Antisemitismus artikel {M. er hat ganz recht [Steno, VR], aber} wenn wir dies
täten, wären wir keine Christen mehr. Wir müssen
den christlichen Universalismus festhalten. Ich: Mombert,
das müßte gerade gesagt werden, wo die Unterscheidung der
christl. Verwirklichung ist. M. „Auch die Romantiker hatten den christl.
Universalismus“ ich; ja sie sind aber gerade fortgeschritten.
Diese Art Idee des christl. Universalismus cfr auch mit
Blei „Richtung“ christl. Sozialismus.

12. XII. 18 [Donnerstag, 12. Dezember 1918]

Wie sich das eigentl. Persönliche immer mehr
verliert, z. B. im kleinen der Abgang von Idee Hegel
Ziegler Staatsschriften in 19. Jahrhundert [VR]. Zuletzt ist der scheinbar
persönliche nur Schlagwortverwalter des Quantitätsschemas.

13. XII. 18 [Freitag, 13. Dezember 1918]

Wasserspiel. „Im ruhelosen Versinken
warum zu bangen

14. XII [Samstag, 14. Dezember 1918]

Herz {Golgatha} brach, aber etwas ist, das nicht bricht, und es
ist der Stamm der Erkenntnis, der in mich immer mehr
muß, daß auch meine [VR] Knochen und Gelenke nicht zerbrechen.

Selbstgeburt, unverrückbar selbst in Wind, Knospe, öffnet,
ich bin Dein, ganz Mensch zu werden.
Gegenüber „Menschenkern in Gestalt“

13

Daß die ökumenische Idee, das ökumenische Ziel, die kathol.
Idee etwas ganz anderes ist als eine universalistische
Idealistik, diese falschchristliche Mittelung ohne Eigenwer-
dung, ohne verbum caro, daß sie topisch (hier schließt
sich der Kreis des Topischen im wirklich geschichtlichen
Verwirklichen, alles muß Verwirklichung sein!!!
daß sie ein geschichtliches Ziel, gar nichts allg. blos
persönlich Vernünftelndes. Wir müssen die Ver-
wirklichung auf die Erde legen. Dort ist auch Symbolismus
der Tierwirkung nicht Verstandesdeuter, sondern
Erlösungs drängend.

Franziscus, Sinn der rechten Entbehrung. Gegenüber falscher Mißachtung
Freiheit der Entbehrung im Besitz. Armut zu einem
Ding, nicht wegen einer hypostasierten Selbstidee,
sondern wegen seiner Geschaffenheit mit uns, für uns, wegen
dieser Geschaffenheit, die wir immer mehr erkennen und lieben,
je mehr wir Gott lieben, auf diesem Wege die Dinge nachzu-
schöpfen. Je mehr wir Gottes Liebe erfassen, desto mehr werden
wir den Dingen ähnlich.

Sonntag, 15. XII. [Sonntag, 15. Dezember 1918]

kath. Akademikerphilisterversammlung
in dem „Alanenhaus“, von da mit Benz weggegangen

14

Dies ist nun, wie ich plötzlich einsah, der Sinn von
„Bild im Schweißtuch“ ["Das Bild im Schweißtuche" (Die cumäische Sibylle, Stationen von Neid und Wort)]
daß die Kulturform als Verwirklichung des menschlich
und Religiösen geschaffen werden muß als Schild, Schild
als Mittel der Sammlung, als Stolz, als Gabe, um nicht
immer die Religion als einzigen Schild zu gebrauchen
und [VR: oder] dem Haß allein auszusetzen. Daß es, wie Christus
von seinem Leidensweg diese Zwischenform
gab, diese Reliquie, so auch hier im kathol. Leben diese
Zwischenform, Kulturverwirklichungsform sein muß,
daß nicht bloß Religion der Rufer ist. Dies ist es
was kathol. und konservativer Gesellschaftstätigkeit
meistens fehlt.

Benz meint, je [?] Caspar gelte, weil
er jene mod. Form angenommen. Ich: nein wie
er sie katholisch gebraucht und stark gemacht hat. Er:
er habe heute über „Christlichen Atheismus“ gepredigt.
Schlagwortfertig.

