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Konrad Weiß

Die König Heinrich-Ballade mit den deutschen Vorstimmen

Uraufführung Sender Leipzig 1936; Erstausgabe 1951 im Kösel-Verlag, München

Herausgeber dieses Digitalisats: Wilfried Käding

Ins Netz gestellt am 25. Juli 2016

Konrad Weiß: Die König Heinrich-Ballade mit den deutschen Vorstimmen

Die deutschen Vorstimmen

Stimmen:

Der Uralte

Die Jungfrau der Zeit

Der Knabe Sieger

Das ewige Kind

 

Der Uralte spricht:

Erhebt das Herz und seid euch ganz gegeben,

in Sturm gewandet ist jetzt Zeit zu leben.

 

So lebt dies Volk; es wirft noch seine Stäbe,

wie Runen selbst sich wahllos in das Feld

und sucht sein Bild; und muß mit schwerem Mute

wie Schrift mit Blut die Zauberrune stillen

und wächst unruhevoll und gleicht dem Kampf,

der bildlos steht; so fließt es allerwegen

und wird nicht Bild nicht Schrift, die sich erzählt,

und liest sich nicht, kein Auge glänzt entgegen.

 

Die Walstatt bleibt von Stimmen überflogen,

das Volk gibt Laut gleich unbekanntem Sturm

und knüpft die Todesnestel, drein zu binden

sein Herz, und schwindet heiß von dunkler Liebe

den hellen Mägden zu, die Mann für Mann

auflesend von der Schlacht den Zauber künden:

wo ankert Recht, wo ist das größre Volk?

 

So blitzt die Waffe, die den Zauber flicht.

Wann kommt in wildes Dunkel stetes Licht?

 

Der Blick des Kämpfers wird durch Zukunft mild.

 

Dein Auge hell, dem Himmel hell verwandt,

was sieht es blind noch, horcht und hört, und blinder

wie Himmel treibend um das Herz im Felde,

was schüttert es? So Frühling in dem Zweig,

so Macht, so Volk, so selbst sich zu erwählen,

nun Sage schweigt, es drängt in andres Licht

sein dunkles Wissen, ganz im Tod gefeit,

ein Blick, der in dem Schwert sich spiegelnd fängt

und kommt entgegen und wird lauter Blick

und greift umher und geht durch alles Land,

im Schwunge blind und sehend gleich in gleich,

und löst sich so und ankert Ort um Ort.

 

Was trägt sich hoch mit dieser schweren Wucht?

 

So bricht ein Frühling aus dem Winter auf,

ein Wesen tief vergraben in dem Baum,

verklammert halb Gesicht und halb Kristall.

 

So will das Licht den Streit, so hebt es an.

 

Noch knirscht im Holz der Blitz, des Schwertes Biß,

der wilde Wald will ganz zum Werkzeug werden,

die frühe Zeit erhebt ein Steingesicht.

 

Nun will sich Stein und Schwert zugleich befruchten,

schon glänzt das Licht aus Spur von vielen Spuren,

Kristall erbebt, es hebt sich Raum an Raum,

die Jungfrau dieser Zeit tritt zu dem Baum.

Die Jungfrau der Zeit spricht:

Du schlummerst noch, dein ganzes Wesen rührt

der Atem gleich und keine Regung ist

mehr als die andre und so gleicher Kraft

wie Stummheit, die noch alle Rätsel weiß.

Gewißheit ist dies für ein großes Leben.

 

Doch wirst du wachen, wachst du wankend auf

und bist wie Tau im Sinn und blickst wie Blätter,

so Überfluß, und so entblüht Gelenk,

daß andrer Traum dich nimmt, du gehst durch Lande,

wo keine Mutter ist, du bist der Fremde,

und Väter rufen nicht; o viele Erde,

o andrer Schlummer in dem großen Wachen,

wann wird der Traum zu viel? Sie aber, Erde,

je mehr du Rufer, wird sie still und trunken,

je mehr du nimmst von ihr, sie ruht in allem

zum Schmuck verdoppelt; und in Zukunft mündet

ihr Erbgang ohne Wissen, was da blutet.

