Konrad Weiß:
Konradin von Hohenstaufen
Ins Netz gestellt im Juli 2012
Erstausgabe: Leipzig 1938
Konradin von Hohenstaufen
Der junge Friedrich Herzog von Österreich, Markgraf von Baden
Der junge Konrad von Limpurg, aus dem Geschlecht der Reichsschenken
Der junge Eisoldsried, ein bayerischer Edler
Der alte Volkmar von Kemnaten
Herzog Ludwig II. der Strenge von Bayern
Königin Elisabeth, Konradins Mutter, Schwester Herzog
Ludwigs
Graf Meinhard von Görz und Tirol, zweiter Gemahl Elisabeths
Der Tannhäuser, am Hofe des Herzogs Ludwig
Eberhard Truchseß von Waldburg, Bischof von Konstanz
Berthold von Falkenstein, Abt von St. Gallen
Friedrich III. von Hohenzollern, Burggraf von Nürnberg
Rudolf von Hamburg
Ulrich I. von Wirtemberg
Heinrich Prinz von Kastilien
Guido von Montefeltro
Konrad Capece, Kämmerer Konradins in Sizilien
Graf Galvano Lancia
Der junge Galeotto Lancia
Graf Gerhard von Donoratico
Guido Novello, Haupt der tuscischen Ghibellinen
Konrad von Antiochien
Papst Klemens IV.
Karl von Anjou, König von Neapel und Sizilien
Robert von Bari
Der Marschall von Braiselve
Der Allfahrende
Die Blinde
Der Sprecher des Sinnspiels
Ein Bettelmönch
Ein weiterer Bettelmönch
Ein Sarazene
Ein Bote, eine Magd, ein französischer Ritter, Jäger, Wächter, Römer, Volk von Neapel, Bewaffnete
Die stummen Figuren des Sinnspiels
Gegend an einem deutschen Waldrand; der Wald ist links und bis in den Hintergrund
Zeit: Frühjahr 1266
Jagdhörner; der junge Friedrich von Österreich allein
Österreich
Offne Zeiten, frühes Jahr!
Will mein armes Herz im weiten
Felde reiten oder streiten,
singen und dann immerdar
Liebe leiden wie ein Mann!
Wann wird all der Winter gar?
Vogel, wann?
Sprich, du lieber Augenblick!
Will mit wonniglichen Schatten
Selbst die Sonne sich ermatten,
Schenke, Morgen, mir ein Stück
heut schon, daß ich leben kann!
Streit und Liebe geben Glück?
Vogel, wann? Morgen dann!
Stirb du, so der Jäger spricht,
Hinde, du ein Tier von vielen!
Also muß ich weiter zielen,
fröhlich sein und bin es nicht.
Jäger in dem großen Bann,
jage, Jäger, frage nicht!
Vogel, wann? Morgen dann! Immer wann?
Aus dem Walde stürmen, gefolgt von dem alten Volkmar von Kemnaten, und rufen als Echo
Der junge Konrad von Limpurg
Vogel, wann?
Der junge Eisoldsried
Morgen dann!
Konradin
mit dem Falken auf der Faust
Immer wann?
Österreich
Daß ihr die Dreizahl von euch nähmt und schweigt,
und jeder nur sich selbst behorcht! Dann gilt
das Echo auch nicht besser, als ich sang.
Denn jeder ist doch nur vom andren laut!
Der alte Kemnaten
Da, junger Eisoldsried und Knabe Limpurg,
hört ihr vom Wald des Unmuts laut und anders,
als euer Übermut hineingerufen!
Das junge Herz allein ist mißvergnügt,
es braucht die Mehrzahl, Mehrzahl hetzt den Sinn
zur Jagd ...
Konradin
Du mißvergnügt?
Österreich
Dich nehm ich aus,
mein Konradin, vom Echo schlechter Laune.
Limpurg
Ihn nimmt er aus!
Eisoldsried
Doch unsrem Ohr gilt alles!
So hilf mir, Knabe Limpurg, mich verdrießen,
dieweil dein Friedrich spricht mit Konradin!
Österreich
O wie du blühend warst, doch steinern tot!
Und da ich immer wie ein Trunkner rief,
war auch all Echo unbewegt und tot,
so hab ich diese Nacht von uns geträumt.
Ich rief und war doch ganz von Herzen stumm.
Konradin
Geträumt? Oh, was des Traumes Inhalt ist ...
Limpurg
Von uns?
Eisoldsried
Von euch?
Österreich
Von allen lieber nicht!
Genügsam sei die Zeit mit wenig Tod
und gebe Streit und Liebe dafür allen!
Doch seltsam trifft die Sonne heut mein Herz.
Konradin
Oh, was der Inhalt deines Traumes ist?
Von allen, Freunde, und dir, Friedrich, Freund,
ein Träumen schweren Inhalts träumt ich selbst,
doch glaub ich fast, daß es allein mich traf.
Eisoldsried
Von allen, also Kampf?
Limpurg
Ein fernes Land?
Österreich
Daß es allein dich traf?
Konradin
Ein Traum von Liebe.
Eisoldsried
O himmlisch Mißvergnügen, Traum zu sein ...
Limpurg
den man nicht wecken darf, damit er lebt,
und lebt er nicht mehr, der doch Worte hat,
noch Traum zu sein, den man umsonst erzählt.
Österreich
Oft ist ein Traum, wie wenn ein Vogel schreit.
Konradin
Nein, spottet nicht! Mir floß das ganze Herz,
und (zu Österreich) Mißvergnügen nicht, nein, Trauer fast,
wenn sie, mein Friedrich, Herz und Wort dir färben,
von Trauer bin ich sonderbar bewegt.
Eisoldsried
Ihr beide seid bewegt, ihr träumt bewegt.
Erzählt!
Limpurg
Und laßt den Tränen heitren Lauf
vor unsrem Ohr vom Traum! So läuft ein Bach
am Waldrand hin, er geht fast, daß er weint,
doch macht er uns, derweil wir horchend stehn,
das Wesen still und macht ein trocknes Herz,
und milde Sonne trinkt die Schatten weg.
Erzählt!
Eisoldsried
Erzählt!
Konradin
Nicht daß ich selber weinte.
Doch junges Jahr scheint oft wie überflossen
von einem Glück gleich Gram und will sich tränken
mit Überfluß, daß gleichwie mit Ertrinken
in sich dahin ein Bild sich sehend mündet,
ein Bild, als sei die Welt darin verloren,
und über allem Schönen muß man weinen.
Österreich
So fällt nun Regen bald auf junges Laub
und trinkt der Frühling sich ein volles Herz.
Gib, Konradin, uns deiner Liebe Bild,
wie es dich traf, da du schon wie verloren
ganz in dies Bild dahin dein Wesen gießest.
Noch will die Sonne kaum die Knospen ründen,
Sprich aus, was dieser Frühling will ...
Konradin
Nein, du,
du, Friedrich, geh den ersten Weg des Traumes!
Denn wohl, so fürcht ich, wollt ihr schwer mehr gehen,
wie wenn ein Regen, der die Feldung netzte
und dann zu viel tut und ist nur noch Regen,
den Weg bedeckt, so ich zuerst erzähle.
Mir fließt vor Augen leis ein Blut in Lüften.
Limpurg
Uns nicht! Der Frühling hat ein kaltes Herz,
und erste Regen müssen zornig sprühen,
da horcht man gern, und weiß zwar nichts zu horchen,
und läßt sich doch vom kalten Traum berühren.
Friedrich, erzähle!
Eisoldsried
Laß den Traum erwachen!
Österreich
Ich also! Doch ein wenig ungereimt
scheint plötzlich, daß ich auch den Falken sah
im Traum, er paßte doch zum Spiele nicht,
doch sah ich ihn auf deiner Faust wie jetzt,
nur nah und steil bei deinem Angesicht.
Den Falken wenn ich seh, wächst neu der Traum,
und alles Feld, vom Falken weit, wird blumig.
Konradin
Mein eignes Auge hebt sich blühend mit,
daß es den Bach vergißt, wo Traum ich trank,
ja, hohenstaufisch ist die Falknerei.
Österreich
Sei langsam froh, mein Freund! Ich bin nur halb,
indem ich es besinne, wieder froh,
was ich geträumt. Da war viel Heimat, viel
uns liebes Land - doch, was ihr horcht und schaut,
daß ich es sag, ich landlos Heimatloser,
der ich doch bin, was mag ich vor euch sprechen,
mir ist all Land und Heimat ohne Bild,
nur Wort im Traum, der schwer mit mir erwacht
und stößt mich aus ...
Konradin
Und doch bist du bei uns!
Und jeder von uns ist des andren Heimat.
Eisoldsried
So blick dich schnell noch um!
Limpurg
Und Heimat lächelt.
Österreich
Zwar trocken war mein Traum, kein Wasser floß,
da war ein Hügel, und ihr schient recht jung.
Eisoldsried
Hört, jung, und er, der seine Rede tut,
ihm rauscht ein Silberbart von alter Sonne.
Der alte Kemnaten
Rauscht euch die Zunge wie im jungen Gras
die Sense, so ist doch der Frühling noch
recht bartlos jung und reicht noch kaum zum Mähen.
Konradin
Daß er die Füllen in die Zügel schirrt,
das ist Kemnatens Amt. Doch, Freunde, höret!
Österreich
Wie Knaben wart ihr, Purzelbäume schlugt
ihr wacker, und der Hügel war recht steil,
Sehr hurtig gings hinab, mir scheint, ich war
dabei, und schneller gings hinab, als man
erzählt, und Sinn und Wille ging uns aus.
O Knaben ihr, ich sah die Glieder schlagen,
als ob ein Rad sich rollend selbst zerstört,
und wußte nicht mehr, wo ich war und ihr.
Doch plötzlich lag die Sonne überm Hang
so schräg und still, wie selbst wir alle lagen,
und waren nicht hinabgerollt und lagen,
zwar regellos und doch wie hingelegt
ein Stein jetzt da und dort, ein gleicher Stein,
als wären Steine dies so Grab für Grab,
und ich sah auf und war doch selbst ein Stein,
gleich allen ausgereckt, und sah mich selbst,
und sah, voll Blumen war der ganze Hang
und da und dort ein Stein von unsrem Bild.
Und ob auch Regung durch die Blumen ging,
war schwer auf mir die Zeit, ich atmet nicht,
doch war ein Nachklang in der Abendluft:
,Genügsam sei die Zeit mit wenig Tod!’
Obs rief mit einem Hauch, ob nur vom Tod,
da ich nicht Atem zog, ich weiß es nicht,
nur daß es rief: ‘Genügsam sei die Zeit!’
Und kaum, daß ich die Steine schrecklich sah,
rief ich mit Namen euch und war wie trunken
und fühlte doch den eignen Atem nicht,
da sah ich dich von Stein, mein Konradin,
und sah den Falken steil bei deinem Haupt,
ja beides nah sich zugetan im Stein.
Eisoldsried
Wen hast du noch erkannt?
Österreich
Von euch erkannt?
Wir waren alle, jeder gleich ein Stein,
gleich ausgestreckt und häuptlings an dem Berg,
den Falken aber hab ich wohl erkannt.
Konradin
Am Haupt den Falken, Herz zum Ohr gereiht,
So ist dein Traum, mein Friedrich, still und schön
Die Ahnen haben Stimmen wie im Flug,
und hohenstaufisch ist die Falknerei.
Der alte Kemnaten
O wohl, daß es euch anficht wie ein Lied ...
Konradin
im stillen Wald. Man sieht den Sänger nicht,
und daß man lebend geht, ist wie geträumt.
Limpurg
Die Sonne scheint, der Atem geht, die Luft
ist leer vom Winter, hungrig steht der Wald,
und kleine Blumen taumeln schon am Stamm.
Dann hebt sich Erde auf und fällt der Himmel
und wird mitinnen nichts als lauter Frühling.
Österreich
Vom Steine haucht es uns doch seltsam an.
Konradin
Drum laßt uns bald die Falken aufwärts werfen,
damit ihr Flug im hohen Raum geschwinder
uns mitnimmt und der kleinen Welt Entzweiung
in ihrer großen schwimmt, und wir sind glücklich.
Eisoldsried
Nun glücklich, Konradin, und trankst doch erst,
woran du fast uns mitzutrinken warntest,
von deinem Liebestraum an schwerer Neige?
Konradin
Du mahnst mich recht und hast wie Frühling auch
ein gierig Herz, wirfst in den Spiegel wieder,
den halb gestillten, einen neuen Stein,
und nun schwankt Ring um Ring und will erzählen.
Österreich
Ein Traum, der leise schmerzt, macht liebe Zeit.
Erzähl! - Doch halt! Ich seh, ein Bote kommt.
Der alte Kemnaten
Die Eile zeigt, daß er vom Herzog ist
und jetzt sein Ziel erkennt. Was will der Bote?
Der Bote des Herzogs, die Vorigen
Bote
Von Herzog Ludwig trag ich Dienst und Botschaft.
Österreich
Vom starken Herrn und Freund, von Herzog Ludwig,
für uns, die alles noch erwarten, Botschaft!
Bote
Der Gruß, den ich vom Herzog Ludwig bringe,
ist heute ganz verschwistert, soll ich sagen,
mit einem andren Gruß vom fernen Lande.
Die Ghibellinen schicken ihre Boten
und grüßen alle König Konradin.
Konradin
Wir melden Gegengruß den Ghibellinen.
Was bringst du noch?
Bote
Mit Herzog Ludwig ist
Gesandtschaft nahe. Vom Markgrafen Lancia
der junge Sohn ist vom Gebirge her
mit andren Edlen heut schon eingetroffen,
mit Herzog Ludwig ritt er gleich zur Jagd,
und Herzog Ludwig wird ihn hierher bringen.
Man muß den Falken auf der Beize locken,
so schloß der Herzog den gebotnen Gruß.
Konradin
Nun ist die Zeit des Wegs! Was wollt ihr noch,
daß wir im Traume sind? Die Falken fliegen
schon dem Gebirge zu, die Weile drängt
sich selbst hinweg! Du meldest, wo wir harren,
mit Dank und Gruß dem Herzog und den Edlen.
Du bist ein wackrer Bote.
Der Bote ab.
Freunde, Freunde!
Nun ist der Stein ins große Meer gefallen,
das diese Zeit und uns und alles trägt,
es schlägt die Ringe, daß sie mit uns schlagen.
Österreich
Schlagt aus mit uns, denn groß ist das Gestade!
Limpurg
Denkt nicht, ihr seid allein! Wir sind wie Wald,
und auch der Wald wird durch das Echo stolzer!
Der alte Kemnaten
Dies ist der feste Ort, und fester keiner,
als Gleiche wissen, deren Herz wir halten,
wenn bald die Hörner nahen und erschallen.
Konradin
So denk ich auch der Mutter und des Herzogs!
Und was wir lassen, hält uns um so fester.
Limpurg
Ein fester Ort hat oft ein schweres Gründen.
Das sind zehn Jahre jetzt, ihr wißt es. Leichter
blickt das Gesicht des strengen Ludwig heute,
weil er jetzt Fürstenfeld gegründet. Leichter
trägt er, weil ihm ein Sühneort hilft tragen,
die blinde Tat von damals.
Eisoldsried
Doch die Haare
sind damals weiß geworden und geblieben.
Man sieht an seinen Kopf und sieht das Zeichen,
daß er Maria von Brabant getötet.
Sie war unschuldig und war sein Gemahl.
Man sieht die Reue, und wie eine Nacht
ihm wütend aufgehellt den Sinn. Das zeigt
das weiße Haar und scheint oft hell wie wütend.
Mich schreckt es immer noch.
Österreich
Doch sonderbar,
daß eine schwere Tat auch Heimat will
und einen Ort, der trägt. Im fernen Land
wird Recht und Schuld in gleiches Nichts verweht.
Konradin
Nein, nein! Daß Recht und Schuld zur Größe wächst,
ist unsre Welt, und uns ist nur die Wahl,
ob wir in ihre große Waage steigen.
Dann schwingt sie immer stärker mit uns aus.
Dies ist ihr Ruf jetzt, wenn Herr Ludwig kommt.
Der alte Kemnaten
Der Ruf liegt lang und schwer auf unsrer Heimat.
Jagdhörner und Getöse im Walde, das sich wieder verliert
Eisoldsried
Hier brach ein Hirsch durch, kommt!
Konradin
Jetzt tötet nicht!
Heut ist der Atem noch so rein vom Blute.
Limpurg
Ja, diese Weile ist das Feld noch ruhig,
die uns gehört, die Weile unsrer Jugend.
Laßt uns beisammen so vor neuer Schwelle
den Traum von dir noch mit uns träumend alle
von dieser Stunde noch ein Erbe haben,
noch Konradin mit uns und dann ein andrer!
Konradin
Es war ein Traum, der Traum ist nun gewesen.
Limpurg
So wirst du ihn, als sei ein Herz vergessen,
ein totes Stück von dieser großen Stunde,
den Fremden bringen und den Freunden nehmen?
Eisoldsried
Dem Traum und uns ein königlicher Fremder!
Konradin
Den Traum den Fremden? Nein, so innig wissen
wir selbst uns kaum und tragen wie Verstörung
das Innerste von uns, und nicht vom Orte
der Heimat weicht es, wie wir dann auch wandern.
Was ist im Blut, um das wir sinnend kreisen
und das doch innerst fehlt, um was wir träumen,
und wie es fehlt, so groß ist unser Leben?
Dem großen Reich den Sinn! Ein Traum schläft innen!
Limpurg
Du bist uns, Konradin, was wir uns fehlen!
Uns fehlt dein Traum noch, daß wir alles lieben.
Österreich
Solang die Stunde noch sich selber sinnt,
gib meinem Traum durch deinen seinen Bruder
und beiden Träumen unsre gleiche Liebe!
Eisoldsried
Es ist nicht Jagd, gibt sie nicht Herz zu Herz
ein heißes Wild, denn Friedrichs Traum war kühl,
und fast ein wenig fror es in der Sonne.
Österreich
Du schaust uns an, als ob ein Sinn dich lähme,
und bist doch ganz bewegt von deinem Sinne,
und wir sind heute seltsam dürstend gierig.
Der alte Kemnaten
So macht unruhig Blut beredte Knaben,
weil schon die blinde Zukunft Tränke schüttet,
und jeder will sich geben und sich nehmen.
Konradin
Still
Durch diese Stunde ward mein Traum mir schwerer.
Laut zu Österreich
Erschrick nicht, daß ich nicht für dich erschrecke
und mich, wenn jetzt, daß unsrer Liebe Inbild
im Traume tot war, ich dir sage, Bruder!
Erschrick nicht vor der toten Schwester, Bruder,
durch einen Traum, der selbst uns sah im Tode!
Dies war mein ganzer Traum und seine Weile:
des Traumes Bild war tot, ja zweimal tot,
vom Halse blutend schwamm es still im Wasser.
Wie dies den Sinn betrifft und schwer ihm wird
vom Augenblick, daß so zu einer Stunde
im Bild geschieht und fließt und wird in sich
hineingebannt und quillt doch ohne Grenzen! –
Die Augen heb ich in das Bad der Luft.
Es war im Traum wie jetzt und doch vom Frühling
der Knospen viel zur Zärte schon gereift,
so daß der Blick wie durch ein offnes Fenster
vom Grün erschimmernd einem Regen gleicht,
der rings sich einhält und ist lauter Kühle.
Zur Kühle gelb und grün und hungrig satt
erheb ich diese Augen wie erwärmt
vom Traum der Nacht, und deren Stern doch dunkel
und wie gesäumt noch ist von leiser Röte.
Im grünen Schimmer läuft ein Wissen rot.
Es war nicht Regen, Regen war gewesen,
die Luft stand in dem Feld auf vielem Wasser,
wir gingen einen Weg an einem Orte,
wo auch ein Bach ging wie zu einer Mühle,
wir gingen da und dort und einzeln sprechend.
Doch ich – so schien mir, daß wir uns verloren
und ich allein war, – kam dem Bache näher
und ging auf einem Steg, wie man vom Holze
ein Wehr erbaut, ein Rinnsal abzuleiten,
davon erfloß das Wasser tief und gleicher,
und ich sah alles klar im klaren Bette.
Ihr wißt, wie dies im Traum ist. Unverwundert,
nur durch ein Schauen selbst und ohne Hoffnung,
weil es sich selbst nicht hilft, sah ich am Grunde
so in Gestalt auf einmal wie von immer
ein Mädchenbild bedeckt von allem Wasser,
und daß es das Gesicht nicht selber wandte
und daß es schwimmend hielt doch ganz am Orte.
Auch ruhig hielt, nur wie das Wasser wankte,
die Neigung des Gesichtes halb zur Seite.
So träumt man unverwundert; und doch Schrecken
war bei dem Bild. Ich sah von ihrem Haupte,
wo das Gesicht wie Liebe floß durch Wasser,
zu ihrem Hals und sah, da floß vom Blute,
als sei ein Sinn: ‘So hat man mich enthauptet’,
mir ganz entdeckt auf einmal, floß durch Wasser
ein Reifen um den Hals und voll vom Blute
und war der Puls des Lebens, floß und flockte
mit dem Gewand dahin und allen Gliedern,
beweglich schön im Bach, und war der Reifen
geöffnet vollends nicht, und schwamm so alles
mit Kopf und Leib am gleichen Ort das Mädchen.
So war mein Traum und war ein liebes Bild,
daß ich erschrecken muß, mit Liebe schauend.
Und so ich sah und so es selbst nicht rückte,
so wuchs mir Liebe zu und war mein Leben
mir ganz getrennt, der ich hier sah, nur sah:
so roter Reifen und so junger Hals,
und mit dem blonden Haar schwamm immer Blut,
und war vom Halse ringsum ausergossen,
so unaufhörlich, wie mein Auge sah.
Und mir war weggerückt mein eignes Leben
und hielt nur gleichsam sich noch an dem Bilde,
und war wie Grauen, das sich mußte halten.
Wie langes grünes Gras im Wasser hängt,
so schwamm ihr Haar und schwamm noch weiter Blut.
Wie Osterwasser zog mein ganzes Herz
im Schauen mit und lief vom eignen Blute
im gleichen Bach, er schien zu steigen, stieg
und schwamm dahin von selbst, doch klarer noch
hielt stets das Bild am Grund, der rote Reif
am Hals, das Haupt so ruhig gleich, und schwammen
die Glieder im Gewand und kaum bewegt.
Man sieht wohl einmal, daß man sinnend denkt,
wie eine Blume sich zum Himmel stellt
und wächst und hält. So weit kommt sie ins Licht
und ist beschlossen von der ganzen Stille,
die in der Sonne liegt, und wehrt sich auch
in Farbe strebend wie ein kleiner Schild.
So blühend in ihr Maß wehrt sich die Blume.
Auch Liebe will sich haben durch ihr Bild.
Doch dies war tot und floß am toten Ort,
und schildlos war es ganz dahingegeben.
Wenn dies den Sinn verletzt und schwer doch schläft,
ein Traum, ein Raub von allen jungen Sinnen,
und erbt sich fort und ist im Blick der Stunde,
ein Wesen stumm und tot, was wollt ihr erben?
Doch ich bin durch den Traum nun in Bewegung.
Österreich
Wie hat doch jede Stunde ihre Fülle,
so daß wir tief bewegt nur höher leben,
und wie im Fluge steigt das Herz bewegter,
ein Traum ist nur ein kleiner Ort im Sinne.
Konradin
Ist dies das Erbe, das nur wie Verletzung,
als müsse zu dem Bild, daß ich es liebe,
ich selber wie verwundet sprechen, Wort hat,
daß mich ein Bild in einen Willen nimmt,
ein Wesen gleich dem Schmerz, und will ein Tun,
dem ich doch mangeln muß, je mehr ich tue,
und was ich tue, bleibt im Spiegel still,
und wird nur stiller noch, je mehr ich tue?
So wird die Erde laut und wird zur Welt
wie um ein Bild, das erst in ihr getötet
nun raubt mit allen Sinnen, und wir treten
in unsre Welt zum Raub an stiller Erde.
Wir müssen rauben, daß die Sinne leben,
und auf der Welt ist nichts mehr dann, das sättigt.
Ist dies das Wissen nun, wie sich uns Jugend
im Herzen abtrennt, einer Pflicht gewärtig,
aus Traum in Sinn tritt wie in eine Wunde,
und sich in Zeit schickt, so im Wesen mündig?
Und will doch ungestört ein erstes Wesen
rein um den stillsten Preis und unverwundet
hinwallend leben bloß in einem Bilde
und sieht die Welt des ganzen Tuns wie Bilder,
die sich ihm unverzagt und immer neigen,
und liebt im Unbekannten ringsum alles.
Denn alles ist so voll von großer Liebe.
Was unsagbar wir wollen, fremd dem Worte,
was blinder wir erjagen, wund im Sinne,
daß sich der Mangel mehrt, durch den wir leben,
was ist dies alles und ist wie ein Weib?
Wenn Jugend aufbricht, muß sie stärker träumen.
Was ist dies alles? Doch im Spiegel tot
und um so lieblicher, so schwamm das Bild
und war nun unsrer Jugend letzte Stunde.
Man erbt nur, wie man fühlt und nicht kann sagen,
und stummes Tun muß uns mit Blindheit schlagen,
So wird die Erde reif und wird zur Welt!
Die Stunde aber reift zur neuen Stunde.
Eisoldsried
Das war ein Traum, der selber macht zum Wild
den Jäger, wenn er säumig wird und horcht.
Limpurg
Soll ich noch horchen, soll mit deiner Sprache,
uns Atem suchend und die Herzen lösend,
ich lauter sprechen und auf Echo horchen,
das zwiefach Rauschende der Zeit eratmend,
eratmend selbst das Herz der großen Lüfte?
Wie soll ich dich vollenden, Konradin?
Wir leben jetzt und sind dem Echo nahe.
Österreich
Wir haben einen Traum von langer Stille
nun abgeschlossen, und die Wunde selber,
die unser Leben war, sucht nun die Angel.
Wir rufen, rufen, Zeit ist im Beginne.
Wieder Jagdhörner im Walde
Eisoldsried
Wer mit uns Freund ist, tritt in unsren Bann.
Laßt sie nun kommen! Doch – da kommen andre!
Aus dem Walde kommen verschiedene Menschen eines Geißlerzuges gegen das Freie und gehen im Hintergrund über die Bühne. Unter ihnen treten auf der Allfahrende und die Blinde. Die Vorigen
Der Allfahrende
Noch außer der Szene
Ich rufe, rufe, sterben muß der Mann!
Limpurg
Was will der Zug? Der Wald ist in Verwirrung,
und die Verwirrung bricht heraus im Rufe.
Wer ruft?
Eisoldsried
Gewiß kein Fahrender der Minne!
Der Allfahrende
Jetzt sichtbar. Im Abstand folgt ihm die Blinde
Ich rufe Sterben, Sterben sag ich an!
Eisoldsried
Von Wesen scheint dem Tod er selber nahe.
So lauf du nur, du holst ihn endlich ein!
Limpurg
Doch folgt ein Weib ihm nach wie selbst das Leben.
Nur daß sie seltsam geht; und ihn zu finden,
läßt sie die Arme aus dem Walde reichen
und schlägt sie jetzt in Luft gleich stummen Stimmen.
Die Blinde
O liebes Gotteslicht, daß ich dich greife,
weil wieder mir des Waldes Wirrnis endet!
Und all mein Schritt geht auf Allfahrers Weg.
Der Allfahrende
Der Mann muß sterben, sterben Mann für Mann!
Bleibt, beim rechten Ausgang rückwärts angelangt, stehen, das Gesicht herwärts wendend
Die Blinde
Nun über die Mitte hinweg
Nie weiß ich, wo ich bin, nur daß ich gehe,
und nach dem Dunkel trifft mich wieder Licht.