Montag, 16. XII. [Montag, 16. Dezember 1918]

bei Grünewald „Isenheimer Altar“
das rankende Gefühl, wie bei Marées, aber viel innerlicher
und fester, die ungeheure Schärfe des Edlen, die klein
scheinenden Köpfe,

15

die ganz außerordentliche Naturnähe, wie auch „Gesetz des
Kaisers“, doch aber die verschwindende Form, das
Sich zehren lassen (wie Rembrandt) das Versagen, Ver-
zehren (gegenüber dem ornam. Formalwerden) nicht bis zu Dekorat. [? VR]
ornamenten treiben, sondern vielmehr die Figuren in [VR: als] Orna-
mente selbst lebendig werden lassen, sondern immer
schon [VR] fast naturalistisch, immer den Kampf der
Nähe, die Stärke der Wirklichkeit, immer das
nicht aufgenommene, das Element in seiner Menschen-
nähe bestehen lassen
; dies mehr als bloß per-
sönlich organisch, dies stärkere als Rembrandt,
dies Gesetz des Kaisers, sich an Fluch in Stoff und Arbeit
der Erde gebunden lassen, darum auch das Versuchungsbild
Auf Heimweg dann, ob ich noch mehr mich knechten
lassen und Kunst so wecken [werken?] soll, der Kunst zu lieb,
doch auch unverstehbar, oder ob ich nach Gesetz des Kaisers
aktiv und in Welt gehen, verständlicher, nicht bloß Stoff werden
der Idee, sondern bilden, Ja dies: man soll nicht mehr als Gott
in sich treten lassen, auch hier mehr in naturalist. Geschichte
zeitlich bedingte Nähe und Härte. Nicht bloß Spielball, sondern zertreter [? VR]

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das ist das wesentliche bei Grünewald und ist auch der
Halt, der weltliche Opferschnitt, die Aufgabe, ähnlich
dem Kirchlichen. Nicht bloß wie in Empfängnis, und nicht
bloß Ideal ges Hingabe, sondern Kirche Wort tun
Das Kirchengefühl bei Grünewald. hier ist dann
im Gesetz des Kaisers und Entscheidung für Leben
noch Raum genug für duldende Empfängnis
die Grünewald als eigenstes zubekommt. Man
muß stets etwas Erde, irdisch menschl. Gemein-
schaft in Form empfängnis mischen, so die Schwere
herstellen, nicht bloß sein eigene Seele tauschen [?].

man muß weniger aus der Geschichte empfangen, mehr in
sie geben. Das Wasser in den Wein, die Habe,
damit ein stets irdisches Verzehren wie Brandopfer
in die Form, dann bleibt sie lebendig

Bei Lesung von Fischer „Hexe“, dies schlechte [VR] Ding

[rechter Rand:]
Nacht der Jungfrauen
Lösung

Das ist das Geheimnis des Brunnens (von vor einem Jahre
und immer): das Fleisch anfassen, es nicht in Lüge
und Verderb und weitere Lasterfalschheit kommen
lassen, es ist das Grundgute vor der Lüge darin, es nicht
in der Erkenntnis zu Wirklichkeit zu gelangen.

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I. Kunstgespräch die Kante (Köster), als Beispiel,
wie es fehlt, daß Horizont zu Volumen der Fläche wird,
cfr. auch Schlegel, welche Größe, Zusammenhang fehlt und dann [? VR]
künstlich als Beispiel Hodler Landschaft „Herbstabend
s. Kunstwerk [VR: Kunstwart] S. 137 reprod. 1. Dez. 1918

Inhalt des Anachoreten, Kampf der Naturen, bis der
Entscheid gegen Spiritualismus und Modernität, s. Heiler
Mystik, fällt, für das Gesetz des Kaisers und die Ordnung der
Weltgeschichte, scheinbar philisterhaft. Monolog; aber
sie verlangten falsch stärkeren Kampf.

18. XII. 18 [Mittwoch, 18. Dezember 1918]

heute ein sonnig milder Tag wie oft Frühjahr
ganz milder Dezember. Himmel mit langen Wolkenwänden
am Horizont wie hinabgeglittenes Zelt.

