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Konrad Weiß: Kriegsbuch 4 (1. Dezember 1915 bis 16. Juli 1916)

Konrad Weiß

Kriegsbuch 4

1. Dezember 1915 bis 16. Juli 1916

1

Mittwoch, 1. Dezember [Mittwoch, 1. Dezember 1915]

Einrücken (nach Mainz um 11 Uhr bis etwa 10 Uhr anderntags Fahrt. Menage in Ulm und Mannheim [VR])

Heute wie immer Gedanke über Fruchtbarkeit und Vergeudung der Welt.

1. Woche: Nicht mitteilen, sondern sich entgegenteilen ist gesch. Weg. Nicht Fatalis-
mus
und Fanatismus, sondern Charakter und Schichtung.

2. Woche. Militär reiner Zeitbegriff des Marsch etc. Schritt
Deutschtum und Militär und Zeit.

3. Woche: Nicht den Sinn zu verstehen, sondern das Werk zu tun, ist
der Glaube cfr Dismas Geschichtssinn. Aus Dankbar-
keit über die Schwere entsteht der Humor (23. XII. zusammen-
gestaucht) Humor ist Heiterkeit und Dankbarkeit für die Schwere.
Dankbarkeit zu Zeit. Eigenschaft zu Kategorie. Rache
Gott erhält die gesellschaftl. Geschichtl. Menschheit
durch Selbstbestrafung in Jugend. {deutscher Militarismus} (erhält sie
jung). Diese Art der Askese

(X früher K. B. zu: der Heilige, der ins Feuer geht
die Jugend der Welt nicht altern {weit werden} läßt!

2

Das Schwierige: Von allen Menschen gleiche Entfernung zu
halten, seelisch nicht zu schnell, zu nah und ver-
bindend, verantwortlich machend zu fühlen, das
geschichtl. erhaltende.

Beicht und Kommunion vor Weihnachten in Barockkirche
Ignat. Kirche Eindruck beim Hinmarsch wie Heerlager,
Zelte und Schalen. Rokoko/Peterskirche (Kommunion)
Baum der Erkenntnis und des Lebens; Vernunft und Natur,
Metaphysik der Sünde, das eine reizt das andere, da-
zwischen steht der wirkende Mensch.

4. Woche Neujahr am Samstag, bis Tränen über-
laufendes Selbsttragen. Heiterkeit am Rande in
Tränen fallend. Morgens Kirchgang Ölbergge-
danke. Verlassenheit, in Kirche auf Chor singen!
wie konnte ich nur wieder so dumm sein (wie an Weih-
nachten blaue Mütze) dann aber laut hoch durch
die Kirche. Hoffnung froh und emporgenommen, wie in
Tränen leicht.

3

Gedanke wahre Gründung von Familie und Gesellschaft
freie Aufnahme der Wiedergabe.

Sinn und Gehalt der Freiheit auf Heimmarsch: nicht in Sinn und
Verstand die Möglichkeit haben, sondern das schreitende
Tun, die Charakteränderung vom Sinnen ums
Verhältnis der Werke zum Wirken im Verhältnis
der Welt, nicht mehr gewogen, sondern tragend und schwebend
Nun wird mir das Wort zu teil (gegenüber Gott deines Wortes
bin ich nicht teilhaftig) und es ist (Joh. Komm.) es ist
das laute einfache Wort. Ohne Berufenheitsgedanke
Freiheit des Werkes ist berufen in mir. Tun ohne
Wendung. ||| Neujahr des Herrn, nicht mehr ob Liebe
(zu Gott) Stoff gibt, sondern der Stoff gibt Liebe mit
dritter Hand und Gnade

Brühl darf am Sylvesterabend heim. Neujahrsamstag bei Huber [VR]
regnerisch. Sonntag Zimmerdienst. Nachts sehr übel dann 5 Tage
Revier. schöne rotgelbe Tage wie Frühling. Ganz in Betrübnis
(Meine Seele ist betrübt bis in den Tod) und unfruchtbar hilflos versunken.

4

Ölberg: diese Art Unfruchtbarkeit. So in Betrübnis, daß keine
Frucht und kein Opfer bringen kann. Sich entsagen von der
vielfältigen einförmigen Schwere der haltlosen Zerteilung,
jünger werden, unreifer ist reifer. Geißelung „Dem
Willigen will der Herrscher härter“1 , aber Lebenskraft
gegenüber bloßer Willigkeit

Neujahrsmorgen Mondsichel hinter den Bäumchen an [Zeichnung von Mondsichel]
Bataillonskammer beim Menagieren gegenüber [VR] Weihnachts-
mond, Menagierhof rechts oben hellflutende Wolken ziehend

wahrer Dank für Güter nicht einmal, aber wahrer Dank
für reale Güter wäre besser als ein bloß empfundener
Dank für geistige Verhältniseinsicht.

Dank baut das Haus, gründet den Nächsten und die
Gesellschaft, Dankschuld gibt die Streben und
Strebungen.

1 Daß mir das Herz zu schlagen frei bliebe.

5

Mitte der ersten Neujahrswoche.

gegenwärtig sein, ganz gegenwärtig da sein, das ist
Ziel aller Übung, allen Exerzitiums. Das ist die Zeit
im Raum festgehalten, die Erfahrung in der Anschauung,
das ist das weltliche, das geschichtliche gegenwärtigsein
Michael die Aufhebung und momentane Dauernd
machung der Schärfe.

diese Erkenntnis mir wieder verkümmert durch Revier ohne
rechten Grund, Soldatdasein ohne rechte Zugehörigkeit.
Sich ohne Geplantheit fühlen (Donnerstag 3 König, der aber kein Feiertag ist)

Donnerstag, 6. I. 15 [Donnerstag, 6. Januar 1916]

Tag vor Königstag nachmittags nach 2 Uhr Einrücken
neuen Rekr Landsturms.

Gefahr, daß Allgemeinheit geistig allmählich über die
Entbindungen aus der geistigen und parteiischen
Verknüpfung hinaus direktionslos wird (so nach-
her nur schnell wieder die parteiPunkte erfaßt)
mach Ende Herr.

6

Deutscher Geist:
zeitlich zeitlos zeitfindlich militaristisch Uniform
X
Charakter Geschichtsalterssinn

wie können diese beiden gewaltigen Gegensätze im Deutsch-
tum sein. Das Deutschtum muß den Alters-
sinn
wieder bekommen. Das ist die erste Forderung
für das neue Deutschtum Deutsche Wesen
auch gegenüber dem „Älteln [?] (Kant)

Wenn wir das deutschtum Volk als das geschichtliche Volk
bezeichnen, so dürfen wir doch nicht vergessen, daß die Erfah-
rung nicht mehr ist als die Anschauung, die Zeit
nicht mehr als der Raum. Wenn wir die Gotik nennen, so
dürfen wir den romanischen Weltbau und die Basilika
der alten Kirche doch immer nur höher stellen
Michael ist das Judentum in der Welt

Januar: 2. Woche Komm.-Bild Caspar Zwiespalt
der Eigeneinheit und der Welteinheit, Schluß der P.

7

Schluß der Passion: Rückkehr in Welt, conversio in Mundum.
Dornenkrönung: „Entlaß mich nicht aus diesem Kreis“
Notwendigkeit das Unendliche in Gefühl und Elend be-
wahren zu müssen mit Überlegenheit. Auch Witz und Elend
bis zur Grimasse. Rohheit [geschweifte Klammer]
das ist das erhabene menschl.
Bewußtsein bei Dornenkrönung

Pietà: Monumentalität und das innigst erbarmens
menschlichste zu bewahren, sich menschlichst unerstarrt
zu erhalten. Weib, Empfängnis des Schmerzes

Am Kreuz: Gefühl des Hängens und Unsicherheit, so geht es in
Bild über durch Kreuz. Wandlung in die Welt im [VR: und] Kreuz-
opfer, die letzte Wahl haben und vorbeilassen, sich dadurch
fügen, so entsteht aus Eigensinn das Bild in einer wirkl.
Tat.

Auferstehung: Freiheit der Schwebung in der Gefügtheit

3. Woche Januar: Leise der Quell der Fröhlichkeit Geborgenheit

Wanderung zum Wort und zur Freiheit des Hingegeben-
seins: es ist vollbracht.

8

Dornenkrönung: Entlaß mich nicht aus diesem [VR: deinem] Kreis.
(wo doch keine Mannigfaltigkeit der Alters und Lebensformen, keine Kinderhand)
dieses Opfer, das Bewußtsein der geistigen Überlegenheit,
das Opfer bringen leiden muß, dies bittere Gefühl, die Dornen-
krönung des Verstandes, in ein süßes verwandeln

„Wann werde ich ganz Wahrheit“
Auf der Fliegerbatterie
Himmelfahrt, Auferstehung

27. Jan. (Kaiserstag) [Donnerstag, 27. Januar 1916]

nebelig und doch mehr hoch bewölkt
(1500 m nachts) das Morgengefühl: Mein Leib ist wirklich
hingegeben. Diese Art Vorwegnahme eines im Gefühl gelösten
Verstandes in Dornenkrönung aufnehmen (als eine Art
Vorwegnahme der Kreuzigung, als Opfer und Nachverwirklichung
des Abendmahls Komm. als die Lebenswirklichkeit Opfer

Sonntag, 30. Jan. [Sonntag, 30. Januar 1916]

vormittags dienstfrei Gottesdienst Dom
in Mainz. Sinn des Dramas, die Schildbögen
des rom. Stils aus der Erhabenheit herein-
schneidend, so das Drama nach abwärts
cfr. ara coeli Lateranapsis Mosaikidee

9

wie immer weiter Schwere der Wölbung zuerst herabkommt, dann
Kämpfer der Gotik wird und schließlich sich Gruppen
scheiden, so zwei Dramabewegungen: die Schwere der
Idee senkt sich von oben herab, die Dramatik der Natur
steigt von unten herauf {im Kämpfer moment des Treffens am stärksten}
und oben kommt die Teilung der
Menschheit in Gruppen. Von unten dringt hoch die Einzelung
cfr auch Ägypten die Bewegung in der Ruhe

Evangelium: Christus gebot dem Sturm und Wellen
und es ward eine große Stille, dieses Naturzaubergeheimnis.

Geistl. Kommunion ganz frei, auch äußerlich, auch in
Bild- und Raumstellung, sich nicht zur Seite stellen, (trotz
Zöllner, sondern mitten vorgehen, dann sieht man das
Bild nicht (als bloße Perspektive und Gegenüberstellung), sondern man
ist im Sein der Form. Bild und Gegenbild.
Wandlung in die Welt. Mensch der Welt für
Gott: Kreuztragung1a das dabei stehen
und helfen. darf man? Ja denn es ist nur das
Opfer hinzunehmen und anzuwenden
2

10

Dadurch kann man in der Kreuztragung erst und wahr Welt-
bürger werden

„Will ich ganz Wahrheit sein“

aber auch gefährlich, so sich den Posten selber und das Weltver-
hältnis suchen.

[rechter Rand:] gedanke noch in M. Dom.

Die Größe meines Lebensganges. Wendung
zum Wort
. Führung aus Theologie. Kampf und
Hoffnung. Einsicht in den Mangel des Wortes
Hangen und Bangen um die Zeit, Ölbergzeit; die
Zeit als schwerstes, als Widerspiel der Voll-
kommenheit. Schwere und Dauer. So dieser
Zeit und diesem Übergang der Welt aus Persönlichem
verflochten. Nun (an diesem Sonntag) Wandlung zum Wort,
Wandlung in die Welt
und auch selber berechtigt halten
dürfen auf seinem Gang. Sicherheit, Gewißheit
und Kommunion mit seinem eigenen
Lebensgang. aber (Mitte der Woche in Batterie)
Hoffnung immer wieder mehr im Sinnverstehen als im Vertrauen.
Wann kommt das rein menschl. Vertrauen und reine Freude?

11

Jedes einzelne Menschliche, stete Menschwerdung
Weg von dem Sinn in die Prozessus zur wahren Eigen-
schaft, Querschnitt gegenüber dem Längsschnitt

[Koordinatensystem mit Beschriftung:]
Länge Höhe
Individ.
Probe Dramen [??]
Alleinheit

dieser Querschnitt aber höher und unendlicher als der Längsschnitt
der Geschichte, „wann werde ich ganz wahr?“ Unmöglich
weil unendlich, aber jedes Gefühl unendlicher als das Geschichtliche
denn es ist das eigene, eigenschaftlich Erlöste.

Größe dieses eigenen Daseins. Wie viel ist (z. B.
bei Verhalten zum Loskommen) eigenes bewußt geübtes
und augenblickliches Vertrauen also freie Tugend
und wie viel Begründetsein im natürl. Zuwarten,
Zuschauen und Bereit-Bereitetsein, Mann-Frau,
Schoß-Dolorosa sein.

2. Febr [Mittwoch, 2. Februar 1916]

Wache. Gelegenheit des versäumten Weihwasser-
nehmens in Kirche. Menschenfurcht, überfall {überfall, mich fällst du an} halb selbst
halb in der Zeit, Kupplerin Zeit, indem sie dem
guten Willen den Moment des Guttuns nicht gibt
und erst gibt, wenn Moment vorbei und der gute Wille
dann Neigung, sich nicht zu bewähren, entschuldigt finden kann.

12

Petrus, der Jesus im Hause des Pilatus verleugnet hat
gerade im größten Eifer, ihm zu folgen.

Ist man nun katholisch
wissen im Verstand und in [?VR] Gesetz3

[rechter Rand:]
an einem Morgen Wache
in Fliegerabwehr

also sich behaupten kann
Eifer für dein Haus

Sonntag, 6. Februar 16 [Sonntag, 6. Februar 1916]

nachmittags allein nach Wiesbaden. Gottesdienst gegen
abend in Protest. Kirche Predigt über geschichtl.
Notwendigkeit (eigentl. Notgezwungenheit4 und
menschl. Freiheit „Alles ist bestimmt“ „jeglich Ding hat
seine Zeit“. Grenze! man kann mit allem
auf eine Art einverstanden sein, aber Grenze! Zeit des
Dramas, dadurch Höhe, darauf kommt es an
oder erst auf das Positive des Gegenübergestellt-
seins, nicht bloß die Tatsache, sondern die ganz bestimmte
jeweils wirkende Inhaltlichkeit
die Selbstbindung Gottes

13

Sonntag, 13. II. [Sonntag, 13. Februar 1916]

Predigt im Mainzer Dom
Christus gebietet dem Element, Kuppel (?

15. März [Dienstag, 15. Februar 1916]

Zimmermann, Schneeregen bis Mittag. Mittags über
Mannheim, sehr starker warm föhniger Sturm
nach Haus und nach zwei Tagen nach München

„Berufen, ich bin fruchtbar nicht“

Sein der Dinge fruchtet nicht. Einsicht Schuld sind
eilige Schuld [VR] helfer

Kommunion: da Dank für jeden Augenblick unwürdig

Samstag, 19. II. 16 [Samstag, 19. Februar 1916]

Gott gib mir Fruchtbarkeit

Dienstag, 22. II. 16 [Dienstag, 22. Februar 1916]

Wie ist Lebensform möglich?

Nicht Verstand und παραδὁξον und falsches bloß
überhebliches Gelten- und Gewährenlassen, sondern
Einfügen mit Tun, Entschluß wird K. form.

14

Das Opfer des Gleichtuns, Sinn des Menschlichen gegenüber
dem allg.-Menschlichen.
Entwicklung von Verstand
παραδὁξον zu menschl Willentlichen.