Je mehr du willst, so darf die Erde trinken,

sie trinkt nur, was dein Herz ihr blutig schenkt.

 

Du aber bist der eine, ein und einer;

und wie ein andrer Sinn spricht alle Weite,

und einer nimmt, und dafür geben alle.

 

Wo ist ein Sinn so groß und der zurücknimmt,

was alle geben, und noch nicht genug?

 

Was alle geben, und aus einem schweigt

es um so stummer, Wort von einem Bilde

wie früher Zeit: so wird das Kindlein mächtig

und hebt den Anker und so wankt das Reich,

und wie — erbebst du selbst? — so wird die Größe,

die bebend in sich greift, durch Ohnmacht größer,

die wie ein Bild sich selbst aus sich entnimmt

und blind darauf blickt, ganz durch Ohnmacht mächtig,

und wie ein Kind getrennt wird von dem Vater,

und also liebst du und sie alle lieben,

so wird dein Reich, so wankend groß und schimmert

und kann sich nicht ermessen als im Kinde,

und wird die Erdzeit nicht von sich verschlungen.

 

So wird dein Sinn allein Kind einer Welt.

 

Doch dies ist Traum, er macht der Zeit ein Herz

mit schwerem Spiel; dann will, daß er es fasse,

dein Geist zum Ich, und im Erwachen wandelt

dein heller Garten sich in dunkle Erde.

 

Und die du liebst wie Blindheit, wo bin ich?

 

Und flieh ich fort, nicht fürder helle Magd,

wie du mir nachkommst, bin ich Flucht, ich rufe

und bin dem Echo selbst zum schweren Spiele

und kann nicht spielen, Sinn um Sinn wird hart

und schlägt sich selber, sammelt Neid im Lichte

und kehrt wie Irrsinn hin zum Wald der Sinne,

im dunklen Licht ein Blitz, du rufst Gericht,

ich bin getroffen wie der ganze Himmel,

wer wendet mich? Du folgst dem eignen Rufen

und wendest Spuren, hungrig drängt das Licht

und raubt, und Fremdling, nackt, geträumt am Wege, —

so trifft ein Pfeil das Herz, so wächst die Sonne, —

steht er vom Erbgang ab und schweigt ins Leere

und löst sich nicht und steht und ihm zur Seite

ein rankenloses Tier und eine Blume.

 

Und kein Gesicht kann sich zum andern kehren.

Erkenntnis schweigt, und diese Blume Erde

wird durch des Tieres Rachen weg getragen.

 

Aus Wäldern aber ruft der Wächter fort

und bläst zur Kette Ruf um Ruf des Hornes

und schlägt den Blitz und rafft und facht die Stimme:

»Fall nieder, Sturm, sei Echo wach und fahre

mit Macht lebendig, blas im stummen Feld,

im Zwang mit allem, was du horchst, beständig,

Feind einer Gegenwart und wo sie ankert,

und sei wie Flucht, die nichts als sich zu holen,

gleich Stamm an Stamm, den alle Zweige schlagen,

Geburt des Rufes wird und hetzt ihn stummer,

daß wie Zerstörung schwillt ein stilles Rasen.

 

Doch du im Blicke selbst wie Wald verrufen

und wie gegabelt ein Geweih der Sinne,

nun Echo spricht, noch will die Stimme fliehen,

'du kannst mehr Licht erwecken, mehr erschlagen,'