19. XII. 18 [Donnerstag, 19. Dezember 1918]

Johannes Wort X caro
X
Paulus Gesetz des Kaisers

äußere Kraft der Bindung, innere Befreiung
inneres Gesetz der Untrüglichkeit
J. B. Paulinisches Christentum der kathol.
Revolutionsgedanke, die stete XX crescere
durch
minui

18

21. XII. 18 [Samstag, 21. Dezember 1918]

Die letzten Gedanken um Grünewald, der
Entschluß zum Stofflichen, zum Reichwerden und Opfer-
bereit sein darin, zum Leben als Genießen Revolut.
angst. bereit sein zum Besitz für Ehre des Gottes
Kaisergesetz so [?] dieser stete Kampf bis zittern um Gut,
und feig froh, nichts zu besitzen. hier weltfreudigste
Ermangelung gerade durch Besitzfreude zeigen.
stärkstes Sich würdig machen in Welt.

das Gesetz des Kaisers im Entschluß zum Stoff-
lichen X der reiche Jüngling.

wie ist dies wieder Gegenteil von O. B. als Weltprinzip
heute schneeweiß, Baum feucht voll geschneit, es ist
beim Gehen wie heller Kirche Zwielicht, Lücken der
Bäume. wie Ernst eines Geschehens, eines zukünftigen
Geborenwerdens in Schmerz
. (eines Examens, Prüfung
Sein wie Straße, Dauerbild und Kunstform dadurch erreichen,
das Band des Ewigen. Inhalt von Gaildorf: innere Ruhe
und Gleichmut tragen wie Krippe für Weihnachtskind
so in Fassung wie Mutter nach Vaters Tod

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aber Leid stets bevor in Passion
es ist auch etwas Unvertilgliches wie Glaube, es ist
reinstes Tun.
In diesen Tagen steter Schmach Deutschlands
Verstehen des Felsens der Ehre, sich absolut hin-
setzen der Spanier

23. XII. 18 [Montag, 23. Dezember 1918]

Daß das Symbolische aus der Geschichte
entsteht, daß man in geschichtl Erfahren Sicherheit
und Vertrauen sucht und so auch symbolisch Ein-
kleidung (W [?] M. Franz von Assisi „daß auch Geschichte
und Natur nur symbolische Bedeutung habe“
umgekehrt, das carnieren, Verhüllen, Grünewald,
Carnieren des Symbols. Wir müssen schon
den geschichtlichen Lauf haben, dann kann uns
Quadrat und Dreieck und Kreis etwas bedeuten,
nicht wie bei P. Desiderius.

Idee einer Kunstgeschichte als ökumenisch geschichts-
Welt, wie Entwicklung ist darin, wenn sich Natur-
verderb und Geist stolz von unten und oben
einsetzen, es ist also so gedacht: [Zeichnung]

20

die steten Schnitte, es ist der Gang zur Einzelung
aus der falschen Gesellschaft ein Auseinander
fliehen nach oben und unten von Geiststolz und Naturver-
derb, je mehr die Einzelseele so falsch sich teilt
nach oben und unten und auseinanderzehrt{zerrt} die Geschichts
führung, um so mehr muß beider Verderb sich an
Geschichte läuternd ineinander versenken
man muß beides wieder in sich seelisch fassen und
die Geschichte herstellen durch sich selbst.

daß das zu sehr körperliche Leidenwollen,
das nicht Anwenden der Passion, das sich
nicht anrechnen (nur Lutherisch falsch)
zu Reformation zu sehr zu bloß leibgeist.
Naturgeistordnung führt. Es ist nötig, immer
wieder und immer mehr die schon geschehene
carnierte geschichtliche Erlöstheit zu
betonen. (die eigene Leidensart, diesen

21

Vorhof, den Schalomiel immer noch nicht hinauswerfen
will, kommt von selbst, dies ist die Be-
deutung der Mutter als Ausgangspunkt.
wie so der falsche Rechtfertigungsakt
wirklich den Verderb der Geschichte, das
Aufhören der falschen {wahren} Substanz hervor-
brachte


voriges Jahr Weihnachtsgefühl „Ritter blind“ und
Schmetterling im Frostschmerz wie Empfängnis
schnitt des Lebens und Sichelgefühl der Immaculata
dies Jahr Königsgabe, alles Tun, was Gesetz des Kaisers
nicht Eigenleiden. Sondern [?] geschichtl. romanische Wand, Erlöst-
heit annehmen. dazu reines und freies Gemüt
dazu von sich ledig sein.

[einige Tage später wie in mir gefühlt das
Körnlein in dem Sproß der Myrrhe im Herzen]

22

Steine Brot !! Nicht diese ärmliche Bedürftigkeit
pflegen, wie sonst falsche Armut, statt Hauch aus
Gott, so auch Brot.

3. Versuchungen, Lucifer, die falsche Ästhetik
nicht interesselos, falsche Armutsidee, indem man auf Gottes Hand
in Kunst, Besitz verzichten will.