Wie auf einmal Einsicht {gegenüber der steten Gewissensforschungsmeinung, daß nicht Hoffart habe [aber auch nicht wahre Demut!]} in den Hochmut, Hoffart
daß er wirklich zu tiefst vorhanden war.
Der Überfall und Fall das ist die wahre Liebe, die
helfend zu einem stehen cfr. Dom Mainz [Strichzeichnung]
gegenüber Gotik, wo schon Verkrampfung in [?VR] Eigenreue
sucht, Reue sucht.

Mittwoch, 23. II. 16 [Mittwoch, 23. Februar 1916]

Man muß sich opfern im Tun und Wollen, nicht bloß
im Lassen und Leiden. Man muß sich darbringen,
nicht nur sich finden lassen.

Samstag, 26. II. 16 [Samstag, 26. Februar 1916]

Mir fehlt die Weisheit der Liebe. Sich und den
Katholiken die Liebesmacht-fähigkeit erwerben.
Die Weisheit der Liebe ist die aktive Lösung aller Theodizee
Extrablatt Erstürmung von Douaumont um 11 Uhr vorm. durch Liebe
auch in der Schrift
aus der Verschränkung herauskommen.

15

Sonntag, 27. II. 16 [Sonntag, 27. Februar 1916]

Zu Fatalismus, sich fatalistisch Gottes Führung
überlassen ist keine Liebe (im Pietismus, das ist nur
die enger innere Grenze desselben) auch keine Liebe, sondern nur
Sättigung eigenen Gefühls. man soll aber Gott
mit sich sättigen. Freihheit [sic] und Sättigung

Dienstag, 29. II. [Dienstag, 29. Februar 1916]

Trost des Leidens und Kraft des Tuns
Es gibt keine Kraft des Leidens in der christl.
Menschheit, sie wäre denn noch mehr Kraft des
Tuns.

Donnerstag, 2. März 1916 [Donnerstag, 2. März 1916]

Komisch der bloß zukünftige Heilige, der alles
einsieht, schon heilig wie überwunden und doch
nicht gegenwärtig, bloß im Gefühl landschaftlich
werden kann. Baum in Hildebrands {?} Weinberg
klopft später Schall.

Fr. 3. III. [Freitag 3. März 1916]

Dismas Glaube = Bitte um Wirk-
samkeit; Bitte um Alter vor Gott und den Menschen
{etwas anderes als Einsicht.}

16

Der faule Knecht. Entschuldigung des Verstandes, daß Ein-
sicht immer wächst, falsche Vollkommenheit abwarten. ist
der faule Knecht. Welches ist das Pfund, nicht der Zuwachs der
Erkenntnis, sondern lebendige Kraft der Liebe.
Richtiger Sinn des Reifens in Lebens und Erkenntnis
wann wahre Gleichung? dann aber auch [VR: rechten] Fallen, wahre Gleichnis,
Ende. Tod stetes Leben

Hoffnung. Nervosität, Ataraxie wollen des
Verstandes cfr. Rokoko und Revolution, Atara-
xie des Verstandes, die doch gerade aus Unruhe
zur Revolution treibt und freies Leben-lassen
in starkem Willen. Gottes Wille ist ungeheuer
im Lassen. Lucifer, das unfruchtbare Genießen
der Erkenntnisse. Versuchungen Christi, das ist
der Hochmut.

Der Zustand der Kirche heute; Gefühl von Papst
getrennt zu sein durch Krieg.

Samstag, 4. III. 16 [Samstag, 4. März 1916]

Schnelle Katastrophe der Revolution für Verstand. Weltplan
und Geschichte nicht harmonisch, sondern dynamisch, das ist ein der Wissenschaft
immer und in allem Grunde wiederstreitender Gang, weil kein System, sondern
göttliches Kunstgefühl
Weltplan

17

Geißelung. Art der Schande, die Frist brauchen bis man sich
wieder nähern kann. Rhythmus der Schande und Nähe.

Son. 5. III 16 [Sonntag 5. März 1916]

sich dadurch von Schuld befreien, daß man die Gesellschaft
festigende Tugend des Dankes annimmt. Harmen:
Der Unterbau der Kuppel, die Gemeinde zur Vierung
Praesepe: Empfängnishymnus5: das Kind ersteht aus
Dank in Reine.

Mon. 6. III. 16 [Montag 6. März 1916]

Got. Ges. es ist immer wieder der Stein der
Idee und Ideehärte x Schlegel und anwendung der Idee
auf Geschichte cfr Kiefl Aufsatz

Das schlimmste Verhängnis ist der Genuß der Erkenntnis.
Trägheit im organisch. oder systematisch daraus.
Katastrophe des 13. Jahrhunderts [?].

Mi. 8. III. [Mittwoch 8. März 1916]

nach dem Krieg besser und frömmer? Nein –
nur alle Eigenschaften größer, insofern bringt auch
Christus nicht den Frieden, sondern das Schwert und ist auch Katholizis-
mus tiefstes Kulturelement Stein des Anstoßes und Eckstein.

18

daß der Krieg (im Anfang allg. Spannung und Sicherung) im
langen Fortgang Verderbnis bringt (Jugend, Kind)

wichtig auch Wert gestalten wie die Eigenschaft zu zer-
teilen, geschichtl. Stellung des Dichters als Zerteiler
so auch in der Verschränkung. Stoffwahl und Form.
cfr. Kiefl Leibnizaufsatz, Hochland April 1916

[rechter Rand:]
„deutscher Glaube
an Weltordnung“
Titel von mir!

Das Leiden ist der geschichtliche Prozessus der Dreifaltigkeit

bei Leibniz das Numerische der Individuation. Quantität
statt Qualität. MenschMaß. Raffael x Marx
geistige Art des Sozialismus.

Über Allharmonie später Spiel und Schein, auch (Kralik) kathol.
liberale Mediation. und der Sinn des Leidens nicht als eigene
Furchung des Organismus der [VR] Geschichte als Widerspiel zu dem
Prozessus nimmt. Leibniz nicht Geschichte, sondern Vorstellung,
Antithese, Gegenbild, falsches Festhalten des Bildes, nicht sich
dem geschichtl. Organismus übergeben Wir dürfen das Bild nicht vorstellen [VR], festhalten
wollen, sondern müssen gehen.
[bezogen auf "Gegenbild":] auch Erlösung nicht gerechnet und wahre Zeit, Fülle, wirkliche
Spannung, kein Drama.

19

Wie kommt es, daß Deutschtum so lange und immer wieder mit Klassizis-
mus und Idealismus belastet sein muß? Welchen Wert hat diese
klassizist. Form? Und ist die got. geschichtl. Form, ist wahre
Lebensform nicht möglich? Got. Form gehindert durch das
Weltende. Da sie die Zeit der Prüfung und Freiheit zu sehr
abkürzen, die Menschheit bei Übergang der wahren Lebensform
immer mehr auf den einzelnen überstürzen würde, läßt Gott
aus Mitleid auch diesen (numerischen) Raum, Aufhalten
der Gesellschaft, sozusagen die Zählung an Stelle der Wage, auch
durch eine gedacht gewünschte Harmonisierung ihrer Selbst
übrig und die Geschichte nicht zu schnell vergehen.

Klassik also geschichte aus schaltendes Maß zwischen
Raum und Zeit, cfr immaculata. Griech Maß noch nicht so abstrakt
so zeitlich wie das Deutsche

Freuderede des Sterbenden auf dem Schlachtfeld oder
Weltende und das frühe gotisch sich darbringende stell-
vertretende Heldentodopfer dafür (als Anfangsoffenbarung)
als in Vorwegnahme aufhalten. Dieses Maß des Heldentods

30

[hier Fehler in Seitenzählung im Original; Sprung von 19 zu 30]

Donnerstag, 9. III. 16 [Donnerstag, 9. März 1916]

Einsicht, daß Sünde ärger als kulturelle Einsicht und geschichtl. Ver-
dienst; daß sie nicht wett gemacht werden kann durch Arbeit
an Geschichte, da das Individuum derart über der Geschichte steht.
zu [VR] Trägheit Kuppel. Lebensform des Berufs nur eine
Sache gegenüber Maria hat den besten Teil erwählt.

Spannung und Weite der Geschichtsempfindung. Plötzlich ein-
sehen, daß nur intellektuell gefühls mäßige Spannung
noch nicht der wahre christl. germ. Charakter und nicht
die wahre Daseinsform. Denn [? VR Dann] Beispiel das leichte und
selbst die Geschichte {fühle} nicht festhalten könnende Dahinleben,
bis plötzlich wieder Augenblick des Einrücken müssens ganz nahe.
Dann wieder Begier des eigenen Tuns an der Berufenheit,
statt daß Wille stark wäre, der ein Glied der Lebensform
ans andere fügt und in Zielen der Geschichte Gottes baut
und so die wahre Spannung in steter Gegenwart wirklich
daseiend verkörpert, die nicht vernünftige, sondern fast
körperumbildende, Körperkräfte, wie Geisteskräfte formende
fügt, so ist wahre Daseinsform möglich, so wird

31

sie selbst körperlich organisch gespürt, selbst der Körper
geläutert und die Zeit zum Raume gefügt, nicht mehr Raum einer reinen
Weite der Seele und die Zeit die darin aufgespeicherte Erfahrung der Mensch-
heit, sondern ein einfacher christlicher Prozessus, nicht ein Zurück-
sammeln, sondern ein fort vorwärts wollen, die Zeit in mir
Raum, Gliederung Ordnung werden, bildet den
Raum der Menschheit in Gott, die Selbster-
lösung, Gott in sich als Rauminhalt erschaffen.
das eigene Bild gegen Gegenbild, der Sinn des
Glaubens. Im Moment, da man diesen
wahren Lebensorganismus hat und sich darin,
tot: Gott warum hast du mich verlassen?
(Die Liebe muß gegenüber der Vernunft auch ohne Tatsachen
stark sein, das 4. Gebot z. B. der Mutter schreiben als
Sicherheit auch ohne Entschuldigung nicht ihre Tatsachen)

Fr. 10. III. 16 [Freitag 10. März 1916]

Wie in Militarismus und Staat der „Bessere“
besser daran ist, so auch in Kirche, z. B. Verhalten gegen Arbeiter, obwohl
das wichtig, doch anbefehlerisch. Gedanken in [?] Los des „Armen
Mannes“ Schwierigkeit gerechten Sinn zu behalten, Ges Frage.

32

Revolution braucht polit. gesch. Gründe, soz. ideelle Gründe
führen nicht zur Revolution6 Frankreich als ein eminent polit. Staat
wie gesch. ges eigenschaftlich aber [?] zu verstehen.

Daß Gott, obwohl viel richtiges schon vor dem Kriege von Schalom
gesagt, doch nicht mehr Erfüllung gab, ist recht und entspringt
dem geringen, dabei erworbenen Müheverdienst. aber man
soll gegen Gott ringen um mehr Verdienst, Israel.

Leben und Sterben. daß Fl. [Flaskamp] in Gesch und Moralbetonung recht
hatte und darum besser in Lebensorganismus als ich und ich
nur [VR: wies] Herrgöttle von Biberach [Redensart], der im Schnitt des Intellekts immer
recht hatte, aber dies ist tot und ich verdiene also Leben nicht.

Gestern abend noch das Geheimnis der Kuppel

Natur

Sonntag, 12. III. 16 [Sonntag, 12. März 1916]

kühl warm, Wolken-Berge sichtbar, Perlach gegen Biberg

M. 13. III [Montag, 13. März 1916]

föhnig kühl hell sonnig am dunstigen Himmel
eigentlich Einrücktag, aber Urlaubsverlängerung telegrafisch.
Mutterfluch und Vater wie Rußland

Ich kenne lauter nur von Gott 10mal geschlagene und verfolgte
Menschen! Wenn Gott aber ihnen die Freiheit läßt, sie nicht
mehr kennt, die Mutter kennt sie noch und läßt sie nicht. Natur
stärker als Gott
Weib, was habe ich mit dir zu schaffen?

33

Durch Dankbarkeit kann man die Zeit einholen und sich so
gegenwärtig machen, daß man doch alle Spannung hat, in Eigen-
schaft beruhigt. Dankbarkeit als reine Weltlichkeit, als schönstes
Dasein.

Luzifer Erkenntnis und Liebe. Baum der Erkenntnis und des Lebens
wie Schuld dazu sich verhält.

Montag, 20. März 16 [Montag, 20. März 1916]

Brief von Kreitmayer S. J., geschickt geschrieben in seiner Unfeinheit.
Intrigant (jesuitisch) Art und Ges. ist möglich in Gesellschaft,
in gewissermaßen überständischen kulturellen Zuständen, vor uns
Jungen aber steht und fällt jeder mit seiner Überzeugung.

Das ist (unsere Schwäche und ist) unsere Stärke – Drama.

Glaube an eigene Bestimmung und Berufenheit noch
schwerer als Glaube an Gottes Wahrheit. Schwere
des Sichkehrens zur Welt dieses Glaubens auch als Ent-
äußerung und Opfer cfr. Lutherglaube. Wie ent-
stand die Reformation in der Deutschen Zentraleigen-
schaftung der Unschlüssigkeit zur christlichen Weltorganik
(und wie als Ableitung und klassizist Ausweg methodischer Art zur
klassischen Form und Hybris

34

Mi. 22. III. 16 [Mittwoch 22. März 1916]

Judenfrage, falsche Mitte [VR: Milde], {die sie gegenwärtig haben und bedichten} Jesus im Tempel
Judenfrage falsche Demut, Unhärte [?], ausgeschaltete Zwiespältigkeit
nur Gemeinsamkeitsdusel, nicht Eigenschaft.
diese Art Verinnerung gegenüber dem früheren Pietismus.

Fr. 24. III. [Freitag 24. März 1916]

cfr. zu polit. Gespräch
Beobachtung, daß die Linksliberalen, die Juden etc sonst im öffentlichen
Leben alles kritisierend bei Gefahr und im Kriege so autoritäts-
gläubig7 für den Helfer sind, Angst, die der Konservative
nicht hat und darum auch eher Verantwortung für die besseren Wertmittel
besitzt.

Donnerstag, 30. III. [Donnerstag, 30. März 1916]

Kuppel, Dein Name, dein Reich, dein Wille, solche
Bezeichnungen für Menschentum wagen.

Gott will durch Kühnheit bezwungen sein.

Kühnheit wahre Sühne, die die wahre Demut fordert.
der Raum der Kühnheit Michelangelo Kuppel
und überhaupt der Raum, jenes (nicht Maß der Griechen)
Raumsein der Schönheit, geistiges Rittertum
daß auch er dem germ. Geiste doch eben vorhanden ist.

35

April 1916

Anfangs Gespräch über die Hoffnung <2>. Scharfmacher x <1>

Drama <1> Leute [?] (<3>), die leidlich vernünftig und allgemein logisch
selbst mit captatio anfangen, dann aber <1> immer mehr rabiat werden
scharfmacherisch, selbst unsinnig werden und gar nicht an dem anfangs
gewählten Ziel landen, sondern sich selber hitzig vergessen
und am Schlusse selbst als Folge ihres Denkens und Wollens nichts mehr haben.