und Echo spricht, nun spricht der Wald es weiter,

'dich hat der Sinn im eignen Sturm geboren',

und Echo spricht, und jedes Wort wird Inblick,

'nun steht der Baum in Herz und Kern zerspalten,

und nimmt aus sich, und alle Blätter brausen,

ein krankes Licht und wird durch Dunkel mächtig,

und dicht wie Nacht, die Nacht wird nicht mehr dichter

vor Zukunft aller Nacht, kein Tier den Atem

kann vor dem Dunkel dein zu Hilfe rufen,

du Trieb der tiefen Nacht, du tiefe Nacht,

und saugt sich selbst hinweg, und alles wuchtet

und mehrt sich wie durch Tod und wächst unendlich,

so abgrundloser in ein Licht zu stürzen,

je mehr das dunkle Herz sein Selbst durchwaltet

und von sich abfällt, und nun wird ein Flüstern,

und das bist du, und sieh, du bist geschwistert',

und Echo spricht, 'so will sich selbst umarmen

ein Sein von dir', und spricht geschwistert schneller,

'und wie der Blitz mit seinem hellen Warten,

und wie dem Schwert sein Schein sich selber gattet,

ein Selbst erstirbt im andern Selbst verloren,

brich auf, du Laut, und wie von sich verraten

tritt die Gewalt aus dunkel-hellen Bildern

und rändert sich und wird zur lichten Flamme

und hängt wie Glocken rings im Bund der Winde

und wird ein Morgen um den Baum der Liebe'.

 

Noch steht die Magd hier und sie hält ihr Herz,

und du schwind hin, du langsam starres Licht!«

 

Ich bin die Magd im Angesicht verloren,

je mehr der Morgen sich vom Himmel wendet,

und bin doch Blick um Blick auf deinen Spuren.

 

Wie muß ich nah sein, blindes Licht im Schwerte,

und fließe ab und wieder bin ich Licht

und Raum und Inblick, alles ohne Mangel,

ich schwirrend vor dem Laut, ich Ruhm, ich Nachklang,

ich gebe Leben, wie mich Taten kehren,

und bin so ganz die gleiche helle Magd,

die ruft; und Recht gibt, wer den Ruf ihr gürtet,

und du und ich, so wird die Welt gebunden.

 

Und langsam heben sich die stummen Zeichen,

die uns begürten, und die Zeit beginnt.

Der Knabe Sieger spricht:

Was kommt zuvor und ist ein heller Laut?

Er kommt zuvor, und was beschützt mein Herz?

Es schwingt mich fort, ich rufe in den Schild,

komm her, du klirrst mit Lust, du eigner Klang!

O schönes Herz, nun weißt du, was mich schwingt,

in allem Liede ist ein höchster Ton,

dem hehrsten Laute gleich bin ich beschützt.

 

War einer sagend einst und sagte dies:

was kommt zuvor, was fängt die Jungfrau nicht?

Sie fängt doch alles, was im Himmel ruht,

und macht daraus ein Herz, — was fängt sie nicht?

Und sinnen mußte auch die helle Magd.

Da trat ein Kämpfer hart in harte Zeit

und schwang sein Schwert, und sieh, der höchste Ton,

worin ein Leben sich vom Leben trennt, —

o Kampf der Welt zum Himmel aufgezückt,

weil dies so hart und ohne Gleichnis ist, —

ist wieder Sonne, ist ihr erster Strahl;

so brach sie in die Nacht und erste Welt,

und alles schweigt zuletzt in diesem Licht.

 

Und wißt ihr dies, was unsre Herzen schwingt,

noch sprech ich mehr, noch faßt mich mehr Verlangen,

wie daß ich mit dem Helme fürder eile,

und Eile will ich, daß uns nicht bezwingt

ein andres Wort und fesselt Herz an Herz,

und nicht das helle Singen tiefer falle.

 

Und legt den Helm nicht ab des Windes Lied

den Morgen nur, so wird der Tag nicht laut

und eilt als Morgen ewig schön vorm Licht.

 

Ich fliege oben hin, ein Tropfen blitzt,

ich bin wie Schmerz vor Sieges heitrer Lust,

und Echo wächst um mich und Sang und Sang

und übermannt sich selbst; und also hört:

Das ewige Kind spricht:

Als Gott bei seiner Schöpfung war,

ein Engel flog darüber her,

er war ein Kind, flog überher

und trug an einem Schwerte schwer,

als Gott bei seiner Erde war.

 

Wo Gott die Blicke hingewandt,

empfing die Erde Spiegelchen,

das Kind mit seinem Schwert zur Hand

hielt es an beiden Bügelchen,

und senkrecht schien es überm Land.

 

Da fielen Tropfen blutig groß

in jeden Blick, in jeden Schoß,

wie Bäche in die Spiegelchen,

da wurden alle Spiegel blind

und bunt, daß sie nun Bilder sind.