Trennung von O. B., wo durch Gelübde der Gegenna-
tursinn hergestellt wird, Das Rittertum
muß durch eben geschichtl. Eigenschaft im
Gegensinn das Gleiche tun.

warum etwas geschieht, das gibt den Preis des
Tuns und Lebens und auch das Wachstum Man ist
in nichts in eigener Hand in keinem Hauch des
Lebens und Tropfen des Blutes, man ist ganz frei
im Schicksal, nur geschildet durch das Warum der
Hingabe
[bezogen auf "Wachstum":] vor den Dingen und Menschen in
die Schöpfung aus der wahren Geschaffenheit
Das ist der Anfang der Laufbahn, der
Gedanke und die Predigt in der Wüste, warum, und
welche Geisthingabe

23

warum, um das pretium der Erlösung x Muth [? VR] Göthe S. 432

die Gotik als zu große Auchleideigensubstanz. Wir müssen
immer noch mehr Gesetz des Kaisers und aus Leid der
Anthropismen, das auf Reformation führte,
hinweg und romanisch werden.

Tag unkennbaren Zornes und sich nicht halten könnens
Indes der Zorn mich schwingt, zerbricht
das Werkzeug, das ich selbst in Panzer
Unrecht und Lüge ist das Band.

24. XII. 18 [Dienstag, 24. Dezember 1918]

Warum ich so von Gott getreten bin, so nichts und so niedrig,
daß ich nicht ein mal an Tisch zu Caspar mehr gehen will,
weil [VR] das geistige, der Hochmut gebrochen werden soll
zu Vergessen in Tun. Zu würdig machen??

Weihnachtsabend, Jesaias gelesen und Trost und
Zeugnis und Brot. schöner Christbaum. Stiller horchender
Abend. erst um 10 Uhr Baum angesteckt. Herzog Ernst.
Stille in der harten Zeit. Ruhn des Ohres.

25. XII. [Mittwoch, 25. Dezember 1918]

Messen in der Paulskirche. Dank für
Sinn der Spanne. Der mich ließ den Sinn der Spanne
finden. das Gesetz der Stunde
wenn gleich schon aus mir entschwunden [VR]

24

Weihnachtsnachmittag in Hl. Geistkirche Vesper.

Ich lebe wie die Kirche ein in armut purpurschweres Sein
bin innerlich gerüttelt voll Martyrium [Anfang von "Krypta" (Die cumäische Sibylle)]
nachher mit Marie in Kaffée. Stiller Tag.

26. XII. [Donnerstag, 26. Dezember 1918]

Stephanstag, Morgengedanke „Die 3 Jünglinge
im Feuerofen. Nachmittags Unterhaching.

bei Gedanken an Schmach der Zeit: daß Deutscher
und Jude gleich werden, der Deutsche in Verlust
der Geschichtsaufgabe in Gegenbewegung dem
Juden gleich wird, ohne Scham und ohne Schande.

Abends in Bett noch bei Lesung Evangelium Joh. fest.
Joann. 21, 19-24 Ich will, daß er bleibe, bis ich komme,
was geht es dich an. Du folge mir nach. Plötzlicher Sinn
dieser Stelle und der Joh. Komm. der Unterschied zwisch. Petrinisch-
Paulinisch Leben und dem Johanneischen Schauen.
Verglichen mit Grünewald, das reine Topik werden
im Schauen und als Zeugnis. Das reine Bleiben
Topik, in der Schauung, vermehren immer durch Wer-
den.

wegen der Sonnette, die Fl. nicht gelten lassen will, es
ist in der Schauung die Klärung gegen Rembrandt

25

das Bleiben in der Zeit als ein Recht und Eigene Artung
gegenüber dem reinen Organismus werden bei Rembrandt
Dies Johanneische, das in Geschichte Naturtrennen. Das
Johanneische gegenüber dem Arbeitsorganischen des Paulus.
Diese Klärung dieser Tage, Grünewald, diese andere
Art „Nachläufer“, Johanneisch Zeugnis der Ver-
wirklichung.