Samstag, 8. IV. 16 [Samstag, 8. April 1916]

März war fast immer schön, nur leichter Regen und gegen Schluß war einmal
noch nasser Schnee auf die Kastanienknospen gefallen, die eben sich
entfalten wollten. Diese Aprilwoche also seit 1. April bis 3. und
4. April Blätter herausgekommen und geben schon leichten
Schatten. heute sonnig trocken, jetzt schon <1> trockene Tage
(Neue Stimme vom Himmel „Selig die Barmherzigen“ {Taufe Jesu}, <3> Barmherzigkeit <1>“)
überall hellgrün Treiben und einige alte langsam sich grün alte
Storrenbäume [?]. Morgens Tau und Fliegen wie Geheimnis. Plötzlich
mittags ein lebhafter zu Boden fahrender Ostwind und vorbei.
Häuser und mageres Grün, Sonne wie Italien (Sendlinger Tor) Späte Ostern!!
Immer wieder Qual: ich habe Leben und Sterben in der Hand. Alles
sieht so nach neuem starkem Leben aus, die alten Ranken
am Gemäuer <2> mit großen Knospen. stark Baum mit
zartem Laub, heiß, milchiger Glanz des Himmels, alles ist so
hilflos.

36

„Was du tun willst, das tue bald“

Sonntag, 9. IV. 16 [Sonntag, 9. April 1916]

Grünsink

Montag, 10. IV. 16 [Montag, 10. April 1916]

Was du tun willst, das tue bald
„Unter Menschen, daß ich bin. Und ich will doch
Menschen suchen. Traum, Wange in Wange im Traum.
Gottes Neid und Menschen Frische.

Dienstag, 11. IV. 16 [Dienstag, 11. April 1916]

Alles Gott überlassen in Verstande heilig
X
was du tun willst, das tue bald
im Fleische gewagt und in Welt gewendet.

Die jüngere, reclusa. Kraft, die geschichtl. Wahrheit aus
Natur (Deutschland) wird stets siegen, die ältere kon-
ventionelle Ansicht, die Kraft des logischen Verderbs aus
der Gesellschaft (England) wird stets triumphieren.

Donnerstag, 13. IV. [Donnerstag, 13. April 1916]

Bisher ganz trocken und schon
Erde richtig hart und staubig, seit gestern Nacht stürmisch
und regnerisch, einzeln stark in Wind fallende Güsse, nun
schon ganz grün mit kleinem Laub durchsetzte Hecken,
die das Laub schon zu teilen und zu begrenzen anfangen.
Kastanienbäume blätter bald halblang und Kerzen schon
gestellt in spitze Pyramiden {ganz und einzeln}, Blätter ganz gleich und straff
wie durch gekämmt in Wind.

37

Samstag, 15. IV. 16 [Samstag, 15. April 1916]

Warum uns das Vollkommene versagt ist! Das aus [?] tun dürfen, was vollkommen
ist und sich nicht mit Verschlechterungen abgeben müssen8 (Correkturen ausführen helfen!)
Im kleinen treu und vollkommen in kleinen Hilfen, dann nicht mehr Gottes große
Hilflosigkeit. David schlägt den eigenen Saul durch Treue im kleinen
Wandlung zur Welt X im kleinen treu, hier ist aller große
Gegensatz in Wurzel gelöst, Rasse, Zeitverschiedenheit etc, Lebensform
als eine Novelle „Die Unruhe zum Unbedingten“ (Verantwortung lähmt x stärkt)
dazwischen Groteske, wie das Logische zerstört, bis ein grammatischer
Satz übrig bleibt.

Komische Spannung, immer auf das Große für eine Ent-
scheidung warten und dann ganz einfach Treue im Klei-
nen als Lösung finden (Kampaner Tal ähnlich) Das
Geheimnis der kleinen Treue wie Tragfähigkeit einer Knospe,
eines Zweiges, eines Strauches Stehen mit grün im kalten
Schneeregen.

Werk gegen Luther und Pflichtethos Kant
Treue im Kleinen ist über Verrat und Verderbweg hinaus wie [VR: die] Bindung
in Treue auf Gedeih und Verderb zu sich selber vor [VR: und] Gott, sich selber
verraten und aussetzen. Beharrung x Beharrlichkeit; Eigenschaft9
Es ist der innere Halt (Grenze) gegenüber der unbegrenzten inneren
9a Pflichtzerstörung (auch gegen ethischen Imperativ) denn es ist eine Eigen-
schaft, die eben so ges. wie einzel wirksam, Zeit aufhaltend, wahre
Quantitierung der Qualität (diese [?] Notiz 16. VI. 16)

[Randnotiz]

Selbstzerstörender deutscher Treuesinn aber so der Welt bis
ans Ende bleibend aufhaltend dienstbar

38

Karwoche 17.-23. IV. 16 [Montag, 17., bis Sonntag, 23. April 1916]

Jede Zeitform der Dreifaltigkeit hat ihre Träger Orient
reclusa X Israel

Pietàzeit Deutschtum cfr. Amerika als Raum (schlechter nummerisch) [?VR]
aus DeutschenZeit [?VR].

Gründonnerstag, 20. IV. 16 [Donnerstag, 20. April 1916]

Lebensform, Geschichts Gesellschaftsanfeindung als eigene Lebens-
aufgabe, man muß auch viel mehr auf Persönlichkeit (gegenüber
Marx und Hegel, aber auch gegenüber den fatalistischen Schiebungen achten
auch Persönlichkeit als fatalist. verinnerte (gegenüber Paul. [?VR] ?)
und trotzdem Gegenbild und als angeeignet.

Karfreitag, 21. IV. [Freitag, 21. April 1916]

Roms alte Bauten, Pastor „Rom“
Daß man in der Macht der Welt früher immer unbekümmert
baute, während Macht zunahm auch gleich Bau, immer
Tun, nie bloses [sic] geistiges Sparen wie heute; mit
der Einzelung heute geht auch der Bau verloren und der
Auseinanderteilung geht das monumentale Tun
verloren und die Kuppel. Mit der Verantwortung auch
einzeln und auch dem Deutschen geht Verflachung und kein Bau
Ungeheuere, unheimliche Geschichte des Tuns, des Werks
als Zeit aufgeben

39

Karfreitag, 21. IV. 16 [Freitag, 21. April 1916]

Sklave, Gott drückt die Kleinen auch lieber als die Großen. Du Sklave, dir fehlt
die Freiheit und die Frische, Frische. Die Natur macht stumm. cfr Pastor
Rom, Palazzo Massimi das Tönende [Strichzeichnung] gegenüber dem Deutschen.

vormittags regnerisch naß, nachmittags Aufhellen östlich

Karsamstag, 22. IV. 16 [Samstag, 22. April 1916]

Aus Demokratie erstehen die energischen Feiglinge Wilson
die aber dann Krisen fast wider Willen herbeiführen, Mundbekenner

Nach der Reformation wieder Glaube und Vernunft cfr VerstandVer-
nunft Kants statt historischer Liebe cfr das eigene Leben <1>

Kirche in Deutschland mächtig-ohnmächtiger als anderwärts,
wie Kirche Status und Zeit in förderndem X gegensätzl. Ver-
hältnis stehen.

Freitag, 29. IV. 16 [Freitag, 28. April 1916]

Wer statt mit 5 Pfund nur mit einem wuchert,
die Nebenformung, artistische Stückelung.

Mai 1916

Lösung von Michael: Wie ist Lebensform möglich?

Mittwoch, 3. V. 16 [Mittwoch, 3. Mai 1916]

morgens Kontrollversammlung.

Wie ist Lebensform möglich? Wir sollen nicht auf
Klärung warten, verstandesmäßig, sondern immer uns selber
daran geben, uns bieten. Gott, der Welt, mit aller Kraft
leben. Es wird dann mehr vom Geheimnis wahrer Kraft

40

wenn auch unerkannt (und vielleicht ohne böse Frucht vom Baum der Erkenntnis)
wirken als im Warten: faule Knecht Lösung. So ist auch ge-
heimnisvoll noch die Kraft Deutschlands.

Die Verschränkung nicht mehr zeitlich legen, sondern räumlich
gegenwärtig aufrichten
[Strichzeichnung von Kelch/Sanduhr, daran Beschriftung:]
kirchl. Kultur
Torsion [VR]
Basis

Donnerstag, 4. Mai 16 [Donnerstag, 4. Mai 1916]

Aufrichten [Strichzeichnungen: liegender und stehender Kelch] Kreuzigung in dieser Art zur
Herrlichkeit. Gestern Abend noch im Aug. Keller [Augustinerkeller] Gespräch mit C.
Dürers Kreuzigung in Art dieser Zeit nicht mehr gut. Jansenistenkreuz,
die Ausspannung auf dem logischen Format nicht mehr
Mitnahme des ganzen Stoffes; der ganze Stoff muß wie
im Paradies der Baum der Erkenntnis und des Lebens als gleich-
geschaffener Wert der Geschaffenheit nicht erst durch menschliche
Rechtgesetzte Angeeignetheit mitgenommen bleiben. Schon
in gotisch. aber doch noch gleichgerichtetem Organismus,
Herrlichkeit der Kreuzigung aber am größten im romanischen
Stil mit wahrer Ausgespanntheit cfr über die musikalische {singende}
Spannung bei Mantegna. Spannung hier (und Sang stärker
als letztes menschgewordenes Wort) weil Ornament noch nicht
in Geschichte bis zu Ende. Bedeutung der Musik
in Zeiten, da Geschichte nicht als Ornamentlösung zu Ende gelingt.

41

Musik also groß in Zeiten von Ungelöstheiten, Spannungen, wie auch
Lyrik10 persönlich in solchen Zeiten?

heute Morgen Gedanke falsches Leiden, wenn bloß der menschl.
Leib sich krümmt auf dem logischen Begriff des Stoffes
und Kreuz wie Jansenisten, Pascal, Port Royal.
Leidensgedanke ist herrlich, wenn Stoff mitgenommen
wird, so bei Pascal nicht Heldentum, sondern nur logisch
quälerische (und eitle nach gesellschaftl. Seite) Selbstbe-
friedigung.

Jansenistenkreuz, Pascal, immer alles daher, daß Kirche
nicht schon als Raumgut an sich, sondern nur
durch Güte des Inhalts, d. ist der zeitlichen Aner-
kenntnis, Eiferung und Umsetzung des Inhalts
geehrt, so entsteht statt des wahren Raums in
Kirche nur die persönlich zeitlich logische angeeignete
Methode, das unerstreckte Maß, das Krümmen statt
dem angemessen, verhalten bleiben. Es liegt
auch dem Deutschen Geist so nahe, die zeitliche Tri-
bulation wichtiger zu nehmen und immer wieder als geschichtl.
Mengenformbewegung zu verlangen, zu verlangen, daß

42

Kirche z. B. wie in Sklaverei, so auch in Sozialismus-Kapitalismus
an der Bewegung und Gesinnungsänderung, also an der Verschränkungs-
methode mitarbeiten soll. Täte das die Kirche, so ist
nicht abzusehen, wie rasend schnell sich die Geschichte zum
Ende stürzte. Die Kirche ist aber eben, weil sie unten
und oben unverrückbar festhält, gesellschaftsdauererhal-
tend. Die Kirche ist (heidnischer), unzeitlicher,
unverkürzlicher, mehr räumlich als das deutsche Wesen.
Sie will sich auch nicht mit den geschichtlichen Wesen-
heiten, also den ges. (sondern von den Geschichtlichen nur in
den Personen), sondern mit den göttl. übermenschlichen,
also den vor- und nach bestehenden auseinander-
setzen. Sie kennt darum nicht die Menge, sondern die Per-
sönlichkeit, cfr Michelangelo in seinen nackten
Gestalten!!! Jansenismus

[Zeichnung eines Kreuzes links vom Text]
die logische Überzeugung, die stofflich unüber-
wundene Schwere wird, nicht mehr dramatisch
von unten ist, und nun nicht mehr reclusa-
Schwere, sondern neue Schuld, Sünde wider den
hl. Geist. Sünde gestalt und Haltung der Vornehmheit
und Vernunft.

43

Freitag, 5. V. 16 [Freitag, 5. Mai 1916]

Merken, daß ich {formstofflich} Zeit voraus bei Lesen von Däubler etc., daß diese
Art nun nur eine Extraformung, eine Nebenauskünstelung,
wir Katholiken aber weiter im Dramatischen, noch getrennte [VR: getrennter],
nicht bloß nötig, sich wie diese Modernen episch mit Natur zu
verkeilen und verteilen, als mühsam zerstückelter
Parallelismus, sondern schon weiter im Sinn des Drama-
tischen Aufrichten. Kreuzigung Passion.

Samstag, 6. V. 16 [Samstag, 6. Mai 1916]

Revolutionäre Widerkehr s. Notizen Scheler S. 69 usw [VR]

Montag, 8. V [Montag, 8. Mai 1916]

Die eigene Versubstantiierung im Heilsplan gegenüber der
Substitution z. B. Gotik cfr. Reichlich und Weyden oder
die „Wochenstube“ Mariä Geburt im großen Pinakothek Saal
neben Freise [?] links oben. Welch ungeheurer Glaube
an die eigene Zeit- Wesens- und Nächstenmenschen-
gültigkeit in solchem Bild, daß man die eigenen
Nächsten als Träger des Glaubens und Geschehens nehmen
kann, welche Ungebrochenheit. cfr auch ähnlich zu
charakteristi<..> wie „Maria mit den Frauen umging“

44

Anfang von Maria. Weil heute kein Glaube im Verhältnis
zum Nächsten ist, sondern nur ein Problem.

„Niemand glaubt mehr an seinen Nächsten, wie er an sich
nicht glaubt. Weil niemand mehr an Gott glaubt. So geht
die Welt auseinander und es ist unter den nächsten Menschen
kein sicherer Raum mehr. wir aber wollen Maria im
Rosengarten sehen.“

Diese gewaltige Kluft gegenüber der kathol. mittelalterl
Zeit.

Das Wesen der Frechheit. Kalter Mund und ohne Sinn,
wahre Traditionslosigkeit, sich nichts merken, keine
Stellung, keinen Abstand fühlen, keinen Raum und Ehrung behalten
und lassen, innerlicher Tod, immer redeparat und ausnutzend.

Wie eine gewisse Art Nachgiebigkeit, Leutseligkeit,
unwehrhafte Natur, Gutmütigkeit, Friedenslust,
Streitvermeidung von persönl. sittl Schwäche herkommt,
dem gegenüber (wie auch gegenüber Brutalität) weiblich sichere
Selbstbehauptung als ein Haltegefühl das natürlich
schönste in der Welt. Anfang: so auch Magnificat ganz
natürlich, wie mich [VR] selig preisen alle Geschlechter, so die

45

Freude, schöne Dinge, die man besitzt, zu zeigen als natürlich,
nicht wie heute falsche Vornehmheit, nur unberedet zu
tragen, diese diskrete Mode, die sicher auch in guten Barock-
prunkzeiten nicht galt, dieses pietist. Vornehmsein, das doch
leichte Heuchelei, organ. Verschweigung, doch bemerkt
zu werden als Untergrund hat, dagegen beim Sehenlassen
schöner Besitzdinge sich mit dem andern gemeinsam
an 3. Sache, an dem Geschenk der Erde freuen zu können.

Dienstag, 9. V. 16 [Dienstag, 9. Mai 1916]

Antichrist s. Paquet „Der Kaisergedanke“
Personen: Petrus, Paulus, Johannes
Blei: da gibt es keine Demut, Gebet um Demut, dies nicht
aus Natur, sondern Geschichte als Intellekt, sondern Glaube an Zukunft
Demut nicht aus Geschichte, sondern aus Natur eigen
Demut wahre Quantitierung der Gesellschaft, so
daß sie und die Gesellschaft eines bleibt,
letzte Haftung [Hoffnung?].