Es lenkt mir Schritte, die ich doch nicht sehe,
die ich durch immer gleiches Horchen gehe,
und läßt mich Schatten sein und bleibt ein Licht,
es lenkt mir Schritte, daß ich immer gehe.
Limpurg
Sie dünkt vorm Licht sich Schatten, deren Bildnis
So voller Blüte ist wie nicht der Frühling.
Eisoldsried
Mich macht’ es anfangs lachen, doch nun nicht mehr.
Limpurg
Wer sind sie, jenes Volk und die sich beide,
so scheints, wie Macht und Ohnmacht angehören,
wie ein Befehl der Zeit und nun die Folge?
Die Macht schlägt an den Ruf, die Ohnmacht wandert,
genug zu tun, und muß die Spur vollenden.
So schlägt die Glocke hart und muß dann tönen.
Doch tönt ihr Wandel fort wie ungeschlagen
und zieht zuletzt, ein stummes Herz, im Raume.
Österreich
Wie du dies sagst, so trifft es, Freund, und schickt mich
— o harter Sinn und doch gewillt, zu beben
und so ein Sein im andren Sein zu enden —
auf selber Spur von Gang und wildem Schlagen
fast eines Schritts zu ihnen.
Eisoldsried
Laß dein Schreiten!
Was jene sind? Mir scheint, jetzt sind die Geißler,
die man wie Winterlaub im Lande hörte,
zu ihrem düstren Frühling auf den Wegen.
Dem Unheil fliehend bringen sie es selber.
Der alte Kemnaten
Um einen Fluch zu wenden, wandern viele
und brechen aus dem Raum in kranke Zeiten.
Österreich
Doch wie mit Glocken treibt es auch die Seelen
und teilt sie jammernd aus, und mitten schreitet
das ungewisse Los, so seltsam größer,
als sich sein Auge vom gewissen wendet.
Der Wald des Aufruhrs wird zum toten Felde,
die Größe aber rafft sich fühlend weiter.
Die Blinde
In Winden wehe ich mit meinen Händen,
die Füße treten weiter mir in Rufen,
und ganz aus Echo lebend ist mein Leben.
Die Luft schickt mir Gesicht. Doch fesselt nicht,
was Atem hat gleich Wangen und auf Wegen
die Orte flüchtig anrührt und mit Hauchen
die Herzen nicht ermißt; denn nicht ermißt
die Luft, die mit den Hauchen rührt, ein Herz.
Es fängt nur Hunger an zu allen Wesen,
und Wege gehen weiter, nirgends dicht.
Denn nur Gesicht kann binden Ort und Willen.
Gefühl des Weges ist mir all mein Wissen,
daß selbst der Aufenthalt erschrickt und spricht:
hier ist Geschöpf, weil von Geschöpf verlassen!
Wie durch Entblößung spür ich Luft vom Gange,
hält dann der Gänger ein, steh ich in Luft.
Mein Bei-mir-sein ist ziellos unermeßlich.
Das Wort geht ohne Bild nach allen Seiten.
Allfahrers Ruf, gib ihm Gewalt und Gang!
Konradin
Sie ist doch blind! Verstehe, Sinn der Sinne!
Was hier dem Auge schön wird, kommt von innen.
Nach außen schließen ab zwei stumme Schilde.
Die Blinde
Ich bin wie Mangel zwischen allen Wesen.
Wo Bild nicht Bild berührt, da atme ich.
Im Abstand gleich um gleich so muß ich leben
und Stimmen kennen, die im Winde schweben.
Sie wendet ihr Gesicht mit einem Rucke herwärts
Es saugt mich hin, und wie des Unheils Schwester
auf Antwort horcht, so muß ich Stimmen fragen:
Wo ist hier, die mir zugehört? Mein Herz
will ohne Wissen sein und nur sie wiegen!
Was willst du, Herz, und horchst auf den, der bald
die Zeiten blutig treibt und wird getrieben?
Nicht horche, Herz, sei nur in reinem Mute!
Konradin
Blind ist sie wie mein Falke in der Kappe,
doch, was sie spricht ist wie ein stiller Schrei.
Was ist, um das du horchst und sinnst im Herzen?
Die Blinde
Du hörst die Schwester, die dein Urteil siegelt:
‘Dem Fluche nahe muß der Sinn uns leben!’
Verstehe dieses Wort mit keinem Willen!
Wenn der Allfahrende sein Wissen wendet,
das Wissen ausbricht, das die Gänger haben,
wenn die Verwirrung kommt und wieder scheidet,
die Erde wechselt um in gleicher Helle.
Von Ding zu Ding besteht ein fester Wille.
Den muß die Zeit ermessen ihr zum Heile.
Doch da sie hingeht, weiß sie nicht zu folgen,
und was sie mißt, wird ewig ihr zum Mangel.
Da bricht der Gänger auf, und zwischen Rufen
folgt ihm die Schwester, die den Sinn besiegelt:
Laß los die Fessel, du bestimmt zu folgen!
Wer aber mitgeht, Sinn bei Sinn verloren,
der schreitet schutzlos, frei von Heil und Mangel.
Du Zeit, so ohne Bild und nur Vertrauen!
Die aber horcht, des Schicksals blinde Schwester,
geht unbetrüglich auf Allfahrers Weg.
Österreich
Darfst du hier warten und erfüllst den Ort
mit Klang von Wissen, das den Sinn nicht sättigt?
Die Blinde
Ich bin in Raum gestellt ein schwaches Wesen,
wenn ein Gewitter einfällt, muß ich zittern
und wähle doch den Weg, wo Donner warten.
Als ob ich einmal war, wo Zukunft mündet,
und nochmals geht mein Weg, so bin ich sicher.
Die blinde Ohnmacht schützt mich maßlos ewig.
Doch ihr, so euch noch Zeit die Erde lockert,
empfanget viel Gesicht von vielen Dingen!
Ich wünsch euch Glück. Will wer doch mit mir erben,
es ist ein Sinn wie Fluch auf unsrem Gang.
Konradin
Was treibt mich hin und will mit allen Sinnen,
was mich zurückhält, selbst mich vorwärts stürzen?
Als ob ein Wald mich schlüge, wird mein Wesen
und will mich blindlings ganz ins Freie heben,
der Falke lastet mit mir, statt zu fliegen.
Er beginnt den Falken zu lösen
Österreich, Limpurg, Eisoldsried
Was treibt sein Sinn?
Der alte Kemnaten
Des Falken Last!
Die Blinde
Der Falke!
Der eines Falken Last hat, diese Stimme
ist wie im Weg die Winde, die mich blößen.
Um mich zu hüllen, muß ich Worte sagen.
Umsonst ‘Wer hüllt mich?’ sag ich doch zum Winde,
denn spreche ich zum Winde, will er stürmen.
‘Wer hüllt mich?’ sage ich, ‘wo bist du, komm!’
Sie kehrt das Gesicht horchend halb nach dem Allfahrenden
Ein harter Wind geht durch die frühen Knospen.
Konradin
Kann ich noch sprechen? Ist nicht Sturm im Atem,
der mir gehört zur Antwort? Blindheit spricht
und hat Gesicht so tief, wie eines Raubes
der Himmel wartet, wenn die Falken stoßen.
So tief bin ich gestoßen, Raub und Himmel.
Die Blinde
Ich sehe nicht die Erde. Erde ist
die Wunde, die mich schmerzt. Gib mir den Falken!
Konradin
Was will ich geben, das ich selber bin?
Und jeder Sinn, der gibt, gleicht einer Kralle
des Vogels, der so blind ist, gleich wie du,
und der verletzt, nur weil er lebt, wie du!
Er nähert sich der Blinden; Jagdhörner; den Falken auf seinem ausgestreckten Arm trifft ein Pfeil
Österreich
Was ist das, was geschieht? Wie fiel der Falke?
Konradin
Zurück von meinem Arm! Wie kam der Pfeilschuß?
Nun fiel der blinde Falke tot zur Erde.
Alle um ihn
Wer tat den Schuß?
Jagdhörner näher
Der alte Kemnaten
Das Ziel war anderwärts.
Die Jagd kommt jetzt und bringt heran die Boten.
Limpurg
Sie haben sich vertan im frohen Jagen ...
Österreich
... und einen blinden Schmerz vorausgeschickt.
Konradin
So ist uns alles gleich und blind willkommen!
Die Blinde
Was an die Erde fällt, kann ich nicht sehen,
mein Blick geht in den Wind! Laß los die Fessel!
Der Allfahrende
Der Weg des Sagens trennt sich nicht vom Unheil.
Das Weib behält den Sinn, der Mann muß sterben.
Ich rufe, rufe, Sterben sag ich an!
Die Fahrenden ab, nahe Jagdhörner
Jäger kommen aus dem Walde; die Vorigen
Erster Jäger
Verdammter Wald! Wo floh die Hinde fort?
Rings ist kein Wild und plötzlich nur noch Stille?
Ich schoß.
Zweiter Jäger
Ich auch!
Dritter Jäger
Und ich!
Erster Jäger
Doch wie verklebt
sind meine Augen. Wer ist hier? Hier ist
der junge Herzog, und am Boden liegt
ein toter Falke. Wo ist Herzog Ludwig?
Jagdhörner; der Herzog Ludwig kommt seitlich im Hintergrund aus dem Walde, mit ihm der junge Lancia, der Tannhäuser und Gefolge
Herzog Ludwig
Die Jagd macht heiter, also fährt der Mut
durch dichten Wald, als ob davon mit Schallen
die Stämme brechen, und wie Zweig von Zweig
teilt sich das Leben aus, nach dem wir jagen.
Hier bin ich, Konradin, und kann zuerst
mich nennen, ohne Freunde zu verletzen
und ihre Würdigkeit, die heut als Fremde
die Krone bringen unsrem großen Stamme.
Dies hier ist Herzog Konrad, Herr von Schwaben.
Konradin
So steh zu mir, der Pfahl zum jungen Stamme,
so grüß ich dich, Herr Ludwig, Bayerns Herzog.
Herzog Ludwig
Du bist der Sohn von meiner Schwester, bist
des großen Hohenstaufen Friedrich Enkel,
dein Stamm steht wieder auf, hier ist der Bote!
Mein war die Macht der Sorge, dein wird Ehre,
die dieser bringt, der Bote ist Herr Lancia.
Und ich bin jetzt und künftig dir zur Seite.
Österreich, Limpurg, Eisoldsried
Wir grüßen Herzog Ludwig jetzt wie immer!
Konradin
Die Welfen sandten früher Botschaft, jetzt
die Gibellinen. Was ist hier Partei,
was großer Wille? Was sagt heut ihr Sprecher?
Der junge Lancia
Ich bin nicht Wort und bin nicht selbst, nur alles,
was in der Zukunft Schoß verborgen, nichts,
wenn sie uns niederschmettert, und doch alles,
wenn sie das große Reich erhebt, ein Leben,
das nichts und alles ist und will so leben,
So grüß ich König Konrad von Sizilien.
Konradin
Vergangenheit ist uns gemein gleich Boden,
den jeder nützt. Du aber sprichst allein ...
Der junge Lancia
Ich bin zuerst gekommen, Bessre folgen...
Konradin
Du sprichst allein und hast den künftgen Atem.
So grüßt sich unsre Jugend, und ich grüße
den Atem, den du hast; er ist wie Luft,
wenn unsre Falken stoßen. Und der Himmel
schickt heut dich mir wie Lust zu großem Schmerz.
Ein kleiner Schmerz traf schon zu deinem Kommen,
und — lächle nun, wie ich mit dir ihn teile:
hier liegt ein toter Falke, den ich hatte.
Herzog Ludwig
Was ist mit diesem Rest des Todes?
Konradin
Nichts,
wenn man ihn sieht, und doch wie ein Geschenk
von einer blinden Wahl, die uns im Geiste
zuteil wird wie ein ganzes Leben. Wisse,
nun grüßt sich unsre Jugend hier, Herr Lancia!
Der alte Kemnaten
Ein Pfeil hat sich verirrt und traf den Falken.
Konradin
Nein, lächelt nicht! Ich trete mit zwei Schritten
Zu diesem kleinen Opfer hier, ich möchte
ein liebstes Wort und ganz vom Tode sprechen.
Will nicht das Beste, was wir haben, nur
bewahrt sein, daß ein Tod da ist? Nein, wisset,
es ist das Bündnis so, das alle bindet:
dem Fluche nah und ganz in reinem Mute,
wie nur ein Tod das Beste will, verbrüdert,
so grüßt sich Herz zu Herz in blinder Wahl.
Als ob man einem Sinn zuvor schon Schmerz
und einem Schmerz zuvor das junge Blut
verschenken müsse, und kein Himmel weint,
so grüß ich, wo wir hinziehn, jenes Land.
Leicht fließt vom schweren Herzen unser Sagen,
wenn alles wie zerrissen aus uns quillt.
So steh ich hier, man darf nicht für mich beten,
ich bin im Bann, so ist mein Himmel offen
wie eines Falken Reich, hier ist nicht Alter,
nicht Heimat mehr, nicht Zeit, nur noch Entschluß.
Der Unbeschützteste ruht gleich der Erde
und kennt allein den ganzen großen Himmel.
Lancia
Ein dunkles Echo schwillt durch unsre Zeit.
Noch fließt das letzte Blut von Benevent,
wo Manfred fiel ...
Konradin
Er war ein Held. Und Glück
und Tapferkeit band er zu schneller Treue
und nahm die Krone stolz ...
Lancia
Doch sie fiel nicht,
als Manfred fiel. Von seinem dumpfen Fall
horcht aufgerüttelt bis ins Mark, das jetzt
noch mit uns jung ist, dies Geschlecht, ein dumpfes
Erbeben rückt bis in der Mütter Schoß:
wird denn die Welt nun sterben, weil sie jung ist?
Wird sie das Kaiserrecht in nichts begraben,
weil es so jung entwächst dem kalten Spiele
von Kräften, die nichts tun als sich vergleichen?
Es rüttelt in der Welt, und unvergleichbar
schwebt über deinem Haupt die eine Krone.
Konradin
So spricht das Herz sich frei und hebt sich hoch
im Wort, und also dankt ein Herz dem andren
mit einem Überflug.
Lancia
Ich will nur fliegen
in deinem weiten Raum ...
Konradin
... und also brechen
wir diesen Morgen ab wie einen Strauß
von frischen Blättern, die im Trieb noch wehen —
Denn Freunde sind doch wie ein froher Wald.
Auf seine Freunde zeigend
Dies sind die Freunde, dieser Herzog Friedrich
von Baden und von Österreich — und alle,
die du bald kennst, wir geben uns zusammen
als jungen Strauß in Herzog Ludwigs Hand.
Noch gibt der starke Freund dem Bunde Heimat.
Lancia
Zu den Freunden
Ich grüße euch mit meinem Dank.
Österreich
Wir füllen
den Dank zum Weiterschall in unsre Brust.
Wir sind so heiter, wie sich unsre Augen
vermehren und sich grüßen durch die euren.
Jetzt habt ihr hier die Heimat, wir dann eure.
Herzog Ludwig
Der Morgen bringt den Tag, der Tag die Zukunft,
und über dem Gebirge wartet beides.
‘Mit Vorbehalt des Rechts des Knaben Konrad’,
so sprach der Tag zum Tag, so lahm im Sinne
sprach Freund und Zeit, so ließ die Zeit sich lähmen.
Dies ist nun aus, das Recht beginnt, und also
gebt mir Geleit und kommt!
Während die Begleitung des Herzogs abgeht, tritt Tannhäuser vor zur Mitte und löst dem Falken am Boden Haube und Fessel
Was tust du noch,
Tannhäuser, mit dem Falken Konradins?
Österreich
Er tut dem Toten einen Dienst der Minne
zum Schlaf.
Herzog Ludwig
Spielt nicht mit Toten! Kommt!
Österreich, Limpurg, Eisoldsried, Lancia ab; Ludwig zögert noch
Konradin
So tust du mir zuvor, Tannhäuser!
Tannhäuser
Selbst
zu einem toten Vogel macht der Anblick
der Fessel mich, die nichts mehr fesselt. Hier
geb ich dem jungen Hohenstaufen, was ihm eignet,
die Fessel und die Kappe seines Falken.
Konradin
Du meinst, von einem fessellosen Reich
den Rest, geringes Ding ...
Tannhäuser
... die liebe Fessel,
woran ein Leben hängt, und blind und näher,
je mehr mit einem unbegrenzten Traume
man liebt und weiß nicht, was, und nur im Ruhme,
wenn groß und fern er aufsteht, wird das Herz
plötzlich erfahren sein von einer Liebe,
die unausweichlich war und blind geliebt,
und war ein schwerer Schlaf im eignen Wesen.
Konradin
Du meinst, dort sei ein Ruhm gleich einer Sonne
und hier ein Knabe, tragend einen Falken,
und plötzlich wird das Ziel einst sein, als ob
nur Anfang war und Ende und kein Leben.
Tannhäuser
Nimm diese Dinge, Herr, von dem Getreuen,
der nichts zu eigen hat und der sie gibt
dennoch wie ein Geschenk an dich! Von Dingen
wird unsres Wesens Blindheit fortgeleitet,
bis man wie Mangel kennt, was lebend ist.
Und immerfort sucht man dies blinde Wesen.
Konradin
O komm! Du weißt nicht, was du sprichst!
Herzog Ludwig
Ja, kommt!
Zeit dreht ihr Auge her und läuft schon fort.
Herzog Ludwig ab
Konradin
Du weißt nicht, was du zu mir sprichst!
Tannhäuser
Ich weiß,
daß Worte uns bewegen wie ein Leben
und daß wir zwischen Bild und Wort hinfahren,
die Fahrenden, die wissen um ein Reich
wie deines, Herr, wie Bild und blindes Wesen.
Konradin
Sei still mit Worten, laß den Schlaf mir blind!
Tannhäuser
Blind wie ein Traum ist alles, bis man wach wird,
und eine Fessel zieht uns durch die Erde.
Konradin
Wer sagt dir meinen halbverstörten Sinn?
Als ob nach einem Traum man atmend aufschluchzt,
So ist der Morgen jetzt, und daß man horcht
und hört doch nichts. Nur manchmal stößt das Herz,
wie wenn ein Bach geht über einen Stein,
uns plötzlich auf und wird ein schwerer Quell.
Und blinde Augen gehn durch starren Wald. —
So komm, und du, Kemnaten, Freund der Jugend!
Konradin mit Tannhäuser ab
Der alte Kemnaten
Der tote Falke braucht noch einen Ort
an einem Baum zurecht. — Nun weiß man doch,
was dieser Frühling will. Der kahle Wald
streckt harte Äste in die Luft wie Schrift.
Bald wird er voll Bewegung sein und Trieb.
Kemnaten hat den Falken an einen Baum gelegt und geht ab
Ort: Augsburg; Zeit: August 1267. Szene: ein romanischer Kreuzgang, es ist Nacht.
Vier Wächter kommen aus den vier Seiten des Kreuzgangs und treten vor gegen die Mitte seines Hofes
Erster Wächter
Vorne einwärts
Bald ist die stille Nacht vorbei.
Zweiter Wächter
Links
Der Traum hebt schon den dunklen Fuß.
Dritter Wächter
Hinten
Seid wachsam ohne Überdruß!
Vierter Wächter
Rechts
Der Hahn rückt sich zum Hahnenschrei.
Erster Wächter
Der Hahn rückt sich zum Hahnenschrei.
Zweiter Wächter
Seid wachsam ohne Überdruß!
Dritter Wächter
Der Traum hebt schon den dunklen Fuß.
Vierter Wächter
Bald ist die stille Nacht vorbei.
Die Wächter gehen zurück gegen ihre vier Seiten, und während die drei andren verschwinden, bleibt der vordere am Bühnenrande, fast in der Mitte herausgewandt stehen. Konradin und Friedrich von Österreich kommen aus dem Kreuzgang gegen die Mitte seines Hofes
Österreich
Die Nacht schweigt tief vor einem großen Tag.
Konradin
Was sagst du Nacht? So voller Stimmen ist
kein trunknes Herz wie sie, und du sagst Nacht!
Kein Laut ist um dich; doch nun willst du rufen,
noch lauter ruft sie selber. Hör! Sie wartet,
und ruft sie dann, wirst du ein Teil von Wissen
so voller Stimmen selbst, du kannst nicht atmen,
nur hören noch! Und so mein Schicksal fragen
will ich jetzt Nacht in Nacht, und du geh fort!
Österreich
Ich geh und bin allein und laß dich fragen.
Konradin
Allein? Allein nicht, Lieber! Gleicht die Lust
des Horchenden nicht gerne einem Schmerz!
Den Luftkreis will er ganz für sich vermehren,
daß alles horcht, und du allein, und ich
allein, und daß nun alles Mangel wird
im Hohl der Nacht! Und also muß sie sprechen.
Österreich
Du sprichst für sie und machst die Stille horchen.
Konradin
Daß alles Mangel wird! Nun spricht mein Leben
Zu mir wie Nacht und nimmt dem jungen König,
was hier ihm war, sein Heimatlied, und gibt ihm
das tiefe Hohl, allein muß er nun rufen.
Und du geh fort! Dies ist wie letzte Nacht,
und diese Nacht bringt mir den Wein der Heimat.
Österreich ab. Es ist jetzt ein häufiges Wetterleuchten
Nun bist du fort. Die Nacht schlägt wie mit Flügeln;
und loht der trockne Blitz, schlägt sie noch tiefer,
und kommt heran, ein Vogel groß und dunkel,
und wendet nicht, und ist unkennbar Nacht.
Fast selig ist der Raum, und fast vergessen,
was atmen will; und wie mit fernem Fauchen
das Wetter leuchtet, stirbt die Stimme jetzt,
und Ohnmacht schluckt an mir wie eine Flamme.
Die Heimat wird verbrannt in meinem Herzen.
Was setz ich ein, was ist die Macht der Welt?
Nun ist er fort. Und ringsum schläft ein Wissen
und leuchtet auf in Nacht wie matte Stirnen.
Was setz ich ein? Sprecht mir von Wahrheit, sprecht
im Schlafe, was ihr wißt, ihr strengen Horcher!
Die Blitze haben ihre Zeit und warten.
Du warte nicht, du junger König, nicht!
Was setz ich ein als dies: ‘Du warte nicht!’
Ich bin nun ganz allein: was ist mir Macht?
Was ist mir treue Welt, ihr stillen Horcher?
Ich bin so jung, tut euren Schlaf für mich!
Schlaft heut für mich mit laut bewegten Lippen!
Du warte nicht! Kein Laut schwebt in der Luft.
Nur leise rührt ein Vogel wohl am Stein
den dunklen Flügel, wo er schläft, und steckt
den kleinen Kopf sich näher an das Herz.
So bist du ganz allein, du junger König,
und rufst die echolose Nacht der Sterne.
Die Gestalt des Herzogs Ludwig ist plötzlich, vor dem Kreuzgang herausgetreten, sichtbar
Herzog Ludwig
Verstehe du: wer Taten treibt, hat Macht!
Verstehe nicht die Schwere, die ihn treibt!
Die Zunge wird vom schweren Schlafe wach
und rührt am Gaumen: was ist Macht der Welt?
Bring einen Hühnerhund zu seiner Spur,
er wird wie blind, er stöbert Wild auf, läuft
im steten Trab und schneller. So die Welt,
die aufgestöbert wird, bricht auf in Spur,
und Macht zieht hin auf ihr mit allen Sinnen.
Es läuft der Hund, sein Blick ist hilflos treu,
doch, was er aufstört, macht den Sinn verwirrt,
und böses Wesen haust auf allen Spuren.
Wer hat ein Recht, wenn er nicht mächtig ist,
und den, der Macht hat, zieht es in die Spur.
Konradin
Oheim, ein dunkles Wort hast du ersonnen!
Wohin in diesen Schatten tritt mein Recht?
Herzog Ludwig
Was einer tut, wird ihm sein hartes Wissen.
Das Recht ist stets allein und schuldlos treu.
Du fürchte nicht und laß mich jetzt hinweg —
der Mund der Nacht belauert unser Herz.
Mit den letzten Worten verschwindet die Gestalt Herzog Ludwigs
Konradin
Flieg über Finsternis so leicht wie Luft,
mein Sinn, und sei aus allen Spuren frei!
Dein Eigentum ist unbekanntes Land.
Nacht, steh mir bei, nichts mehr als dies zu wissen!
Vor dem finsteren Kreuzgang sieht man in ganzer Gestalt die Mutter Konradins, Königin Elisabeth
Konradins Mutter
Weil oft ein Wille mit uns spielt gleich Blinden
und dunkel mit uns fährt ...
Konradin
Das bist du, Mutter!
Du Stimme traut! Doch daß die beiden Augen
so dunkel sind, hab ich nicht gern. Auch sinnen
will nicht ein Sohn um seiner Mutter Worte.
Konradins Mutter
Ich bin mit dir im Sinn. Ich mußte träumen.
Ich hatte in der Hand ein weißes Licht.
Es war Kristall, gefügt von allen Seiten.
Ich sah, und sehend sog ich wie mit Augen
aus ihm ein Fließen. Als ein Tropfen Blut
schien es mir deutlich. Plötzlich kam ein Rauschen,
ein Vogel stieß heran, und den Kristall
sah ich, den er mir raubte, nun im Schnabel
wie Licht, als er davonflog, hochhin schimmern.
Und weiter flog er, und der Glanz des Steines
in seinem Schnabel wurde immer röter.
Dann flog der Vogel über das Gebirge
in einen blauen Raum hinweg. Und mir,
mir schien in meiner Hand ein Tropfen Blut.
Konradin
So trägt dein Sinn den Sohn. Und wie zwei Reiche
sind hier und dort vereint. Dies war mein Falke.
Konradins Mutter
Ein Wille, der oft mit uns spielt gleich Blinden,
macht schnellen Mut. Noch stärker zieht ein Schmerz,
den wir nicht kennen, fort durch unser Leben,
und unbeschreiblich ernst harrt aus die Erde.
Konradin
Wie lockt die ernste Erde, daß ich komme!
Konradins Mutter
Denk ich des Kinds, dem ich die Wange küßte,
denk ich, als küßte ich dein ganzes Haupt.
Konradins Mutter verschwindet schnell
Konradin
Du willst nicht, Mutter, bleiben noch? so ruhig
ist jetzt die Nacht, und stille steht die Zeit.
Der junge Lancia ist vor dem Kreuzgang erschienen
Der junge Lancia
Manfred ist tot ...
Konradin
Wie sprichst du hier, du Bote
vom fernen Land? Du sagst ein altes Wissen.
Der junge Lancia
Sein Tod war unbarmherzig ...
Neben ihm ist noch Friedrich von Österreich erschienen
Österreich
Die wir leben,
sind Bäume in der still bestimmten Nacht ...
Der Tag kennt die Gestalt, in der wir enden.
Konradin
Du, Friedrich, bist nicht fort, du willst belauschen,
was Wort und Antwort ist in dieser Nacht?
Österreich
Der Bach im Felde geht mit zweien Stimmen
in Nacht verloren hin und wird nicht stumm.
Ein dunkler Saum von Tönen ist sein Fließen.
Noch mehr fließt Zeit durch einen dunklen Rachen.
Wir sind im Fluß, und überall ist Antwort.
Österreich und Lancia verschwinden zusammen
Konradin
Durch dunklen Wesens Lauf verliert sich schnell
der junge Sinn. Doch was ist Macht der Welt?
Kehr stets auf mich zurück, du eines Auge,
du Wissen ohne Zeit, du Gang der Fülle,
die so mich einhält, daß ich wankend weiß:
ich bin beschlossen, wie ich dich erschließe!
Schon greifen alle ein, und keiner läßt,
was uns gehörig war und mit uns wuchs,
dies Recht bestehn mit unverstelltem Willen.