Schluß dieses Jahres. wie auch in Porträt gotischen Geistes
nur das Erkennen in der Bewegung. Charakter
erkennen in Gestalt, indem man in gleicher
Bewegung. also unter dem 3. Ziele, in Richtung
nicht von Mensch zu Mensch, sondern durch die viel schärfere
Mittelung der Bewegung, eines Tuns, des Berufen-
seins zu Gott. Sich viel schneller und tiefer erkennen
in dem Nächsten durch die Trennung der Geister oder
der einen Gottaufgabe. (Gedanke von Oktob No-
vember bei Porträtbetrachtung Strigel etc.)
Lebensform ist so nur möglich durch

26

diese Mittelung. Lebensform letzter Schauung nur
möglich nicht in eigenem Organismus werden wie
Rembrandt, sondern in Mittelung (ein paar Tage später
Erde Wasser, Blut und Brot) der Kommunion mit der
Geschichte
. Kreuzung.

Schluß des Michael es ist in dieser Mittelung
das Seelengesetz der Gegenbewegung
XX {illum} opportet crescere, me autem minui
durch die Geschichte zurückwachsen, während sie
im Plane nach vorwärts wächst.

„Und immer wieder nur das Wort und ich nicht in des Wortes Welle
[Anfang von "Gesichte des Knechts auf Golgatha 30" (Die cumäische Sibylle)]

27. XII. [Freitag, 27. Dezember 1918]

bis 1 Uhr bei C. nachts 1 Stunde zu Fuß heim.

Schweißtuch: Es ist im deutschen Kulturgang durch-
aus die Lücke der gesellschaft. durchdrungenen (nach
dem Mittelalter) Fülle. Diese Lücke, darin sich das
Volk als das unzerstört gebliebene Ganze zeigen
würde, hindert eine neue Gänze.

27

An Stelle dieses {christl} Volks- und Geschichtsleibes, an diese
Lücke hat sich dann die idealistische Begrifflichkeit
gesetzt mit ihrer Zustrahlung zu Gesellschaft bloß oder
Egotismus

28. XII. 18 [Samstag, 28. Dezember 1918]

wie es schwer ist, an einem wirklichen Orte gegenwärtig
zu werden, im geschichtl. Geist, Z. B. Pilger in Palä-
stina, Jerusalem, es macht Stimmung, meist kaum
stärker als Buchbetrachtung, sich aber ganz verwirk-
lichen
.

Fanatismus der Lauheit jetzt Soz. Försterei
dieser falsche christl. Geist der gedacht. verträglichen Ge-
meinschaft, dieser falsche Optimismus ist eine tötliche
Gefahr. besonders gerade für die deutsche Berufung
und Geschichtsidee. Es ist der Kern der Selbstlüge
daß nicht zur wahren Kirche kommen kann, wer eben bei
dieser allg. falsch opferlos christl., rein Verstandes-
und Gefühlsdemut stehen bleibt.

31. XII. [Dienstag, 31. Dezember 1918]

Sylvester nachmittag mit C. bei Grünewald
nachts von H<..>str heim. ganze Nacht Schießen aller Art.

28

1. Januar 1919 [Mittwoch, 1. Januar 1919]

wird dieses Jahr die Zeit des freudenreichen Rosenkranzes werden?
Am Morgen ich ganz durchbebt in den Nerven. Diese Zeit der
äußeren Unruhen {<1>} für C [?] nicht lange dauern. Ich bin gespannt auf mein
Schaffenmüssen und wie auf Erde, die nicht mehr hält. fast nicht mehr in
Gewalt wie geschüttelt. Gang durch kalte kühle ruhige Stadt. Groß
sagt mir auf Straße, daß Gedichte noch nicht gedruckt. – Vorsatz, alle Furcht
in stärkstes Vertrauen zu wandeln. Ganz mit voller
Entblößung der Seele für Berufung einsetzen. Wie sich Seele bis
in Schrift wandeln kann und Macht des Gedanken den
Körper ganz fassen. Ganz aufgehoben und ohne Erde in
meiner Hand wie ein Wort im Munde. Nachmittags in
Ermüdung Schlaf.

2. I. [Donnerstag, 2. Januar 1919]

Die Erkenntnis ist so trüb und blaß bei aller Schärfung,
daß sie nicht spürt, wie Gott den andringenden von sich
abhält in Entfernung, wie ich abgehalten; erst in
Formen wollen, in deren Willen, die gleiche Nähe und
Stete der Seele zu halten spürt man jetzt {sich} ganz von
dem Kruzifixus wie körperlich weggehalten.