[rechter Rand:]
nicht aus Verantwortung eigener Natur

Vor der Zukunft hingeschlagen, hingerissen, Demut
ist die Kraft, die uns lebendig, unverzehrbar
hält, nicht über die Gegenwart hinausreicht. Demut
ist die Basis der nicht mehr geschichtlichen, sondern

46

aufgerichteten, organischen Verschränkung [Strichzeichnung: aufrechter Kelch] Demut [Strichzeichnung: liegender Kelch] reclusa
Demut tritt an Stelle der reclusa,
Eigenschaft an Stelle der {?} zeitl Bewegung
gegen Gnade Glaube

[rechter Rand:]
hat das Drama von unten damit
durch eigene Abwärtsbewegung11
und Humiliation schon in
sich mitgefasst.

es muß also in die Antithese des Ebenbild-
urgrunds zur Eigenschaft noch ein drittes hinein,
das geschichtl. Vermittelte, das Verantwortete, das
ist das schon überwundene Verschränkte [Strichzeichnung]
wieder als Basis, die Wegnahme wieder als Vorwegge-
nommene geläutere [sic] Eigenschaft {Weltsorge.}, das eben
war reclusa immer, aber nicht angeeignet. Pietà
cfr Dreifaltigkeit der Form in Ordensbuch

Demut, keinen Zweifel haben, (nicht wie Moses) der aber erst nega-
tive Eigenschaft, negative Lebensfortsetzung, Ges. und Kom-
munion, Heilsmethode,

die Wahrheit, den Menschensohn, die eigene Seele
mitteilen, das letzte Mittel, Joh. Komm. s. Casp. Bild

47

Gespräch über die Liebe. Hoffnung, der jüngste Tag, {Das Litaneiartige der Zeit} das jünger
werden der Welt, Blei. Übergang zum Mann.
sich trennen vom Vorjugendlichen. [?] Nun beginnt die Ver-
schränkung mit der Zeit auseinander zu gehen. [Strichzeichnung liegender Kelch]

Donnerstag, 11. V. 16 [Donnerstag, 11. Mai 1916]

Passion: Anfang: nicht mehr das Leiden des Erlösers
gestalten aus eigener Lebensform und der Frage: wie
ist Lebensform möglich?, sondern nach Überwindung dieser Verschränkung
[Strichzeichnung: aufrechter Kelch] in steter Teilgenommenheit und Kommunion der Geschichte
als Anbetung, der Sinn der Anbetung aus der eigenen
Seele, Kommuniongedanke Seele beeigenschaftet, sobald
auf wirkliche Heiligung ausgehend, nicht mehr der ges. pathetische Menschen-
sohn, sondern im kleinen treu anhängend immerfort, nicht in
Streit und Spannung, sondern in der geistigen Eigenschaft des über-
wundenen Streits. Da kommt die Frage: Bin ich noch
würdig, darf ich wie Mose nur noch vom Berge schauen oder
bin ich der geistigen Ordnung in Zukunft noch würdig?

48

Zwischen die Passionsstationen einzelne Pastorale:
später „In diesem Jahr lag früh gemäht das Heu, die weißen Köpfe von
gefälltem Löwenzahn {die bekannteste Blume} noch nicht fliegend und samenreif, wie
geschlachtete Lämmlein ihre weißen Köpfchen

[mit Bezug auf Blume am rechten Rand:]
Christus der bekannteste Sohn.

(daß in solchen naturhaft willkürlichen Vergleichen das Pastorale bes. wirkt!)

Schafe auf früher Weide am Abend noch durch Schatten vom Boden
gehoben, manche aber ohne Schatten wie in Boden gelegt.

Vögel im Sande baden bei Kreuzigung

wie ein Lamm zur Schlachtbank geführt.

Wandlung zur Welt

Zu Menschen getrieben sein und weiblicher Seele, sich gegenseitig binden
durch Mitteilung, denn in Mitteilung der innersten Seele und
Getriebenheit ist Reinheit, ist Gründung, ist stärkste
wahrste ungeheucheltste Mitteilung, ist stärkste
Meidung, das Wort hebt die Umwitterung auf. Sich durch
Hingabe des Wortes binden
, Gesellschaft gründen, sich
durch das Wort in Demut entäußern

würdig: Auflösung von Moses und gelobtes Land

49

Anbetung: Auflösung von: wie ist Lebensform möglich?
also der stärkste, aber nun geschichtlich vollendete Zwiespalt
gegenüber Beuron.

Ungeheures Vertrauen auf den Plan, immer deutlicher werdender
Plan des Geführtseins, Geführtwordenseins, so auch Verstand
in Demut sein stilles, nicht mehr ängstliches heiteres Recht,
er ist doch der erste, aber nun angeeignet als Gebung, Gabe.

Fl. [Flaskamp] das charakteristische in steter Form, der kein Urteil fertig
aussprechen kann, diesen log. Halt nicht hat und braucht. Dieses
organ. Selbstzeugenurteil, cfr. Maria mit den Frauen auch kein Urteil.

Dienstag, 16. V. 16 [Dienstag, 16. Mai 1916]

heute vielleicht Einsicht, daß gegenüber der früheren Abneigung gegen das Bürgertum
selbst ganz in die bürgerlichen Probleme verstrickt: daß
„Dein Wille“ das bürgerliche Problem ist, aber Demut statt
Fatalismus.

Demut das ist die unendliche Geschichtssubstanz das gegen-
übergestellte gegenüber dem angeeigneten Charakter, Demut X Charakter
die engste Verschränkung im Eigensein, Schnitt von Raum und Zeit.

Mi. 17. V. [Mittwoch 17. Mai 1916]

Warum bis hier und jetzt [VR] weitere Kraft so groß
und so hilflos vor der Gestaltung gegeben. Die Gnade nicht
anwenden können. Daß aber der Quell weiter

50

fließt, Sehnsucht, starker Tau in den Gräsern und Halmen
die ganze Nacht und des Morgens hell in Sinn hinausgegossen.
Seit 1. Mai blühen die Kastanien, jetzt überreif werdend.

Michelangelo, Shakespeare, Beethoven ungeheure Ohnmacht
Wort Widerspruch

Stoffwahl der Form sich selber aneignen als Güterabstufung,
und Tätigkeitsverteilung daran, nicht einfach Genauigkeit
und falsch sorgfältige Pedanterie, auch das eine Art fauler Knecht.

Donn. 18. V. 16 [Donnerstag 18. Mai 1916]

Daß sich in Deutschland für die 3. (Pietà periode)
Raum und Zeit (Michael) verschränken und kämpfer-
artig komplizieren! daß es mir [?VR: nun] auch die Zeitlichkeit
aufhalten
muß gegenüber der bloßen Methodisierung
der Zeitlichkeit in England, Amerika

Michael, neue Wendung des Gedankens in sich selber
s. filioque Gespräch über Hoffnung.

ungestillte Sehnsucht wie der reifende Sommer, der Drang
und Unaufhaltsamkeit zum Früchte bringen und Reifen
Sense am Sensenschnittrand, wo schon geschnitten und Bogen
wo noch nicht, fallen die Gräser und Blüten vor und bes. deutlich

51

Gebundenheit und Losringen der [VR: von] gratia habitualis und actualis.
Daß sich das Fleisch auf diesem παραδὁξον Weg zum
seligmachenden finden soll.

dramat. Gedanke: Der Deutsche z. B. in Amerika etc nimmt auch
Worte wie Freiheit, Gerechtigkeit etc als Schlagworte an; der wahre
Deutsche in seiner Heimat, nicht auskolonisiert, kann aber
damit nichts anfangen, er muß immer wieder das Wort und seinen
Wert zerspalten, um auf den gegenwärtigen Sinn, Kern und
Wirkungsbewährung zu kommen. cfr auch der mit einer unfertigen
Form immer bezahlte Franzose gegenüber der fertige, innerlich <1> tote
Engländer

größere Ordnung läßt nicht unter dem Dach, diese Naturfurcht
Flucht vor der Aufgabe. Antirousseau.

man spürt, wie der Organismus oft verlassen ist und sich nicht
rät und hilft in inneren Zusammenhängen, wie aber der
Verstand die Richtung weiß, erkennt, wo irren und wie
eigentlich der Verlauf, zur Erlösung nützt er nicht, aber er
weiß, daß Erlösung gibt.

52

Samstag, 20. V. 16 [Samstag, 20. Mai 1916]

bei Beschäftigung mit Gedicht „Berührt in immer größrer Dauer“ [Kelch der Zeit, in Fragmente und Entwürfe] und Gedanke
an Caspars „Ölbergbild“. Ölberg, diese Angst Gottes, die nicht
hinter (weil Schuld nachgetragen) sondern vor ihm liegt, wie
menschlich nachempfinden? Warum liegt Christus jetzt und in dieser
deutschen Kunst nach vorn. Schon Dürer wollte diese Wendung
wagen
; statt von der Seite, um der Ebenbildung (wie?) auszu-
weichen (durch gegenbildung noch mehr verstärken was hat dieses
formale Extrem auch inhaltl. Bedeutung!). Dieses Liegen
stärkste Zeitlichkeit (cfr noch über den Rundschauartikel „Ölberg
unserer Zeit
“ hinaus). Das Wort ist Fleisch geworden. Die eigene
Zukunft in Verderb durchgemacht Gott ausliefern. Eile nicht.

[seitlich] Welt [?]
Hingabe des Wortes: Gesellschaft binden
Hingabe des Fleisches: sich selber binden
[seitlich] Christus
Hingabe des Wortes: sich selber binden
Hingabe des Fleisches: Gesellschaft binden

[rechter Rand:]
bei Christus umgekehrt

Ich gebe mich hin, auch für nicht gewollt gefügtes Opfer, was im Rücken
ist, lasse geschehen, blind, Nacken bloß und Fersengefühl
ich möchte für Gott sterben, leichter zu sagen als: ich möchte für andere sterben.

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Diese Wandlung wagen, habitualis, {C. das gleiche Wagnis in Ölberg und Kommunionbild} aber für die andere Seele
gratia habitualis auch für die andere Seele, das ist Gesellschaft wollen
das ist sein habitualis auf die Gesellschaft stets anwenden
als actualis, das ist, aus sich den Menschensohn, aus sich
durch Menschensohn die Gesellschaft in vorverderb, den
ganzen Gott, aus eigener habitualis durch eigene actu-
tualis Gott wieder herstellen, den Anfang der ungefallenen
Gesellschaft, die Heiligung, der hl. Geist, Gott aus [VR: vor] dem zeitlichen
in den ewigen Prozessus.

Plötzliche Einsicht: daß gratia habitualis: Raum: Anschauung
daß gratia actualis: Zeit: Erfahrnis
ich komme mir selbst entgegen und finde mich gegründet.
Wandlung, Stellvertretung.

Vermessenheit: soll man sündigen, wie die Kraft
in Wort zu locken: stärkste Sünde wider den hl. Geist.
Durch Opfer Fleischwerdung geht „uns“ in „ich“ über, Stell-
vertretung

54

Gerechtigkeit, das Aufbewahren von Erfahrnissen und Nächsten
damit belauern wie mit etwas Feindlichem. Diese Art Zeitaufhaltung,
falsche Gerechtigkeit.

Es ist genug, auch Gnade, die Knotung zwischen gratia habi-
tualis und actualis

Diese Sebastian marter cfr auch Reformation so im weiteren
Sinne, in der göttlichen Gegenbildgebung über der menschl.
angeeigneten Dramaeigenschaftung Hoffnung.
Die Sebastian marter (Michelangelo problem) ist weiter
allgemeiner menschlich als das metaphysische der Deutschen
Reformation, diese aber ist das menschlich geschichtlichere
das Wichtigste dieser Tage die Erkenntnis des Problems
Mensch an Beethoven „missa solemnis“, dann
Michelangelo Gedichte, dann erst Hingabe verstehen.
Opfer.

man darf Gott nicht zu knapp und seine Gerechtigkeit auch nicht zu
knapp, zu ausgleichend nehmen. Sie ist ja unendlich; daß
heutzutage der Sinn für das Unendliche fehlt.

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Sonntag, 21. Montag 22. VI. 16 [Sonntag, 21., Montag 22. Mai 1916]

habitualis Raum, actualis Zeit
Einsicht in die Wandlung von παραδὁξον des Verstandes
zum Wort, von der gr. hab. zur gratia act., die sich daraus
ergebende gehaltene, aber unwirkende Stellung
zur Erlöstheit, höchste und tiefste Gefahr und Heiligmöglich-
keit. Abgrund der Vermessenheit und innere Heilsgewißheit
malum peccatum actuale, habituale das malum habituale
ist durch act. ein freiwilliger Akt. Vermessenheit.
Gedanke wieder an Ähre, daß ich nur aus dem Munde
blühe. Unruhig war ich lange über diese Sache. Ob Frucht aber
auch möglich, nicht bloß Ähre und Blüte, Brechen und Abstreifen
in Kühnheit überwundene Bekennerschaft, mehr
als diese, nicht Konfession. Mut zum Bekenntnis erst
bekommen in Marter. Sebastian. keine Ähre mit Körnern, kein Zweck,
löse mich ganz.

Mittagshitze: die Pflanze still zergliedert sich, das
Tier wird ärger. Sebast. zu viel Gnade, Stoff überschüttet ich komme nicht mehr
mit, ich möchte frei für Gott sterben

nach klaren Nächten eben ist das Land

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21. u. 22. V. 16

Daß man Sünde nicht vermissen will, weil sie uns Heil bringt und ge-
bracht. Geheimnis, daß das peccatum habituale doch einge-
schlossen in gratia habitualis in Gott, daß es doch ewig und nicht
zeitlich. Das letzte Geheimnis aber bleibt, daß Sünde das
Heil zu veranlassen vermag, nicht durch den Einzelnen, sondern durch
Gesellschaftsfortsetzung, da wider dem einzelnen Zukunft [?], durch
Zeitgewährung, wie auch Erlösung und also dieser Prozessus nicht Sünden-
folge, sondern Zeitentschluß, Mitte der Verschränkung von Gesellschaft
und Einzelnen, welche Jesus ist, daß also die Sünde von <1>
Christus jetzt zum Einzelnen als Heilmittler zurückgeht.

weil zu viel Gnade verdammt, nicht bloß habitualis, sondern
actualis (?) παραδὁξον.

Nicht diese Reue spricht im Geist; innere Würde, denn jede
einzelne Sünde

[darunter Einschub:]
dann noch Reue doch
tiefer und Seele doch
noch viel höher

nicht die allg. Sünde, die ist gehoben.
nicht also allg. Weltverstricktheit
das ist heidnisch
und dagegen das wirkungs-
lose pietistisch.

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ob Liebe zu Gott auch in bestimmter Absicht, mit eigener
Einbedingung also Aneignung Stoff gibt, z. B. wenn man
Kunstform und Eindruck nicht mehr von bloßer Erfahrnis
und seelischer Bedrängtheit abhängig sein lassen will
sondern bestimmt eingestellt, die alten Themen fertig machen,
also das radikale fortschrittliche nicht mehr in seiner Ordnung
wirken lassen will, sondern eine gewisse Enthaltung von
Geschichte, etwas Ordensartiges wirken lassen will.
Gottes Liebe als Bestehendes ausbauen, nicht mehr
mit Sündenerfahrung arbeiten, sondern mit
Angeeignetheiten, mit den Geheimnissen des
Schmerzhaften Rosenkranzes „der für uns“ etc

Dienstag, 23. V. 16 [Dienstag, 23. Mai 1916]

Recht eigener Wahl in der Geschichte gegenüber einer falschen
Demut. Daß man, wie z. B. C.r macht, zu seiner eigenen
Erfüllung Leute wählen darf und muß, nicht jeden
als Beispiel brauchen, Gedanken zu finden
(z. B. einen Stilgebauer), sondern sich die Gesellschaft, wenn das

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auch wie Hochmut aussieht oder Vermessenheit, auswählen darf ohne
deshalb andere zu verachten, aber ich muß auf alle persönlich wirksam sein,
geschichtlich aber mich an der Stoffwahl beteiligen. Es hat für uns nichts
als Lebensäußerung Wert (document humain), sondern als Ordnungs form.

statt Fatalismus Kommunion

Sebastian X Prometheus

Anbeten kann man erst ganz und wahr, wenn man
Erde und Himmel auseinander halten kann und gleich
dazwischen stehen.