Denn jeder rechnet und will nur gelingen.
Und doch willst du nicht rechnen, junges Herz!
Du willst die Macht dem Sinn allein vertrauen?
Du hungerst nicht, du lebst im reinen Hauche
der Zeit. Und schon ist Feindschaft übermächtig.
Wer darf denn rechnen, wenn der Wille geht
gleich einem Strome um den Berg der Heimat?
Wer aber schlägt in Bann, bevor ich reife?
Bischof Eberhard von Konstanz ist vor dem Kreuzgang erschienen
Bischof von Konstanz
Man tut die Rechnung und man fragt nach Recht.
An einem Ort beginnst du deine Zeit,
und Ort für Ort hebt an ein gleiches Schreiten.
So kam das Reich in Gang. Als Leben bist
du in die Zeit gestückt, so schreite fort!
Ein großes Handeln mißt sich wie mit Mauern;
durch solches Handeln wird das Weltreich offen.
Die Zeit wird eingefangen Ort für Ort,
und jeder Ort hat Recht im gleichen Sinne.
Der Fluch beginnt, wo sich ein Herz mißtraut.
Konradin
Ich bin im Bann, mein Recht ist ausgeschlossen!
Bischof von Konstanz
Ich kann nicht richten, doch dem Gänger helfen.
Der Gänger aber geht mit blindem Willen.
Denn die Entscheidung bringt ihr eignes Recht,
und wo sie mangelt, ist kein Bau der Erde.
Während der Bischof verschwindet, ist der junge Lancia wieder erschienen
Der junge Lancia
Manfred ist tot. Voll Blut und ganz beraubt,
so lag er nackt in dem verlornen Feld.
Die Erde steht in Grün, und Blut ist rot.
Stets ging er grün gekleidet voller Hoffnung.
Von Frauenbildern lieblich war sein Hof,
und mancher sagte, wieder sei auf Erden
das Paradies gekommen. Blutig nackt
hing man den Leichnam über einen Esel
und trieb die Last und rief: ‘Wer kauft Manfred?’
Bei einer Brücke wurde er begraben.
Konradin
Du tust an unsre Sinne treulich Botschaft
und malst ein blutig Bild in diese Nacht.
Der junge Lancia
Es wird ein schwerer Sinn, der dieses sieht,
und treibt ihn doch wie Lust, um ganz zu leben.
Wie blüht doch dies Geschlecht und nimmt uns mit!
Wie trägt der Garten Frucht! Wie reift die Ernte,
je mehr sie sich im eignen Sinn verzehrt!
Die Macht ist schön, die ohne Zwecke blüht,
sie ist die höchste Frucht im Zaun der Welt.
In unsrem Lande hält er lieblich Hof,
der ewig junge Fürst der großen Erde.
O schöner Hof, o meines Landes Garten!
Doch außerm Zaun spielt stets ein Kind mit Knöchlein
und ist das Knäblein einer deutschen Mutter.
Der junge Lancia verschwindet
Konradin
Vertraut und fremd spricht dieser zu mir aus,
was Nacht nicht weiß und größer ist als Tage.
Denn Nacht weiß nichts von jener höchsten Frucht,
die hell genossen wird. Und hell vergehe
sie alle Tage wie ein starker Himmel!
Mit Himmeln möchte man die Erde zahlen.
Indes die Tage nehmen weg mit Neid
vom starken Himmel, was an ihnen mangelt,
und ist kein Himmel dann und sind nur Tage.
Und immer stellt der Sinn dem Himmel nach
durch Tag und Nacht mit mangelgleichen Zelten.
Du Himmelszelt, gib mir den hellsten Tag!
Tannhäuser ist vor dem Kreuzgang erschienen
Tannhäuser
Von seines Wunsches Größe überrascht
gleich einem Wort, das ohne Maß mehr ist,
als ob es Schuld sich wünsche, klopft das Herz.
Und dennoch tut ein blindes Maß uns not.
Drum wer da lebt und Lebens Sinn aufstört,
wer eine dunkle Stimme selbst beschwört,
von eines Reimers blindem Maße hört!
So geht der Reim und geht des Reimers Gang:
Ein Fahrender geht er von Bild zu Bild,
er spricht und horcht, als such er einen Weg
zu einem Ziel, von dem er Worte weiß,
und fremd ist doch das Ziel, nur Widerhall,
darin der Atmende sich selbst behorcht,
und weil er horcht, wird es ihm wieder stumm.
So geht er tastend hin, und immer zieht
er in der Richtung eines Mangels fort.
Und doch kein Ziel! Auch ist er nicht allein!
Als sei ihm eine Schwester in der Zeit,
die schläft und ist wie tot und wartet doch,
damit er spreche, Antwort gibt sie nicht,
doch spürt er ihren Atem durch die Luft,
als sei hier Wort und Lebenshauch und wach
ein Wesen, das nur reines Dasein ist.
Nun spricht er fort, nun fühlt er Hauch um Hauch,
als küsse ihn die Luft. Wie ist sie kühl,
wie nah das andre Sein! Ein Spiegel wird
das eigne Tun, er hält ihn an den Mund
der Schwester, die so Bild und wartend ist.
Er fühlt den Hauch und lebt. Nun lebt sie mit!
Das ist der helle Tag, die treue Welt!
Und nie doch Gegenwart! Nur Widerhall
gibt ihm die Worte, die er mangelnd spricht,
und bleibt durch reines Wesen blindes Maß.
Sie kennt ihn nicht, nur wie ihr Atem schlägt,
weiß er, der geht und irrt, mit tiefem Schmerz,
wie man den reinen Sinn der Welt behorcht.
Als sei geteilt die Welt im letzten Grund,
als sei, was lebt, in Schuld vor einem Bild,
So geht er hin und trägt des Reims Gesetz,
der Reimer selber immer unbehaust,
und trägt das Wort, das lebt, wie einen Fluch,
und trägt doch einer Treue blindes Maß,
und ist im Bild gewiß, je mehr er irrt.
Dies ist wie Fluch, und dies ist all sein Glück.
Ist nicht die Welt ein Reich aus Glück und Schmerz!
Und wer da fahrend ist, hat Schuld und wünscht
doch anders Recht nicht, wünscht den hellsten Tag,
worin all Leben ausgeliefert ist.
Und fürchtet nicht dies schwer und blinde Glück,
und möchte Gott um diesen Schmerz verraten.
Konradin
Du horchst in Zeit. Doch kaum daß Zeit uns weiß,
die wir noch jung von einer Mutter kommen,
setzt sie in unsren Nacken ihren Hauch,
und wie mit Tieres Atem stürmt das Leben.
Zu viele Freiheit handelt ohne Willen.
Du gehst für dich. Ich habe einen Weg.
Er eilt mit mir, wie uns das Tier verfolgt.
Doch Treue ist mein eingeschriebnes Recht.
Tannhäuser
Noch kennt euch nicht und holt schon ihren Zoll
die Zeit von euch. So holt des Reims Gesetz
zuletzt das Leben ein, und nichts mehr wartet.
O Sinn, o Schwester rein, soll man nicht knieen,
sobald ein Herz die letzte Richtung findet!
Den Anfang nicht, du gehst des Weges Ende.
Tannhäuser verschwindet; Morgenschein über dem Kreuzgang
Konradin
Im Dunkel geht mit uns der eigne Sinn
gleich einem Widerpart. Erwache, Herz,
daß uns nicht Nacht beraubt! Willkommen Tag!
O schöner Tag, du helle Macht der Welt!
Konradin geht ab. Die vier Wächter kommen wie zu Anfang
Erster Wächter
Der Himmel wird ein neues Zelt.
Zweiter Wächter
Ein blasser Stern schloß zu und auf.
Dritter Wächter
Nun glänzt das Zeitgespann im Lauf.
Vierter Wächter
Schließt auf den Sinn, geht aus in Welt!
Erster Wächter
Schließt auf den Sinn, geht aus in Welt!
Zweiter Wächter
Nun glänzt das Zeitgespann im Lauf.
Dritter Wächter
Ein blasser Stern schloß zu und auf.
Vierter Wächter
Der Himmel wird ein neues Zelt.
Ort: Augsburg. Zeit: Ende August 1267 vor Aufbruch des Zuges nach Italien.
Szene: Die Anhänger Konradins sind in einem dreistufigen (apsisartigen) Raume versammelt. Auf der oberen Stufe Herzog Ludwig, Graf Meinhard von Görz und Tirol, Bischof Eberhard von Konstanz, Abt Berthold von St. Gallen, Friedrich von Österreich, Konrad von Limpurg, Lancia, Friedrich von Hohenzollern, Rudolf von Habsburg, Ulrich von Wirtemberg, der Bischof von Augsburg und andere. Auf der mittleren Stufe Konradin, neben dem die Wappenfahne der Staufer aufgestellt ist; ihm gegenüber als Marschall der alte Kemnaten. Auf der unteren Stufe schwäbische und bayrische Edle, Heerführer und Ornatträger. Zwischen diesen in der Mitte zwei Bläser. Alle stehend. Signale der Bläser.
Kemnaten
Nochmals, wie man den Schild am Pfahl aufhängt
im Feld Ronkalien und zeigt die Zeichen
des festen Heerbanns, der dem König folgt,
nochmals, die ihr zu gleichem Sinn gewillt seid,
eh nun das Lager aufbricht, zählt die Kräfte
um einen Willen, prüft die Schilde, bindet,
eh das Gebirge überschritten wird,
was hier und dort ist unsres Willens. Nochmals!
Dann nicht mehr soll ein Sinn sich anders wenden!
Was nun begonnen wird, ist Werk der Jugend
durch den Verspruch der Zeit und reifen Alters.
Das Angefangene bewegt sich. Wisset:
Von dort her kam uns heute neue Botschaft.
Der König spricht jetzt.
Konradin
Eh der Bote eintritt,
vernehmt ein kurzes Wort aus meinem Denken.
Von Sinn und Recht und Macht zugleich gefördert,
traf unsrer Jugend Schritt zu eurer Mannheit.
Den Sinn wird Tat verschlingen, Recht wird Streit,
und Macht verrät uns, wenn wir viel sie achten.
Was bleibt, ist Gegenwart. Verzeiht mir, Freunde,
wenn diese Stunde mich in eurer Folgschaft
die große Ordnung Welt fast kalt läßt fühlen.
Ja wie ein wenig Frost! so trat der Knabe
durch euch in eine harte Zeit. Was gilt ihr?
Noch einmal gehts um Rat, und ihr sprecht nochmals.
Mein Ohr trifft jedes Wort. Doch sieht mein Auge
in jenem Land, wohin mit unsren Vätern
sie kämpfend kamen, Tausende von Kriegern.
Noch sind sie dort und wissen nicht die Zukunft.
Um Sinn, um Recht, um Macht, um treuen Anhang,
wir werden kommen, weil sie uns erwarten.
Kemnaten
Herr Bischof Eberhard von Konstanz, Vormund
des Königs, als er Kind gewesen, Spreche!
Bischof von Konstanz
Die Botschaft — nicht die erste! Seit dem Hoftag
im letzten Jahr drängt Botschaft und Entscheidung —
die Botschaft macht das Recht den Horchern stärker.
Jedoch ein Recht — so wird des Baums Gesetz
durch seinen Wuchs — braucht keinen lauten Fürsprech,
ein Recht wie dies, um das die Zeitschaft ankert.
Es weiß des Himmels Ort und muß ihn fassen.
Hier Konradin, Sohn Konrads, Sohnes Friedrichs,
des großen Friedrich, der zu vielem Leide
und doch gleichwie sein Ahne Friedrich Rotbart
aus ganzer Fülle Rechtens stieg und herrschte,
und der, ihr wißt, im Testament bestimmte,
Konrad sei Erbe, und nach wenig Jahren
war Konradin, das Kind, schon in der Erbschaft —
Recht war mit dieses Knaben Stern geboren.
Dies ist das erste. Mündig ist der Erbe.
Die Zeit ist da, des Rechtes Stern will wandern.
So Baum um Baum will gleichen Schritts hinschreiten,
des Gangs Gesetz zu bilden wie mit Pfeilern,
daß sich ein Sinn erfährt: nun schreitet Recht.
Dies ist das zweite. Nicht den Baum zu fällen,
nein, aus gefälltem Stamm das Haus zu bauen,
auf daß der Stamm durch Stamm sich riegelnd stehe,
so muß des Rechtes Wuchs sich sichtbar richten,
und hebt die Welt sich fort vom kleinen Grunde.
Dies ist das dritte. Schwer zwar ist zu gründen
dies dritte Recht, woraus das Reich entstanden.
Doch Baum und Haus und Stern, bis daß die Kunde,
das Wort von eines Himmels Kind drin wohnte,
das war bestimmt und mußte so sich bauen.
So baut sich Welt, so muß der Kaiser schreiten,
um Stern und Baum und Haus der Welt zu zeigen.
Und hat sich Recht in Sichtbarkeit verortet -
o Bau der Zeit so um das Kind der Weihnacht! —
dann kann des Himmels Magd im Rechte wohnen.
Nun tritt der junge Herr in seine Herrschaft.
Schwer ist das Recht, man muß es stark ertragen.
Graf Meinhard
Ich, Meinhard, Graf von Görz und von Tirol,
da mir durch mein Gemahl Elisabeth,
die seine Mutter, er mir wie ein Sohn ist,
für alle Worte, Konradin zu ehren,
dem Bischof dank ich, dankt durch mich die Mutter.
Wie wir gesonnen, mag Herr Ludwig sagen.
Herzog Ludwig
Den Raum des Daseins muß man doppelt nützen.
Wir wollen nicht, soviel das große Recht
den Sinn bereichert, Heimat drum verlieren.
Wir helfen zu dem Zug, nicht minder hilft,
wer Bürge bleibt, daß Heimat sich nicht ändert.
Ein Pfeil wird angesetzt an unsren Bogen,
wir stärken seinen Flug mit allem Willen.
Dann muß die Zukunft Zukunft selbst erschließen.
Österreich
Das war und ist des Gibellinen Wesen,
daß er auf Zeit vertraut wie auf Gericht.
Wir danken, ist der Zug uns nur gewiß,
und junges Wesen hat nur einfach Recht.
Herzog Ludwig
Soll nicht der Bote kommen, daß wir hören?
Kemnaten
Abt Berthold von Sankt Gallen nimmt die Rede.
Abt Berthold von St. Gallen
Vergönnt noch diese Frist! Wie einer Feier
sind wir dem Herzen zugewandt, eh alsbald
die Stimmen, schnell entflammt, im Kampfe schwellen.
Die Zeit scheint gut und anders als vor Jahren,
da noch des Kaisers Recht ein böser Anhang
mit Haß und Graun in jenem Land beschwerte.
Denn Ezzelin, der Wüterich, ist nicht mehr.
Und der Parteien Kampf, von selbst ermüdet,
mag sich nach heißem Sommer friedlich segnen.
Nun bricht der König auf und sieht Italien.
Wohl hängt der Fluch des Papstes wie Gewitter
im Weg, und neue Willkür kreuzt die Spuren,
die altes Herrscherrecht dort eingezeichnet.
Ein Wolf ist Karl von Anjou, weiter will er
den Sinn des Papstes Klemens wölfisch wenden.
Ach würde mild der Papst gleichwie sein Name!
Daß alles sich, wie sehr Gewitter drohen,
in einem weiten Raume herbstlich friedet,
wo Früchte fallen und dann golden liegen.
Doch jetzt ist Schicksalsruf. So war es immer,
und manchmal schien es, sei der Stamm verloren,
und stand dann höher auf der großen Erde,
der Stamm des großen Sinns und jungen Königs.
So war es und so sei es, sei es wieder!
Alle
Beifall und Ruf
So sei es, sei es, sei es, sei's! Hie Waibling!
Konradin
Wohl schnell wird Sinn und Herz, noch froh entzweit
von warmer Jugend, ganz mit einmal kalt,
wenn weitum Feind ist. Schneller jetzt und froh
geht beides auf dem groß und lieben Wort.
Wie tief man mich bedacht, so sag ich Dank. —
Der Botschaft ziemt nun unser weitres Tun.
Von Heinrich von Kastilien kommt der Bote.
Ein Fürst, den Feindschaft treibt in gleicher Richtung,
will mit uns Bündnis. Hört von ihm die Nachricht!
Signale der Bläser. Guido von Montefeltro kommt und steigt auf die Stufe zu Konradin
Kemnaten
Guido von Montefeltro ist der Bote,
empfanget ihn, ihr Herrn, er will euch grüßen!
Montefeltro
Gesandt von dem, der jetzt mit Anjou kämpft
und will, daß sich sein guter Haß verstärke,
von Heinrich von Kastilien bin ich Bote
an König Konradin und bringe Gruß
und biete an die Brüderschaft der Waffe.
Konradin
Willkommen ist die Botschaft und ihr Bringer.
Montefeltro
Dies ist der König, dieser, den sie spotten,
‘ein bloßer Knabe’, und den sie doch fürchten,
und ein Gerücht, ‘Schon da ist Konradin’,
als sei von kaltem Schwert ihr Spott gekitzelt,
trieb sie durch unser ganzes Land zu Paaren.
Drauf sah man sie, von Ängsten froh enttäuscht,
unmäßig lachen und wie Gänse schnattern.
Nun wieder zischt ihr Hals nach fremden Füßen.
Lancia
Dies freut mein Herz. Ich bin der junge Lancia.
So wacht mir auf mein Land, das Feldgeschrei
‘Hie Waibling’ und ‘Hie Konradin’ wird alle
wie Sturm zu einer schweren Wolke rufen.
Schon fährt sie hin, man fürchtet schon den Schatten.
Montefeltro
So hört noch dies — nein dies zuvor; denn furchtbar
kann jetzt die Zeit den Sinn mit Wut befallen,
sobald man hört und Scherz vergißt. So brach
der Anjou eine Burg am Arno. Töten
ließ er achthundert Gibellinen, alle.
Das Lachen fällt in Wut, Wut fällt in Lachen,
daß eines sich beschleunigt aus dem andren,
und keine Lust am Tod ist als nur Tötung,
und jeder fordert Rechnung und von jedem.
So mehr noch! Und mit Lust, die Gott nicht bändigt,
ja daß er sie noch schützt, tat einen Schwur
der von Kastilien: Beim Herzen Gottes,
einer muß fallen, Anjou oder ich!
So schwur er, und nun plant er, es zu halten.
Konradin
Friedrich von Östreich, sprich, um was ich sinne!
Österreich
Du sinnest, Konradin, wie sich dein Recht,
wenn wir mit Blut der Erde Glanz beschlagen,
gleichwie des Himmels hohe Ruhe breitet.
Und vor dem blauen Spiegel wirst du kämpfen.
Denn Gott im Himmel liebt Gerechtigkeit,
er schickt das Urteil, so spricht die Verlautung,
die du verfaßt hast gegen Karl von Anjou.
Konradin
Ich will das Urteil. Mehr noch! Wenn nicht Liebe,
ich will den klaren, reingebornen Willen,
und nicht vom Anjou, nein des Papstes Willen,
er soll die freie Seele mir nicht kränken,
mir nicht, nicht meiner Mutter; und dem Sinne,
der groß gewesen, soll er Rechnung geben.
Dies, öffentlich verlautbart, geht dem Heerzug
voraus, den wir beginnen. Kurze Worte
der ganzen Lautung soll der Marschall lesen.
Kemnaten
Liest.
Wie kann im Bann sein schon ein Kindgedanke?
Noch wächst und noch besinnt sich jung ein Leben.
Bestraft mit Bann, verfolgt in jedem Wort,
bedroht zum Tode ist sein Los von Anfang,
und muß den Weg doch gehn und Drohung klären.
Sag uns, wodurch wir dich zuerst verletzt,
Heiliger Vater, der nicht wie ein Vater,
nein, ein Stiefvater gegen uns du vorgehst?
Du müßtest es denn gleich schon einem Frevel
erachten und ein Recht dir daraus nehmen,
daß wir noch auf der Erde leben, Vater!
So sprach das Kind, der Knabe, spricht der Sohn.
Nun muß der Fürst es sprechen, nicht mehr Sohn bloß.
Die Ehrfurcht bleibt, doch Schwert spricht gegen Schwerter.
Alle
Beifall und Ruf
So sei es, sei es, sei es, sei's! Hie Waibling!
Kemnaten
Herr Bischof Eberhard von Konstanz spreche!
Bischof von Konstanz
Groß ist die Welt jetzt, und die Zeit scheint anders,
doch dieses Kampfes Sinn rückt stets noch weiter.
Wohl wich, was gegen uns gestanden, langsam.
Weg ist Wilhelm von Holland, Gegenkönig;
kaum zählt der Gegenkönig Richard Kornwall;
und der uns näher, Ottokar von Böhmen,
hält Frieden und trägt Kampfsinn gegen Preußen.
So heilt sich manches. Anderes wird schlimmer.
Und wie ein Frankreich ausgreift nach Italien
und neue Kämpfer steigen durch Gewalt,
so wird das Kaisertum von fremden Mächten
sinnlos und einem Raube gleich betastet.
Soll wieder schrecklich Zukunft sein wie vordem?
Wer schnell und einfach umkam, pries sich glücklich.
Soll immer mehr ein Haupt das andre hassen?
Die wir im Recht sind, schulden nicht die Folgen.
Groß ist die Welt jetzt, und die Zeit scheint anders,
und kaum ein Sinn greift alles noch im Raume.
Ein Weg geht von Jerusalem bis Preußen,
und deutsche Ritter sieht man neu im Kampfe.
Man sucht zu alter Mitte neue Grenzen,
und daß sich eins bewegt, bewegt sich alles.
Ein Weg ist eingebaut, den wir nun fahren,
von Schwaben bis Sizilien, ein König
von jungen Jahren hält des Weges Mitte.
Er muß des Papstes Heiligkeit entgegnen.
Ist dies das Stück, damit die Welt zu klammern?
Laßt mich zum Sinne durch ein Sinnbild sprechen!
Ich denke an das Kopfstück eines Pfeilers,
zwei Löwen gehen aus von zweien Seiten,
daß sie zusammenstoßen Kopf in Kopfe,
zwei Leiber münden aus in einen Rachen.
Und wo sie münden, ist des Pfeilers Kante.
Die Kante aber, Geist und Kraft des Baues
zu deuten, steht wie eines Schwertes Schärfe.
So stößt das Bild in eins, so spricht der Rachen:
hier, wo sich alles teilt, hier hält das Ganze!
Ein Leib für uns, sind wir der Teil des Rachens,
und ohne uns hält nicht die Welt des Sinnes.
Konradin
Du warst mein Vormund und du bringst mein Recht
zu Sinne vielmals besser, vielmals schwerer,
als ich vermag, und also will ich kämpfen.
Die Zeit ist da. Und auch dein Bild des Rachens
ist mir gewiß. Nun Kopf in Kopf gestoßen,
beginnt Gesetz und wird ein Spiel mit vielen,
die mir entgegen sind, gefletschten Rachen.
Daß unter ihrem Toben einer jagt
für mich — dich grüß ich bald, Prinz von Kastilien!
Wir grüßen kommend die italschen Freunde.
Lauter
Genug! Weil wie ein Fluch ist, einzukommen
in eignes Leben, wie ein Schrei nicht segnet,
ein Kind nicht weiß, ein Mann nur handelnd rechtet,
so pocht nun Blut. Und alsomit ertaube
das Ohr! So schlägt des Halses Ader
um eine wie noch unbezahlte Schuld.
Man hat nicht Zukunft anders als im Blute.
So spricht mir Zeit. Spricht eine jemals anders?
So spricht Geschlecht sich fort von End zu Ende.
Ist, daß die Rede nimmt, hier neu ein Name?
Kemnaten
Friedrich von Hohenzollern nimmt die Rede.
Friedrich von Hohenzollern
Die Spur, die auf uns zukommt, eh wir wissen,
was einmal wird, nimmt uns in ihre Pflicht.
Wir folgen ihr, daß wir den Gang verstehen.
‘Hie Waibling’ heißt die Hälfte einer Welt.
Konradin
Sehr laut
Genug! Wo unsre Schritte sind, da schüttert
die dunkle Erde, und wo unser Haupt
ein Licht sich wähnt, da wartet stumm der Himmel.
Mehr weiß ich nicht. Jetzt ist der große Himmel,
jetzt geht man fort. Ich will mich selber jagen,
bis wo der Hirsch mit allen Hunden wütet
in einem großen Garten schöner Dinge.
Mehr weiß ich nicht. Ist, wer versteht den Garten
und daß er Früchte finden will und viele?
Kemnaten
Rudolf von Habsburg nimmt die andre Rede.
Rudolf von Habsburg
In jenem Land ist des Granatbaums Apfel,
er hat ein Fleisch wie Blut und vielen Samen,
man kann ihn lang bewahren immer schöner.
Geschlecht folgt auf Geschlecht und muß ihn suchen.
Konradin
Sehr laut
Die Hälfte einer Welt und kaum mehr Heimat!
Was auf uns zukommt, mehr als jeder Name —
Geschlecht hebt sich hinweg, ein Mann steht auf,
ein jeder muß, daß man ihn kennt, bekommen,
und keiner wird für sich allein gelassen.
Brecht auf! Mehr weiß ich nicht. Doch nun geschehe,
was jeder tun muß. Heimat werde Ferne!
Limpurg
Du weißt, daß Heimat mit dir geht!
Konradin
Ja, Limpurg!
Ulrich von Wirtemberg
Auch tritt noch viel Geschlecht in deine Reihe,
das Nachbar ist dem großen Namen Schwaben.
Konradin
Ja, Wirtemberg! Wie klein war unsre Erde,
als Glanz ausging im Morgen meiner Ahnen.
Ich bin der Fahrende vom Hohen Staufen
in andres Land. Die Burg liegt hoch im Blauen.
Kemnaten
Beschließt nun, Herzog Ludwig und Graf Meinhard!
Herzog Ludwig
Blickt nicht mehr um, die Zahl ist klein, dafür
laßt uns die Zeit vermehren durch Entschluß!
Nehmt euch beim Wort! Durch Zeit wächst Niedertracht.
Was wir ihr abgewinnen, wächst für uns.
Graf Meinhard
Der Weg ist offen durch mein Land der Alpen,
und deine Mutter wird des Wegs dich grüßen.
Kemnaten
So ist nun ausgesprochen Wort und Wille
zum letzten Mal, und ist der Tagung Ende.
Sie will von manchem viel, von einem alles.
Und wer dem König treu ist, sorgt mit Treue,
daß alles wieder sich verteilt auf viele.
Und wer da mitgeht, geht bis an das Ende.
Nun ist der Weg gezeichnet, laß uns gehen!
Bischof von Konstanz
So wachse denn, je mehr sich Sonne findet
auf diesem Wege, auch der Schutz des Himmels!
Dies ist der Spruch des Bischofs für sein Mündel.
Alle
So sei es, sei es, sei es, sei's! Hie Waibling!
Trompeten und Glocken
Ort: eine Burg des Grafen von Tirol. Raum der Burghalle; die größere, durch einen etwas vorgezogenen Vorhang abgeteilte linke Seite hat links in der Mauer eine zweibogige romanische Fensteröffnung, in deren Nähe Tisch und Gestühl, und an der Rückwand eine Bank; die kleinere rechte Seite hat rechts hinten den Eingang, an den Wänden Waffen und Gerät. Konradin liegt schlafend auf der Bank. Eine Magd tritt durch den Eingang, mit ihr Konradins Mutter, Königin Elisabeth
Die Magd
Es ist ein großer Heerzug, Herrin; viele
sieht man das Tal herauf die Eisen tragen,
man sieht vom Berg her sie noch plötzlich blitzen,
dann sind sie weg, und wieder kommen andre.
Elisabeth
Und Konradin ist hier?