3. I. [Freitag, 3. Januar 1919]

Ich bin das Meer, damit du nicht
zur Erde werdest, mich zu heben
der nimmer über dir kann leben der unter
Wassern [Anfang von "Gesichte des Knechts auf Golgatha 4" (Die cumäische Sibylle)]

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Golgatha, diese menschliche Freiheit, auch diese Befreiung, nicht dieser falsche
Begriff, das wahre es ist vollbracht.

6. I. 19 [Montag, 6. Januar 1919]

Sinn der Form XX das sich in einandersenken
nachmittags nach U.Haching. was Fl. immer gegen mich wendet, wegen
des Hegelianismus, ist das, was er nicht zugibt, was er auch
bei Grünewald nicht will, das mitnehmen der Geschichte,
das Gebunden bleiben an den Geschichtswert, den
Naturwert, das nicht bloß eigenseelorganische, das
Aufnehmen, Mitlösen des Stoffes, das Gesetz des Kaisers,
der Zwang zur gesch. Verwirklichung doch im mehr als
persönl. Organismus, Grünewald x Rembrandt.
darüber, wie gegen Scheler Europäismus, gegen diese De-
mut des Verstandes, die den Begriff lieber hat
als das stete Brechen am Stofflichen, das Ichbrechen
das die Seele brechen <..>echten, daß er so nämlich immer
an der Notwendigkeit zur Geschichte, zur Empfängnis
der Zeit brechen muß. So wird diese erfahrende
Demut, die Stoff stets neu vor sich stellt, obgleich sie
mit Stoff, mehr und durch mehr als durch sich selber
lebt, doch gerade in der steten Brechung

30

noch mehr innerseelisch, nackter in seelischer Eigen-
empfängnis als das bloß Rembr. [? VR] Organische, sie
wird gegensätzlicher [Zeichnung], in sich und aus sich dringender.

die lange Rede „Die Eitelkeit der Vernunft ermüdet
nicht
“ dies erste Zusammentreffen des Reinen mit
der Welt

7. I. 19 [Dienstag, 7. Januar 1919]

gestern Demonstration auf Theresienwiese
mit blutigem Ende. – Das warme Wetter im Dez.
und Januar wie heuchlerischer Frühling. einige
Sträucher schon gelbe Blütchen.

Zuerst nur die Qual der Erkenntnis (aber vergrabenes Pfund)
X jetzt die Prüfung der Erfahrung, wie eine
Parallele, jetzt wahre Furcht und Angst und Versinken
in den Kern was ist furcht und Angst? Es zu tilgen
in der Eitelkeit des sich großdünkens. Welche
Tiefe des Kerns muß ich in Demut erreichen, um
im Glauben geborgen zu sein und mich zu entfalten
Kelch der Zeit, auf [?] Tiefe des Kelchs Bild.

der verlogene Mensch ist am meisten
Anlage, habsüchtig verlogen, der

31

ist das Ziel der Gesellschaft, er setzt sich heuchlerisch
als Ideal der Gesellschaft, er hat die Verschränkung
gar nicht. Es ist immer die falsche methodisch
Gesellschaft, (in [VR: und] Revolut) die Heuchelei als
luciferischer Weltanfang und Antichrist Welt-
ende. So ist das 8. Gebot. der Mensch
ohne Verschränkung, die falsche Gesellschaft
der 6. Brf. Unreinheit die zu große
Verschränkung, die bloß[e?] verderbte Natur,
der 8. der verderbte Geist. Die Wendung der
Freiheit nach diesem Mensch des 8. Briefs
geht aber sofort gegen das 6. Gebot, sucht gleich
die Hilfe der verderbten Natur. Der falsche
Geist sucht die Hilfe der verderbten Natur, zu
seiner Hilfe befreit er [?] die Natur (s. auch die Verderbnis
jetzt der Zeit)

je mehr das seelische Vertrauen schwindet, desto
mehr psychologische Experimente und Erziehungseifer.

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bis nicht mehr ich und nur noch Zeugnis bin.

9. I. 19 [Donnerstag, 9. Januar 1919]

Die Zeit der leibmächtigen Angst. Die Angst
der vergrabenen Pfundes
. Reines Innerliches Tun als
Grundlage, letzte Wahrheit von Gesetz des Kaisers. Gnade
in Furcht und Zittern. Vorhof der falschen Passion
hinauswerfen
. wie vor dieser Zeit die Zeit
der reinen Vernunft (mangel jegl. Tuns)
X so heute als innersten Lebenskern und imma-
culata das reine Tun in Bewegung. Kunst
des Wortes als unfehlbare Form des Mangels.
wie erst [?] Passivität der reinen Vernunft, so
jetzt als ganzer Gegensatz reines Tun und frucht-
bar Machen des Mangels, des Sich tätigen Erfül-
lenlassens. Hosiana.