Mittwoch, 24. V. 16 [Mittwoch, 24. Mai 1916]

J. B. [?] Essay Glauben betreffend, eine Bilderklärung,
einen Reichlich erklären und die eigene Gesellschaft als Trägerin
der Heiligen Geschehnisse. Dieser Glaube an den
Nächsten, welche ganz andere Welt als heute, daß man im
Nächsten und in der Gesellschaft selber den Glauben gründ-
end sah und das Vertrauen auf den Weltplan ganz sichtbar genoß12.
Dieser got. Glaube im Gegensatz zur reclusa. Er ist nun
begründet in Gesellschaft und Gesellschaft begründend,

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angeeignet. sobald er angeeignet ist, ist die Hoffnung
frei. cfr. dann die heidnische Enteignung des Glaubens
bei Leonardo und die Komplizierung der Hoffnung bei Michelangelo

Mittwoch, 24. V. 16 [Mittwoch, 24. Mai 1916]

Abends nach Red.schluß schöner aber etwas schwüler Abend bei C.
– auf Altane malt Frau C. Stilleben und hat Blumen gesetzt. C. zeigt mir seine
und seiner Frau Bilder für 9. Sez. ausstellung: Dann ich zu „Ölberg“, „Christus und
Joh.“, „Badende“, „Jakob ringt mit Engel“ (Bemerkungen, daß
diese gegen früher bei solchem Bild weiter gehen und bestimmten Charakter
darstellen wollte)13. Nachher Radierungen von Beckmann angesehen.
Gespräch was darin unwahr. Auch für solches Deutschtum wird jetzt gekämpft!
Dieser Berliner echte Geist. Gedanken und auch Gespräch, wie es beim Fortgehen
spät zum Löwenbräukeller so abenddunkelt, über die Schwere, daß
Katholiken der radikalen guten Fortschrittlichkeit nachkommen.
Bedeutung des „Badendenbildes“. Gefühl der Reinheit und Kühn-
heit des Strebens, (die Formung in got. Spitzdächern) von [VR]
steten Höhe, sonst bei Nachlassen würde Natur wuchern
wollen.14 wachsam stets auf höchsten Eifer in allem
(dazu bei C. noch etwas frühes, soz. jugendreifes, jungzeitig gotisches)
Die unglaubliche Oberflächlichkeit und Gefährlichkeit kathol.

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Literaturkompromisses ahnungslos des Wegs der radikalen Über-
lassung. Das stets und notwendig mehr bewußtere Tun
des Katholiken15 wie z. B. Caspar seine Bilder zusammen stellt.16
cfr. P. Desiderius, die geistige Ordnung stets regeln sonst vergeben [?]
oder ordnen Später Gedanke

Donnerstag nacht und Freitag 26. V. 16 früh [Donnerstag nacht und Freitag 26. Mai 1916]

Dein Name: (im Gefühl der wohlen Müdigkeit und Ausspannung,
Abendgefühl aus C.s Stimmung herausgedacht): daß der Katholik
viel mehr Gnade hat und braucht, wenn und wann er
die mod. Kunst, eingeschlossen den Weg des Verderbs,
überholt.

D. Wille: nicht begreifen, daß ein solches sich nicht innerlich läuternx [? sic]
doch zeitenlang bestehen kann (z. B. Hochland [VR]);
aber doch auch gerade so selber nicht geläutert, noch viel mehr
verantwortet bestehen, selber geduldet bleiben und
selbst dienstbar. So ein Leben lang.

Man muß viel mehr gesellschaftlich werden, um nicht nur
als ein Stein unentfernbar zu sein, sondern auch menschlich
einzunehmen, zu sichern, zu überzeugen.

Das {wahre} Bild eint17 gesellschaftlich, indem es aus der Idee trennt, aber in Geschichte gehend [?]
das wahre Wort trennt18 gesellschaftlich indem es in der Idee eint aber aus Geschichte geht

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Donnerstag, 27. V. 16 [Donnerstag, 25. Mai 1916]

Hoffnung: Hier das tiefste Verzagen, dieser Mensch in dieser Zeit
Wille: die spezif Schwere, schwerste kathol Aufgabe
kulturell zu wirken, weil dem radikal. {von selber} sich Formen der Welt
sogar noch zuvorkommen19 muß also noch radikaler
<1> Gespräch gestern abend, man den Weg
des Verderbs noch viel stärker und bedrohender [VR: überholender]
in sich haben muß

Donnerstag, 27. V. [Donnerstag, 25. Mai 1916]

Abends nach sehr heißem Tag in ganz zerrissener
zorniger Gequältheit sehr starker, aber kurzer Hagelschlag, die
seit 4 Wochen blühenden Kastanien vergehen jetzt, auch die weiß
überdeckten Hecken werden gelb und von oben an vergehend.

Sonntag, 28. V. [Sonntag, 28. Mai 1916]

Die Erzählkunst Dörflers als kathol. zu späte Wucherungen, die
der Zeit, selbst rein scheinbar reich, nicht mehr genügen
denn die Zeit will ihr Dramatisches und ihr genügen.
Daß sich die Schrift erfüllt wieder nachgedacht. Zeugnis Giotto
daß nie etwas rein geschieht ganz als Friedigungszweck [??VR]

Warum Christus reine Zeiteinfügung, nicht Kunst

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Speisen, leichter als das Wort als Gemeinsame mittätig
öftere Kommunion Charakter, Fatalismus das anfangl
Kommunion das schließliche

Montag, 29. V. 16 [Montag, 29. Mai 1916]

Nicht Mittel, sondern Ausgang und Eingang, aber wie?
Sebastian, Leib Mittel, Leib als Träger der Stofferlösung
der Erbsünde, das eigentlich körperlich geistige Mittel, das
reclusa unliberale. Das Mittel darf nicht geistig sein,
sondern muß die eigene Kämpfernatur in der
Zeit sein. Mensch muß sich zwischen Raum und Zeit
als Erfüllter, als Mittler stellen, wie Christus
Sinn des Deutschen Michael

Daß der Mensch persönlich so ewiges Wesen hat, daß
er zwischen Raum und Zeit ausreicht, ob und wie zureichend
als kulturelles Wesen, weil jede Erlösung [VR: Schöpfung] und Zureichung
nur mittelbar und Fluch nicht aufgehoben. Weg des Verderbs.
cfr. Christus: Fülle der Zeit. (Hochland)

Mittwoch 31. V. 16 [Mittwoch 31. Mai 1916]

Kreuzigung oder besser Sebastian Schicksal in der kathol. Gesellschaft
Übergehen aus Natur in Gesellschaft

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Donnerstag, 1. Juni 1916 [Donnerstag, 1. Juni 1916]

Urlaub verlängert bis 1. August

Christi Himmelfahrt, wieder schöner Tag nach starkem Regen des Ende Mai
Mittwoch Abend noch Nachricht, Arsiero und Asiago eingenommen.
Donnerstag nachmittag Solospaziergang über Oberwiesenfeld zum Moosacher
Friedhof. Blumen.

Freitag, 2. Juni [Freitag, 2. Juni 1916]

Früh Meldung Nordseeschlacht. gedacht: Lucifer und Antichrist als
Gestalten in Schalom aufzunehmen.

Hoffnung auf Möglichkeit kultureller Darstellung des Religiösen.
(Novalisfrage) wie ist diese Lebensform möglich, da das Kulturelle
bis jetzt durch vermeintlich durch das Gesellschaftliche, durch den
Konsensus vieler getragen wird und meine Meinung, daß Verantwortung
immer mehr auf einzelne übergeht. Hier tritt das Qualitative für
das Quantitative ein, Welt wendet sich aus
Qualität der reclusaquantität in Quantität der
Pietàqualität. Diese letzte künstlerische Tiefe.

schwüler gewitterdrohender Nachmittag mit gelegentl. drückender
Sonne und Regengüssen

Antichrist, derjenige der das nachgeschichtliche
Ornament der Seele wie Christus schon selbst

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in sich als Fülle der Zeit haben will, wie verhält sich das
zu dem (heute morgen) nachstehend aufgezeichneten Gefühl und
Willen, ganz vorn als Spannung des Raumes in der Zeit zu
sein.20 || Die immer wieder stärkere und schrecklichere Erkenntnis,
daß Sünde Erkenntnis und Erfahrnis und die Möglichkeit
höherer oder fortgeschrittener angeeigneterer (wie
getrennter) geistiger Kultur, Geschichtsentwicklung, Erlösungs-
anwendung bringt. Welche Meidung und Zurückhaltung
hat der Antichrist nicht mehr, über Vermessenheit
und Verzweiflung hinaus. Wird der Antichrist auch
in Qual leben? Lucifer Antichrist wird die nur
logische Zersetzung sein bis zum Ornament
ohne das Organische, das nur noch organ. allg. Mittel,
aber nicht mehr organ. Freiheit.21

Wie ist Lebensform möglich? fortgestoßen ganz [VR] zur Ausfüllung
des Raumes in der Zeit: „ich bin die Zeit“. Stete Spannung
der beiden Höhen [Strichzeichnung unterteiltes Rechteck] (Ebenbildlichkeit, aber nicht möglich) [Strichzeichnung liegender Kelch]
nicht mehr die Verschränkung logischer Art, die von mir ent-
fernt, sondern einfach Höhe und Tiefe und ich dazwischen

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Kämpfer, Träger zwischen Christ und Antichrist und [VR: wie] Michael.
stete Bereitschaft, fortgestoßen, bis man so weit an die Zeit vor-
geht (daher die Natursehnsucht, weil Natur nicht mit-
gehen kann. Man sieht sie wie zum Abschied jetzt besser
als alle Jahre her, wie um sie nun gedächtnismäßig in
Erinnerung zu bringen. Hollunder fängt eben an zu blühen.
Die Quälung der geschichtlichen Verbindlichkeit

Samstag, 3. VI. 16 [Samstag, 3. Juni 1916]

Antichrist hatte einen äußerst empfänglichen Geist
und darum doch stärksten Glauben, der aber nicht
organisch werdend an Aberglauben grenzte.
Die größte Sicherheit, Zuversicht der Verzweiflung.

Daß sich Katholik und Pietist nicht verstehen können.
Spaltung der Welt

Kathol. Kulturprogramm s. Matthäus Kap. V.
zuerst Selig sind die Armen im Geiste, dann aber V. 18 und 19.
Eschatologisch Kulturprogramm, Geschichtserffüllung [? VR: Geschichtwerterfüllung]
bis zum letzten Ornament und Ehre im Himmelreich.
wie ist Lebensform möglich? Das

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Organische nennt Christus „Gerechtigkeit“. Das ist die
Erlöstheit der organ Geschichtseigenschaft, die auch in der
letzten Stückelung vollkommen ist. Aufhebung der Ordnung.
auch stete Aufhebung eines bloß zeitlichen, stete Gründung eines
aufgehobenen Geschichtssinnes. Gerechtigkeit und Barmherzigkeit
als stete Geschichtsentgegnende Gegenwärtigkeiten
Soldat s. Matthäus 5, 41 „und wenn dich jemand auf
tausend Schritte zum Frondienst zwingt, so gehe auch zwei andere
tausend mit ihm.“ [Lutherbibel: Und so dich jemand nötigt eine Meile, so gehe mit ihm zwei.]
– Zu dem Gespräch, ob Bekenntnis oder
einer Seele Rettung besser sei. Das Einholen ist bei Be-
kenntnis nur selber eingeholt werden. Lebensprinzip absoluten
Vertrauens, alles tun ohne Absicht, als göttliche Kräfte fort sich
zu bewegen, nicht eigene, so wie eben niemand handelt der
gewaltige Glaube, der dazu gehört. Wie der zu Geschichtskulturprogramm?

immer stärker in eigenen Gegensatz gebracht werden, sowohl
immer geschichtlich als naturhaft. Quietismus faul
Pietismus, Quietismus als Gegensatz im Gleichen nach
der Verschränkung die Wiederaufspaltung statt Kämpfer-
bindung [Strichzeichnung liegender Kelch] agnistische [sic] Eiferer. Daß diese Erkenntnis
gegen protestant. oder unkirchlichen individualist. Quietismus der
faule Knecht“ machen muß!!

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Die immer zahlreicheren Russischen Kuppeln ohne innere Weiter-
raumentwicklung cfr den vom Schrein [Strichzeichnung] cfr diese imma-
culata ohne stoffliche Gegenkraft und Hereinnahme cfr auch die barocke
Schriftverschränkung, in sich wiederkehr, die kein organisches Vorwärts-
kommen weiter führt.

Montag, 5. VI. 16 [Montag, 5. Juni 1916]

Daß Substanz der Geschichte und Kirche nicht gleich, man nur die
Form der Geschichtssubstanz verantwortlich übernehmen
und bessern kann, nicht aber Kirche. Dieser kann man sich nur einfügen
Kirche ist unendliches Gut habitualis, Geschichtssubstanz
endlich obgleich Weltplan actualis.

6. VI. [Dienstag, 6. Juni 1916]

Gespräch mit E. Spannung in Krieg. moralische Frage, nur weiteres
Extrem und Möglichkeit [VR]. Quantität in Qualität
Gespräch Kunst als Lokalisation cfr Ecke mit dem Stock [VR] [Strichzeichnung: Blumentopf]

Wie Maria mit den Frauen umging

Güte aus Nichtverstanden werden Kunst, Güte erst
dann, wenn auch Gedanke an Profit und Rache mit Hilfe
von Siegsicherer Gottskraft angenommen überwunden ist, wenn man des frei-
willigen Opferbeitrags zur mittleren Gesellschaft fähig.

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Mittwoch, 7. VI. 16 [Mittwoch, 7. Juni 1916]

N. Sezessöffnung
bevor mich überfällt die letzte Mühe
Mitte des Lebens

Daemon Meridianus, meide ungebrochene Zeit
daß ich dir aus dem Munde blühe . wie lange zehrt
sie, so steht niemand allein.

Der ärgste Feind des Menschen ist sein gemeinsamer
Geist, aus dem die Eitelkeit lebt und das falsche
3. (R. Saitsch[ick]) Wie schwer es ist, alle gesellschaftl.
Dinge auf die letzte Schönheit zu bringen

Donnerstag, 8. VI [Donnerstag, 8. Juni 1916]

Dienstag, Kitchener. Abend mit C. bei Wein

Idee; der Reuige, der immer etwas tut, was seine
Begleiter nicht verstehen, eine bizarr ideell stofflich unsinnige
Verbundenheit mit Stoff und Tun, die stärker als
das Gesellschaftl. ist. Idee Talisman: Auch Schreibfeder
gegenwärtig unzweckmäßig-liederliches Werkzeug X Stoffsprengen.
Stofffrage und Freiheit.