Die Magd
Ja, Herrin! Eben
als ich noch schaute, war im Hof Getrappel,
dann stand schon hier der König, und ich eilte
so schnell, zu rufen, daß ich nichts mehr hörte.
Elisabeth
Von langem Sehen war ich ganz verlassen
und mußte, da sie rief, erst Atem suchen. —
Soviel du sagst, das sah mein eignes Auge
und sank in Stille, und mir sank mein Sinn
in so viel Stille, war mein Ohr von Welt
so fern, daß ich kein Kommen mehr und kein
Willkommen mehr vernahm und dachte. Stille!
Warum noch jetzt die Stille? Noch kein Gruß?
Wo ist mein Sohn?
Die Magd
Hier stand er ganz in Eisen
und trug im Angesichte festgeschmiedet
den Sonnenglanz.
Um den Vorhang blickend
Nun liegt er dort!
Elisabeth
Er schläft,
auf einer Bank ein hingefällter Schläfer,
ein schneller Schläfer wie ein heißer Schnitter,
der, wenn in Kühlung tritt, zu süßem Schlafe
sein Auge brechen fühlt, unhemmbar sitzt
und liegt, daß alle Glieder ihm verfallen.
So schläft ein Kind nicht, so schläft schon der Mann,
der hart im Feld ist, und wenn Rast ihn zwingt,
hinweg vom Werke sich wie Erde austeilt,
in harter Wehr so schlafend und vertrauend.
Dies ist mein Sohn jetzt. Ob sein lieber Sinn
auch hart entfernt ist, also daß mir schläft
ein fremder Körper hier in dem Gemache?
Kann noch, die vor dir steht, dich innerst rufen?
Konradin
Im Schlafe
Nicht sprechen kann ich, strudelnd fängt den Gruß
die Kehle ab, und ich bin schwer wie Eisen.
Elisabeth
Er wird nicht wach, ihm will nicht Wachsein helfen.
Konradin
Und all dies Eisen trägt in deinen Schoß,
auf daß du sein Gewicht erfährst, dein Sohn,
und trägt daran schon viele Tage, Mutter!
Elisabeth
Sprich so nicht wach dich! Sinke tiefer weg
und komm aus süßem Schlafe neu erwachend!
Konradin
War ich nicht schon im Haus? In Hellung sehe
ich dennoch nichts, und meine Zunge spricht nicht,
und brennt mir nur mein Herz und kann nicht anders:
Du bist mein Mutterbild, Elisabeth!
Elisabeth
Laß viele Bilder um ihn wachen, Gott,
auf heller Erde!
Konradin
Erwachend
Mutter, hast du Schmerz,
weil du so träumend schaust und so mich aufweckst?
Wie war ich? Schlief ich denn?
Elisabeth
Du bist zu Hause
und hast geträumt. Nun grüßt dich deine Mutter ...
Die Magd setzt sich in der rechten Seite des Raumes
Konradin
Aufgestanden
...und hebt mir wunderbar mein ganzes Herz.
Ach Mutter, Königin, du hohe Frau,
verzeih, ich wachte plötzlich nicht mehr, sank
in taube Ohnmacht, war wie waffenlos
und hörte nur mich rufen deinen Namen.
Den Namen rief ich nie als Kind noch, Mutter!
Elisabeth
Von heißen Wegen kommst du Einkehr halten.
Konradin
Ja, ich bin hier, der weitre Weg ist dort,
und ich bin ausgeteilt, mich einzuholen.
Erst wenig Zeitraum hat mein Weg. Und doch,
als ob schon lange kein Gemach mehr mich
bis dieses jetzt umschloß, und du erschienst,
und dies das letzte sei und ich sei fort,
so stillt es mich. Und auch bin ich beredt,
wie Luft im Herbst den schönen Tag durchfächelt,
ihn doch nicht nahe bringt und alles liebt
durch weite Sicht und weit in Grenzen härtet,
bis einen größren Himmel trägt die Erde,
drin unsre Stimme leicht und ziellos schwindet.
So bin ich ohne Grenzen jetzt bei dir.
Elisabeth
Noch spiegelst du mein Kind, du tapfrer Sohn!
So hat das Kind Verlangen mehr als Willen,
und nah zu kommen, bringt es allen Himmel.
Konradin
O Mutter, nein! Man muß sich ganz verlieren.
Und viel muß man sich innerlich voraus
Verlangen wie ein blindes Wesen schicken,
daß es uns Eile macht, daß Wille schöpft
aus Eile Willen und aus Willen Eile,
um nachzukommen und genug zu tun
dem, was uns liebt. O blindes Leben! Mutter!
Ich will verloren sein in schnelles Leben.
Ein liebend Herz ruft uns in unsre Zeit
zur Eile, die uns Teil gibt, wie wir lieben.
So schnell bin ich jetzt hier, schnell wieder fort.
Elisabeth
Du wirst mich schmerzen, Kind, mit lieben Worten.
Konradin
Uns schmerzt ein lieber Tag, noch mehr zu lieben,
was er uns künftig aufgibt. Komm zum Fenster!
Sieh, wie der Heerzug stumm dahintreibt, Mutter!
Elisabeth
Soviel hier Welt vorbeigeht, wird mir fehlen
und wird als Mangel laut, wenn ich allein bin.
Konradin
Soviel hier durchzieht all mit jungen Freunden,
und wie dies lautlos ist, muß es uns stillen.
Ein solcher Weg gibt Schönheit allen Sinnen.
Dem Heimatlosen, dir, Friedrich von Östreich,
muß alles, was im Leben schön ist, gleichen,
daß alles uns umfängt und nichts mehr fesselt.
Elisabeth
Du schmerzest, Kind, mich!
Konradin
Mutter, sieh den Tag,
wie er zum Abend wird und nicht mehr gleitet,
nur in sein eignes trunknes Erbe schwindet.
Durchsichtig wird mir Welt und unverrückbar.
Ist sie durchsichtiger dem Vaterlosen?
Weil nämlich Grenzen gibt dem Sinn der Vater,
die Mutter aber kann das Herz nur binden.
Weil, wenn der Vater starb, wir uns wie Strahlen
aus ihres Herzens Glut allein versenden
und sind durchsichtiger und voll von Bildern,
so wie sich Welt, bevor in Nacht sie mündet
und ruft den Stern, im Abendlicht verschwendet.
O Mutter, hohe Frau, du erste Welt!
Getrennt durch die von Stein gesetzten Bogen,
so schauen wir jetzt gleichen Blicks in Zeit
und sind so zweisam jedes doch allein
gleich Ruf und Ruhe in dem Bild des Abends.
Der Ruf geht ganz hinweg, die Ruhe wartet.
Doch der von Stein gesetzte Doppelbogen
wird schneller dunkel sein, und er wird sagen:
Was undurchsichtig ist, läuft schon dahin.
Elisabeth
Du schmerzest, Kind, mich mit so fernen Blicken,
und sprichst schon jetzt, was ruhig ist vom Abend,
in Nacht hinweg, ich muß den Stern schon suchen.
Dort überm lichten Bergrand wird er glänzen.
Dort ist die Luft dann wie ein trockner Spiegel,
von Tränen nie erreicht, und dennoch zitternd.
Nein, meine Seele nur will zitternd schauen
hinüber, wo mein Sohn ist. Doch der Spiegel
weicht blaß hinweg, und meine Seele blasser
wohnt in dem hohen Stern auf dunkler Erde,
und kann nur Schmerz sein und sonst nichts erreichen.
Konradin
O Mutter! Dann ist alles ganz in Einheit,
wenn unser Wissen sich so innig sammelt,
daß es kein Ziel mehr hat. Und so schon jetzt!
Ist nicht der Himmel schon ein stiller Jubel?
Elisabeth
O Sohn! Du gehst durch Worte wie durch Schatten.
Bald steigt der Berge Rücken immer dunkler
und trennt dich von mir weg, der Doppelbogen,
der undurchsichtig steht und immer läuft.
Je mehr wir schauen, wird der Bogen stärker,
und Kraft verdoppelt sich, um Nein zu sagen
zu jedem stillen Leben, das noch waltet.
Noch ist das Reich um dich wie eine Mutter.
Schmerz aber wird, wo Recht anfängt und endet
und treibt ins Nein. Dort wird die Mutter hilflos.
Dort spiegelt Macht in Macht sich nur durch Schmerzen
und wird ein Recht im andren grausam deutlich.
Du gehst von einem Reiche in das andre,
mir bleibt Geheimnis dieses Sinns der Reiche.
Konradin
Nicht, Mutter! Laß jetzt Reich und Recht!
Elisabeth
Mein Sohn!
Wer trug sein Kind wie ich schon halb im Banne?
Im dunklen Bann ziehst du jetzt um dein Recht;
und kommst du näher, wird der Bannfluch schärfer.
Wie jung bist du, mein Kind, und willst dies tragen!
Konradin
Laß, Mutter, sieh nicht an den Vaterlosen
um sein ererbtes Recht, das jung ihn liefert!
Mit mir geht jung des alten Kampfs Bestimmung ...
Elisabeth
Der Vaterlose macht mir diesen Schmerz...
Konradin
...des Kampfs Bestimmung, wie die frohe Faust
den Falken trägt ...
Elisabeth
Den Falken trugt ihr immer.
Und nahmt ihr ihm die Haube, stieß er weiter,
als je ein Herrscher sah, ihr Hohenstaufen!
Kind meiner Wahl! Und dennoch nicht! Ich wollte
dir dennoch nicht abnehmen alle Fessel.
Schnell traf es dein Geschlecht, es starben viele.
Der Jüngste bist du, Letzte deines Stammes,
und ich auf deiner Spur, du Vaterloser,
bin weder ja noch nein; nur hier im Wege
steh ich, um diesen letzten auszuliefern,
sonst weder ja noch nein mehr meinem Kinde.
Wie lange schon! Du warst noch kaum zwei Jahre,
da starb dein junger Vater zu Lavello.
Mir gab die Zeit den Grafen von Tirol
zum Ehgemahl. Doch Königin zu heißen,
zwang mich allein schon Schmerz und der Gedanke,
daß ich des Stammes jüngste Knospe hüte
— nicht hüte, auch des Stammes nicht —, nur daß ich
ein jüngstes Leben aller Macht aussetzte,
die feindlich war, daß ich dem Feind ein Kind
entgegenbot. Es ist Gesetz des Lebens,
daß alles in sich eine Umkehr habe.
Doch du — ich weiß wie lange schon — hast keine.
Konradin
O Mutter, schau, wie Falkenflug in Zeit
sind wir gesetzt. Wie ein entsprungnes Roß
Berührung scheut, ist unser Sinn empfindlich.
Schau auf ein Kind, das immerzu nur geht.
Und dann sieh diese unhemmbare Welt,
die auf uns zukommt, wie wir tapfer eilen.
Doch du willst ja Gesetz, so hör Gesetz:
Je jünger aller Sinn wird, vaterloser,
er muß sich selbst nur immer überbieten,
je mehr schließt er die Welt wie eine Wunde.
Jugend ist gleichwie Schuld zu blinder Treue.
Elisabeth
Ein Sinn braucht Zeit, und eine Mutter braucht,
um von sich fort ein Kind zu lassen, Zeit.
Mag nun die Sonne still den Sinn begraben.
Nun bist du da, und nun soll dieser Abend
nichts mehr von eines Morgens Abschied wissen.
Du bist mein Gast, du kennst Graf Meinhards Tisch.
Noch ist er nicht zurück mit deinem Zuge?
Konradin
Graf Meinhard kommt zunächst und Herzog Ludwig.
Sie geben uns Begleitung eine Strecke,
dann zieht allein mein Zug in seines Staubes
heitrem Gewölke, es mit niemand teilend.
Elisabeth
So ruh dich nun, die Magd deckt uns den Tisch,
ich will dir dienen und den Abend lieben.
Die Magd geht Speise und Wein holen
Konradin
Ein Trunk nur, Mutter, soll es sein, den du
mir reichst!
Elisabeth
Ein Trunk nur? Einer? Länger wird
als diesen Augenblick der Abend nicht?
Konradin
Nein! Wenn zum Abschied sonst wohl von der Mutter
die Morgensichel wie ein Ungenügen
das Leben mit sich forttrug, diesmal soll
des Mondes Abendsichel golden scheinen
zu unsrem Abschied und soll in uns gießen
vom Überfluß des Lebens all Genügen.
So, Mutter, will ich Wein jetzt mit dir trinken.
Elisabeth
Bitter
So bring den Wein mir zu, wie schnell du tötest
das Herz der Mutter! Mir zerstürzt der Blick.
War ich nicht tapfer, da ich mit Beginn
des Herbstes täglich sah an das Gebirge
und sah es golden werden, sah es bleichen,
Zuletzt war es doch immer wie Gebein.
Es war ein Kreis um mich zerbrochner Kräfte.
Ich trinke denkend einer Totenliste.
Ein Wasser schwindet hin, und Land kommt nicht.
So steh ich jetzt. Neidvoll sind Gottes Rätsel.
Ich trinke bitter, meinen Blick verlierend.
Elisabeth trinkt aus dem Kelch, den ihr Konradin reicht
Konradin
Nun bist du groß in deinem dunklen Sinn
und stehst vor deiner Welt, du Mutterwesen!
So trinkst du unausweichlich Wahrheit. Kind
wird jeder Sinn vor dir und kann nicht sprechen
und nur in Gleiche trinken Wort und Ahnung.
Und nur Vertrauen kann dies Bild entkräften.
Bald bist du ganz in dein Gemach verschlossen,
du liebes Bild, das mir nur immer nachblickt.
Vertrauen wie ein trunkener Verrat
trägt mich ins Land des Weins und der Jungfrauen.
Ich trinke ein die atemlose Liebe.
Konradin nimmt von Elisabeth den Kelch; bevor er trinkt, faßt ihn Elisabeth an der Schulter
Elisabeth
Dies ist dein Abschied, laß mich nochmals sprechen!
Jäger gingen um im Wald.
Also lang die Jäger gingen,
als die Engel Blut auffingen,
Blut nicht jung und Blut nicht alt.
Schütz ihn, laß nicht fließen an,
Christ, tu seinem Blute Halt!
Immer dann!
Konradin trinkt, gibt den Kelch der Mutter und geht
Elisabeth
Engel um sein Leben gingen.
Ort: Rom. Zeit: nach Konradins Einzug (24. Juli 1268), ein schöner Vormittag.
Szene: eine Säulenhalle mit anschließenden Lauben an der Straße; hinter der Halle ein offener Hof; rechts in der Halle zum Laubengang hin ein runder Brunnen; an dem Brunnen römisches Volk
Stimmen
Die Deutschen sieht man kommen hier des Weges.
Erster Römer
Schnell! Kommt doch schnell und seht das deutsche Lamm!
Zweiter Römer
Wieso dies Wort?
Erster Römer
Weil seine Heiligkeit
es wie ein Glaubenswort versichert hat,
daß dieser Jüngling dort, der deutsche König,
gleich einem Lamm zur Schlachtbank von Nichtswürdigen
geführt wird.
Zweiter Römer
Still, du Unglücksmaul, gib Obacht,
daß du nicht selbst ein Lamm wirst, das geführt wird!
Heiß ist die Luft, du sitzest bald im Schatten.
Dritter Römer
Nun sind es schon drei Wölfe für ein Lämmlein.
Zweiter Römer
Wieso?
Erster Römer
Gewiß, Rom heißt das Lämmlein.
Dritter Römer
Drei!
Seit gestern sind es drei. Zuerst der Anjou!
Ihr wißt, daß am Gründonnerstag der Papst
das deutsche Kind auf alle Art gebannt hat,
und dann der Anjou schnell mit diesem Vorteil
in unsre Hürde brach, Anjou der Wolf.
Noch nachts biß ihn hinaus — viel Blut lag morgens —
Prinz Heinrich von Kastilien, der Senator.
Seit einem Jahr Senator! Was will dieser?
Was gilt ihm Rom? Ein Wolf ist der Kastilier!
Das ist der zweite. Und nun kommt der Jüngling,
wölfisch gehegt im Nest der Ghibellinen.
Was bringt der Deutsche wieder, wenn nicht Unglück?
Zweiter Römer
Doch viele unsrer Erde sind mit diesem.
Erster Römer
Mit jungen Deutschen alte Italiener,
da wird die Mischung besser nicht, nur schärfer,
die alte Wölfin säugt nur immer Wölflein.
Vierter Römer
Seltsam ist Rom und ungewiß vermischt.
Doch still, der Tag ist schön. Und mit den Tapfren
wird er noch schöner. Sie sind schnell willkommen.
Erster Römer
Man sieht das deutsche Lamm!
Vierter Römer
Still doch! Der Jüngste
ist Konradin, der König.
Eine Römerin
Gott bewahre
ihn vor dem Fleischerhunde Anjou. Sechzehn
errötend junge Jahre bringt der König.
Alle Stimmen
Es lebe Konradin, der junge König!...
Konradin kommt von links mit vielen Begleitern, darunter Friedrich von Österreich, Limpurg, der königliche Kämmerer Konrad Capece, Galvano Lancia mit dem jungen Lancia, Konrad von Antiochien und Guido Novello, Haupt der tuscischen Ghibellinen. Fast gleichzeitig kommt von rechts Heinrich von Kastilien mit Begleitern, darunter Guido von Montefeltro
Kastilien
Wie findet ihr das Heute? Frohen Tag
wünsch ich dir, König Konrad, und euch allen.
Dies ist ein froher Tag der Ghibellinen.
Österreich
Als ob man satt, bevor man aß, und niemals
uns doch die Welt ersättige, so ist
für unser Dasein in zu großes Licht
gefaßt das Himmelsblau, wir suchen Schatten
im kleinren Raum, und seltsam uns entfremdet
sehn wir uns an und feiern unser Leben.
Kastilien
Schön sagst du, wie du fühlst, Friedrich von Östreich.
Und das ist Rom. Das große heiße Licht
ersättigt nicht. Doch fort vom kleinen Ort,
wo man im Schatten lebt bloß füreinander,
zieht uns der heiße Tag hier unersättlich.
Da hat ein jeder Recht und keiner Schatten.
Rom gleicht der elften Stunde vor dem Mittag:
nach immer größrem Mittag muß man hungern.
So ist die Stadt hier; das ist unsre Stunde.
Konradin
Prinz Heinrich, trage stets dein heißes Herz
im schweren Panzer!
Kastilien
Wie, mein König Konrad?
Konradin
Wenn unser Himmel heiß wie ein Gewitter
den Strahl bereit macht, muß das Herz erkalten
und muß mit Furcht die schwere Stunde lieben
und mit dem Schwert, das tötet, eine Rose
noch zwischen Heil und Unheil aufwärts schicken.
Und Herz und Sinn im gleichen schweren Panzer
tut alles ruhig und wie ohne Willen.
Kastilien
Ich muß dich lieben, König; nie noch hörte
ich Worte sprechen solchen deutschen Sinnes.
Konradin
Nicht so, Prinz Heinrich! Wohl ist mir die Stunde
wie eine Rose jetzt, mit dir zu leben.
Doch ruhig bin ich nicht. Rom ist wie Mangel
in meinem Sinn und will sich noch nicht schließen.
Wir hingeschrieben zwischen Licht und Schatten
in ein Gesetz, daß wir die Welt berühren,
wir müssen Sinn und Welt auf einmal suchen.
Kastilien
Im Sinn gehälftet, Gott gleich Welt zu finden
auf einmal, oder sonst sei Welt verloren,
das ist der dunkle Drang des Ghibellinen.
Ihr sucht den Halt in allem durch Bewegung.
Mir aber, wie ich bin, herauszufordern
das täglich schöne Leben, laßt die Stunde!
So bin ich heiter jetzt und muß euch lieben.
Konradin
Mir geht zum heitren Blick, als wollte weinen
durch mich die große Sonne, Glut ins Auge.
Kastilien
So nimm sie auf! Trotz ihr durch unsre Gluten
und sei, von uns verführt, noch mehr Verführer!
Was einer wagt, mehr wagt man Welt gemeinsam.
Konradin
Du spielst und hebst mein Herz, und mich will lächeln,
Prinz Heinrich, aber Rom verzehrt die Stimme.
Gemeinsamkeit wird hier vorm Himmel einsam
und kann sich nur wie Stein vor Gott bewegen.
Kastilien
Gespielt wird stets um uns. Gott spielt nicht höher.
Laß ihn, daß wir sein Einsatz sind, nicht reuen!
Konradin
Es reut mich nicht um uns. Nur stockt mein Sinn
und wird mir ungesagt vor großer Ahnung.
Dem schweigt sein Tag, dem er hier ganz begegnet.
Kastilien
Hier ist Galvano Lancia, hier dein Vetter,
Konrad von Antiochien, und die andren,
die dir befreundet; hier sind meine Freunde.
Gib uns dein Herz! Entlaß die stummen Augen
des dunklen Sinns der Welt, der Himmel soll
sie paarweis zählen und die Summe steigern,
bis Stern mit Stern sie ihre Nacht ersehnen
und dann zum Festmahl staunend uns umglänzen.
Wir leben reich, und morgen rollt der Würfel.
Österreich
So nimm uns zu Genossen heut, Prinz Heinrich,
für Glück und Augenblick! Rom ist der Scheitel
von unsrem langen Zug. Das schöne Ziel
macht, daß wir uns als Einsatz selber lieben.
Capece
Gelobte Stunde! Doch das liebe Herz
verwettet sich umsonst dem freien Himmel.
Des Papstes Lehre wird es anders sagen.
Bald halb ein Jahr, wißt ihr, wird durch das Kreuz
gepredigt die Verwerfung König Konrads.
Kastilien
Nichts davon heute, Kämmerer Capece! —
Gebt Raum der Schönheit, daß sich euer Blick
erfüllt mit diesem Tag! — Jedoch, wer kommt?
Wer wird gefesselt hier vorbeigeführt?
Der Marschall von Braiselve kommt als Gefangener, von einer Wache geführt, vorbei
Novello
Ein Zeuge unsres Zugs, ein Helfer Anjous,
der Marschall von Braiselve; blutig trat
er seinen Wechsel aus und riß am Arno
das ghibellinsche Wild, doch blutiger
traf ihn dort König Konrad, und der Alte
muß seither folgen unsren jungen Spuren.
Wohl ungern geht er hier den neuen Wechsel.
Kastilien
Du wolltest ihn nicht töten, König Konrad,
wie Feind hier Feind vernichtet?
Konradin
Nein, Prinz Heinrich!
Ich war ein Kind und sah des Alters Ruhe.
Nimm ihn in deine Obhut, bis wir kämpfen!
Kastilien
Was sagt dein Mut jetzt, Marschall, müd vom Staube,
daß du uns hier begrüßest und die Römer?
Braiselve
Die Sonne hebt mein Haupt und läßt es sinken.
Ich weiß nicht, soll, so willenlos zu leben,
ich klagen oder preisen. Tage wechseln.
Ich will mein Haupt der lieben Sonne schenken.
Stimmen der Römer
Die Hitze macht ihn wanken, laßt ihn trinken!
Eine Römerin reicht ihm vom Brunnen einen Krug mit Wasser
Braiselve
Bevor er trinkt
Es blickt, wer glücklich ist, aus eines Brunnens
vertieftem Spiegel ernst sich doch ins Antlitz.
Er fühlt ein fremdes Wesen um sein Bild,
ihn faßt Gewalt, die unbekannten Sinn hat.
Zu Konradin
Eh ich denn trinke, gönne, junger König,
Zuvor den ernsten Spiegel dir zu bieten!
Trink Heil und Unheil treu dem gleichen Sinne!
Konradin
Trinkt, dann
Die Mutter gab mir Wein, um mich zu segnen,
der Feind reicht Wasser. Trinkend Welt um Welt,
bin ich im blinden Sinne stets der gleiche.
Konradin gibt den Krug an Braiselve zurück, welcher trinkt und weitergeführt wird
Stimmen der Römer
Heil König Konradin, dem jungen König!
Kastilien
So seid ihr deutschen Herzen, willig nehmet
ihr eurer Stunde Inhalt, unbesehen
und wie verloren in ein tiefres Auge.
Und wieder doch, der Stunde trotzend, schnell
seid ihr bereit und tragt der Welt Verletzung
gleich einem Erbe, das ein Gott nicht mindert,
in harte Zeit, und schöpfet Sinn aus Wunden.
Erst still bei euch Behauste, tragt ihr fort
und her nach Rom den sinnend wunden Willen
und hebt aus dunklem Schoße helles Recht.
Ihr schafft aus Ohnmacht Macht, und Macht will leben
in einem Bild, das alle Sinne fordert.
Die Welt ist euch, wie wenn ein Auge wartet.
Konradin
Schon spielt dein Sinn gleich uns um Recht und Bilder,
bald bist du angesteckt, Prinz Heinrich.
Kastilien
Nein,
ich frage nichts, als wie mein Schwert mich führe,
ja kaum noch, wie ihr kamt. Mein Blut bewegt mich,
und wie, bis ihres Flugs gewiß, die Vögel
noch um sich kreisen, bin ich. Adler schweben.
Und nieder mit dem gelben Anjou!
Montefeltro
Nieder
mit seiner gelben Hoffart!
Kastilien
Doch erzählt
und schmückt mit eurem Heerzug jetzt die Stunde!
Montefeltro
Schon halb ein Jahr zieht Ihr mit unsrer Sonne,
Friedrich von Östreich, fern dem deutschen Winter.
Österreich
Heut denk ich gern, Guido von Montefeltro,
wie unser Wagnis war. Erst wenig Orte,
daß unsre Planung daran haften konnte,
besaß der Welfe nicht. Da war Verona,
Pavia dann, die treue Stadt, und weiter
ein feindverstelltes Land und sein Gebirge.
Bald schien mein Heerzug mir in Glanz des Landes
zu weit hinausgegossen, bald ein dunkles
und kleines Wetter, in die Berge schleichend,
und manchmal so die Macht in meiner Hand
gleich Rauch im heißen Feld vergeblich grimmig,
dann hilflos nah in allzu enger Schlucht,
von Grimm verzerrt, sich selbst in Tod zu brüllen.
Ein Heer wird krank vom vielen stummen Horchen.
Doch klang das Schwert nun auf, sah man die Flanken
des Heerzugs prächtig atmen. Alle Stummheit,
sofort geheilt, schlug wuchtig auf die Welfen
und half sich durch den Feind zu frischen Sinnen.
Dann blieb der Apennin zurück, und Pisa
lag vor uns da, schon angefüllt mit Freunden,
und froh umfangen pochten unsre Herzen.
Kastilien
Der König war schon dort, ich weiß ...
Österreich
Ja, zweifach
war unser Weg, und seltsam das Beginnen,
als wenig Schiffe von uns, wenig Ritter
auf ihnen stehend, in das Silber fuhren,
das wir noch kaum gesehen, nie befahren.
Nun war hier nicht mehr Heimat, und wir beide,
kaum je getrennter Jugend, als wir sahen
so Meer wie Erde auseinandergehen,
das Meer am schnellsten, Erde aber zögernd,
als dürfe Erde sich nicht so verlieren,
und ich ihn fliehen sah und stand auf Erde,
so wie der ärmre Sinn auch treuer ausharrt,
da war mein Wesen ganz wie Abenteuer,
und Abenteuer wie ein schweres Wesen ...
Ja, Konradin lief auf dem Meer voraus,
dann kam mein Zug, und alles fand sich glücklich.
Konradin
‘Nun fährst du, Krone, über Wellenkronen’,
so mocht ich zu mir sagen, als die Winde
mich tagelang verschlugen und mißgönnten,
mir meiner Zukunft blauen Saum zu zeigen.