 

So Tropfen viel, so Spiegel groß,

und öffnet Gott die Siegelchen,

so viel muß trinken jedes Kind.

Der Knabe Sieger spricht:

Wie Allmacht spricht es und, o großes Licht,

so muß ich sprechen, und nun will mein Herz:

«Dem Kind die Herrschaft«, dem ich Partner bin!

 

Und doch der Partner zehrt vom Blut des Partners

und saugt ihn weg und in den gleichen Helm,

und stürmend mit der Flamme wird er stumm.

 

Und jemand hat vorm ersten Licht geweint.

 

»Dem Kind die Herrschaft«, eile, alte Zeit,

daß unser Laut sich einer Flamme gleich

auf uns zurückschlägt und uns überhaucht,

und Hauch um Hauch den Hunger aus uns zehrt.

Dann glüht der Sieg und ist im Blute gut,

nun reich die Wange an das Kind der Welt!

 

Doch jemand hat vorm ersten Licht geweint.

Der Uralte spricht:

Und wer versteht dies ganz und er lebt selbst?

So wird die Magd allein, die helle Magd

allein, wie eine Träne doppelt blitzt,

von Licht und Nacht gespannt, und, daß sie blitzt

für alle sichtbar, ewig abwärts fällt.

Und innerst fällt, in Ohnmacht ganz verwirkt,

der Weisheit Kammer mit vom ersten Licht.

 

So weint ein Gott sich aus, der sich bekennt

zum Bild und gibt dem Bilde einen Tod

vom Selbst, daß ihn die Weisheit nur behält

wie eine Träne, die ihr Gleichnis ist.

 

Und all dies Gleichnis ist nun eine Magd.

 

Da fliegt er hin, des ersten Tages Ton,

da schwillt der Morgen wie ein junges Schwert

und reiht dem Tag zuvor der Bilder Band,

und eintritt ganz das jung gegangne Volk.

 

Dein Morgen aber ist so schön und rot,

weil eine Magd Vertrauen auf dich hat

und hat demütig treu dafür bezahlt.

Doch was sie zahlt, daß es nun doppelt blüht,

durch Licht und Nacht gespannt, wird unsre Schrift

und wird ein Sinn im Bild und schwer genug.

 

Was macht wie Weisheit mir ein schweres Herz?

Vor Morgen fiel ein Tropfen auf das Land.

 

 

 

 

 

Die Ballade von König Heinrich I.

Stimmen:

Der Leser

Der Sprecher

Die Hörer

 

 

Der Leser:

Erst ist die Lust des Sagens Schmerz

und Kampf gewesen,

dann muß des wackren Gegners Herz

vom Groll genesen

und läßt sein Recht dem rechten Mann,

so fing der alte Schreiber Thietmar an.

 

»Noch bin ich Kaiser, dann im Sterben

mit keinem Sohne,

Heinrich den Sachsen lasset erben

die deutsche Krone,

er war einst Feind, stützt nun das Haus,

nun folgt ihm Franken nach, er tritt voraus.«

 

Man tat nach Kaiser Konrads Worten,

er schloß sein Leben.

Die gute Saat ging auf nach Norden;

bald sah man schweben

von Fritzlar, die man trug, des Reiches Zeichen

vom Harz in alle Lande streichen.

 

Und wieder wird die Schrift ein Blatt,

voll Blut die Blätter.

Der Lesende wird nimmer satt

von Sieg und Retter.

Der ist gefeit und Feiung wird sein Teil,

der durchschlägt selbst der Nornen Seil.

Der Sprecher:

Der Hunger zu dem Geiste spricht,

die Zeit ist Flut und will Gesicht,

und sammelt sie zu Taten an,

so bricht der Sinn wie Weib an Mann,

dann steht des Reiches Inbild auf

und setzt sich groß in seinen Lauf.

Die Hörer:

Und wird ein Weg zuletzt doch lind

wie Schmuck und für ein eignes Kind.

Der Sprecher:

Das Harzgebirge schwer und stumm

wird nun Gewicht und wird ein Stern,

die Strahlen greifen um und um,

der König in des Reiches Kern

nimmt den Befehl in sein Gelenk

und laut wird alles Wehrgehenk.