Daß ich spürbar immer alle Gnade habe und sie mir nicht
anschlägt, nicht in mein Leben Zinsen trägt

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Freitag, 9. VI. [Freitag, 9. Juni 1916]

am heißen Mittag Pflanze welk
ob Mensch auch zu viel Gnade bei lauter guten
Boden haben kann, mein22 er ist unendlich mein.

Samstag, 10. VI. 16 [Samstag, 10. Juni 1916]

(M. hat das nicht stehen lassen)

in Wasmann Aufsatz: daß zwischen Seele und Katholizis-
mus ein engeres Verhältnis als zwischen Kultur
und Katholizismus. Darauf Gespräch mit M.: ja worin denn die
spez. kathol. Form bestehe das ist wohl immer die
Frage dieser Denkart und zunächst dem Entscheid des Gewissens im Kleinen,
im großen Erfahrung der Geschichte und Welt, aber nicht zu ent-
scheiden mit einem ästhet. Dritten.
(Verstand statt Zeitbrauchen der Mystik) Antwort || mehr negativ. [? VR nachgebend]
ob bei uns z. B. Gründung eines Benediktinerordens
möglich, da heutige Congregat. (auf betreff. Einwand, daß
immer auch heute noch entstehen) meist bestimmte Zweckgesellschaft sind.

Samstag vor Pfingsten 10. VI. 16 [Samstag, 10. Juni 1916]

Antichrist „Wir sind quitt“.

Die immer stärker drückende Schwere, Qual des logischen
immer klarer Seins über das organische Gefüge, so die Last
des Organischen auch ganz tragen, aber nur im Verstande und so schneller
die Welt beenden, so Antichrist, der die Welt beendet und schließlich Christus gleich(gedacht)
in Schwere sagt: wir sind quitt.

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Pfingstsonntag, 11. VI. 16 [Sonntag, 11. Juni 1916]

Flaskamp alle Gedichte gelesen. Warum ist unsere Zeit (obgleich tiefer im Verderb)
zukunftssicherer als frühere; weil das organische stärker (selbst
im Verderb23) (ein Realist) als z. B. in der Zeit vor 100 Jahren
als in der Logistischen Aufklärung. Aber in starker Kultur-
höhe fällt das Organische und Logische bewußt zusammen.

Liturgie und Kultur, Brief für J. B.

Caspar: das eminent künstlerische Freiheitsgefühl
in Schönheitswillen ohne Belastetsein mit Erfahrung in „Badende“.

Liturgie in Kulturhöhe wieder Bedürfnis, auf der Stelle, wo
das Organische und das Logische, Baum des Lebens und
der Erkenntnis wieder enden, gerade wie sie anfingen.
Welche gewaltige Bewußtseinsgröße (oder dafür geistige Begnadung)
organisch und logisch in der Christenheit anfang
Liturgienscheidung und christl. Gesellschaftsvollendung.

Mittwoch, 14. VI. 16 [Mittwoch, 14. Juni 1916]

Caspar. Einsicht in Porträt seiner Frau. Einfach niederer
Geschmack lehnt dies ab, mittlerer gepflegter nimmt an wie
man Cézannes Porträts annimmt, aber wahrer Grund,

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solche Porträts zu machen oder anzunehmen, ist ein sittlicher24. Welche
starke sittliche Sicherheit in dieser Art reiner künstlerischer, aber
im Gefühl mitbeteiligter Bildkunst. Der im sinnl. Kampf
befangene Geist kann so nicht gestalten, da er die scharfen
Enden
des Kampfes nur auf sich wirken lassen kann,
Schmerz und Sehnsuchtsleid, die Leidensmomente und
Versprechungen, aber nicht das stille, ruhige, aber ins
Gesellschaftliche, vielmehr eine nur in der sicheren
Besitzfreiheit der Einzelseele getragenen höheren
Form des Gesellschaftlichen, übergehende wahre Sein,
die [VR: das] wirklich innerlich genießl. Gesellschaftsgründung.
Ist demnach die Kunst als Erhebung über das notwendige
Drama, das auch im Gebet ist (25) als Freiheit (Humor,
Ironie) eine Freiheit (auch über diesen Humor und Ironie
diese vorzüglich deutschen Eigenschaften) nicht über sich {(?)} selber, sondern
vermöge unserer Selbsterwerbung, Selbsteigenschaftung, die
ja größere Bindung ist, Freiheit gegen die [VR: der] Gesellschaft
Kunst als irdische Lebensform wirkt sich aus als Freiheit gegen
die [VR: der] Gesellschaft.

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Diese Tage oft Gefühl: Dank für die Augen!

Donnerstag, 15. VI. 16 [Donnerstag, 15. Juni 1916]

Gestern Abend Strindberg „Nach Damaskus“ II und III.
Schalom: Wir sind heute nicht Symbolproben und gedachte
Wegführungen „Sohn der Magd“, sondern selber Schnittigkeiten,
Kämpfer, Knäufe, vorderste, wirklichste, einfachste
Formen und darum auch Drama muß wahr, ge-
schichtlich, in jedem Punkte geradenwegs, gegen-
wärtig sein. Nicht Rede und Zerpflückung. Charakter.
vorderstes Wesen der Zeit als Opfer. Unser
Deutscher Altar ist das vorderste Leben, wenn nicht
das oberste. Das ist das Opfer.

Der faule Knecht: Pfund vergraben, nicht Einsicht richtig zu
Stoff, zu Substanz und Drama machen. Es ist in der Gnade
ein unstofflich Lassen, immer stärker fortwuchernden Verstands-
weiterung ein Fluch, die Schwere ist gerade
eine nur eigenseelische, keine Weltwirklichwerte26, ist die zu
große Leichterung und Stoffnichtmehrfindung27 des Verstandes,

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so Antichrist und immer schnelleres Ende
das auch, aber anders als Strindbergs Zergrübelung

Freitag, 16. VI. 16 [Freitag, 16. Juni 1916]

(Gier des gefirmten Knaben auf Zuckerwerg [sic], Magenbrot in Zug)
so auch bei gehobener Zeit (Gnade erlebt und sich innerlich gehoben
fühlend) besondere Gier unbewußt, Gesprächigkeit, Durstigkeit,
und auch leicht ausgleitend geistig sich zerfahren lassend, flie-
gend flüchtig. cfr. in got. Malerei und Fenster manche fliegend
(aber fest) rotgelbe kleine Beifarben, Versuchungsformenfarben
(Wappen ebenso wie Teufelchen). cfr auch Spruchbänder der
geschichtl. gehobenheit. Diese Art Leichtigkeit in der got.
Substanz im Guten, weltlichgesinnt flüchtig, und sicher
da Übergang zu Humor, aber zum unbewußten, nicht leidenden
gesellschaftl. Freiheitlichen.

Fall Förster: ich und Fl. etc gegen Förster. E. gegen Phil.fakultät. Schlechte
Macher und ihre eigenen voraussetzungslosen Prinzipien verratende blinde
Hetzer; aber doch Förster nicht der Rechte. Diese Art ethische Gefühlsmittelsmänner,
die die allg. Wahrheit zu sehr als ihre eigene gepachtete Wahrheit in zu einseitig
bekennerischer Weise verfolgen und dabei in Ges. zur Güte zu reden ja geeignet
sein. linksliberale Elemente bezw. Ges. für die Frkf. [Frankfurter?] Zeitung

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Samstag, 17. VI. 16 [Samstag, 17. Juni 1916]

Brief K. V. [Kölner Volkszeitung?] Katholiken das norddeutsche Preußentum wieder
im eigenen Standpunkt mitmachend, mitpolitisierend.
Weltanschauungs Drückeberger. Nicht das eine Notwendige. Verwenden
ihren anteil an unendl. Kirchl Gut einfach für das
endl. Staatsgut, nicht aber sich voreinsetzend. So daß es nur als
Mittel verwendung findet, nicht verwandelt, als Sauerteig und Eigenschaft

am Freitag hat starker kalter Wind endlich die Regenwolken-
güsse vertrieben und Freitag sehr schöner, aber (Reif) fröstelig
kalter Tag. Aber schon wieder leichte Wolkenfahnen im Himmel,
Streifen <1> unbeständig. Brotkrawall in München auf
Marienplatz etc, nachts Scheiben eingeschlagen.

Sonntag, 18 mittags schon wieder Regen

Dreifaltigkeitssonntag 18. VI. 16 [Sonntag 18. Juni 1916]

Ölberg-Wagnis. Novelle: Mensch, der sacrilegisch
arbeiten muß

Gedanke, um dem göttlichen zu dienen, braucht es mehr
einfach Menschliches: mehr Greif X Natur
mehr Hebbel X Menschen
und dazu
weniger leibliche Sättigung. wie so das Einfache

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der Natur und Menschheit auch einfach Sinn verlangt und
es zu gestalten, mehr einfachen unbeladenen Körper und Geist.
Diese Art Maß gegenüber dem Griechischen, wie so auch die Gesell-
schaft ein schönes Maß in sich hat. Weltwendung.
S. auch {Begleit} Notizen zu 21. u 22. V. am Dreifaltigkeitssonntag.
Versuchungen Christi

Montag, 19. VI. 16 [Montag, 19. Juni 1916]

Wieder aus aller erinnerten Gottliebe heraus. Wind und kalter Regen,
Gras steht und tropft überständig. Abend bei Wein Kurz [?]

Dienstag, 20. [Dienstag, 20. Juni 1916]

Nachtgedanke

Antichrist: Art der Strafe. Immer mehr Einsicht in Un-
fruchtbarkeit von Gnade überlastet, wenn man nicht Zeit
genügt, sondern immer bloß sammelt und einseitig logisch, nicht
organisch, gegenteilige Strafe wie einfältig katholische
(Dörfler) Wucherung. Auch Antichrist Schwere der Einzelung.
Wandlung auch hier aus Ges. zum Einzelnen

Donnerstag Fronleichnam. [Donnerstag, 22. Juni 1916]

nachmittags bis abends Pu<..>

Samstag, 24. VI. 16 [Samstag, 24. Juni 1916]

bei Absicht kathol. Brief zu schreiben Gedanken, wie ältere Schriften über
rel. Dinge meist mit Bekenntnis der Schwäche zur Entschuldigung und Abbitte anfangen
oder schließen. Wie jetzt auch dies große Gefühl der Schwäche bei Absicht, der kathol. Geschichte
wirklich zu dienen. Daß dies Gefühl
<1> realistisch tatsächlich ein Wissenszweig ist,
also heute
kaum mehr zu finden

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Dienstag, 27. VII. 16 [Dienstag, 27. Juni 1916]

Nationalismen daß die Nationalstaaten und Ideen einmal ganz und gar
aufhören werden, einerseits wieder in relig. Berufungsidee aufge-
hoben, andererseits durch die stoffliche Zerteilung und nationale
Wirtschaftsgeschichte ganz und gar zerteilt, zerstört die letzte
endigende Gegensatz reclusa zur ersten geistigen, die
letzte ungeistige Quantitierung.

Drama: Gespräch: polit. Wesen ist je konservativer,
desto weniger Wissen, sondern Eigenschaft

Wirken Erzbergers. Geschäftige Hohlheit. Neidgefühl, ob mit
Gott arbeiten Absicht auch Enttäuschung bringen kann.
Selbtäuschung [?]. das doch precäre, Elende der eigenen Stellung.

Donnerstag, 29. VI. 16 Peter und Paul [Donnerstag, 29. Juni 1916]

Schwühl, [sic] heiß gewitterig, Regengüsse schauer, ein nach
dem andern heraufziehen blaue Gewitterwand, dunkel
drohend und glastig, wie Flurverteilung. Heu kahl, gemäht
Aussehend. Ausflug Hechendorf, Güntering, Seefeld,
Blick oben auf Tal von Seefeld vor aufziehendem Wetter von Nordwesten

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vorher Eichhörnchen gefangen

Drößling [Ortsteil von Seefeld] in Vorhalle der Kirche gerade [?VR] während Gewitter starken
kurzen Regens ein „Christus am Ölberg“, Gedanke
„Die Träume der Jünger am Ölberg“, Petrus Haupt gegen
Christus liegend

[nachträglicher Einschub]
als Gegensatz und Leibverderb
Verderbentwicklungs Symbol
als Verrat
und Antiölberg

„Auch ich bin einer Mutter Kind“, Johannes im Schlaf
antwortend „Auch er ist einer Mutter Kind“
als Christus zum 1. [?VR] Male naht.
bei 2. Male Johannes traum „er ist nahe“.
Judas und Christus <1> verräterisch. daß der
Heilige Verräterisch ist wie Kunst form. (Der innere Reich-
tum der Seele ist der Welt unbekannt.
Die Welt kennt nie ihre eigentl Martyrer (dagegen die
Försternaturen. was für Unterschied zwischen wirklich Stoff-
wahr weltverbunden Martyrer und bloß Wortkonfessor
einseitig fatalistisch. Dieser ist nicht wahrhaftig
zeitdramatisch.

Petrus fühlt im Traum, daß er mit dem Haupt gegen den Herrn
liegt: „Ich kann mich nicht ändern, Herr!“ Das erbsündliche
Schicksal der Welt auch in Kirche mittragen müssen.

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Jakobus?: „Meister ich bin noch nicht ausgereckt [?] (Jakobus
der Gewalkte) mir kommt noch das Lachen vor dem unendlichen
Werke in meiner ungesalbten (richtig bürgersicheren [??VR]) Kleinheit.“
(Schicksal Spaniens, Karl V.?) Von Drößling – Mering,
Mannhofen, Hausen, Gauting.

Freitag, 30. VI. 16 [Freitag, 30. Juni 1916]

Das gegenwärtige Weltverhältnis in seinen Erschütterungen im Kriege
müßten als [?VR] Kunstform ausgetragen werden, aber dies nur formal
erschüttert, es wird wohl durch Philosophien (Bauch-
Kantschule) angerührt, aber wie unglaublich arm-
selig, z. B. über Nationalbegriff und Simmel histor.
Zeitbegriff), oder es müßte durch volksnahe
Ges. Formung ausgetragen werden, aber dies bleibt
ein unfaßbar, einzelseelisches Formlesen.

Dauer des Krieges dies hat Größe in [VR] Monumentalität, die nicht mehr
von der einzelnen Geschichte und nicht mehr von Ges. Gefühl abhängt,
sondern größtes Fügungsschicksal, dessen Höhe an Extreme Dumpfheit
und Fatalismus grenzt. Furchtbarkeit von Verdun.

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Samstag 1. Juli 1916 u. 30. VI, nachts [Samstag 1. Juli 1916 u. 30. Juni 1916]

J B. 1. Brief über Katholizismus, wo Kirche als Formmaß
(Scheler)

2. Brief über Geschichte, Staat, Deutsche Berufung
Förster

[rechter Rand:] der Einzelne als Formmaß
Übergang der Verantwortung

3. Brief: Liturgie (und Scheidungsunfähigkeit.
Platz [?VR])

4. Brief: Das Drama christliche

5. Brief: Gerechtigkeit, eigenes Erfahren

[rechter Rand:] Juliheft Strieder, Europäertum [VR]. dazu auch <1> Hochland

Heute vormittag ein Himmel wie hier nicht oft, da zu dem breiten
hohen Himmel der Föhnnatur mit südnördlich gerichteten
Wolken Streifen, wie Windfasern, darunter hin mehr
nordöstlich Wolkenballen wie weite zerrissene Kränze [VR],
Gewinde und sehr helle blaue Luft unter dem flachen Gewölke.