Dann flog, so schien mir wohl, ein kleiner Engel
im Segel mit, weil es so heiter bebte,
und heiter bebend flog es, nicht zu enden,
bis schnell Meerfräulein unsrem Schiff sich nahten
und schoben es geschwind in Pisas Hafen.
Und vieles Volk war da und alle Ritter.
Konrad von Antiochien
Ihr wart vom Glück gesegnet bis zur Stunde.
Limpurg
Ja, Meer und Land brach auf mit allen Riegeln,
und Rom war auch schon wartend, voll von Freunden.
Der junge Lancia
Und wie bei euch wir Gäste, jetzt, mein Limpurg,
seid ihr bei uns.
Galvano Lancia
Doch hier ward Gastrecht anders.
Jetzt hat das Recht des Königs allen Anspruch,
und was zu wahren ich die Vollmacht übte,
indes der Papst sein Recht vergab an Anjou,
das hat sich vollends nun auf uns verschoben.
Nun ist Rom offen. Nun, o König, richte!
Capece
Wer darf in Bann tun bloß im Kampf um Rechte?
Und wer verlieh ein fremdes Recht wie eignes?
Nun muß gesprochen sein, Zeit will entscheiden.
Wir sind in Rom, der Papst ist in Viterbo,
der König richte, und sein Wesen steige!
Kastilien
Du hörst die Herren Lancia und Capece,
sie taten viel in Rom und in Sizilien.
Du sahst auf deinem Weg Viterbo, Zuflucht
des Papstes Klemens, und hast nicht belagert
Viterbo und den Papst?
Konradin
Mir ziemt der Anjou.
Kastilien
Dir droht man die Vernichtung, und du willst nicht
vernichtend Gleiches tun, mein König Konrad?
Konradin
Die Heiligkeit gilt mir noch wie ein Vater.
Das Königsrecht will ich erst kämpfend klären,
und Karl von Anjou steht mir gegenüber.
Kastilien
Doch Karl von Anjou nahm dir durch den Papst
Sizilien und noch mehr. — Nun wohl, ich muß
dir ähnlich sagen: Anjou ist der Feind!
Indes, von Feind zu Feind sind kaum mehr Grenzen,
und also sorg ich: bald gilt nur Vernichtung.
Wie will des Papstes Recht dann frei sich halten?
Capece
Wir müssen in ein letztes Recht erheben,
was uns Geschichte gibt. Gesetz muß herrschen,
damit kein Papst mehr seinen Sinn kann wenden,
und alles dienlich wird dem großen Wesen.
Galvano Lancia
Daß alles dienlich wird und sich der Himmel
nicht unterscheidet, wo er Völker richtet.
Stimmen der Römer
Daß alles dienlich wird, du Volk der Römer!
Erster Römer
Denkt an das Lamm! Wer macht die Mischung schärfer?
Stimmen der Römer
Still davon jetzt! Es lebe König Konrad!
Capece
Der Tag ist schön, das Werk hat sich entriegelt,
und wiederum die große Weltenspanne
drängt nach der Mitte, wo die Macht bewußt wird.
Aus großen Bildern wachsen junge Sinne.
Der jüngste Sinn heißt Macht — so will es bleiben
und will sich alles Ding daraus entfalten.
Wohlan, wir sind im Mittag der Entscheidung.
Zum Kapitol ...
Alle Anwesenden, samt den Römern, ziehen sich nach rechts zum Laubengang hin aus der Szene; Konradin und Heinrich von Kastilien als die letzten
Die vorige Szene; während Konradin und Heinrich von Kastilien abgehen wollen, kommen ihre Begleiter zurück, und römisches Volk drängt nach, das den Hintergrund und rückwärtigen Hof zu füllen beginnt; unter der Menge rechts befindet sich, noch unerkannt, der Allfahrende
Stimmen
Hierher! Hier ist der König!
Kastilien
Warum verlegt sich uns der Weg? Was will
das viele Volk?
Weitere Rufe; eine Figur erscheint mit Mantel und Stab als Sprecher
Der Sprecher
Seht an, was Rom euch bringt!
Ein stummes Spiel der Zeit!
Capece
Ein Spiel der Stummheit,
in unsres Willens Mittag eingesetzt?
Erst stattet es mit vielen Ohren aus
die Prediger des Banns, dann locken Bilder
das stets bewegte Volk. Die bösen Worte
hat es doch herzlich lieber als die Stummheit.
Österreich
Sein drängendes Gefühl sucht immer Anhalt.
Capece
Um eine Predigt, schien mir, war der Auflauf.
Was soll ein stummes Spiel jetzt?
Österreich
Und doch seh ich
uns selbst in Rom als seltsam stumme Spieler!
Der Allfahrende
Und schweigend wächst ins Volk des Spieles Inhalt,
je mehr es drängt — und weiß noch nicht, wozu!
Capece
Wer führt hier Wort mit ungerufnen Worten?
Der Sprecher
Ein stummes Spiel für König Konradin!
Daß wir in Gang es bringen, stumm zu schreiten,
wer hat hier, uns Willkomm zu sagen, Willen?
Kastilien
Willkommen, wer kein Welfe ist!
Der Sprecher
Willkommen,
ihr stumm Gestalteten, die ihr uns deutet,
was die Geschichte weiß von großen Taten,
von Taten, wortentrückt und darum größer,
gleichwie im Worte stumm ihr stärker schreitet,
in Schritt vom Zeitengang gerückt, und stärker
zu Anmut oder Kampf Gebärden bildet,
womit ihr jetzt noch lebt. Denn darum lebt,
wenn ihre Seele hinfloh, nicht geringer
die stumm erfüllte Welt, und nichts lobt stärker
als Anmut oder Kampf ein Bild dem Auge.
Im Sinn wächst weiter, was sich wortlos deutet.
Drum schreitet her und deutet euer Sagen.
Der Raum, wo wir, bald groß, gering bald, leben,
hat stets nach Kampf noch Mangel und nach Anmut.
Inzwischen sind vier Bewaffnete gekommen und haben sich inmitten der Szene zu einem Viereck für die kommende Handlung aufgestellt
Kastilien
Dem Sprecher ging ein gutes Wort vom Munde.
Es war wie ein Gebot und will sich mehren.
Gebt Raum! Erwartung läßt sich gern gebieten.
Der Sprecher
Erscheine, Bild, bestellt zu unsrer Mitte!
Ein Jüngling mit Helm und Lanze schreitet herein, ihm folgen zwei junge Frauengestalten, blau und grün gewandet, jede mit dem gleichfarbenen Schild und mit einem Kranz in den Händen
Der Sprecher
Zum Anfang unsres Anfangs — — Nein, so schreitet
in eurem Kreis noch wortlos, schön gewaffnet,
ein Jüngling und zwei Frauen, frei von Willen!
Noch trägt die Erde ihrer Schöpfung Schönheit.
Bald kommt ein Mensch zu sich, bald wacht ein Sinn,
bald hebt ein Wille an und muß erkennen,
und Zeit kann ihren Schritt schon nicht mehr wenden.
Kastilien
Weit holst du aus. Wie heißt das Spiel? Erkläre!
Der Sprecher
Weit holt die Schöpfung aus, mit uns zu spielen;
nah wird das Spiel, bald sich die Waffen spiegeln.
Drum schließet, was ihr seht, noch nicht mit Namen!
Ich kann vielleicht ein Morgenbild es nennen,
den grünen Schild der Erde, blau des Himmels
erwachten Schild, und morgens ist die Reinheit
von beiden Schilden wie zwei schöne Frauen.
Der Jüngling hat den goldnen Schein empfangen
und weiß es nicht und trägt nur Helm und Lanze.
Konradin
Ein Morgenbild kann uns oft seltsam fesseln
wie eine Zahl, die unbeweglich schön ist.
Österreich
Und die noch harrend blieb, als ob im Spiegel
des schönen Tags noch ihren Atem zähle
die stille Nacht. — Sieh, gleichend einer Wache
steht ihre Zahl jetzt hier im starken Dreieck,
und hat wie ein Gestirn geheimen Willen.
Konradin
Wie Abwehr ist ihr Wesen, als betreue
eln fremder Sinn die Welt.
Österreich
Die frühe Welt
hat Geben nicht so viel als reines Wehren.
Der Sprecher
Doch schnell wird er des Sinnes Blut empfangen,
wenn deine Reife ihn bedrängt, o Sommer!
Kastilien
Ein römisch Wort fiel in die deutschen Sinne!
Konradin
Du spottest wohl, weil wir ein wenig jung sind,
Prinz Heinrich, und weil über aller Nähe
wir unsren still gestirnten Himmel lieben.
Doch heißt dein Bruder Alfons nicht der Weise,
der König von Kastilien, weil er, kundig
der Sterne, ihre Bahn auf Tafeln setzte?
Gewiß, den Stern erkundend, setzt der eine
den Sinn auf Tafeln, und der andre, fliehend
das nahe Ziel, läßt ihn am Himmel weiter
im ungezähmten Lauf sein Bild gebären,
das so im Sterne unbeendbar wandelt
und macht noch höher jeden höchsten Sommer.
Und Nacht ist dann noch größer als die Tage,
und eine Mutter ihre dunkle Glocke.
Kastilien
Nun sagst du mehr, als dieses Spiel mag bringen,
mein deutscher König, und dein Wort vom Sommer,
indem es diesen Raum von Stein durchschreitet,
stillt unsrer Stunde Gang mit lauter Atem.
Indessen doch, nun laßt die unbewegten
Figuren, die hier stehen, weiter wecken!
Der Sprecher
Noch ist Bewegung ganz in reiner Waage,
wer aber sich bekränzen will, macht weinen.
Kastilien
So nennst du wohl dein Spiel vom Kranz der Jugend?
Von Kampf und Liebe gibt es gleiche Tränen.
Der Sprecher
Nicht so, daß junger Trieb nur trotzt und nimmt,
und also Wehr und Waage plötzlich zittert,
nicht daß nur, weil sie Macht hat, Anmut froh wird,
vielmehr weil Macht von Anmut innig scheidet,
weil wie ein Traumbild von dem eignen Schilde
der Morgen wegsinkt, dessen Tag gewiß ist,
und also steht der Tag dann bildlos mächtig,
dem immer härter Anmut sich entwendend
in Nacht zurücksinkt, Erde wird geringer
dem Gläubigen, der dieses Tages Herz hat,
und Himmel wächst, weil er von Anmut frei wird.
Kastilien
Das ist, als ob du plötzlich Anmut scheltest!
Der Sprecher
Nicht also, daß der Sinn die Kränze findet
und froh beredt wird, nein, der Tag wird stummer,
der junge Tag wächst wie aus einem Raube.
Kastilien
Du liebst den Widerspruch; den Glanz der Liebe,
die durch die Bläue funkelt, willst du stören.
Heb uns den Morgen, Sprecher unsres Tages,
zum Mittag einer Schönheit, die kein Leid hat!
Der Sprecher
Was nichts als Schönheit hat, ist noch nicht Sinnbild.
Im Mittag steht ein waffenloses Haupt
und schweigt und gleicht dem glanzversteinten Himmel,
und stummer werdend muß die Schönheit sprechen.
Legt um die Schläfen, daß sie dunkler pochen,
den stummen Helm! Was alle Zeitschaft kündet,
das ist im Helm. Sinn ist ein tränend Wasser
und will sich nur ergießen in den Worten.
Der große Ruf jedoch hat keine Antwort,
und in sich selbst zurück muß er vollenden.
Der Allfahrende
Geschichte hat statt Tränen große Stummheit.
Des Weibes Auge schweigt, der Mann muß sterben.
Kastilien
Wer spricht hier noch? — — Nun spricht der Mittag Roms!
Das ist dein Spiel. Laß es im Raume gehen!
Der Sprecher
Des Himmels Kuppel will, daß man ihr huldigt.
In ihrer Stummheit Donner ruhn die Nächte,
und Rom ruht Tag und Nacht in ihrem Schoße.
Doch sagt nicht Nacht! Ein Himmel allzu blau
ist unser Tag, und statt Gestirnen wandeln
die Säulen fort und fort und voller Atem,
als ob der Rundraum unersättlich rufe:
Wo ist noch Welt wie hier, wer kommt zur Antwort?
Und wer zur Antwort kam, ging hin in Bildern.
Wo Atem ewig ist, sind Bilder mächtig,
doch zwischen Bild und Atem steht die Waffe
und macht den Sinn der Welt zum Anblick mündig.
Als ob das Zeitenhaupt in Waffen stehe,
entschreitet jede Zeit dem Schöpfungsschoße
und glänzt gerüstet zwischen Mond und Sonne,
und kommt nach Rom jetzt mit dem deutschen Kinde.
O graue Zeit, wie bald vom Blute bunter,
o junge Ewigkeit, wie schöne Farbe!
Rom huldigt Konradin, dem jungen König.
Das Volk
Heil König Konradin, dem jungen König!
Der Sprecher
Die Zeit ist wieder da, ihr Bild zu zieren;
wohlan, was vordem war, erscheine wieder!
Und ihr, ihr Römer, die ihr trugt die Dauer
vom Durchgang jener Zeiten, laßt euch gelten,
wie stets ihr wart und ihr erstaunlich seid
und nicht euch ändert, gebt dem Bild den Atem,
wie es euch beugt und doch euch dient! Heil Rom!
Das Volk
Heil Rom!
Beifall und sich steigernde Rufe
Der Sprecher
Ihr kommt zuvor dem Unglück und dem Glück
und gebt auch mir den Atem, euch zu dienen.
Zeit lenkt den Schritt zu eurem Kapitol,
die Wölfin krankt, doch ihre Gänse schnattern;
dich rettet Einfalt, und so lebst du, Rom,
Gelächter und ‘Heil Rom’-Rufe
dank deines Lebens Hirten, diesem Vogel.
Erneutes Gelächter
Kastilien
Die große Zeit gibt jeder Einfalt Atem,
doch größer, wer ganz ohne Beifall spielt.
Der Sprecher
Das Spiel ist reif zu seinem ersten Gange.
In dem nun folgenden Einzug von Gestalten, die der Sprecher deutet, erscheint zunächst Brennus, hinter dem eine verhüllte Gestalt eine Waage mit einem Schwert auf der einen Schale trägt. Brennus bleibt ungewiß stehen
Hinweg das Lachen, Brennus, seht, erscheint,
der Gallierfürst. Nun achtet auf das Schwert!
Wie eine Beute, die er selbst sich zuwog,
in einer Schale wird sein Schwert getragen,
von einem Träger, der sich ganz verhüllt hat,
So folgt es hinter ihm und ohne Ehre.
Sein hartes Erbe hieß: vae victis; doch
die Beute Rom vergällten ihm die Gänse.
Kastilien
Vae victis bleibt ein gutes Wort, und jedes
Schauspiel der Zeit erbt davon seine Teilung.
Wer krönt mir Macht und reicht dem Recht den Kranz,
wenn nicht ein Sieger mit der Anmut teilte
und so, was sein geworden, schöner fortgibt?
Ist Anmut nur Gestirn, wo ist ihr Sitz?
Wie ordnet sich das Spiel, wo steht dein Brennus?
Der Sprecher
Was Schöpfung Schönheit hat, tritt in das Bild
nur langsam ein, und Anmut wird Geschichte.
— Nicht Brennus mein ich —
Etwas Gelächter
und doch dessen Platz
wird ihm bestimmt auch, wenn die Anmut Platz hat. —
Erst war hier Rom, nun richtet eine Welt
im Sieg und Erbe Roms sich fremder auf
und hebt ein Reich in sich, mehr Bild als Raum.
Der erste Morgen sank, ein größrer will
mit zwei Figuren spiegelnd solch ein Bild,
als ob zur Schönheit Feindschaft nötig sei,
und so sich näher Erd und Himmel künde,
wie sie die ganze Schönheit wachsam teilen
und Teil an Teil einander sinnend gönnen.
Wer weiß das Ziel? Den Herzgrund der Frau Welt
durchwaltet Kampf. Ein solcher Morgen kam.
Drum laßt uns das Gestirn, sich lieblich weiter
im Sinn verwandelnd, in des Schauspiels Bannkreis
sich selbst einschlagen und wie mit zwei Spiegeln,
mit grün und blauem Schild, so Nord und Süd,
im Widerstrahl gedämmt und gleich verjüngt,
wie sich entzückt ein Weib aus seinem Bildnis,
in beiden Frauen eines Sinnes Bildschaft
den Sitz einnehmen, den die Zeit bereit hat.
Auf zwei hohen beigebrachten Sitzen nehmen die Frauen Platz
Roma sitzt dort, dort sitzt ihr deutsches Bildnis.
Kastilien
Der Jüngling aber hat noch nicht viel Recht.
Doch sieht man, wie das Spiel wird, König Konrad.
Konradin
Zweischneidig ist stets Schwert und Spiel, Prinz Heinrich.
Der Sprecher
Der Jüngling ist ein Teil noch des Gestirns,
Zu ihm tritt jetzt Gestalt und folgt Gestalt,
erst langsam, doch schon wird ihr Zeitlauf schneller,
so wie ihr Stern den Pol in Rom gesucht hat,
damit um Erd und Himmel Kreise schließen,
um Nord und Süd, und dort winkt dann der Kranz.
Inmitten bleibt des ersten Schwertes Sinnbild.
Denn wisset, Römer, was das Sinnbild ist:
die Frucht des Sinnes, die sich selbst zerschneidet
und sich zerschnitten immer stärker bietet,
der Sinn des Abendlands ist unterm Schwerte.
Wenn die Gestalten kommen, die Erobrer
der Stadt, die, eine Frucht aus fremdem Wuchs
gleichsam genährt, doch stets die eigne Frucht wird,
sie öffneten die Frucht auf unsrem Tisch
mit ihrem Schwerte — sehet an die Schwerter!
Alarich und Geiserich kommen nun zusammen und treten mit Brennus an den Jüngling, daß sie mit den Folgenden von dem Jüngling bis zu den Frauen zuletzt einen Kreis bilden
Gezückt das Schwert, kommt Alarich, der König,
und Geiserich, so Gote, so Vandale,
gezückt auf Rom das Schwert, um eine Welt
— o mutterlose Taten fern von Heimat —
nein noch nicht Welt, nur selber sich zu wiegen,
die junge Brut und Flut. Die große Welle,
noch rann sie ab, zerteilt im eignen Schwert,
und Alarich trank seine Spur im Fluß.
Theoderich mit Boethius, Witiges mit Totila erscheinen
Und wieder Goten, drei, Theoderich
und Witiges und Totila, Geschlecht,
zu solchem Opfergang geweiht, daß sich
von Feinds und eigner Opfrer Blut so rot
das Schwert wie schambeschwert zur Erde drängt,
zu einer Mutter, die soviel nicht trägt
von letztem Leid, als hier in Blut sich setzt.
Und rote Zeichen sprangen auf vom Schwert.
Und also sank das Volk Theoderichs.
Er selbst, der große Fürst, seht, der sein Schwert
zur Erde hält, erbaute sich ein Haus,
wie stummer keines ist in diesem Land,
zu seinem Grab und zeichnete ein Kreuz
rot auf im grauen Steingewölb und starb.
Das rote Zeichen sprang stets weiter auf.
Er steht hier nicht allein; ihr seht mit ihm
noch einen Mann und der kein Krieger ist.
Mit diesem Mann kommt Rom noch einmal ganz,
das alte Rom, vertrauend seinem Stern
und allem Trost, der in Gestirnen liegt
und im gesetzten Gang — Boethius.
Erst hielt ihn wert und gab ihm dann den Tod
Theoderich. Hier sind sie Hand in Hand,
und was sie deuten, ist die Spanne Welt.
Gestirn und Schwert sind unsrer Erde Maß.
Gestirn ist Trost, ist Wohllaut, hoher Klang,
das Schwert ist einer Waage stummes Bild,
Gestirn macht weise, Schwertes Wesen lehrt
die Erde hungrig sein um nächstes Recht.
Wo ist der Einhalt, wann der Sinn erfüllt?
Vom Schwert zum Sterne ist der Hunger weit,
ein Hunger, der die Mutter ist der Zeiten.
Die Antwort gibt die stumme Mutter nicht
als durch Gestalten. Blicket wieder auf!
Karl der Große und Otto der Große kommen zusammen
Wer konnte sichrer als der große Karl,
und der noch mit ihm kommt, der große Otto,
des Schwertes Schneide, Zeit und Welt zerteilend,
mit freier Spitze gegen Himmel tragen?
Erschien Gestirn und Schwert einmal gestillt
in solcher Waage? Wie war Sinn und Recht?
Gab nicht das Schwertblatt spiegelnd seinen Schein
dem ganzen Raum, daß er in Fenster aufbrach?
War eine Achse hergestellt der Welt
und stand in Rom und stand doch nicht in Rom?
Was stand noch zwischen Rom und andrer Welt,
und war nicht Hunger mehr, und mehr als Heimat,
und war, wie wenn ein Weib ihr Kind noch trägt,
und weiß sonst nichts als nur die leere Wiege,
ihr wartend aufgetan, in die sie blickt?
Wie solch ein Mangel ruht die Welt in sich,
und solch gesetzten Raum schloß auf das Schwert.
Sah nicht der Papst den Aufbruch aller Zeit
im Schwertblatt glänzen, der die Kaiser krönte?
Und eine Macht nahm an der andren teil.
Jedoch vom Schwert kommt Aufbruch mehr als Raum.
Nun kommen Heinrich lII. und hinter ihm Heinrich lV. mit dem Normannen Robert Guiskard
Und die Gestalten schreiten, bald das Schwert
gezückt, bald aufrecht tragend. Sehet Heinrich,
den Salier, der des Papsttums Zwiespalt zwängte,
dann seinen Sohn, mit Gregor kämpfend Heinrich,
und der auch gegen Guiskard Rom berannte;
Guiskard kommt mit ihm, gleich das Schwert gezückt.
Mein Rom, du blutge Frucht! Schwert gegen Schwert,
Papst gegen Kaiser, Macht um andre Macht!
Und das Gestirn entflieht. War einmal nur
der Raum geöffnet dieser Welt zur Wiege
wie für ein Weib, das dieser Wiege Recht hat
und doch nicht Recht, das keine Heimat kennt?
Und blutig wandert fort der Wiege Frucht
um Heimat, Weib, um Hunger, um ein Recht.
Doch jeder Morgen kennt dich wieder, Jungfrau;
und aller Heimat Schwester bist du, Rom!
Wer sucht dich also hier, dich Schwester, Bild,
wer bringt dem Weibe Rom den schönsten Sinn?
Wer wird Erobrer nicht, wird Ritter sein?
Ihm trägt man vor das Schwert.
Barbarossa und Friedrich II. erscheinen; vor ihnen wird ein Schwert getragen
Seht, also trägt
man jetzt ein Schwert einher vor zweien Kaisern,
die ihr noch kennt, vor hoher Ritterschaft
um Roms Gesetz, vor beiden Hohenstaufen,
dem Barbarossa und dem Enkel Friedrich.
Und hier steht Enkels Enkel Konradin!
Das Volk
Den Hohenstaufen Heil! Heil Konradin!
Der Sprecher
Nun eile, stummes Bild, denn fast vergessen
ward unser Spiel vor vielem Jammer Roms.
Rom neigt das Haupt, und Rom erhebt es neu.
Daß nun die Frucht den heißen Sommer mehrt,
daß, Rom, du Schwester nur, bleibst doch die Welt,
den Kranz vergibst und doch den Spiegel hältst
und mehr noch durch der Schwester Blick empfängst,
die dich in ihren schönen Morgen einholt,
dies sei mein Wunsch, zu dem dies Bild sich schwört.
Das Volk
Heil Rom!
Mit Steigerung und Beifall
Der Sprecher
Wohlan, des letzten Schwertes Träger trete
zum erst gewognen Schwert in euren Kreis,
dazwischen bleibt die Bahn zum Sitz der Schwestern,
und die Figur ist fertig dieses Mittags.
Der Schwertträger der Hohenstaufenkaiser ist zu dem Träger von Schwert und Waage des Brennus in den Kreis getreten
Nun löst sich des Gestirnes letzter Teil.
Der Jüngling kehre sich zu beiden Frauen,
vor ihnen legt er Helm und Lanze nieder,
und kniet und wartet. — Und so schweigt mein Wort.
Während der Jüngling vorgegangen und nun, Helm und Lanze abgelegt, vor den beiden Frauengestalten kniet, hat der Allfahrende einen Knaben an die Hand genommen, mit dem er in den Kreis dringt und darin einmal rundum geht
Capece
Was tut der Alte?
Der Sprecher
Das ist nicht im Spiel.
Doch lasset ihn, wenn er ein Kind noch führt,
und leiht ihm Worte! Immer ging so Zeit.
Und schwang die Sense immerfort um Rom
und war, als sollte sie nur Tod gebären,
und Helme wüchsen aus dem Sensenschlag,
und sollte Jammer sein wie vieler Augen
um Rom gedrängt, doch Uranos, ein Greis,
ging immer ruhig hin und führt’ ein Kind.
Konradin
Zusammenhang macht Wort um Wort, und doch
jetzt zwischen Gang und Deutung tritt die Stille.
Was soll ein Bild noch? Was noch Deutung gibt,
wird Sinn nicht mehr, bleibt einer Anmut Gabe.
Wer kniet mit jenem, der dort kniet, und ist
so deutlich wie aus frührer Zeit die Helden?
Denn wie ihr Wille schwand, so sind sie deutlich
im Bild vor uns. Doch überm Scheitel steht
unkenntlich jetzt im Mittag unser Stern.
So wirklich sind wir jetzt und so unkenntlich,
der Mittag steht, und unser Bild verstummt.
Der Allfahrende hat mit dem Kind den Kreis wieder verlassen
Der Allfahrende
Man muß nur gehen, Knabe, Sinn hält nicht.
Zeit geht und Kind frei vom gedachten Spiel.
Konradin
Der Himmel ist jetzt ehern wie ein Traum.
Der Anmut bleibt des Sternbilds stille Wartung.
Als wollte aber Schöpfung sich zerschmelzen
und fiele uns ins Herz, ein heißer Tropfen,
und so geschieht uns Erde, Schwester nicht,
nein, so sind wir ins größre Los gerückt,
so laßt uns fort, die stumme Eile drängt.
Der Sprecher
Laßt in dem Bilde stehen euer Herz,
daß sich durch euch das große Ziel bekränzt,
und, was nicht mehr im Wort ist, höher forttönt.
Ein großer Himmel schließt den steten Sinn.
Der Allfahrende
Geht immer hin, die ihr dem Ton vertraut,
wer gehen muß, geht über blinden Grund.
Der Sprecher
Ihn trägt des Sinnes Waage sicher fort,
der in des großen Spieles Folge ist.
Der Allfahrende
Der Sinn der Erde wartet nicht im Sinn,
die Schöpfung will, daß man ihr Opfer wird.
Der Sprecher
Gebt ihm den Kranz, die ihr die Schwestern seid,
das Bild erfülle sich in eurer Zahl.
Der Allfahrende
Die Sterne folgen ihrem schönen Kranz,
die dritte Schwester ist ein blindes Weib.
Inzwischen ist der Knabe allein wieder in den Kreis gedrungen und hat sich den Helm aufgesetzt, der seinen ganzen Schädel verdeckt, und die Lanze ergriffen. Er schwingt die Lanze in einer blinden Bewegung und trifft den Rücken des Jünglings, der gegen die Schilde der Frauen hinsinkt
Capece
Was soll der Knabe, der den Jüngling fällt?
Der Sprecher
Halt ein! Ist das noch Spiel? Ist unser Spiel,
daß wie ein Traumbild wegsinkt von den Schilden
der ganze Morgen und ein Tag erscheint,
der eines stummen Helmes Anblick hat?
Die Stimme der Blinden wird plötzlich in der Ferne gehört
Stimme der Blinden
Die Luft ist voller Schweigen, daß wir horchen.