Die Hörer:

Schlagt aus, ihr Strahlen, Stern sei fest

nach Osten, Süden, Nord und West!

Der Sprecher:

Ein See im Volk gen Ostenland,

sein Wasserspiegel blickte schwer

wie Blut und Asche drüber her,

dies deutet Kampf und wilde Hand;

Herr Heinrich schritt in seine Macht

und nahm den jungen Sieg in acht.

Die Hörer:

Der ist dem eignen Wesen gut,

der stets das Nah- und Nächste tut.

Der Sprecher:

Der Mund des Königs rief nach Süd,

als Schwaben sich ihm nicht bequemt

und Bayern noch auf Selbstschaft sann,

der Herzog ist des Königs Mann,

was eures Stammes ist, das nehmt,

doch macht des Königs Arm nicht müd!

Die Hörer:

Der läßt den Arm ins Feld gestellt,

wer Recht im deutschen Hause hält.

Der Sprecher:

Den reckt er jetzt nach Nordens Gaun,

da war das Schwert ein schwerer Strahl,

bei Lenzen war es eingekehrt

und pflügte über Pflügers Wahl

noch lange nordwärts, schwer und Schwert,

da sah die Elbe blutig taun.

Die Hörer:

Da sucht das Blut den frühen Gang,

woher der Stamm voreinst entsprang.

Der Sprecher:

Und als die Kraft nach Westen zielt

durch Kämpfe und ein fürstlich Pfand,

da war das Reich ein heller Stern.

Doch wißt ihr, war dies Ziel noch fern,

und daß ein Würfel blutig spielt,

er rollt noch mitten in das Land.

Die Hörer:

So sprich, du Mund, der blutig fließt,

so lang das Herz den Hunger speist.

Denn wie in Wolfes Rachen schießt

des Wassers Gier, ist unser Geist,

bis all sein Strömen sinnend kreist

und uns ein Wasser rings umschließt.

Der Leser:

Wird nun der Schrecken wiederum

durch alle schreiten?

Verödet ist das Land und stumm,

die Ungarn reiten.

Neun Jahre Frieden sind erkauft,

dann wird des Volkes ganze Wehr getauft.

 

»Man muß den ungemeßnen Sinn

mit Mauern gürten,

die lose Kampfkraft fließt dahin,

man muß sie bürden,

und Rosse schart man, wie man Mauern schart,

so wird ein deutsches Kampffeld neuer Art.«

 

So tat der König, wie er sprach,

so hieß er teilen,

der Bauer schlief, die Burg stand wach,

das Land zu heilen;

so wird das Volk zum eignen Sinn bestrebt,

das noch aus Ruf und Echo lebt.

Der Sprecher:

Was horcht ihr noch und tut nicht bald?

Schlagt Holz im Wald!

Dann kommt das Echo wie ein Gang

und nährt des Blutes eignen Sang.

 

Was stört ihr mit des Pfluges Lauf?

Grabt Stein herauf!

Dann steigt des Landes Angesicht

aus Grundspur in erhobnes Licht.

 

Wann seid ihr dies, daß ihr euch wählt

und selbst erzählt?

Bis ihr euch selbst im Antlitz tragt

wie eine treue helle Magd?

 

Bis ihr es hört, was um euch pocht,

und ihr vermocht,

für alle rings zu sein das Herz

und all sein Dasein innerwärts.

 

Daß euch die Augen nicht mehr sind

von Ferne blind,

Stirn gegen Stirne Mauern stellt

und meßt das Bild der eignen Welt!

Die Hörer:

Der Sinn wächst wie ein tapfrer Mann.

Wie es auf seiner Rüstung klirrt,

und wie das Pferd zum Pferd geschirrt

ihn hinträgt in dem starken Bann,

so fängt der Sinn zu glänzen an.

 

Ich fühl es, fühle ganz die Zeit,

wie noch ein Schrecknis uns umschreckt

und uns wie nackte Erde weckt;

doch dröhnend wird das Herz gefreit,

wie wenn ein Hufschlag Land entdeckt,

und wird wie eine Braut bereit.

 

So in die ganze Zeit geschickt,

wie Erde selbst in Rüstung tritt,

so wird die junge Braut erblickt

und bringt dem Sinn ein Wappen mit.