Samstag, 11. I. [Samstag, 11. Januar 1919]

Beicht

12. [Sonntag, 12. Januar 1919]

Wahl für Bayr. Landtag

daß der Mensch zur Speise in Fleisch und Blut
getrennt sein muß, diese letzte Dualität
cfr der anfänglichen. Dies Geheimnis heute mir

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nahe gekommen, bei Fertigstellung des Gedichtes: Geknechtet.
„Der fort aus seinem Blute schwimmt und sich zur
Speise gesammelt aus der Erde nimmt, der Menschen-
kern. ["Vollbringung" (Die cumäische Sibylle)] Nachts dann Gedanke: Erde, Wasser, Blut
und Brot.

Opfer des Reichtums annehmen, die falsche Knechtsge-
sinnung der Angst Besitz zu verlieren und des fast froh
seins, in dieser Zeit nichts zu besitzen, ablegen. Daß ich
noch gar nicht Reichsein tragen könnte aus falscher
Beuteangst und Anhaftung an Gütern, an falschem
Gerettetsein.

gelesen Bismarck II. S. 135 die liberal kathol.
Coalition, warum dies „Westlertum“ geschehen und
was jetzt. all dies schon [VR] auch bei Bismarck das falsche Gemein-
schaftsformideal. War damals das „Gesetz des Kaisers“
die Geschichtsidee nicht stark genug in kathol. Partei??
daß sie nämlich den radikal Konservativen
nicht überboten? Der Gedanke des Überbietens!
man muß jetzt gegenüber den politischen Zirkeln den
Geist der Gesellschaft ausbilden.

34

Bismarck II. S 150 „für die Staatsregierung eine
tief schmerzliche Erfahrung bildet. Dies echte Wort gegenüber dem
Diplomatischen und auch häßlichen Verschweigen und Drehen
Das Politisch feine partei und Nationalzwischen leben, diese
bürgerliche Feinheit hat jetzt als ein persönlicher Orga-
nismus aufgehört.

14. I. 19 [Dienstag, 14. Januar 1919]

Daß der Judas den Besitz an sich und
Stoff und Schönheit des Gegebenen, Geschaffenen,
des Natur- und Geschichtsbodens nicht ehrt, sondern
nur das Vermitteln, und als Vermittler Geld
einstreicht.

15. I. 19 [Mittwoch, 15. Januar 1919]

was ich nicht tat, das mußte meine Seele
wenden
Abendessen bei Caspar. Durch die Stille mondtrübe
Nachtstadt um 3 Uhr nachts heimgekommen. C. Präsi-
dent der Neuen Sezes. und behält es, um den Elementen,
die noch unentschieden, Stütze zu sein.

17. I. 19 [Freitag, 17. Januar 1919]

Charakter gesicht und Deutung, um so stärker
je mehr schon der innere Geschichtssinn verloren, schon
bei Cornelius. darum das idealist. Geschichtsbild
wo schon Geschichte verloren. So den Sinn bekämpfen.

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Job von Fl. gelesen. Der Einzelne in seinem Tun und
Dichten, braucht, um weltinnig und deutend zu werden,
er braucht und umgibt sich mit Bild. der an
Volk sich wendende, der gesellschaftliche braucht Wort
zum Volk gehend mehr Charakter Wort Wandlung.
das Barockbild X das Reformationswort
Aber auch: das Wort braucht Bild, ist nie
nackt
. hienieden Spiegel gegen flkjo. [Flaskamp Job?]
Warum das Barock auf das protestantische Wort
wieder das Bild gebracht hat, dann Stoff, Spanne,
Bild und Stoff annehmen. Stoff der Natur die
ewige Jungfrauschaft wie Bild. die Recht-
fertigung durch Stoffmitnehmen, sich in Bild
sehen wollen, nicht sich bloß in Gotthinein-
stellen.

der reiche Jüngling, Bolschewismus und
falsche Judentat

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Der reiche Jüngling, der mehr tun will als Gesetz
des Kaisers und dann nicht opfern. Opfer zuerst statt
Reich organisieren. Erstes Opfer sich selbst zweites
Opfer das Bild gestalten, den Stoffmitnehmen,
reich werden aus Armut, rechter Verwendung.