Was keiner sieht, ist nur das ganz Gewisse.
Es geht ein großer Wille auf der Erde.
Konradin
Wer hat die blinden Augen und die Tränen,
daß nichts erkannt wird und nur Erde aufglänzt?
Das ist ein andres Spiel, hier gilt kein Tändeln,
dies will das blinde Schwert, dies ist die Blinde.
Konradin geht schnell in der Richtung der Stimme ab
Österreich
Der Alte, der hier sprach, war in der Heimat
in einem Wald mit uns und sprach vom Tode.
Kastilien
Der Mittag zeigt ein starres Angesicht.
Brecht ab ...
Schnelle Auflösung der Szene
Ort: Viterbo; die Szene zeigt den Palast der Päpste, von dessen Bau, der sich in die offene Loggia weitersetzt, die große Freitreppe herabgeht. Es ist dunkelnder Abend; Papst Klemens IV. kommt mit Karl von Anjou durch die Loggia, und beide betreten die Freitreppe
Klemens
Wenn sich der Stein verdunkelt und der Abend
die Ziele wegnimmt, die der Tag gezeigt hat,
dann will es uns erbarmen, daß wir leben,
wir dunkeln hin, und das ist unsre Welt.
Anjou
Will Eure Heiligkeit für Euch und jene
vor Euch, die oft hierher geflohen, sagen,
warum das große Rom Euch nicht beschützt hat
und Ihr Viterbo braucht als zweites Rom?
Nun ist er mit fünftausend Rittern dort,
der Staufenknabe, und der Papst seufzt hier.
Wir leben, um die Macht zu leben; Euer
Geschick ist härter nicht als jenes Knaben.
Wir sind uns gleich, wir, die dem Helme dienen,
und Ihr müßt Euch entscheiden, wo Ihr dient.
Klemens
Ich kann des Schwertes Werk nicht stärker führen.
Anjou
Des Schwertes nicht! Doch tötet nur das Schwert?
Aufständisch ist Kalabrien für den Staufer,
das Adlerbanner steigt auf alle Burgen,
die Flotte Pisas hält uns schon umklammert,
ein Königreich wird ihm fast kampflos eigen,
und nur Neapel gibt uns noch den Rückhalt.
Klemens
Ich war vor Euch entschieden, Karl von Anjou,
und wenn Ihr nun, mich fortzuzwingen, ausmalt,
was schon geschehen und die Zukunft androht,
ich habe meine Macht schon ganz verwandt.
Bin ich im Zwang denn? Ja, ich bin im Zwang.
Und war vordem ein Kampf der zwei Parteien,
Ihr spielt nun ärger mit, und ein — man sagt —
Heuschreckenschwarm zehrt neuerdings im Lande
die ganz von Not und Blut verderbten Felder.
Kaum ist noch Abwehr, bald nur alles Beute.
Und wir sind schuldig ...
Anjou
Eure Heiligkeit!
Ich will nicht Wort mit Worten überschreiten,
doch Taten mit der Tat, nehmt Euch mein Volk!
Nehmt den Heuschreckenschwarm, macht Ihr die Saat!
Um Eure Meinung gehts, um Recht von Euch!
Nehmt meine Schar von Rittern, halb soviel
nur, als der Knabe hat, und damit siegt!
Und ich, der Eindringling, ich steh zurück.
Klemens
Dies fürcht ich nicht, Ihr habt den Ehrgeiz, Fürst,
der sich sein Schwert auf jedem Amboß schmiedet
und selber zuschlägt. Ihr seid schnell und kalt.
Und dies beweist mir auch, Ihr wollt nicht helfen,
als daß Ihr Ordnung ändert, wollt Besitz.
Gut, gut, Ihr habt Besitz, Siziliens König!
Was erst des Staufers war, habt Ihr. Was noch?
Wohl, den kastilschen Prinzen Euch verbünden,
gelang mir nicht. Indes, ich weiß nicht, wäre
dies Euch zuletzt noch lieb gewesen. Ihr
wollt alles selbst. Gut, gut, ich gab noch mehr;
wir gaben alles, die das Papsttum tragen,
und haben einem einzig großen Reich
mit heilgem Messer in den Wuchs geschnitten.
Der Jüngste stirbt vom Schnitt ...
Anjou
Ihr sagt es selbst.
Klemens
Was sag ich selbst? Ihr fragt, warum schützt Rom
mich besser nicht? Rom schützt mich wie den Knaben,
des Kaisers Weg geht durch des Papstes Rom.
Anjou
Dann soll die Heiligkeit dem Kaiser dienen.
Klemens
Wohl, ich versteh, was Neid ist, König Anjou.
Bald stirbt vielleicht, was unser Messer anschnitt.
Jedoch in beiden Bäumen, Papst und Kaiser
— Erkenntnis heißen sie und heißen Leben
vielleicht mit andrem Sinn —, von beiden Bäumen,
wenn Leben starb, was will dann die Erkenntnis?
Kann sie allein das Leben gültig machen,
daß es Bestimmung trägt, im Sinn zu härten
den Gang der Zeit, und jeden darin einsetzt,
daß jeder anders lebt und doch um Rom.
Ich selbst versteh den Neid, mein König Anjou.
Wenn ich zurück den großen Hergang sehe
und schaue Ordnung, wenn so Stein um Stein
ein Morgenblick in neue Sonne aufbricht
und anders glänzt, der Kaiser färbt den Stein,
und all die große Fügung weist nach Rom.
Anjou
So gebt dem Knaben Rom und Euch damit.
Klemens
Was sag ich Euch? Denn Rom und diesen Weg
und diese Feindschaft selbst versteht Ihr nicht.
Ihr nehmt, was kommt, und fühlt nicht, wie das Beste
der Welt zerspalten nur sein Dasein sucht.
Seht hier Viterbo, steinern vor der Nacht!
Es muß wohl sein, daß nichts dem andren ausweicht,
bis sich die Regel einer Zeit ermißt.
Und als er unterlag hier vor Viterbo,
der zweite Friedrich, tat er seinen Schwur,
daß sein Gebein im Tod nicht ruhen werde,
eh er die Stadt zerstört, und selbst den Fuß
vom Paradies zög er nochmals zurück
zur Rache an Viterbo. Dies ist Feindschaft
nicht um Erfolg, nein, um ein Maß der Zeit,
das wohl in Erd und Himmel gleichen Sinn hat.
Anjou
Und jetzt sind andre da und messen mit
und suchen ohne Glanz sich Feind und Recht,
wenn Ihr den Kaiser doch an uns vermißt.
Klemens
Ihr meßt nicht mit, Ihr nehmt nur Früchte weg
vom Tisch; Rom ist Euch wie ein andrer Ort.
Anjou
Hat Eure Heiligkeit nicht selbst mich säumig
in meinem Eifer um die Frucht gescholten?
Klemens
Die Zeit rief es Euch zu, der Knabe wuchs.
Anjou
Soll ich der Frevler sein an seinem Wachstum?
Ihr habt den Staufer Konradin und jeden,
der zu ihm hilft, verdammt.
Klemens
Sie sind im Bann.
Anjou
Das geht aus Eurer Macht. Was ist die meine
und gibt mir meine Zukunft, wenn ich messe?
Klemens
Des Knaben Zukunft hat das Leben nicht.
Anjou
Glanz zieht mit ihm dahin, und Glanz besticht.
Pisa hat ihn umjubelt, nachher Rom.
Der Träumer wirbt. Sah Eure Heiligkeit
Sein Heer mit ihm vorbeiziehn an Viterbo?
Klemens
Habt Nachsicht, Karl von Anjou! Selbst verstrickt
fast in des Staufers Traum blick ich jetzt auf
und seh die Nacht um mich. Ich sah den Zug,
und wo des Staubes Wirbel leichter krönte
das dicht geschlossne Feld, war wohl der Knabe.
Doch jetzt ist Nacht, und weiter sehn wir nicht,
als wie der dunkle Schatten auf uns schlägt,
der aller Zeiten Ende ist. Und stets
wird wieder, was in Zeit geschah, ein Tier,
das sich im Kreis verfolgend selbst zerfleischt.
Soll dieser Traum vom Reich so weiter fließen?
Die Zeit, die war, ist randvoll noch von Blut.
Wann wächst einmal des gleichen Sinnes Baum,
und eine Mutter tut die letzte Pflicht?
Sie nimmt den toten Sohn auf ihren Schoß
und blickt ihn an, und aller Traum verstummt.
Nein, nein, verstummt ist nicht, was wir gebannt,
es lebt so jung wie je und spielt mit uns.
Ich aber geh den Weg zerspalten, wie
ein Tier sich treibt, wenn nirgends Rückweg ist.
Anjou
Hat Eure Heiligkeit die eigne Macht
schon ganz verwandt, und weiß sie weiter nicht,
die Zeit, die war, zur Tötung auszunützen
für Zeit, die wird, und will den alten Traum
nur so viel leugnen, als in dem Geschlecht,
das ihn zumeist geträumt, er wieder aufsteht,
was fällt dem Partner zu und wird ihm Recht?
Der Spieler nimmt Gewinn vom Augenblick.
Klemens
Wir haben in den Wuchs den Schnitt gesetzt,
Euch hilft die Zeit, ich weiß, die eilig wird.
Anjou
Nicht Hilfe mein ich. Zukunft will ein Wort.
Klemens
Was macht Ihr Sorgen laut, bevor der Tag ist?
Anjou
Ihr habt den Schnitt gesetzt, ich lege Hand
an das, was stirbt, und mein wird jetzt die Rechnung.
Ich mache Raum mir frei vor meinem Fuß.
Klemens
Was rechnet Ihr und greift dem Ausgang vor?
Anjou
Ich ziehe diesen Faden aus dem Kleid,
daß es nicht erblich bleiben wird, wenn später
noch die Gelegenheit sich dazu gibt.
Der Traum soll nicht mehr werben mit dem Knaben.
Klemens
Das ist, als sei ein Urteil schon gesagt?
Anjou
Es ist gesagt, was Rechtens nötig ist,
und ich bin ausgeschickt, den Rest zu tun.
Klemens
So viel ward nicht gesagt!
Anjou
Entlaßt mich jetzt!
Ihr grifft dem Anfang vor, ich greif zum Ende,
die Mitte schwankt noch, also laßt die Waage!
Anjou geht über die Freitreppe herab aus der Szene
Klemens
Entscheidung geht nun ihren Weg schon selbst
und sucht das Opfer, das ihr Zukunft bringt.
Bin ich ein Schwacher, der mit Schrecken jubelt
und jubelnd in sich schrickt? Will ich denn nicht,
daß eine Tat geschieht und zeigt ihr Recht?
Bedarf, der ich im Recht bin, noch der Tat?
Und welcher Tat? Bin ich denn tatenlos
der Stärkste nicht? Der Herr, der mir befiehlt,
will nur das reine Herz, ein blindes Maß,
der doch mit Zuversicht die Erde riegelt,
daß niemand nehmen soll und Friede wird.
Ich stehe hier, dort schläft vielleicht das Kind.
Ist dies der Unterschied von einem Kind,
daß ich ein Ziel weiß, und ich schließe zu,
das Kind jedoch nur öffnet. Diese Deutschen
eröffneten durch ihre Taten Welt.
Den gleichen Weg geht dieses Knaben Blut.
Und Blut bleibt Blut, und Macht fließt schrecklich fort.
Doch ich, darf ich nicht wissen einen Weg,
und selbst den eignen nicht, und spreche doch?
Und was ich spreche, führt zum dunklen Schritt.
Ist Blut ein Tag, und wird Erkenntnis Nacht,
Nacht, die zu fassen viel zu nahe ist?
Bin ich denn schwächer, weil kein Sinn mich trägt
als nur der Glaube? Und vor Gott die Welt
bleibt doch ein Mangel, nie im Sinn erfüllt.
Kind, Knabe, was ist dann dein heller Tag?
Und diese Deutschen sind wie eine Wunde
der Christenzeit und schließen sie noch auf
und gehen durch Geschichte in den Sinn
und sind dem Sinn wie einem Fluche gut.
Bin ich von einem Kinde überholt
und wird mein Herz von dunklem Mangel satt,
weil ich es weiß, daß wachsend ins Geschlecht
ein Sinn, so wie er zunimmt, sich verdirbt,
und zeitgeworden stets ein Gutes stirbt?
Und Gutes stirbt im Austrag seines Rechts.
Dem, was Geburt bestimmt, greift vor die Zeit,
sie wächst um uns gleich einem Hungerrand
und schlündet ein, was Schöpfung treu gebar.
Und also schürt Geschichte einen Tod.
Und ich bin nur ein andrer wunder Sinn,
und eins zum andren macht die ganze Welt.
Tod will in Tod. Bis in ihr Herz verzahnt
zerreißt sich Zeit. Und dennoch ich befugt
und hingestellt allein in dieser Nacht!
Das Leben jenes Knaben fällt an mich
mit ja und nein, ich schloß ihm Erde zu,
indessen er noch auf den Blumen ist.
Nun steigt die Dunkelheit in Stufen ab
und steht um mich und rührt mein Leben nicht,
und maßlos wird der kalt bestirnte Raum.
Auf dem dunklen Platze seitlich der Freitreppe steht jetzt die Blinde
Die Blinde
Mit jeder Nacht taucht wieder unsre Welt
in ihr von keinem Ziel beschütztes Leben
und ruht sich aus in ihrem dunklen Schoß.
Laßt euch, die ihr kein Ende kennt, als welches
ihr selbst nicht seid, und also unvollendet,
laßt euch, ihr Sinne, wieder Anfang werden!
Ich ruhe nicht, ich fließe wie ein Licht,
das seinen Spiegel in dem Dunkeln findet,
und bin von meiner Seele gänzlich los.
O weite Welt, du unhemmbare Flamme,
die sich in Dunkel stürzt und immer stürzt,
laß mich in deiner Allmacht heiter schweben!
Kein Nahes faßt mich an, kein Fernes drängt,
die Güte ist verstummt im eignen Pole,
und keine Quelle hört mehr andren Laut.
Die Augen wissen nicht, wovon sie leben.
O blinde Einfachheit der großen Dinge
in ihrer ungesagten ersten Stunde!
Klemens
Was ist dies für ein Wort, um das die Schöpfung
ihr Selbst vergißt und das doch selbst nicht schweigt?
Wer geht den Gang der Worte ohne Willen?
Die Blinde
Was ohne Bilder ist, tritt vor in Worten
und sucht Geschwister. Immer geht die Stimme
um eine Rast und daß sie gleiche finde,
die mit ihr rastend sich im Echo lieben,
und wird zuletzt doch eine gleiche Klage.
Klemens
Wie nennst du dich, die gleich den Schwestern ist?
Du opferst mit den Worten unsren Tag,
daß er, von Neid beredt, den Neid verläßt
und Horcher wird.
Die Blinde
Ich bin nur, daß ich bin,
und lebe fort. Im Blick steht eine Blinde.
Klemens
So sagst du Nacht mit doppeltem Gesicht,
und dieser feste Boden wird erschüttert,
so daß er Schollen trägt und trägt ein Herz.
Die Blinde
In Schollen bin ich Frucht, o Neid und Herz,
die ich mit stummem Blick im Winde wehe.
Jedoch die Schwestern, daß ich neidlos lerne,
wie Opfer ist, sind Nacht für Nacht um mich.
Klemens
Bist du ein Wesen denn wie selbst die Nacht,
hilf einen Tag vollenden, der nicht Neid hat!
Die Blinde
Was sich vollendet, weicht in sich zurück.
Ergreife, Tag, was unergreifbar ist,
beschließe, Nacht, was unbeschlossen liegt!
Die dunklen Schwestern gönnen lauter Liebe.
Klemens
Doch unsre Zeit nimmt Tag für Tag uns mit,
und der Gedanke, was geschieht, schon schuldigt.
Du sprichst nur fort in Worten ohne Neugier.
Mich aber will des nahen Lebens frieren,
wenn es im heißen Spiel sich plötzlich opfert
und Tag in Nacht stürzt. Einem dunklen Willen
gleicht unser Wissen, wenn ein Schicksal bloß wird
und sich dahin stürzt mitten in der Reife.
Wer wendet ab, was schon im schnellen Lauf ist
und uns bedrängen muß und sich vernichtet?
Und also denk ich eines Knaben Sommer.
Die Blinde
Ich seh mit Augen nicht, doch fliegt ein Wind
an mein Gesicht, wenn eine warme Sonne
hinabsinkt und die dunkle Kühlung trinkt.
Sie wird ein Wesen, das sich von uns wegnimmt,
sie haucht zurück und nennt uns unbeschützt.
Klemens
Du machst mit jedem Worte Hilfe schwerer,
so daß kein Wille mehr den andren findet,
und ratlos blickt die Stunde auf ihr Opfer.
Doch sage nur, wie bleibt ein Wesen gültig,
und denke jenes Knaben hellsten Tag!
Die Blinde
Bin ich nicht wie die Schwester jenes Knaben?
Klemens
Du bist ein Gleichnis, sprechend in der Nacht.
Die Blinde
Dem Lebenden zuvor und blind geschwistert,
und opfernd in den Tod, wenn Erde schön ist!
Klemens
Und also geht er hin im dunklen Gleichnis
und hat nicht Neid und tut den hellen Willen.
O Knabe! Unbeschließbar harte Stunde!
Nein, nein, die Sonne geht nicht hin um einen,
der unbeschützt ist, täglich kommt sie wieder.
Wer bleibt im Recht, der Erde schließt und öffnet
wie einen Bau der Zeit, so daß sie hungert
um Sinn und Ziel? Und hat auch jener Recht,
der nur ein helles Fließen in der Zeit ist?
Wir irren durch den dunklen Bau um Antwort.
Die Blinde
Ich bin nur Wiederkehr von einer Stimme,
die immer ruft, und wie ein Inbild wandeln
hör ich sie nah und fliehend wie um Säulen,
die mich verhindern, und so muß ich gehen.
Ich bin im festen Bau und nicht gefangen.
Klemens
Wer ist im festen Bau und nicht gefangen?
Der Allfahrende ist neben der Blinden erschienen
Der Allfahrende
Nehmt dieser Erde, was geschieht, hinweg,
und sie verstummt. Doch was geschieht, wird Klage.
Dazwischen ist in Segen gleich und Fluch,
die auf uns hört, die unstillbare Stille.
Aus Opfern bauen Zeiten ihren Gang.
Der Mann geht durch Bestimmung wie zerstört,
und wer sich einholt, scheidet aus dem Erbe.
Vom treuen Sinne wird er überholt.
Der letzte Sinn der Welt heißt unbeschützt.
Und aller Sinn gleicht einer blinden Magd,
die unverletzt die letzte Mutter ist.
Während die drei Gestalten stehenbleiben, kommen vier Wächter aus dem dunklen Bogen unter der Loggia und wenden sich gegen die vier Richtungen
Erster Wächter
Vorne
Der Sinn verschläft, die Erde wacht.
Zweiter Wächter
Links
Horcht auf, so mahlt ein stiller Zorn.
Dritter Wächter
Hinten
Die Mühle mahlt das Lebenskorn.
Vierter Wächter
Rechts
Ein dunkler Trichter ist die Nacht.
Erster Wächter
Ein dunkler Trichter ist die Nacht.
Zweiter Wächter
Die Mühle mahlt das Lebenskorn.
Dritter Wächter
Horcht auf, so mahlt ein stiller Zorn.
Vierter Wächter
Der Sinn verschläft, die Erde wacht.
Ort der Schlacht von Tagliacozzo, die Palentinische Ebene mit dem Hintergrund ringsum steiler Felsberge; Zeit: 23. August 1268
Morgen vor den Zelten Konradins und seines Lagers, Limpurg allein
Limpurg
Ich will allzu singen
Gnade mir von ihrer Zucht.
Süße reiche reine Frucht,
meiner Treuen laß genießen mich!
Du kannst leidsam ringen.
Fraue, mache, daß erschwache
leide Sache — lache mir und dir!
Er rüstet sich vollkommen und schwingt sein Schwert; darauf kommt Friedrich von Österreich
Österreich
Was schaust du sinnend, Limpurg?
Limpurg
Sonderbar!
Wie leicht und luftig kühl am schönen Morgen
ist heut die Rüstung! Eisen ist wie Zwitschern.
Schwingt man das Schwert, ists gleich, als ob die Vögel
mit kleinen Flügeln nach der Hand uns flögen
und träfen uns am Arm mit leisen Streichen,
und lässig wird der Arm.
Österreich
Das ist die Reise
des Wegs hierher, das Tagwerk im Gebirge,
der Wettlauf über unbewachte Steige,
von Rom die Müh in diesen Felsengarten,
wo nachts nur noch die Zeltwand unsren Atem
trennt von dem Königreich der künftgen Tage,
und tags noch eine Schlacht, heut ist die Schlacht.
Limpurg
Der Mühe Süßigkeit, sagst du. Der Morgen
in dieser Himmelsluft gibt solch ein Leben,
daß man es neidlos in das Feld stürzt. Locker
sind alle Sinne, daß sie schweben. Gestern?
Sahst du den Zug von Frauen mit Geschenken,
die von Bewaffneten gelenkt wie schwebend
die Felsen abwärts zu dem Anjou zogen?
Österreich
Es sind nicht andre, als in unser Lager
zuvor schon kamen. Hälftig ist ihr Sinn,
teils im Verrat und teils für uns in Hoffnung.
Limpurg
Selbst ihre Tücke wird hier schön und ernst
im starren Felsenbild, und ihre Orte
sind unnahbar erhöht und ohne Raum,
wo böser Umtrieb weilt. Mir ist das Herz
so warm wie jene Sonne, die dort droben
von eignen Pfeilen hergeschossen aufwacht
und auf uns schießt, indes noch unterm Berg
des Anjou Lager schläft, ein stummes Dickicht.
Österreich
Der Anjou schläft wohl nicht, und wie er gestern
mit seiner Wache, die ihn stets begleitet,
gleich einer kleinen bösen Wolke lauernd,
die aus dem Tal nicht Ausgang fand, herumzog,
so lauert er gewiß und läßt uns warten
und will die frohe Zahl durch Abwehr lähmen.
Noch mal so alt als wir ist dieser Anjou
und ist nur hart, derweil uns vieles beifällt.
Wo sind wir, denkst du, mittags?
Limpurg
Mit der Sonne
wächst auf uns zu das Tal.
Waffenlärm und Signale; Bewaffnete ziehen überall schnell aus den Zelten und im Hintergrund nach rechts. Graf Lancia kommt mit dem jungen Lancia, und mit ihnen Graf Donoratico
Graf Lancia
Glück diesem Tage
und allen Waffen, die zu uns gehören!
Ein guter Wind bringt von Sizilien Siege.
Die Flotten haben sich geschlagen. Pisa,
erst scheinbar fliehend, wandte schnell die Schiffe
und warf des Anjou Flotte bei Messina
und hat ihm weggebrandt so Glück wie Heimkehr.
Nun heißt es nur vollenden, was begonnen.
Österreich
Heil unsren Freunden, die so reichlich melden!
Graf Donoratico, Ihr stammt von Pisa
und seid nun stolzer, als die wir hier säumen
und unsren stillen Schatten noch betrachten,
indes im Feld vor uns der Staub schon windet.
Donoratico
Zum Land rauscht unser Meer. Nun sollen rauschen
in dieser Felsenbucht die tapfren Herzen.
Prinz Heinrich ist voraus im ersten Treffen.
Schon blitzen weggeschluckt im matten Dämmer
die Harnische der Spanier, und Echo
kam kaum zurück mehr. Nur ein dunkles Pulsen
drängt fort im Tal und will sich weit ergießen.
Schnell in die Ordnung und zum zweiten Angriff,
Lancia und ich, und unsre Ghibellinen!
Der Angriff trägt schon selbst.
Wieder Signale, und viele Bewaffnete von den Zelten weg nach rechts. Entfernte Rufe, Konradin kommt mit Bewaffneten
Konradin
Bringt unsre Fahnen!
Der Morgen schreitet schnell, der Anjou blutet
Schon vorn im Feld.
Die Freunde
Heil Konradin!
Konradin
Ihr Freunde!
Laßt diesen Tag ein würdig Opfer sehen,
das groß sich selber bringt und groß Gewinn wird.
So wie die Berge schallen, starke Brüste,
die, jedem Anruf überlegen, stärker
mit einem dunklen Kern von Macht sich gürten,
und wie sie Antwort unbegreiflich werfen,
den ersten Schall im Umkreis überholend,
und eine Stärke bringen wie vom Tode,
so sei der volle Lauf nun unsres Tages!
Wer ist hier König, als wer seinen Gürtel
gleich ruhig um sich legt und fern von Fragen
nur Antwort gibt und gibt sich selbst zur Antwort?
Und so brecht auf, daß allem wir begegnen!
Signale; Guido Novello kommt
Novello
Die Ghibellinen eilen. Leer ist schon
das erste Feld.
Konradin
Dort ist ein starker Fluß,
dabei ein Ort und heißt Kapella; nehmt
den Marschall mit, den unsres Wegs ihr führtet;
er soll den ernsten Kampf dort still bezeugen
und soll kein Opfer sein, wenn alle opfern.
Novello
Den Marschall von Braiselve?
Konradin
Eben diesen,
der mir in Rom des Wassers dunklen Spiegel
im Kruge zugetrunken.
Novello
Seiner denkt
jetzt nicht!
Konradin
Weshalb nicht seines alten Lebens?
Novello
Der Marschall von Braiselve ist getötet.
Österreich
Getötet? Armes Blut! Warum?
Novello
Man wollte
ihm nicht aus Zufall einen Retter gönnen.
Österreich
O kleine Tat!
Konradin
Der Tod geht ehrlos um.
Unsinnig spielt der Tag mit diesem Haupt,
das still zurückbleibt. — Brechet auf zum Kampf!
Der Hohenstaufenadler muß nun fliegen!
Während alle abgehen, zu Österreich
Uns aber, rüttelnd über dieser Erde,
uns sei er wie der Falke unsrer Jugend!
Am Bergfluß in der Ebene des Schlachtfeldes; Konradin und Friedrich von Österreich
Konradin
Der Tag fliegt wie in Stücken, hundertfach
fügt sich der Kampf zusammen, uns zu teilen
und wieder einzuholen ohne Rasten.
Österreich
Die Ebene läuft über von Versprengten.
Hier trieb Prinz Heinrich seinen Angriff durch
und nahm die Furt.
Konradin
Das Feld ist weit gespannt,
daß es uns fast entsinkt. Wo ist der Anjou?
Die Schlacht gilt noch nicht halb, solang er fehlt.
Bewaffnete verschwinden gegen die Furt, Limpurg kommt zurück
Limpurg
Hier ist der Übergang. Die schweren Spanier
sind weit entrückt. Der Marschall von Flüglingen
setzt jetzt die Deutschen ein. Das Lilienbanner
wankt schon im zweiten Angriff, und der Anjou
ist halb verloren ganz in unsrer Mitte.
Konradin
Tragt unser Banner vor! Ich will ihn treffen.
Du fließe hin, ein andrer Tag der Stille,
du Wasser, das die Erde leuchtend bindet
und bleibt von allen Spuren ungesättigt!
Du bist so unverborgen, Glück der Hoffnung,
und gibst uns so viel Spur des großen Sinnes,
daß uns verlangt, uns ganz in dich zu gießen.
Wie will ich sein, wenn ich zurück gelange
und wieder an den Spiegel trete, reicher
von deinem hellen Fluß, o Sieg, umfangen?
Mit einem dunklen Abbild in dir weilend,
will ich in meinen Helm mein Glück verschließen.
Österreich
Wohlan in die Entscheidung!
Alle ab durch die Furt; man hört Getümmel, weitere Bewaffnete folgen
Bewaffneter
Eilet, eilet!