 

Uns wirkt der Sinn ein starkes Kleid,

und alles Wasser froh verstummt,

das uns umringt und rauscht und summt.

Der Leser:

So wuchs das Volk, bis daß es schwieg

von schweren Träumen,

der König Heinrich schlug den Sieg

wie Frucht von Bäumen,

und schlug den Würfel, den er blutig fand,

der Ungarn bei Riade aus dem Land.

 

Ein Schleifstein, der das Eisen schärft,

es blitzt im Volke,

wenn ihr des Herrschers Bild entwerft,

wie Sonn durch Wolke

im Lande Mauern blitzend schaut,

so hat er Mut und Sinn zugleich erbaut.

 

Die harte Zeit wird neu bestellt

von starker Klinge,

wie spät sind doch in aller Welt

die deutschen Dinge,

doch Burgen stehn wie Stirn von Stirn gespalten,

nun hallen Stimmen auf und Herzen walten.

Der Sprecher:

Schaut unser Blick Geschichte an,

so bricht der Sinn wie Weib an Mann

und schüttert, wie ein Vogelschwarm

das Herz umringt, so reich und arm,

 

und knospet schwerer ohne Ziel

und will doch mehr und will noch viel

und wird wie Tränen zwischen Tau

und doch wie eine starke Frau.

 

Man nennt ihn auch vom Vogelherd,

der König war wohl wild und zahm,

da fand er eine Fraue wert,

als er nach Herford freien kam.

 

Mathilde still mit Werk und Buch,

die Blume unter Nonnen hier,

empfangend ihres Herrn Besuch,

wie wuchs der roten Wangen Zier

 

und war zu Lilien doch erbleicht

der starken und der stillen Magd,

wie wenn der Jäger fängt und scheucht

die Vögel, der im Schlachtfeld jagt.

 

Mathilde wurde sein Gemahl,

sie war aus Widukinds Geschlecht,

und Heinrich hob der Sachsen Recht

zuhöchst mit Kindern dieser Wahl.

 

Doch wie sie ihm begegnet war,

blieb auch ihr Sinn gefangen schwer,

so oft er zog in blutger Schar,

da nahm sie einen Schild sich her,

 

und streute Futter in ihm hin,

die Vögel flogen nach der Hand

und Vögel ihr um Herz und Sinn,

bis sie den schweren Sinn gebannt.

 

Und kam auch jene andre Zeit,

da war ein Samstag und der Tod

lief König Heinrich zum Geleit,

tat zu Memleben ihm Gebot.

 

Da flutet still ihr Augenlicht,

doch stärker all der Sinngrund spielt,

das Buch, das sie in Händen hielt,

empfing das sinkende Gesicht.

 

Und da sie ihren Herrn begrub

zu Quedlinburg vor dem Altar,

so oft ihr Sinn zu quellen hub,

reicht sie den Vögeln Futter dar.

 

Bis sich das Herz gefangen gibt;

so wird die Welt im Blicke stumm

und kreist nur Wasser um und um,

das unser Auge nicht mehr trübt.

 

Und wieder als ein Samstag war,

ein Rüsttag allem schweren Sinn,

da trat sie aus der Frauen Schar

und starb zu König Heinrich hin.

 

Je mehr der Blick Geschichte schaut,

der Sinn wird immer mehr gewillt,

und immer jünger wird das Bild

und harrender die stille Braut.

 

So wird der Brautsinn aufgefrischt

durch Schwere, daß er nicht erlischt,

dann sinkt das Haupt ins Buch hinein

und langsam wird das Bild zu Stein.

Der Leser:

Was ist Geschichte, die ihn zieht

mit starken Netzen,

und muß doch, während daß er flieht,

den Sinn verletzen,

und Wasser rauscht und schlägt herein,

so wacht am Harz ein Sinnbild wie von Stein.

 

So schweigt der Sinn dem Bild vermählt

durch starke Pläne,

auf jedem Bilde unsrer Welt

ruht eine Träne,

doch will die Sinnschaft tapfer sein,

dann schluckt die Weisheit ihre Träne ein.