Daß Deutschland doch mit Frankreich innigst und also auch,
wenn Humanität und falsche Latinität dort überwunden
wäre, auch heute noch zusammengehört cfr. franz. Gotik, diese wahre
innere, wirkliche, uns vaterhaft volkhaft vorausgehende volkinnere

80

volkleiberne Bewegtheit der Architektur gegenüber dem deutschen
Festhalten und Spintisierung28 cfr auch die Bewegung in vertikaler
Auflösung und in Flußbringung bei der Mitte bei horizontal
atemartigem Festhalten
der Mitte des Baus, der
Brust des Baus, dies auch in etwa bei nordd. Gotik,
oder auch hier Brust, oder besser mehr Standhaltbetonung
gegenüber Südd. mehr Harmonisierung. Ausschwebung der Enden, die
Ideeverbindung nach Mitte (cfr Ulmer Münster, Straßburg, Zeitblom)

29

Daß Kunstgeschichten (z. B. Reinach) jetzt immer mit
primitiver, Höhlenkunst anfangen, statt mit dem Ge-
danken der geistigen reclusa in der stärksten, erfahren-
sten Anschauungs-(Einbildungs)Kraft Fläche, Raum gegenüber
Wort Kraft (Perspektive) Organisierung, Zeit.

Die Stummheit der heidnischen Werke, die
als stärkster Ausdruck im Assyrer Extrem, Gegensatz im Gleichen der reclusa,
das Relief findet (Relief X Stummheit), aber noch größere
Stummheit der griechischen Kunst, cfr was Lessing für ein
kleinliches ästhetisches Prinzip, Laokoon: häßlich zu schreien, aus

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der großen Ungelöstheit der Seele in Ruf und Berufung gemacht
hat.

Wie zeigt sich dann das Wort in d. bild. Kunst. Es muß also
seit dem Christentum sich zeigen cfr Sarkophage
(ara coeli) Wort und Empfängnis, Schrein, immaculata. reclu-
sa X Schrein als gegensätze!! Ist also in deutscher
Kunst als der zeitlichsten das stärkste Wort?
Gespräch über die Hoffnung! Und wenn nicht heute, wo bloß im
19. Jahrhundert leere Schilderungsepik, so in Gotik, Klüftung,
Höhlung, Auflösung der Mauer cfr auch der stumme
Schall des Florentiner Doms

Gespräch über Vaterschaft: ägyptische Stummheit hieratisch
und aber auch gegenteilig realistisch, das auch zeitlich realistisch
starre Warten, ungelöst zudrängende Natürlichkeit, das
Warten, das also in beiden Möglichkeiten für heute noch
vorbedeutlich. Sinn des ägyptischen Sitzens, bei
geringeren Ges wesen erklärbar als „sich den Tisch des Wartens
[rechter Rand:] der Klafter Erde
bereiten, bei hohen, sich in seinem Warten ruhend
versichern, vorsitzen, die Erde zu seinem Sitz, nicht Schemel
(nicht scapellum pedum tuorum) nehmen.

[rechter Rand:] mehr Nichtachtung

82

das geometrische, geschichts zeitlose Ornament als das
(stumme Warten) verstummt bleiben und sich einbildlich
genügen in Ablenkung gegenüber dem got. Ornament.

in Griech. Kunst die Verderbnis tritt immer mehr ein
da <1> aus reclusa verkleinerter Qualität eine bewegte
eigenplastische Quantitierung wird des Maßes zwischen
Raumwerten und Zeitfolgen. Wortenthalten [?VR]30 falsche
reine Kunst.

Seelisches Deutlich werden des Verstummens dann in den
Grabstelen (cfr auch Gespräch über Hoffnung Raum: die Trauer
des Raums
, der sich nicht erfüllen kann. Mutterschaft, Sohnschaft
Gottes in Welt nicht eintreten kann.

in christl. Kunst die Dreiheit, Dreifaltigkeit im Inneren
des Kirchenraumes fängt an zu sprechen, die Gegensetzung
Ravenna31

Brustbewegung s. Reinach ebd. 157

Christlich statt Sitzen nun Ständisch-hieratische
[rechter Rand:]
32In Kirchlein in Drößling ist !
Gottvater plastisch
über altar [? VR: allen]

Teilung. Gott sitzt nicht ganz32 im Tympanon s.
Reinach Abb. 177. Im Tympanon über Portal schon voll-
zieht sich die christl. Gesellschaftswerdung, ständisch werden und nicht mehr
auf einem gleichen Postament stehen.

83

Art der christlichen Stummheit, feierlich Giotto, Gastmahl
des Herodes, diese Stummheit nicht in persönl, sondern
gegen das gesellschaftl. Gefühl gewendet. Rom, Italien als [VR: Italiener]
das gesellschaftl feierliche Stille gebieten. Idee der
Stummheit gegenüber der heidnischen Erwartung,
hier nicht Erwartung, sondern Befehlsfolgung. oder vielmehr
Erwartung habend, gegenüber nichts erwarten wissend.

Bramantes Entwurf zu St. Peter, das
hartgewordene Wort (cfr. Goethes – Diderots ge-
frorene Musik wie nebengleitend, kaltzärtlich.
Kuppel, dazu Berninis Kollonaden [sic] das
gesammelte Gesellschaftswort

Sinn des Rufes Ruf und Trägheit. Joh. der Täufer

Später aneignung von Ruf und Berufung: Hoffnung.

Deutschland. Attila Gottes geißel inwiefern?

In der Dauer lassen (und Gott tragen) ohne Frucht
nicht der falsche Schnitt; nicht Eifern (Schalom)

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Gesetz, wie wird gerade der letztwillige, der
Geschichtvollendende, zum Gesetzgeber. der Gotische
zum Begründer, zum inneren Gesetzformer, der
Mittler?

Sonntag, 2. VII. 16 [Sonntag, 2. Juli 1916]

Geburtstag der Königin. Feier messe in Frauenkirche.
Trommel und Musik bei Wandlung. vorher in Michaels
Kirche, einen Sonntag kurz vorher. warum Katholizis-
mus nicht wirksam? Gefügtheit der Zeit kommt.
sie annehmen wie der Fortgeschrittenste, aber je mehr
desto mehr als Kelch im kleinen treu.

das Schreiten in Barockkirche, in keiner Kirche
das Gefühl des repräsentat. Kardinalmäßigen
Schreitens so stark. in Roman. Kirchen mehr
Geistbewegtsein, Richtungswahrheit.

Wuchern mit Pfund. Jede Regung bis zu Ende benützen
voraus kosten. Deine Bürde ist süß.

Hand des Verräters, das ist die Ges. und Geschichts-Kunstform
die alles richtet und verrät [VR: anrät]. Gespräch über Hoffnung, sie liegt immer

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auf dem Tisch der Geschichte und dem Altar der Kirche
sie, die Hand und Form der Kunst ist immer der Aus-
druck der zeitl. Wahrheit oder Unwahrheit, immer dabei
als unverlaßbare Verräterin. Gedanke bei Blick
auf ein Gemälde in Michaelkirche mit barocker nach
sich eingetretener Handhaltung nach oben zeigend

„Ich habe dich noch nicht versucht“
Abendsorge

Gefügtheit von selber in Zeit gegeben, wenn auch
Weg des Verderbs, muß man annehmen, aber
für sich unschädlich machen durch „Im kleinen Treue“
jeder actualis offen. Dieses Wagnis als Opfer an-
bieten, das neue kathol. Prinzip.
In dieser Zeit fließt nun das Herz
. <1> Absicht, jeder
Regung folgen, Gott gibt so Stoff.

Mittler, wie Gott vor Mensch verzagt. Erst im
Christentum ist dieses Gottverzagen möglich geworden

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Montag, 3. VII. 16 [Montag, 3. Juli 1916]

große englisch franz. Offensive. nirgends Beunruhigung.
geistiges Mitaushalten und zu Hilfe kommen.

Dienstag, 4. VII. 16 [Dienstag, 4. Juli 1916]

Daß in der neuen Kunst (Neue Sezess) und auch neue Dichtung alles
bloß Anstrengung der Form in Stoffzertrümmerung, außer C. [Caspar]
und es verständlich, daß auf den einzelnen Eindruck
nicht möglich, sie wirkt nicht Einzelseelisch, sondern nur
im <1> von Zertrümmerungen als Art pour Art, als Selbstaus-
druck gesellschaftlicher Zerstörtheiten, es ist dies eine ganz
andere Art als die auf Seele von Seele
wirkende Weise.

Trotzdem ist diese ältere Weise auch notwendig und kein Wunder,
daß neue Kunst keinen eigentl. Einfluß und Wert hat über ihren
Eigenausdruck hinaus, da sie keine Dauer durch
Traditionswahrheitfähigkeit [?] hat, keine selbsterworbene
Lebensdauer.

Vorsatz: das Eigene groß und Fassungslos weit machen
zu Gunsten des Katholizismus mit seiner Hilfe.

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Ärger als die Qual der Schuld ist die Qual zur
(absoluten) wahren Lebensform, als Ausdruck, den
man der steten neuen Gnade schuldig wird.
Man muß diese Last der Erbsünde annehmen [korrigiert aus abnehmen?]
„Wie Gott vor sich verzagt“ [VR]. Dabei immer mehr alle Teile einse-
hend und dabei immer mehr wieder in eins genommen [VR: gewonnen]
in eins geronnen, immer wieder nur das eine Problem,
sich wahr zu entäußern auf einmal und doch leben
diese Innewerdung und Angst in eins geronnen, nur
eins not, immer wieder ausspannen sollen,
die Ebenbildung aus dem einen Seelen-
punkte bilden, Ausspannung als Kreuz, ist leichter denn nicht als
Ebenbild; mehr ausgelegt {für andere} als selbst gekreuzigt
soll es aber sein. Gnade verantwortet uns mehr
als für uns selbst. Auf der Erde ist das Leid des
ausgespannten Kreuzes leichter als das der ausgespannten
Ebenbildung, als das der Seligkeit

88

Mittwoch, 5. VII. 16 [Mittwoch, 5. Juli 1916]

bei Lesung des 1. Verses der Geh. Offenbarung „was
in Bälde geschehen soll“ und der Erklärung dazu, daß nach
christl. Anschauung die neutestamentl Zeit eine Knospe, eine
kurze Zeit, der Gedanke
daß sich die christliche Zeit, die Zeitscheidung nach
Christus, nicht nur in den Äußerungen des geistigen
Lebens der Anteilnahme und Zeitteilung von der
heidnischen Unterscheiden müsse, sondern überhaupt
daß die christl. Zeit auch in sich, in ihrer eigenen Form
einen ganz anderen Aufbau haben müsse
als die heidnische, daß in ihr aus der Qualitierung
die Quantitierung auseinander geht. wohl in heidnischer
Zeit ein reclus quantitierter Unterbau, aber auch
nicht bloß quadratisch, sondern auf einen Punkt zu,
auf den Knauf, und nun [?] Fülle der

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der Zeit in Christus, der Knauf, der Menschheit in
Händen und der Menschheit in sich trägt und nun
siehe, die christl. Zeit ist in der Form eines
Kelches
und das Auseinandergehen der
Wandung, bis zum weiten Rande, das
ist die Quantitierung der Menschheit und die
Eigenschaft ist in der Vielheit immer freier
im Kelche [strichzeichnung Kelch], wie hat sich nun die
Form der eigenen Aufrichtung aus der Geschichte
der Übergang von [Zeichnung liegender Kelch] in [Zeichnung aufrechter Kelch] verwandelt
und wird wieder aufgestellte Form der Geschicht<.>
Stellvertretung der Gesellschaft in dem
die eigene Perle des Weines auf die untere Neige
zum Knauf sinken soll und wie Christus

90

in seiner Nähe etwas von der Last der Stell-
vertretung spüren.

Das christliche Schicksal, Drama vom Rand zur Neige,
Freiheit und Bewegung zur Neige und Knauf mehr als
Gott und Wahl seiner Berufung, so Passion und Ölberg und
Schöpfung der christl. Mensch, der nun noch mehr
Freiheit hat als der erstgeschaffene Adam.
über und auf Gott stehendes Drama, Wahl seiner
Stellung und Getrunkenheit, die selige Ge-
trunkenheit und der bittere actus des Trinkens
zugleich sein wollen und sollen ist greifen von [?VR]
Gott. (Sinn des Kelchtrinkens in Messe, Kommu-
nion, Sinn der Hussiten)

Das christliche Schicksal, wie

91

Gott vor Mensch verzagt; daß diese Freiheit übergöttlich,
weil eine Aneignung von einer bloß, wenn auch nur
im Verderb existierenden, gesellschaftl. Eigen-
schaft als eigenes persönliches
Geheimnis des
Satans, (weil gesellschaftlich anerschaffen und
im Christentum aber nicht genutzt, die Erlösung
nur von Einzelnen genützt, Gesellschaft aber
nur die Verteilung, das XX, nicht das [2 übereinandergezeichnete Kreuze in Rechteck],
daß „Mensch in allem Menschsein“ das nicht
nützt, auch nicht nützen kann; das [?] Unerlösbare
Gesellschaft
, wieder aber in einzeln nicht Umkehr sich vollziehend.

Christus, die diese Verantwortungsmachung und
nicht die Freiheit des Menschen zu bloßer Gutform
überwinden kann; darum den Kelch nicht
annehmen will. verzagt

92

Daß Mensch die notwendige Unerlöstheit
der Gesellschaft als eigene Freiheit und um so
schnellere Zeitaufnahme für sich annimmt,
und zuspitzt, diese neue christl. Freiheit, die Christus
bringt und nicht aufheben kann, dieser 2. Fall ist es
vor dem Christus verzagt. [anschließend an 'aufheben kann':] bringen muß,
durch Entschluß, Kelch zu nehmen. Der
Entschluß als Trennung der Persönlich-
keit und Dreifaltigkeit (Entschluß
statt liberaler Methode.) Entschluß =
Gottes Ratschluß er so den
Menschen über das Heidentum erhebend
aber erst recht mit Heidentum auch wirksam
macht, den christlichen Menschen auch im Verderb
stärker machen muß!

93

aus dem Werk des Entschlusses und Ratschlusses
aus dem Werden der Welt, der Erschaffung des
Stoffes machen die Ges. Menschen sich selber
in Geschichte zur bloßen Stoffentwicklung,
indem sie den Entschluß zur alleinigen
Form erheben und die Schnitte der Persönlich-
keit zur alleinigen Substanz der Geschichte,
so daß Persönlichkeit und Seele verloren geht.
das ist der getrübte, verstofflicht gewordene Verstand
die Quantitierung der Verzeitlichung, während Wille
Auflösung des Raums, Wille zur Verzeitlichung ist
Wille ohne Halteentschluß

Was ist also nun die Substanz der Geschichte,
das Verhalten in der Beziehung des Persönlichen
zum gesellschaftlichen unteren Entschluß.

94

Mittw 5. VII. 16 [Mittwoch, 5. Juli 1916]

Die 3 ersten Briefe:

Bitte der 1. Halt
Dank der 2. Halt

[rechter Rand:]
darum 4. Gebot und Gesellschaft
darum steht nach den ersten drei Geboten,
die Gott und die Substanz der Geschichte
enthalten 1. Gründung der Substanz, 2. Entfaltung,
3. Formung der Substanz, Liturgie
das 4. Gebot der Gesellschaftsgründung
11. VII. 16

Lob der 3. Halt
aber bei Kuppel Um-
kehr. Durch Dank sich
halten. So gibt
Gott Kraft.