Wer siegt, behält die Beute!
Bewaffneter
Wer nicht erntet,
war nicht dabei!
Bewaffneter
Das sind die Söldner Anjous,
Franzosen. Sie sind schneller schon im Fliehen,
als wir im Angriff.
Bewaffneter
Diese Gegend ist
wie eine Tenne, Korn darauf zu schlagen.
Getümmel und Geschrei rechts hinter der Szene
Rufe
Heil König Konradin! Sieg! Sieg!
Der Anjou ist gefallen . . .
Bewaffnete mit fliehenden Franzosen kommen zurück; dann Konradin und Österreich
Konradin
War dies der Anjou? Plötzlich sank sein Banner.
Österreich
Sein Körper lag in einem wilden Ringe
tot und entblößt, wie man von Manfred sagte.
Konradin
So dreht der Tag sich um, und viele Rechte
sind uns jetzt ganz zur Hand. Fast will ich weinen,
an diesem kleinen Fluß, der heißer schimmert,
Konrad von Limpurg hat den Tod empfangen
und ist nur bei uns noch auf dunkler Fährte.
Viel Zukunft aber drängt. Laßt schnell uns weiter,
daß wir das Feld behaupten!
Alle wieder rechts ab, Getümmel und Rufe
Rufe
Nützt den Sieg!
Konradin allein am Aufstieg der steilen Felsgegend
Konradin
So atme, volle Brust, und freu dich, Herz!
Wie bist du, Glück, das immer ruft, die Brut,
die innen kocht, gleich jungen Vögeln krächzt
und hungrig wird vom Schrei und stärker bebt,
je mehr der alte Vogel nahe kreist,
der Atzung bringt? Hinweggewischter Lärm
ist hinter mir das Feld und starrt als Fels
allein jetzt um mich, dessen Glück erbebt.
Starrst du mir ins Gesicht, ein Märchenziel,
du stummer Fels, der wie ein Löwe ist
und hält mich auf und tut mir dennoch nichts?
So steht der Tag nun in sein Werk gebannt
und fragt nicht fort und sieht den nächsten nicht.
Bin ich denn durch die Schlacht schon ganz hindurch?
Stets nach dem Echo laufend, Sieg, nur Sieg,
als sei ich viel zu fern jetzt, ängstlich fast,
weil sich, je mehr verbreitend sich, verliert
Gewinn und Sieg, bin ich ein dummes Kind?
Umringt vom Trotz der Berge steht es still
und ist im Lauf und im Gefühl versetzt.
Kehrt der Gewinn nun übermächtig um
und wider mich und treibt mich schnell zurück?
Will ich den gleichen Weg nicht nochmals treten,
nur schauend, daß der Tag uns nichts mehr wegnimmt,
und ich des Glückes ganzes Antlitz lerne?
O Sommer, der mit solcher Schnelle reif wird!
Die Felswand wird vom Himmel dunkler, Himmel
erblaut von ihr noch tiefer, immer heißer
zehrt eins vom andren, und ein finstres Müssen
verrät uns heimlich, wie die Erde hart wird.
Was bin ich hier allein? Ein Zauber hält mich,
und schweigt um mich gleich Tod. Wo seid ihr, Freunde?
Geschrei von weitem mit vielen Stimmen
Stimmen
Kehrt um ins Feld, sonst seid ihr selbst die Beute!
Sieg ist nicht Sieg, und rasend ist der Tag.
Friedrich von Österreich und der junge Lancia kommen eilends
Der junge Lancia
Mein Vater ruft. Wir hörten ihn erschrocken,
als wir in einem Augenblick, dem gleichen
mit seinem Ruf, wie aus verschloßnem Berge
es eisern brechen sahen, Roß und Reiter,
viel Hunderte, dies ist ein letzter Keil,
der vor sich alles herschiebt, dies ist Anjou.
Österreich
Der Anjou ist nicht tot, der Sieg erlahmt
zur Hälfte jetzt.
Konradin
Er ist nicht tot? Nun still
vom Tod! Nun sind wir wie zuvor. Doch wie ...
Österreich
Der für ihn fiel, den man als Anjou schlug
darnieder, war der Marschall von Cousance.
Der junge Lancia
Zerstreut ist unser Volk, ein flacher Strudel,
im Sieg verlaufend, und nun kommt der Keil.
Mein Vater ruft.
Geschrei und Rufe „der Anjou"
Konradin
Glück hat sein eignes Recht,
und Märchen hetzen manchmal uns mit Schrecken.
Zurück die Bahn, dem Sieg in seine Flanken!
Österreich
Ich seh das Spielfeld heillos umgestürzt,
den heimatlosen Tod will ich versuchen.
Alle ab, von Getümmel empfangen
Wieder an dem Bergfuß im Mittelfeld der Ebene; Graf Lancia und Graf Donoratico kommen
Graf Lancia
Nun ändert sich nichts mehr, der Tag ist hin ...
Donoratico
Noch mehr, des Königs Weg so ungewiß
in sein sizilisch Reich wie kaum zuvor,
und unsrer mit. Wir sind schon auf der Flucht;
denn jeder Schritt von hier geschieht auf Glück,
daß uns der Anjou nicht, solang er wütet
im Rest der Schlacht, mit seiner Blutgier abfängt.
Österreich und der junge Lancia sind inzwischen gekommen
Österreich
Hier sind noch weitre Reste, weggespült
vom Feld, wo jetzt im Licht die Ernte kalt wird.
Graf Lancia
Wo ist der König?
Österreich
Langsam kommt sein Schritt.
Der junge Lancia
Mit weggewandtem Antlitz kommt er näher.
Österreich
O Konradin, dein heller Tag!
Graf Lancia
Jetzt nichts
von Klage! Rettet uns und euch! Erspäht,
wo uns noch Reiter sind und offner Ritt!
Österreich und der junge Lancia ab, Konradin kommt
Konradin
Die Luft ringt mit den Hauchen, die noch stöhnen,
und macht sie still, die Erde gibt ihr Lager,
der Fluß eilt hin und gibt dem Himmel Blicke.
Doch mir ist Luft und Erde, Wasser, Himmel
zerstückt, ich atme horchend durch die Trümmer,
und jedes Ding sagt mir: Hier ist ein Ende.
Graf Lancia
Die Schlacht begann mit zu viel Sieg. Prinz Heinrich
stieß immer weiter, und zum schweren Ende
kam er zu spät zurück.
Donoratico
Gewaltig brachen
ins aufgehäufte Treffen noch die Spanier,
indes zu spät, und durch die schweren Panzer
erstürzten sie im engsten Kampf zu Tode.
Konradin
Ein Wirbel ausgestreuter Wunden, drehte
zuletzt das Feld sich, und was schon erschlagen,
schien wieder aufzustehn, um mitzubluten.
Österreich und der junge Lancia wieder zurückkommend
Österreich
Das sagst du richtig, und ich will nicht lachen,
doch als ich sah, der Helm war einem Ritter
ganz ins Gesicht geschlagen, Kopf und Topf
war eins, und wie ein wilder Kreisel
schlug er nun blind herum, da lacht ich schrecklich,
und fast noch lachend, welch ein blinder Wirbel
den Sieg hinwegriß, seh ich Tod und Unglück.
Der junge Lancia
Den Fluß entlang geht jetzt ein Ausweg fort,
und Flüglingen, der Marschall, bringt uns Reiter.
Der Anjou nistet schon in unsrem Lager.
Graf Lancia
Der Aufbruch ist gewisser als das Ziel.
Folgt nach!
Graf Lancia mit Graf Donoratico ab
Konradin
Auf einmal fließt der feste Ort
hinweg, man steht an einem Fluß, o Traum!
Ein schwerer Traum kommt hier zurück, o Freunde!
Ich sah in jenem Traum mit Schrecken plötzlich:
inmitten eines Baches lag wie schwimmend
doch immer gleich am Ort ein blondes Mädchen,
es war enthauptet, und vom roten Ringe
an seinem Hals floß Blut, und mit dem Wasser,
worin das Haupthaar spielte, floß es immer.
Ganz lieblich war das Bild in stiller Gleiche
und floß bewegt am Ort, doch von der Wunde
kam mir der Sinn mit keinem Mal zur Ruhe
und war ein Sinn wie für ein ganzes Leben.
Das war mein Traum den Tag, als vom Gebirge
die Ghibellinen kamen mit der Krone.
Hinweg von diesem Fluß!
Der junge Lancia
So kommt und lebt!
Alle ab
Szene am Torre d'Astura mit dem Meer im Hintergrund; Friedrich von Österreich sitzt allein vor dem Turm
Österreich
Jäger, horch, der Kuckuck schreit!
Nicht mit wonniglichen Schatten
darf das junge Herz ermatten.
Deine Stunde ist bereit,
und die Hinde steht im Bann.
Junges Leben, offne Zeit!
Vogel, wann?
Streit und Liebe geben Glück.
Bald doch schenkst du deinem Sohne,
Mutter, eine dunkle Krone.
Doch kein Jäger weicht zurück.
Liebe was und Streit begann,
will das Herz nun Stück für Stück.
Morgen dann!
Morgen spricht der Himmel: Nein!
Wo ist Recht? wirst du dann fragen.
Blut bricht aus zu hellen Tagen.
Singe, Herz, du weißt allein,
was dein Jäger tragen kann!
Blut ist Recht und muß es sein.
Immer dann!
Konradin kommt aus dem Turme
Konradin
Vogel, wann? Morgen dann! Immer dann! ...
Von einem Berge blickt man in das Tal
und ist ein Fürst. Doch du hast nun ein Herz
von deinem Berg vergessen, hoher Staufen...
Sag mir ein Wort von deiner Mutter, Friedrich!
Österreich
Du fragst mit stumpfem Blick, mein Konradin,
und willst nur hören. Doch was sag ich viel?
Sie ist so heimatlos, du weißt, wie ich.
Ein Kloster ist ihr Ort.
Konradin
Das mein ich nicht.
Ein Schicksal wechselt manchmal ganz sein Ziel
und treibt im Kreise eines Menschen Herz,
bis er zum Opfer wird. Nun weiß er nicht:
bin ich mir treu gewesen? Oder Trug
war jedes Wort in mir, ein falscher Himmel
hing ob mir, der ich dennoch ruhig schritt!
Ein solches Wort, ein solches dunkles Herz,
wenn es vom dunklen Zweifel in sich blickt,
und doch, indem es zweifelt, wachsam wird
und dunklen Grund erfühlt, o dunkler noch,
der immer ist, o Mutter, solch ein Herz,
das weiß, die Welt ist nichts und doch sie ist,
wenn sich ein solches Herz im Grund erschöpft
und nun ein Sinn der Stille wird und schenkt,
solch eines Sinnes Wort hört ich jetzt gern.
Österreich
Kaum daß die Mutter je die Worte spricht,
die sie erfühlt hat. Schaue nur zurück!
Wie sie sich neigte und dem Kinde gab
und es bedachte, anders, als Verstand
in uns nun denkt! Sie dachte nicht, sie tat
ein Leben vor uns hin, in Zweifel nicht,
es war, schau nur zurück, ein schönes Land!
Konradin
So bannen Mütter wohl ihr eignes Herz;
doch was sie laut nicht sagen, lebt dann fort.
Gertraud ist deine Mutter, ganz entsagt
hat sie dem lauten Glück und lauten Schmerz;
Elisabeth, die meine, glücklicher
vielleicht bis jetzt, vielleicht in kurzer Frist
stehn unsre Mütter auf dem gleichen Grund.
Österreich
Was Haupt von Haupt ihr Angesicht so trennt
von unsrem Blick, das ist die Spanne Welt,
die wir jetzt haben. Dunkler wird der Grund
der Mütter immer, und das Leben hell
treibt uns in unser Wissen, daß wir sind.
Konradin
In dieser Stunde ist mir — ungewiß,
wie ich, halb auf der Flucht und willens doch,
mein Königreich gewinne —, hier am Meer
getrennt vom Glücke, wartend, was sich fügt,
in dieser Stunde ist mir sondre Lust,
von meinem Recht zu sprechen, sprechen doch
mit Namen nur von seltsam fernen Frauen,
die es mir gaben. Heimat ist dies nicht,
und doch erheben sie mein dunkles Herz.
Konstanze von Neapel, die Normannin,
gab uns, das uns wie Sage lockt, dies Feld,
wo wir jetzt suchen unsren Königsstamm.
Die Sage aber will von unsrem Blut.
Was dann als Teil von unsres Heilands Ort
Jolanthe von Jerusalem gebracht,
war wie ein Tropfen aus dem andren Kelch,
der niemands Erbe bleibt und ruhlos kreist.
Und alles setzt ins Erbe fort der Stamm,
und was noch dunkel ist, wird dann Geburt,
und so wird man vor aller Welt ein Kind.
Österreich
Nun lächelst du, mein Konradin, und schaust.
So sprach das schöne Meer die ganze Nacht
und trug wie selbst ein Licht den dunklen Himmel,
daß all die vielen Sternenlichter lauschten
und sich darob vergaßen. Weggeloschen
war dann ihr Glanz, und wirklich lag das Meer
als schöne Morgenrast in weiter Fülle.
Konradin
Schön ist es wie die Namen jener Frauen;
so glänzen sie einher. Doch unser Ort,
da wo wir sind, hat jetzt kein weitres Wissen.
Österreich
Die Stunden kommen, wo sich alles klärt.
Konradin
Seit uns das fremde Schiff hereingeholt
vom sichren Meer, fühl ich uns ausgesprengt
als Flüchtlinge, es drängt mich fort ...
Österreich
Und doch,
wir müssen warten, was die Botschaft bringt.
Konradin
Sag nur, wir sind in Haft!
Österreich
In halber Haft,
und Boten sind des Wegs.
Konradin
Schon lang des Wegs,
und kommen nicht! Und Johann Frangipani
ist hier der Herr?
Österreich
So sagt man uns.
Konradin
Was ist
hier bös, was gut? Wie rechnest du, mein Herz,
weil du nicht ruhig an die Zukunft klopfst?
Bös ist, daß schon zu lang die Rückkehr säumt
der Boten. Aber Frangipani gut,
vielleicht? Wenn er den Ring erkennt und anerkennt,
der ihn an Kaiser Friedrichs Gunst erinnert,
vielleicht? Vielleicht schrickt er zurück. Denn Ehre,
die abzufallen anfängt, schreckt den Rechner.
Schreckt dies nicht selbst mich, und nur nackte Tat
scheint mir noch möglich? Doch ich weiß nicht, welche.
Wenn wir schon klein sind, wird noch alles kleiner,
und was uns helfen soll, macht uns verächtlich.
Vom großen Sinn genährt und groß gewesen,
bleibt dann ein selbst zurück als schnöder Bissen,
und alle andre Welt ist eine Wunde.
Hast du bemerkt, daß Ehre stets nur Leid hat?
Österreich
Die Ehre ist ein einfaches Gesicht
und hat doch manche Wege, uns zu dienen.
Konradin
Ich warte arm an Ehre. Meine Sinne
sind ganz von ihr zerrüttet, ich will schrein
und schreiend in mein Antlitz fühllos leben
und hungrig sein vor Qual. Du Turm von Stein,
der du hier stehst mit Trotz! Ein Denkmal bist
du, daß um schnellen Tod mein Trotz nur trotzt
und blind schon hinschmilzt und ganz hilflos wird,
wie alle Schöpfung ist und Erde liegt
am unstillbaren Meer. O schönes Meer,
ich will hier nicht mehr sein, wer hilft mir fort?
Ich bin im wissenden Gefühl verloren.
Bewaffnete treten hinter dem Turm hervor
Bewaffneter
Was rief der hohe Herr?
Konradin
Da ist sie noch,
die Wache, die mein Dasein eingefaßt,
wie man den Stein am Ring hat. Er muß bluten,
wenn, der den Ring besitzt, den Stein erhebt
ins weiße Licht. Mein Sinn sagt anders nichts
und blickt nur mit. — Nach euch rief ich wohl nicht!
Doch seid ihr hier! Was denkt ihr, wer ich bin?
Bewaffneter
Man sagt, daß Konradin von Hohenstaufen
Ihr seid.
Konradin
Sagt man? Und ihr verratet nicht?
Ihr habt, so hoff ich, einen treuen Herrn!
Bewaffneter
Wir wissen nichts als Pflicht, das übrige
geht vor durch unsren Dienst und nicht durch uns.
Die Bewaffneten gehen wieder hinter den Turm zurück
Konradin
Du sagst die ganze Welt in einem Satz:
der Höchste denkt, der Mensch führt alles aus.
Siehst du, mein Friedrich, wer unglücklich ist,
hat Lust an Sätzen, deren Weisheit gilt,
und unumstößlich nimmt er, was dann zufällt.
Doch Gott, der glücklich ist, hat keinen Grundsatz.
Österreich
Du machst mit Worten dir ein wundes Herz,
mein Konradin. Der sonderbare Rest
jedoch des Glücks, worin es nur noch Streit ist
um Sinn und Sein, gebührt dir nicht. Gebührend
schien uns ein Glück, worin kein Wechsel größer,
als daß wir ihn ermessen konnten, eintrifft.
Nun messen wir noch halb, wir messen gar nicht,
worauf wir uns berufen können. Schicksal
ist ganz um uns. Und doch um eine Liebe
brennt mir das Herz noch, und der Tag der Schlacht
bleibt mir, gleichwohl verloren, eine Jungfrau.
Um sie ist Sinn und Sein und Recht und Leben,
und so ist Welt geblieben, wie wir waren.
Konradin
So sagst du, Friedrich, doch der letzte Rest
vom eignen Selbst faßt allen Stolz zusammen
und brennt ihn jetzt hinweg, unzählbar blutend.
Sieh, ein Geschlecht der Welt vergeht in Armut.
Österreich
Was du jetzt sagst — sieh da, ein Mönch, der kommt!
Das ist ein Wort, um das ein Mönch dich neidet.
Ein Bettelmönch kommt vorbei
Konradin
Ruf ihn, wenn er nicht selbst mit Absicht kommt!
Österreich
Hör du, der du die Kutte hierher trägst,
du Mensch der Armut, gib uns eine Antwort!
Der Mönch kommt herzu
Konradin
Denk einen Knaben, der ein König ist!
Nun laß ihn sterben — wunderliches Wort,
da mich der Papst wohl gerne sterben läßt. —
Laß sie verschieden sterben! Wer stirbt leichter,
der Knabe, der noch dumm und weltlos ist,
der junge König, der mit Knabensinnen
sich tief in eine dunkle Größe schickt,
wer stirbt von beiden weg, so fragt mein Wort,
so daß der Tod den Sinn nur leicht verletzt?
Der Mönch
Ich kann nicht streiten um den lieben Tod,
den Sinn der Welt verletzt ein Toter nicht.
Konradin
Du denkst nicht recht! Sieh, wie der Himmel ist!
Mit aller Schwere stürzt er in sein Blau,
der Tropfen Wasser aber blitzt im Gras
und zündet um sich her ein gleiches Glück.
Was sag ich doch: der kleine Funken lechzt,
der große Himmelsstrahl durchtrifft mein Herz.
Wo mich ein Sinn der Welt zutiefst verletzt,
da will ich sein, daß es mein Herz durchtrifft.
Der Mönch
Wenn nur ein Mensch ganz Wort geworden ist,
daß er sich nur noch fügt, mit Willen nicht,
nein, ärmer noch, daß er nur ganz sich glaubt
und ganz sich nicht glaubt, wo er selbst nicht ist,
dann kann ihm Gott nichts tun, und Tod ist nichts.
Konradin
Nein, deine Lehre ist nur stilles Brot,
und Schmerz ist mehr als Wort. Weißt du denn, Mönch,
wie sehr der Schmerz die Welt erst völlig macht?
Hör an, was mein Großvater Friedrich tat.
Er tat als Kaiser, wie ein Gott sich irrt.
Er schloß, hat man erzählt, an einem Ort,
wo nie ein Ton von Mensch und Dingen traf
ans Ohr, daß sie dort wüchsen, Kinder ein.
Er schloß sie ab von Welt, von jedem Laut,
von jeder Saite Klang, vom lieben Spiel
der Stimmen, die mit uns im Bunde sind.
Den Himmel sahen sie und sahen Raum.
Doch was da tönte und von Herzen rief,
war ausgetilgt um sie — und sie nicht taub,
und tauber doch, je wacher durch ihr Herz
sie sahen, daß nicht sinnlos stumm ein Klang
in allem anders schlief und schlief doch nicht.
Sie sahen, doch man tat an sie kein Wort.
Er wollte wissen, wie ein Kind dann wuchs.
Der Mönch
O dies Verbrechen, so verirrt zu sein!
Konradin
Ihr Sinn des Ohres hungerte um Welt,
indes der Sinn des Augs zum Himmel stieg,
sie sahen Himmel schweigender als Licht
und hatten in sich ungelöst ein Wort,
es fraß ihr Herz, bis es in ihnen schrie,
sie starben schreiend in der stummen Welt.
Verstehst du nun, du Mönch, den größren Schmerz?
Vielleicht wenn dieser Königsknabe stirbt —
er stirbt, wenn sich der Gott der Schöpfung irrt
und dann verstummt. Das ungelöste Wort
krampft sich ins Herz. Noch wächst des Knaben Blick,
doch wird die starre Kuppel schon Verschluß,
noch liegt die weite Spanne unerfüllt
und schön, und doch ein dunkler Schmerz wacht auf,
wenn wir des Sinnes denken, blind im Schritt,
der um uns mitging und vielleicht jetzt geht
wie eine Magd, die uns zu töten kommt.
Der Mönch
So bist du Konradin von Hohenstaufen!
Konradin
Suchst du mich auf? Weißt du schon einen Tod?
Der Mönch
O vielen Tod! Doch mehr nicht, als Ihr selbst
und Eure Freunde wißt.
Konradin
Du meinst die Schlacht?
Der Mönch
Die Schlacht! Und Eure Freunde wachend dort
am Wege, wo ich kam, schon fragten mich.
Österreich
Sonst weißt du nichts?
Der Mönch
Nichts, als wie grausam war
der Karl von Anjou, und doch eins gewiß,
daß jener Spanier lebt, der mit Euch war.
Konradin
Prinz Heinrich von Kastilien lebt?
Der Mönch
Er floh.
Gefangen jedoch bald durch einen Abt,
fiel er dem Anjou heim; indes der Abt
bedang sich, daß der Spanier lebend bleibt.
Konradin
Er ist gefangen, und der Tod geht um,
die Boten aber säumen.
Österreich
Wegelagrer
sind wir um Nachricht, Mönch, und ein Gesicht,
das nicht viel weiß, ist uns halb lieb halb leid.
Der Mönch
Auf meinem Wege war ein junges Weib
mit blinden Augen. Aber wie Gesang
war ihr Gesicht, so daß man vor ihr ging,
als habe man das Bild der Welt verloren
und nur noch horchend geh es in uns mit.
Seht nur, sie kommt ...
Österreich
Das ist der bittre Greis,
der vor ihr geht; dies ist die blinde Magd.
Der Allfahrende und die Blinde kommen von links in die Szene und bleiben in ihrer Richtung stehen
Konradin
Was ist dies, das sich wachend wiederholt?
Es ging dahin am Morgen in dem Wald,
war unerreichbar in dem blinden Schritt,
und ganz nur Hingang, schien es ganz vertraut.
Dies gleiche Bild wird unverlierbar hart
und kommt zurück, das wütender nun schmerzt,
im Bild des Hingangs spricht die blinde Magd.
Die Blinde
Von eines Baumes Zweigen fühlt man Leben,
sie warten immer, daß ein Wind sie rühre,
und wie die Zweige wanken, gehen Rufe
und suchen Anhalt, daß sie doch nicht wanken.
Zwei Dinge sind dem Spiel der Welt beschieden,
auf blinder Spur in andrem Lichte gehen,
das zweite, Worte sagen, um zu hören.
Dazwischen steht Vertrauen, daß wir leben.
O Wind, o Hauch der Luft, o stille Wunde!
Dazwischen sind wir Mangel, und wir suchen
den Sinn der Ferne, mangelnd sichrer Nähe.
Von solchem Fluche wird der Sinn gesegnet,
nie aber sind wir in des Bildes Fülle.
Konradin
Ist dies nicht Wahrheit fast wie dunkler Hohn,
für die hier horchen und des Weges fühlen
und ganz geteilt mit Wut noch Sinn berufen,
daß sie die Zeit bestehn wie eine Wunde?
Die Blinde wendet nun plötzlich ihr Gesicht aus seiner Richtung her
Die Blinde
Wer wagt, sich ganz Geschöpf dahin zu wagen?
An ihm hat naher Sinn sein Recht verloren,
ihm wird unstillbar der Gesang der Ferne.
Konradin
Wie nenn ich sie, die meines Weges Magd ist?
Es treibt mir sonderbar die stumme Seele,
ihr zu gehören mit dem letzten Sinne,
und wie ich bin verwundet, alle Wunde
des Seins zu fühlen, bis es grundlos arm ist,
und dies Geschöpf zu sein, das nirgends ankert.
Nenn ich sie Schwester, die wie Reim zu Reime
nur horcht und weiß Erkenntnis nicht dazwischen.
O Welt, wie bist du mit mir umgegangen,
bis ich erwachend dies Gebild erkannte.
Was uns mit Blindheit ruft, ist unsre Schwester.
Tannhäuser, du hast sonderbar gesprochen.
Die Blinde
Nun bist du Fahrender im letzten Sinne.
Konradin
Ich will ihr folgen und ein Ende suchen,
die Augen angeschlagen wie von Zweigen,
ich will um Streit und Liebe vollends enden.
Der Allfahrende und die Blinde gehen nach rechts aus der Szene; Konradin will folgen; Geschrei und Waffenklirren von links
Rufe
Verrat, Verräter! Johann Frangipani
ist ein Verräter!
Österreich
Aus ist diese Stille,
doch was uns droht, wird überall noch stiller.
Laßt uns die Waffen in die Waffen wenden!
Indes sie ihre Schwerter bereitmachen, springt der junge Lancia herein, und unmittelbar hinter ihm werden, schon gefesselt, die Grafen Lancia und Donoratico gebracht, umringt von einer Menge Bewaffneter, zusamt denen hinter dem Turme. Konradin, Friedrich und der junge Lancia werden sofort überwältigt und gefesselt
Konradin
Die Falken, die man an die Fessel heftet,
sind minder edel nicht, als was sie jagten. —
Ihr fernen Frauen, die wie Meere lächeln,
o wär ich doch auf meiner Jagd gestorben!
Der junge Lancia
Ihr meine Freunde Konradin und Friedrich,
dies ist das letzte, was ich zu euch sage,
ich blicke zu euch um und sage nichts.
Die Gefangenen werden abgeführt
Ort: Kerkerraum im Kastell del Salvatore in Neapel. Auf dem Tisch ein Schachspiel, an welchem Friedrich sitzt; Konradin an der Maueröffnung, die auf das Meer hinausgeht
Konradin
Die Zeit ist um uns, als ob große Steine
vom Himmel manchmal ab aufs Meer hinfielen,
das aber lautlos bleibt; und seinen Spiegel
bewegt es nicht. So liegt die Bläue draußen
und überfüllt des Blickes armen Kerker.
Das Blut bewegt den Puls in dieser Ruhe.
Und, Friedrich, horchst du nun, du kannst im Pulse
es fallen hören, wie das Obst in Schwaben
nun häufig fällt. Ach, es ist wohl geerntet,
und schon als niederfiel Konrad von Limpurg
von unsren Herzen, fiel es von dem Baume.
Dies ist nun Herbst. Blut ist an jedem Orte,
der Anjou macht uns jeden Ort zur Richtstatt.
Österreich
Du bist am Zug und mußt den König wahren,
ich hab ihn bald im Schach, du mußt dich mühen,
dein Spiel steht jetzt nicht gut.