Moses, brauche Stoff und Bild. Nun schlage Wasser
aus dem Felsen.

19. I. 19 [Sonntag, 19. Januar 1919]

Wahl zur Nationalversammlung. Morgends [sic] zum
ersten Mal in diesem Jahr ausgiebiger Schnee. ruhiger Tag

24. I. 19 [Freitag, 24. Januar 1919]

Gestern nacht noch nach Erkennen der Drei-
faltigkeit der Form (s. Notizen 26. XII) und dem Ziel der
Mittelung und Einsehen, wie sich die Fragen des K. B
verknüpfen und lösen am Ende in Michael, fragte ich
mich, wie Maria in Dolorosaformung [? VR] Platz und Lösung
finden würde. Sie ist die Mittlerin in der Wirklichkeit,
nicht die falsche Erkenntnisreinheit, nicht die falsche Intellekt-
reinheit der gedachten Gesellschaft und des Jüdischen, sondern
die wirkliche Reinigung der Erfahrung (Lichtmeß).
Nicht das reine Wort, sondern das Tun und Werden

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in Welt, wie im Gesetz des Kaisers, immer als Stoff
und Geschichte das Mitmachen statt der falschen Abstraktion
so in Grünewald die Mitnahme des Stoffes, so auch
nicht das reine Wort der Mitteilung, sondern die
Reinheit des Zielwillens, die Reinigung in
der Bewegung, statt des reinen Wortes die reine
Richtung und „das reine Wort und die Jungfrau.“ Nur
Christus ist das reine Wort. für uns aber ist die Mittelung
und Belastung als Geschichte für Kultur (Gesetz des Kaisers)
als Stoff (Bild) für Natur (Schweißtuch)
(cfr Schlegels Teilung) immer mitzunehmen.
Diese heftige oder milde Zeugnismitnahme
als Johanneisch. Als Joh. Komm. als der Weg sich
in Geschichte zu finden
. Maria und Johannes
unter Kreuz als Herstellung der Geschichte
in Reinheit ohne das Wort

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Gegen Rembrandt, wahrer Rechtfertigungsgedanke
Das Johanneische ist das Zwiespältigere und darum das
stets gegenwärtige, Kommunionbedürftigere (gegenüber
dem Paulinischen)

wie gestern abend noch in Nachtheimweg in leisem
Schneien und kaum spürbarem Wind der Eichen-
baum dir allein gerauscht hat).

25. I. 19 [Samstag, 25. Januar 1919]

Gesetz des Kaisers: Calvinismus Theokratie durch
amerikan. Demokratie und Kapitalismus
gegen Europas Monarchie und Geschichtsgesetz, so auch
Augsburger Postzeitung, Integralismus mit Förster
und Pazifismus gegen Krieg und deutschen Berufungs-
gedanken. Das ist ultramontan.
Förster, Öst<..>, Saitschick, Froberger (die niedere Sorte des
bloßen groben Massebehauptens ohne jegl Geist)
über Adam Müller von Valp<..> „Mensch nicht außerhalb
des Staats denkbar“ und mein Gesetz des Kaisers. X
Staat keine weitere Menschheitsaufgabe als seine
Berufung zu erkennen und das Streben ihr treu

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zu bleiben ist genug bei dem Verderbweg. Durch Beruf-
ungsidee kommt Hierarchie in die Staatenidee, ein
stärkerer Trieb zu Eigencharakter als durch Bund
Wie verhält sich zwischen diesem ultramont calvinist. und
anarchiedemokrat. Denken das idealist. Er-
lebnis. Es ist auch der Übergang auf den
einzelnen
(So auch in Parallele leben), aber ein falscher.
Das Erlebnis schwimmt als der falsche geschichtslose
Übergang zwischen diesem falsch reinen Modernismus
auch Funk, Blei und Demokratie Masse hin und her.
Daß das amerikanische Freiheitsideal bei uns nicht
geht; Berufung bleibt in erster Form. Pflug
muß so tief fortgeführt werden wie angesetzt; so
ist auf uns Maß der Kuppel und Geschichte.

Immer ist die Romantik auch darin falsch, daß sie Völkerbund,
Universalismus als das Überstaatliche, statt den
Staat in der Einzelseele zu begründen, die ihm die
Reichweite und der ihr die Anwendung des Geschichtsgesetzes gibt
Europa immer falsch. Ersatz für Kirche.1