Wie reich bin ich heut! Dem Willigen will
der Herrscher härter X {Erinnerung} aber Bürde süß!

Schalom: Aufwärts! Erst ging an mit Dank [???]
(für die Augen fühlte man es am deutlichsten und im Zimmer) [?]
Bitte um Dank für die Anschauung, damit dann die
Erfahrung menschlich nützbar, Wort mitteilbar wird.

33 Dichter als Zerteiler gegenüber Flaskamp des einen
schweren Punktes. Mitteilungsdrang.

Deutschland wird mit seiner Fähigkeit, alles in Wissenschaft zu
töten, jeden Entschluß zur Methode zu machen (und den schweren Punkt
falsch zu verteilen) der Verderb der Welt werden.

95

Donnerstag, 6. VII. 16 [Donnerstag, 6. Juli 1916]

Montag sehr heiß und vormitternacht ganzer Himmel voll Gewitter

Dienstag drückend bedeckt, schwühl, ungeheuerlich belastet
blutträg, Abendnachtgewitter

Mittwoch Regen sehr kalt. Donnerstag wieder etwas Aufhellung.

Donnerstag, 6. Naturverderbnis hat keine Ruhe, wenn nicht Leiden,
Leidensgefühl, Leidenswürdigkeit hat. Sich selber diese
Würdigkeit immer verschaffen durch Dankgefühl.
Nicht genügend Danken.

Samstag 8. [Samstag, 8. Juli 1916]

freier Tag, Ausflug nach Seefeld, Widdersberg,
Andechs, furchtbar heiß auf Heuwiesen und schwühl mit
Mückenplage in Wald Glockenblumen. Erdbeeren
Wallfahrer in Andechs. Gewitterabend

Sonntag, 9. [Sonntag, 9. Juli 1916]

Kriegsbeuteausstellung. sehr schwühl zum Wandern. [VR: übel werden]
diese Tage her immer schwühl ohne durch
Gewitter ganz gelöst

Montag, 10. VII. 16 [Montag, 10. Juli 1916]

Schwühl, Frühgewitter mit Regengüssen
Drückend ohne Entscheidung.

[Darf man es sagen: Wir wollen uns schwer werden.

Ob man Zeit befreien soll, ist eitel noch verkehrt.
denn, in Fleisch gewendet, befreit sie sich doch schuldhaft

96

Dienstag, 11. VII. 16 [Dienstag, 11. Juli 1916]

Nur eins
eigen wie das Mark des Beins
Knotung bleib es meines Seins

[mittig Strichzeichnung: Kelch mit Knauf]

[rechter Rand:]
cfr auch Ähnlichkeit
mit Mondsichel [Strichzeichnung: liegende Mondsichel]
Geduld Spanne tragend
womit immaculata
so Hand so bereit macht
was [VR: und] herrscht durch Fassen Knotung

die Briefe als Form in den 10 Geboten
Gedicht: Will sich endlich runden

[rechter Rand:]
Du hast viele Mittel
nur aus mir formt sich
alles allein, bis zur letzten Zier
überfällt mich heiße Pein

[Vergleiche: Tantum dic verbo, Durchs Fenster und Früher Gedanke]

Geduld unvertilglich
letzte Kraft

Knauf, Axe dieser Welt

Ist diese Geduld und Knoten das Nutzlose,
Geduld rein für sich darf nur Gott haben

Das ist Langmut

Erinnerung an Mutter ihre [? VR: nähere] Warnung: sich im Elend
auch noch zu versündigen, so daß man auch noch ewig
unglücklich wird!

Gedanke, ob in Christi Worten in Evangelien auch
Bekenntnisse; daß nämlich bei eigener
menschlicher Sprache immer Bekenntnis und Sprache als
Verraten von Kampf. Christus darf aber

97

und kann nicht Kampf dieser Art verraten, sondern nur in
Beziehung zur Gesellschaft <1> als Eigenbekenntnis.
wie dazu Ölberg „daß .. vorübergehe“, welcher
Kelch
, und „daß dein Glaube nicht wanke

Bekenntnisse wie Augustinus als gerade Gegenbilde
Gegengeschichte Christi. Daß darin [VR: cfr dazu] eben ihr starker Glaube
an Bestimmung, diese Antithese von Bekenntnis Persönlich
und Glaube dogmatisch, die sich fort<..> zum
Deutschtum, wo Glaube aber starr und aus dem
Persönl. Bekenntl. [?] das gesellschaftl Freiheitlich falsche wird.


Fortdauer der Schweren Kämpfe an der Somme
furchtbare plötzliche Vertiefungen und Fremdgestelltsein [?]
nicht faßbar.


Kampf-Abfall, Israel
kann sich in Zorn vor Gott um Ausdruck
vernichten. Nichts Menschliches mehr, keine
natürliche Markmenschweichheit, Mildigkeit mehr,
nur noch ausgespannt und starr, aber nur aus Zorn getrennt
mit Absicht
wie Kelchwände, Gott soll nun einfüllen.

98

sich in unnützer Wut verzehren, um den Ausdruck der
innersten Wahrheit und Echtheit ungedankt und nutzlos ver-
nichten.

Frage der Versäumnis: Nachholen und wenn dadurch
größer geworden, ist nicht Eigenschaft größer an sich, sondern
nur deutlicher im Einzelnen durch Verpflichtung,
Frage der Vermessenheit. Nicht die Eigenschaft
wächst, sondern nur die Verpflichtung zur Eigenschaftung,
das gibt, wenn immer mehr wächst, immer größere
Schwere, das gibt dann die Zeit und die Spannung,
die zeitlich gewordene Schwere und Verschränkung
zum Kelch in [VR: und] Eigenschaft. [Strichzeichnungen, liegender und stehender Kelch]

diese Art des Objektiven
das quadrat als gegebenes Maß der Berufung,
während aber das romantische Wesen der
Eigenzeit und Geschichte, diese fortwährende Bildung [?VR]
(und ausdehnung des Berufengegebenen [?VR]) das eigentl. Lebenswahre
ist und man alles dies bildend wieder verlassen soll, kummerlos als Ichseele
aufsteigen zum Ziel.

[daneben nachträglich am linken Rand]
Diese Erweiterung
erst am 15. VII. in
Erinnerung an
Gespräch
mit Scheler

99

Mittwoch, 12. VII. 16 [Mittwoch, 12. Juli 1916]

mit Dr. Scheler und Frau und C! in Neu Sezession
und Mittagessen in Schwab. Brauerei

Gespräch: ich für Schlegel und die romant Anschauung
gegen ihn, der das Romant für in Kunst Lit Musik
verschwommen hält und sich auf das Objektive ausgehend stützt
Ich: was ist das Objektive? Wir wollen nicht die End-
punkte oben und unten, die sind da, sondern die Gestaltung
dazwischen
, das ist das wahre, in sich und alles über-
gehende Leben, die romant. Form.34 Daß er bei von
außen hereinkommen auch alles falsche mitnähme, das nicht bis zur Mitte reiche
und zum Kern (Hasse) während umgekehrter weg aus Kern vordringen und wahre From dem
falschen auf eigenem Weg gar nicht begegnet. Freilich!
Ist das möglich? ganz und gar?

1. Gebot: Glaubensgestaltung, nicht Gl. Bewahrung
sondern: Gestaltung.

ihm gesagt: die Sache wird immer noch schwer werden gegenüber seinen
Fragen, wie er es am besten angehen solle;
{gesellschaftl methodisch beziehentlich; welchen Eindruck auch sehr stark macht} [VR]
er solle
es nur einfach in der Sache verfolgen, das andre werde sich
alles finden. Selbstbeobachtung [VR]: Charakter des Schalom, sich nur das Persönliche
angehen lassen, und das zu schwere werden lassen, alles andere finde
sich. Ist auch nicht richtig gehandelt im Namen des Rufes. Casp. will, ich soll über
Scheler [?VR] schreiben, Stellung nehmen und behalten. || Erde nützen

100

Ich zu Scheler über die moderne Triebzerfallene und über die wahre
geschichtl. zurückgelegte Demut (dabei beobachtet, daß in
der Mühe der Arbeit das Liegen Christi auf „Ölberg“ durch
die längere Arbeit noch weiter zurückgeht und so die
Arbeitsanstrengung was an Stärke des Gefühls gegenüber
meiner Skizze, wo Christgestalt ganz nach Form
gehoben, zu verlieren scheint an künstl. augen-
blicklicher Intensität und Wallung. Durch diese Arbeit
an Erfahrung und Gültigkeit in [VR: und] Dauer, Verant-
wortung und allg. Verpflichtung der Form gewinnt.)

Zu Scheler
„Sie haben eine Sache angefangen, die Ihnen noch schwer
werden wird.“ Gedanke und eigene Ergriffenheit: „Wer mich berührt“
Wer mein Blut trinkt [?VR]
Genuß, den laß ich nicht mehr los.
Kommunion
„Ich lasse Dich nicht, du segnest mich denn“
cfr. Caspar Bild, immer wieder Israel Ringen.

Schelers Streben, Kreis und Wirken in Art von Newman, Wirken
wollen in Beziehungen. Kreis, auch Geld und Erfolg, Gedanke und bitteres
Empfinden. Wo steht unsereiner doch so ausgestoßen.

101

Berühren und nicht mehr loslassen. cfr. dagegen Magdalene: Noli me
tangere
cfr. Caspar, diese Bilder früher. Das Noli me
tangere auch bei Uhde (Naturalismus) und Rembrandt.

Es fasst mich an, jetzt wird die Schale {Zeit} reif

Donnerstag, 13. VII. 16 [Donnerstag, 13. Juli 1916]

Morgenhelle wie Föhn vor Regen, Gewitterluft [? VR ~last] Hell licht. Lucifer.
auch hier wieder Form, die deckt und falsch beruhigt versöhnt.
die falsche Mittlerin. Weltform. falsche Madonna.

Freitag, 14. VII. 16 [Freitag, 14. Juli 1916]

Rückweg, In zu großer Zeitüberholung noch kein
Recht, so daß Fortbildung noch nicht Wert, sondern
das natürl. Wachsen allein in der Welt, wann
das Zurückgehen räumlich gemacht zu werden weiß,
dann erst die Arbeit der Zurückfestigung.
Natur verloren finden. Treue. Diese Lösung.
Lösungen, so einfach (nun gegenüber dem so eilenden Zeitproblem von Anfang
an<..> rührt die Seele wie Ankerlösung.

102

das Larmoyante im bloß Religiösen ohne Tatung
cfr Brentano Emmerich etc

Die Spanne der Eigenheit zu bestimmen, das ist
nun nötig, nicht nach Qualität, sondern nach Quantität.

Briefe über die Worte der Tafel (über die 10 Gebote
Brief über das 1. Wort der Tafel. Bild und Gegenbild

reclusa der Gebote
X
zu (immaculata der Worte) im unsern [?] Drama Pietà

[rechter Rand:]
geschnitztes Bild
innere Form der Gegenbildung
der Geschichte

1. Gebot
Ein Gott die einfachste

[rechter Rand:]
aus Gott und dem 1. Gebot
Stoff machen!

Quantitierung der reclusa aber außer der
Zeit und Gegenbildung, in der anfänglichsten Verschränkung
schon, im Dritten, das das Erste ist. Schon indem
ich es gesetzt glaube, so daß zwischen Gegenbild und Bild auch [VR: auf]
Form und Weg des Lebens, der romantischen Substanz als
ich [?] Erstes und letztes Gott liegt.35

103

Gesetz als einfachste und stärkste reclusa von Wort und
Lucifer, Stumm, laut; Lucifer auf Tafel und Relief
Gesetzschrift auf Tafel zugleich auch reclusa der
Gesellschaft; im Sinai <1> [VR: und] Unerlösten noch die
Gesellschaft in Erlösung im ganzen eingeschlossen
zugleich gesellschaft und Einzeln, zugleich Anschauung
und Erfahrung, geradheit der Verschränkung; Gott
in [?VR und?] Mensch, und einfachste Überreichung. So
doch auch gerade die Überreichung an Moses
direkt ohne Mittlertum ganz sinnenhaftig
und ganz natürlich.

[rechter Rand:]
3. Gebot [mit Pfeil auf letzten Abschnitt]

Gott keinen Vorwurf machen, wenn er
unser Sündenopfer für Gesellschaft
macht (zulässt) und annimmt.

[mit Pfeil auf linke Seite:]
Dies alles auf höherer kultureller Form als die heutige ist
cfr auch über Kirche hinaus die Hierarchie im Himmel.

104

Samstag, 15. VII. 16 [Samstag, 15. Juli 1916]

Kelch, Idee dieser Zeit als Umkehrung, Vermenschlichung
Verindividualisierung, Hingabe und Eigengebung der Kuppel
[Strichzeichnung: Kuppel und Kelch]

Wetter wahre Wolkenbrüche, gerade herunter
fallend regnend aus schwer schwarzen
Schwaden vor hell weißen dunstig nicht recht
getrennt und doch vielfahrend, auch hochformige [VR]
weißliche Wolken und blau dunstig-zart
durchschimmert aber triefend

Wie in der Welt mit der Quantitierung,
die immer mehr zur Auslese im Stoff mit
seiner Hilfe wird, verzeitlicht, Kapitalisieren
wird wird [?], die Erbarmungslosigkeit und die Unmystik
wachsen wird. Erbarmungslosigkeit als soziale
Gesetzgebung.

Sonntag, 16. VII. 16 [Sonntag, 16. Juli 1916]

Regnerisch und leichte schwühle Sonne
am Mittag. Essen in Schwab. Brauerei Neu. Sez. Ludwigskirche. Gedanke,
wie es doch schön, geistlicher Führer und Pfarrer zu sein. Nachts
noch Stendhal „Rom“ [Rome, Naples et Florence, 1817] gelesen.

105

das viele gese<..> Stoffliche darin, aber auf eine nicht gute Weise.

Wille:

[nachträglich zugefügt]
aus dem Willen zum Stofflichen kommen
aus der Liebe des sich am Stoff rechtfertigenden Willens. Eitelkeit

So ist es, wenn der Wille und wie kommt
der Wille zum Stoff, mehr zum Stofflichen als
zum Stoff, mehr zum Stofflich bezogen beziehent-
lichen, als zum Stoffanfang und Ende, mehr
durch Stoffbeziehung gesellschaftsbezüglich36,
als allein einiger Träger des Stofflichen,
Wille nicht genug Extremfern- und festhaltung [?VR];
diese muß er erst bekommen, Interesse und Freude an aller
Inhaltlichkeit und Bewegung der Welt, die der
Name
, die 1. Rufeigenschaft des Menschenseins
hat. Dank an den Namen, da von C. diese
Freude als Lebendigkeit bekommen, während aus mir
selbst die Natursehnsucht, die Geborenheit, nicht die Geworden-
heit)

106

[letztes Blatt, daher rechter Teil der linken Seite]

Kern dieses Gesprächs

Name sagt:
Die Gesellschaft entsteht
aus dem Willen
“, wenn Wille
nicht ganz und nicht durch Namen
und Reich, durch Stoffanfang und End
und durch Form romant Wirk-
lichkeit
gesättigt, dann nur
Gesellschaft, nicht der Einzelne
und sein Gegenbild, dann wird
die gegenwärtige vollkommene Eben-
bildung in Liturgie, dann wird
das III. Gebot als Form nicht mehr möglich.

cfr dazu den bornierten Aufsatz von Brauweiler [Heinz Brauweiler, Die Freimaurerei und der Weltkrieg, Hochland Jg. 13, 1916] im Hochland, August 1916 über Freimaurerei