Konradin
Die Zeit rückt weiter,
und Köpfe fallen täglich, die uns kannten.
Man schließt, vom grellen Licht in unsren Schatten
herblickend, gern die willenlosen Augen
und ist entfernt von sich in stummer Weile.
Konradin kommt zurück zu dem unterbrochenen Spiele
Österreich
Du bist am Spiel, nimm deinen Zug in acht,
hier sind im Königsspiel die klaren Felder.
Konradin
Ihr habt den Raum, der recht ist, kleine Dinger.
Figuren seid ihr ohne Licht und Schatten
und braucht nichts weiter nötig als Gesetze.
Österreich
Gesetze sind, daß sie den Raum berühren,
sie halten eine klare Welt der Mitte.
Konradin
So ist Gesetz! Und wird Figur geschlagen,
so fällt sie aus und gibt Verlust im Spiele,
sonst ist sie nichts. Doch was hat uns im Sinne
und fällt mit uns heraus? Und um so schwerer
wird unser Dasein nicht mehr im Gesetze.
Was ist das für ein Sinn, der uns herausnimmt?
Österreich
Im Spiel muß man nicht denken, sondern spielen.
Konradin
Ich bin herausgeirrt. Sieh diese Zweiheit!
Das Spiel geht fort, sowie man will, der Spieler
jedoch ist außerhalb schon wie im Schatten.
Vom Licht zum Schatten ist die Grenze ewig,
und zwischen Licht und Schatten muß man sterben.
Österreich
Was uns herausnimmt, ist ein andres Leben,
man kennt es nicht, weil uns die Sinne mangeln.
Konradin
Und wo sie mangeln, wird der Sinn verdichtet.
Das ist die Schwere, daß wir nur noch Sinn sind
und haben doch nicht teil an keiner Stelle,
und kein Gesetz will diesen Sinn mehr führen.
Österreich
Man fühlt ein Leben um so mehr im Stillen.
Konradin
Die Stille wächst zum Unmaß unsres Elends.
Österreich
Das Spiel der kleinen Rechnung hilft vergessen.
Konradin
Die Rechnung ist zu klein, ich kann nicht rechnen,
je mehr die Stunden wachsen ohne Inhalt.
Nicht Rechnung, nicht Gesetz und auch kein Denken
ist mehr genügend. Denken will nur lähmen,
und ich muß wandern, ganz von mir entwunden.
Konradin hat sich wieder erhoben
Österreich
Du mußt von Dingen sprechen, die uns nah sind.
Konradin
Was ist dies, daß man ohne Inhalt wandert,
wenn nicht ein Müssen wie um letzten Abstand
und um Verlust, darin man selbst Verlust ist
und kleines Ding verschmäht. Gott ist kein Spieler.
Was uns befriedet, ist doch nur die Größe,
selbst wenn sie uns in ihrem Werk vernichtet.
Österreich
Ihm nun nachgehend
Wer kann dich sehen wie ein Tier im Kreise?
Nun wandre nicht mehr, sei am Tisch, mein Lieber,
dies Haus von Stein hält uns hier gut gefangen,
das mit dem Namen heißt San Salvatore.
Konradin
Du machst mich gerne spielend lächeln, Friedrich,
und lächelnd darf ich eine Antwort sagen:
Kastell San Salvatore, das will heißen,
sie haben ein Gesetz, und er muß sterben.
Österreich
Zu bitter spielst du fort um deine Seele.
Konradin
Ich nütze, was ich noch von Zukunft habe,
ich baue fort, was mir noch fehlt am Reiche
in ein Gesetz, daß es sich selber tötet.
Gesetz, das nur noch Sinn ist, muß sich töten.
Nun mangelt alle Kraft der kleinen Dinge,
das Reich, das über Rechnung stieg, geht unter,
und was uns groß vorausging, läßt uns fallen.
Was sag ich Großes, der ich nur noch fühle,
und nichts als dies, je reicher desto ärmer,
je mehr gefühlt im letzten schwindet alles,
so nichts als dies, so Abstand aller Erde,
nichts mehr als dies, und ich bin leicht zu töten.
Österreich
Dies Land ist einmal so. Wer es betreten,
erstand sich ein Gericht und kam ins Urteil.
Er ging dahin, woher er sich begegnet,
doch die Begegnung wartet auf ein Opfer.
Ein dunkler Sinn wird von uns ausgetragen.
Konradin wieder an der Maueröffnung
Konradin
Mein Königreich ist blühend wie ein Garten
und liegt um mich umher, ich bin gekommen,
und Kampf war Spiel und Spiel war wieder Schlacht,
und Anmut sank hinweg von meinem Schilde
an einem Morgen. Und wo bin ich jetzt?
Ich sehe Stein und seh ein träumend Meer.
Als ob ein waffenloser Träumer stürbe,
der seinen Tod verachtet und im Blicke,
im gleichen der Verachtung, selbst sich läßt,
weil, wer so tief verwundet, nichts mehr achtet
und wütend nur noch seine Wunde würdigt
und stößt die Waffe mit dem Fuße weg,
er liegt im Feld gekrümmt — so ist ihm Ehre
sinnlos vergangen, Schmach noch Traum und Leben;
und der hinausblickt, ehrlos gleichend bald
dem grimmig Sterbenden auf seinem Raume,
ihm ist kein Waffenstück mehr in den Händen,
das er noch ansieht, einen wilden Rest,
ihm ist dies Meer sein weggelegter Schild.
So ist ihm sein gewisser Tag gekommen,
der Himmel wächst, der ganz von Anmut frei wird,
und ich bin bildlos mit mir selbst zu Ende.
Wer zu viel Bild ausschöpft in dieser Welt,
stürzt in die Ohnmacht und ist schnell im Tode.
Österreich
Man sieht auf Beeten gern die roten Rosen.
Die sich entblättern, gleichen roten Lippen,
wie du jetzt sprichst; sie fassen unser Herz
und taumeln mit ihm in die Runde weg.
Doch blick ich immer auf die eine Rose,
die ganz erblüht ist und nun ohne Wanken
den Tag besteht, die kaum durch Sonne froh wird,
weil sie in ihrer Dichte dunkelsamen
und schweren Ernst verbirgt wie letzten Schauder,
mit dem sie wie zur Abwehr ihrer Stunde
hinüberfließend in das goldne Licht
doch völlig einsam ist — ein gleiches Herz
steht in des gleichen Schauders schwerem Fest
und weiß nun nichts mehr als die gleiche Stunde.
Das Todesurteil ist an uns ergangen,
nun trifft uns nichts mehr als das ganz Gewisse.
Konradin
Wie bin ich nur, mein Friedrich, so in Leid
verwirkt wie Eigennutz, ich bin beschämt,
du tapfrer Partner solltest laut mich schelten,
der du zuvor mir stehst im Ring der Rosen
und schon das Fest des Todes still begehst.
Ich muß voll Neid sein wie um einen Bruder,
der nichts als stark ist; ich will vor dir sterben,
daß du dir gleich mich siehst mit lieber Trauer,
mit Trauer liebend will ich so dich strafen.
Österreich
So komm zum Königsspiel und laß dich töten!
Dann seh ich deinen Neid und lieben Mangel,
weil dir zu viel vom bösen Vorteil mangelt,
der Neidern hilft. Du lernst das Spiel zu spät,
der Anjou ist ein Spieler.
Beide haben sich zum Spiel gesetzt, Konradin erhebt sich jedoch sofort wieder
Konradin
Doch kein König!
Wenn Tapferkeit mit Neid geht, wird sie grausam.
Er hat uns in das letzte Spiel gebracht
und ist nun grausam. Aber wer versteht
mit mir das Ärgernis des großen Schmerzes,
der so lebendig ist, wie ich erliege.
Ich nenn ihn einen königlichen Schmerz.
Österreich
Das ist der letzte Sinn, dem wir begegnen.
Wir haben uns zum großen Spiel gegürtet
und müssen unsren Schmerz noch schöner gürten,
je mehr wir nun statt Sinn den Tod empfangen.
Die schöne Gürtung zeigt des Sinnes Größe.
Konradin
So sagst du, ist der letzte Sinn ein Schmerz
und hängt die Welt inmitten nur zusammen
durch solchen Schmerz, der ohne Sinn wie tot ist?
Österreich
Ich will nicht denken. Noch sind wir am Tage,
und was geschieht, muß uns noch unterhalten.
Konradin
Der Papst, sagt man, bevor er Heilger Vater
geworden, sei vermählt gewesen, Kinder
umgaben ihn, jetzt ist er nur noch Richter,
Nachrichter, denn was man als Recht erkannte,
um uns zu töten, was Robert von Bari
allein von allen Richtern auf des Anjou
Befehl geurteilt, billigt kaum der Papst jetzt.
Jedoch der uns gebannt aus allem Rechte,
ich sag es bitter mit dem gleichen Klange,
der haftet am Vollzug gleich einem Knechte,
der dem Geding des Anjou sich gefügt hat.
Österreich
Des Papstes Wesen muß uns immer treffen,
er hütet Welt, wo wir den Weltsinn schüren.
Konradin
Der Hohenstaufensinn gefällt ihm nicht.
Was mein Geschlecht mit seiner Welt gemein hat,
ist eben, was uns trennt, was zwischen uns
erblüht in jeder Zeit, die Braut der Zeitschaft,
zum Sinn der Gegenkunft die ganze Liebe,
Gestirn und Schwert, wohin sie beide führen,
zu einem Inbild eine blinde Treue,
die Treue, die für uns wie eine Magd wird,
die liebe Magd, die uns nun unsren Tod gibt.
Österreich
Du fragtest mich um unsren Sinn und Tod,
nun hast du den Zusammenhang erkundet.
Konradin
Dies Bild, wodurch wir blind beseligt leben,
noch schauend auf das Meer, wenn wir nun sterben,
das hat er nicht, der sehend uns in Tod schickt.
Nie wird ihm eine Braut die Welt, die Wiege
bleibt leer des Sinnes, und die bare Erde
steht nie in Frucht des ersten goldnen Gartens.
Der Garten ist des Kaisers, nicht des Papstes ...
Österreich
Nichts mehr als dies! Darum sind wir gewandert,
dies ist, was unsren Herzen hier begegnet.
Nun laß den Zeitengarten sich verschließen,
den wir bedachten; nimmer wird er offen.
Doch uns, im Sinne fröhlich, laß jetzt spielen!
Konradin setzt sich wieder zum Tische
Konradin
Laß mich die Augen nochmals sinnend schließen.
Es ist um vielen Tod und ist um Lancia,
um beide Lancia, beide schon enthauptet.
Der treue alte Graf und uns Verwandte!
Vor seinen Augen schlug man Galeotto,
dem Sohn, das Haupt ab, sterbend vor dem Vater
lag er am Boden, und der Vater folgte.
Das Schicksal traf sie schon vor einem Monat,
das mit mir geht. Des jungen Baumes Frucht
hat es gepflückt, daß es den Vater schüttelt
im ganzen alten Stamm, dann starb er selber.
Der junge Lancia war uns lieb, mein Friedrich.
Und überall hat er so fort gewütet
und uns zum Schauspiel aufgespart, der Anjou.
Nun wohl, Figuren sind wir jetzt wie Dinge,
wie diese hier, wir brauchen nicht zu denken.
Nun zieh ich so, und nun bist du am Zug,
mein Friedrich!
Österreich
Nein, und doch, am letzten, siehst du!
Nun bist du matt, und dieses Spiel ist fertig.
Dir fehlt der Neid des immergleichen Spielers.
Konradin
So hab ich in Gedanken schnell verspielt,
und ich bin matt. An jenem schönen Wald
wär ich noch einmal gern, wo mir geträumt hat,
nein, wo wir unsre Träume uns erzählten.
Dein Traum war wie ein Stein in später Sonne.
‘Genügsam sei die Zeit mit wenig Tod’,
so rief es in der Luft und schwieg im Licht.
Mein Traumbild aber war wie Wasser schwer;
‘so hat man mich enthauptet’, floß es hin
und rückte doch im Bache nicht das Mädchen.
Nun geht mein Sinn wie jenes Wasser schnell.
Ich bin bereit, wenn jetzt die Stunde kommt,
der Ritter folgt der Jungfrau seines Traumes.
Bewaffnete kommen durch die Türe und bringen den Grafen Donoratico herein; kleine Pause
Konradin
Graf Donoratico von Pisa, wie?
Dürft Ihr uns heut besuchen? Was verbirgt
Eur Mund?
Donoratico
Den Tag, der uns nicht mehr gehört!
Konradin
Ach, uns gehört schon lang kein Tag mehr! Weiter!
Doch nein. Eur Wort genügt schon.
Österreich
Morgen dann!
Donoratico
Wir sind zusammen auf dem gleichen Wege.
Konradin
Und doch erschreckt es fast die liebe Seele,
wenn sie den Tag erfährt, wo sie entläßt
der kalte Leib und sie dann leiblos ist.
Wißt Ihr noch sonst Bericht von unsren Freunden?
Donoratico
Tot ist der edle Herr Konrad Capece,
mit ausgehöhlten Augen blickt er meerwärts.
Konradin
Was Ihr auch sagt, kann uns nicht mehr erschrecken,
doch wie Ihr es gesagt, erscheint es schreckhaft.
Donoratico
Verraten haben ihn die Burggenossen,
da ritt er ganz allein zum Feinde nieder,
man hat ihm beide Augen ausgestochen
und ihn dann aufgehängt; dies ist geschehen
nah bei Katania am öden Ufer.
Konradin
Die Worte fehlen uns zu wilder Klage.
Der treue Wächter unsres Königreiches
bewegt die stumme Luft mit seinem Tode.
Und Rom?
Donoratico
Rom ist dem Anjou zugefallen.
Konradin
Es fällt von Herrn zu Herrn und stirbt doch nicht,
und unser Tod geht wie im Kreis um Rom.
Donoratico
Der Anjou hetzt, was ghibellinisch ist,
und schmückt mit Martern ihre Todesstrafen.
Konradin
Ein Frevler an der Kirche, Hochverräter
an einem Lande, das mein eignes Erbe,
so nennt der Urteilsspruch, den er mir fällte,
was aus dem Schoß der Zeit mein Inbild ist.
Die Zeit, die war, hat er im Keim entwürdigt,
den Sinn der Hoffnung hat er rings ertötet,
und mit Verstümmelung umgibt er sich.
Was ist mein Testament, wenn dieses nicht?
Sonst nichts als etwas Leid, und dieses Wort:
Beginne Zeit nach mir dein Neidgesetz,
das ungeschrieben doch sich selbst erfüllt!
Ihr aber, dessen Alter niemand ehrt,
wir sehen morgen nochmals diese Welt.
Donoratico
Sie speit sich aus, wie man sie täglich sieht,
mir ist genug, hab ich nur meinen Tod.
Konradin
Graf Donoratico, zum Abschied geb
ein wenig ich, daß Ihr es freundlich haltet,
mein Haupt in Eure Hände, laßt das Eure
mich auch berühren, und so laßt mich danken.
Mein Dank ist nichts mehr, doch der Weg zusammen
zum gleichen Tod, gleich fern von andrem Ziel,
ist noch wie Liebe, die kein Wort mehr hat.
So nehmt auch Friedrichs Haupt und laßt uns scheiden.
Donoratico geht nach der Umarmung zwischen den Bewaffneten ab
Konradin
Die Brust ist mir voll Worten, doch wie Glocken,
die schwingend nicht die Wand von Erz erreichen
und hungrig nur den weiten Mund bewegen.
Österreich
Der Morgen hat den gleichen weiten Mund
und braucht zum Tönen unser ganzes Herz ...
Singe, Herz, du weißt allein,
was dein Jäger tragen kann.
Konradin wieder an der Maueröffnung und Friedrich an dem Tische
Zeit und Ort: der Morgen des 29. Oktober 1268, der Richtplatz mit dem Blutgerüst außerhalb der Stadtmauer von Neapel; Ausblick auf das Meer mit Capri und auf den Vesuv. Links ist die Mauer burgartig ausgebaut und am Erdgeschoß eine Kapelle angesetzt. Auf dem Richtplatz links bei der Kapelle ein erhöhter Sitz für den Richter, gegen den Hintergrund rechts das erhöhte Blutgerüst. Der Platz ist von französischen Rittern und einer Volksmenge gefüllt. In deren Mitte stehen, von Bewaffneten umringt, die Mitverurteilten Graf Donoratico, Marschall von Flüglingen und noch vier deutsche und italienische Ritter. In dem Turmfenster der Burg ist sichtbar Karl von Anjou. Aus der Kapelle hört man die Weise des ‘Dies irae’
Gesang
Lacrimosa dies illa,
qua resurget ex favilla
judicandus homo reus,
huic ergo parce, Deus,
Pie Jesu, Domine,
dona eis requiem. Amen.
Konradin und Friedrich werden inzwischen von einer Wache aus dem Hintergrund links hergebracht
Österreich
Es geht nun schneller, als man fleißig denkt,
der Fleiß der Zeit ist schneller als Gedanken.
Konradin
Siehst du, wie es den Mund von selbst bewegt,
du sagst den gleichen Inhalt zweimal aus.
Österreich
O Lieber, lächle mit mir, denn mein Mund
ist jetzt wie eines Schülers recht unmündig.
Konradin
Dann sind wir uns nur gleich, denn, sieh, mein Herz
ist jetzt auch recht unmündig und tut Schläge,
als ob es eifre mit der schnellen Zeit,
und klopft doch klein und ist ein wenig kalt.
Das ist hier nicht wie in der heißen Schlacht,
dort trieb es an, hier wills nur tapfer mit
und will noch treu sein, wenn man auf es zählt.
Viel Volk ist aber hier, und viele Ritter
umstehen jetzt das kleine tapfre Herz.
Österreich
Dort ist das schöne Meer und all dein Land,
des Kaisers Gartenland, darin man wandelt;
vergeblich lockt es jetzt, wir kommen nicht.
Konradin
Und dort ist das Gerüst, der Ring der Rosen,
sie werden blühend sein, sobald wir säen,
und wenn wir bleich sind, schmücken sie das Fest.
Österreich
Wir sind in vielen Augen, doch der Himmel
ist groß für sich allein und hält uns einsam.
Wie sagtest du noch gestern? Lautlos schwillt
die Brust wie eine Glocke voll von Tönen.
Doch wohnt die Zunge leise nur im Mund
mit Worten, die sie vor dem Tod beherbergt.
Konradin
Die Zunge dieses Morgens ist das Schwert,
sie schlägt nur zu und schlägt sich selbst mit Schweigen.
Mir aber wacht ein frühes kleines Lied:
Was hilft mir all die Sommerzeit
und die viel lichten langen Tage?
Die ich im kranken Herzen trage,
mir ist nach andren Blumen leid,
die eines Maien Blumen sind,
die einer Fraue Blumen sind,
ich bin der Jahre noch ein Kind.
Gebet
Aus der Kapelle
Libera me, Domine, de morte aeterna, in die illa tremenda,
quando coeli movendi sunt et terra, dum veneris judicare
saeculum per ignem.
Konradin
Nun wird man bald bereit sein. Doch die Haare
laß ich mir für das Schwert nicht schneiden. Frei
geh ich in eines Königs argen Tod.
Österreich
Der kahle Nacken macht den kahlen Knecht,
das Haar ist wie der Glanz des weiten Lebens.
Rufe
Wer drängt hier durch?
Österreich
Er kommt zu uns!
Rufe
Was will
der Sarazene?
Der Sarazene
Laß dich, König, grüßen
von unsrem Volk, das in Lucera ist!
Noch hat der Anjou diese deine Stadt
mit seinem kalten Ingrimm nicht erobert.
Wir kennen keinen Herrn als Konradin.
Wir sind das Volk des großen Kaisers Friedrich,
es grüßt des Stauferstammes letzten Herrscher,
es sieht ihn nicht mehr als durch meine Augen.
Anjou
Dies soll dir wahr sein und für deine Augen!
Stoßt ihm sein Wort in seine tolle Kehle!
Der Sarazene wird von der Wache niedergestoßen
Konradin
Du huldigst gänzlich!
Rufe
Seht den gelben Anjou!
Konradin
So will die Erde sich schon eilig färben,
und nimmt der Tod mir weg den kleinsten Dank.
Ich danke mit dem gleichen Tod.
Rufe
Gebt Raum!
Robert von Bari kommt und bringt den Henker!
Robert von Bari begibt sich auf den Richtersitz, der Henker steigt auf das Gerüst. Unter der Menge rechts sieht man jetzt auch den Allfahrenden und die Blinde. — Signal.
Robert von Bari
Ihr steht hier, viele Männer, um zu horchen,
nehmt eure Zeit gewahr und eure Richter!
Versammelt seid ihr, wartend auf ein Urteil,
das Urteil wird gefällt und dann vollzogen.
Wer kam mit vielem Volk, um fremde Saaten
in eurem Land zu ernten? Ein Verführer!
Wer griff nach Rechten eines rechten Herrschers,
und eitel nahm er selbst sie? Ein Empörer!
Wer brach in unsre Ordnung als ein Räuber?
Wer täuschte erst durch Sieg, nun er Besiegter,
wer, ausgerottet, gibt der Zukunft Frieden?
Hier steht er, Konrads Sohn, steht Konradin,
der kein Gesetz geachtet, jetzt gebunden.
Und über ihn übt sein Gericht der König,
den er vernichten wollte, Karl von Anjou.
Die Taten messen wir nach dem Gesetze,
und das Gesetz spricht ihn für alles schuldig.
Wer achtet das Gesetz und billigt nicht
den Spruch, den wir gefällt? Der Spruch heißt: Tod!
Der Spruch trifft diesen und die mit ihm schuldig.
Er wird alsbald vollzogen wie gesprochen.
Nehmt eure Zeit gewahr und eure Richter!
Gemurmel und anschwellende Rufe; ein französischer Ritter springt gegen den Richter vor
Der Ritter
Der deutsche Jüngling ist ein edler Ritter,
Robert von Bari aber ist ein Schurke!
Rufe
Hört Konradin! Gebt Konradin ein Wort!
Konradin
Wer zählt nach Recht und Unrecht einen Weg,
der unser war und war der Weg der Staufer?
Ich rufe gleiche Fürsten dieser Erde!
Es gibt nicht gleiche, um mit uns zu rechten.
Ich rufe dieses Land, das uns gehuldigt!
Es gibt kein zweites, das ein Recht empfangen
wie dieses, das sich kaiserlich erhoben
mit uns und blühend war wie eine Sage.
Ein reicher Geist, auf dieser Erde schwebend,
so wie das Morgenrot auf seiner Kugel,
und immer mächtiger in seinem Tage,
so ging der Himmel hier auf andre Lande
wie Donner einer frühen schönen Zeit.
Wer tötet nun, nein, schändet noch dies Wesen
so großen Maßes, wie es fremd dem Neid ist?
Neid war nicht im Gesetz der Hohenstaufen.
Doch wer mich nun beschuldigt, keine Schuld
kann auf die Treuen fallen, die mir dienten.
Sie dienten mir nach jeden Sinnes Recht.
Ich rufe meiner Klage letztes Wort:
Den gleichen Gott hat jedes Menschen Seele,
hier aber ist kein Richter über mich!
Gemurmel und einzelne Rufe ‘Heil Konradin!’
Ein Weib
Bewahr ihn vor dem roten Henker, Jungfrau!
Er hat vom Leben nichts als sechzehn Jahre.
Donoratico
Den Sinn der Erde ruft der Mensch vergeblich.
Es ist die stumpfe Ordnung, die uns nötigt
von reiner Waffe sich ins Recht zu kehren,
bis es genug ist solchen Rechts aus Unrecht,
und zum Vollzug lenkt er dann selbst die Schritte
und nimmt den Tod in sich als freies Ende.
Die Blinde
Der reine Kern der Welt ist unbeschützt,
die Erde muß von Nacht zu Nächten keimen,
der Keim der Zeit ist seines Todes schuldig.
Robert von Bari
Ihr habt genug; der Spruch verlangt sein Recht,
und wenn schon Recht, dann lenkt die raschen Schritte
nun zum Vollzug!
Donoratico
Der Schurke zeigt noch Hohn
und würzt sein feiges Herz mit unsrem Tode!
Konradin
Das war die Blinde, die so hilflos wandert,
nun bin ich wach mit allen meinen Sinnen.
Zu den Mitverurteilten
Ihr Freunde meines jungen Lebensganges!
Ach, stellten wir nochmals die weißen Zelte
ans Tor der Schlacht, und nochmals säh ich euch
um Tod aus keinem Grunde fröhlich streiten,
als wie ein jeder war im Kampf der erste!
Nun folget ihr mir still und kampflos nach.
Ein Mönch
Im Gedränge
Zu spät in diesem Kampfe kommt das Wort
und bleibt uns friedlos und muß so genügen.
Laßt mich hindurch!
Rufe
Ein Mönch kommt wie ein Bote.
Der Mönch
Vor Konradin
Ich bin nicht selbst; doch wär ich nichts als Mönch,
so wollt ich Konradin, den König, grüßen.
Ich bin ein Bote, und dies ist die Botschaft,
sie ist für Konradin, den man hier richtet,
und ist ein stilles Wort für jede Seele:
Es ist von seiner Heiligkeit der Frieden.
Stimmen
Der Papst hat Konradin vom Bann gelöst!
Konradin
Seit meiner Kindheit hab ich gleich gehandelt
und war im Widersatz bis an dies Ende,
nun nimmt ein letztes Wort der Heilge Vater.
Der Papst versieht sich einer Welt der Ganzheit,
der Kämpfer aber ringt um nichts und alles,
was ist der Unterschied und bleibt im Rest?
So wie die Braut zu ihrem Tag sich richtet
und ordnet alles, die sich selbst verschweigt
und ist wie nichts, und wäre doch die Feier
nichts ohne sie, die ihre Zeit betreibt,
so war um uns die königliche Zeit.
Nun kommt der Rest, ihn schickt der Heilge Vater.
Wir denken alles, und es bleibt uns nichts,
nicht ja, nicht nein, und keines Lebens Feier
umjubelt mehr die stille Braut der Zeit.
Doch wir, bestellt zum königlichen Tode,
wir nehmen diesen Rest als ganzes Siegel
und nehmen ihn zu unsrer Seele Frieden.
Der Mönch
O volles Herz, wenn es in Zeit allein ist!
Signal
Konradin
Wohlan, das Blutgerüst will uns erwarten,
es ist der letzte Gang, der uns erhöht.
Die Verurteilten folgen Konradin auf das Gerüst
Donoratico
Sei, Henker, wacker, daß man dich noch schätzt
statt unser, wenn dein Schwert uns leidlich trifft.
Der Anjou neidet dich um deine Kunst.
Konradin
Den Tod nehm ich wie eines Königs Pflicht,
den Handschuh werf ich für mein Erbe fort.
Und nun, mein Friedrich, laß uns unsre Augen
noch einmal Blick in Blick tun; wie das Meer
seh ich den blauen Glanz und etwas schwimmend.
Österreich
Nun kniest du nieder in das Beet der Rosen.
Konradin
O welches Leid bereite ich dir, Mutter!
Wie Konradin enthauptet wird, schreit Friedrich von Österreich jäh und lange auf. Dann kniet er sich hin, und während die Handlung der Hinrichtung weiter vor sich geht, sprechen der Allfahrende und die Blinde
Der Allfahrende
Der Adler zieht die Schwinge durch das Blut
und hebt sich auf in unbekannte Lüfte
und nimmt mit sich die dunkle stete Frage:
Wie wird die Erde innerlich verkündet?
Wie bleibt der Sinn der Welt, den niemand rettet?
Und doch der Sinn reift weiter auf der Erde.
Die Blinde
Die viele Zeit steht auf mit jedem Tage
und hebt die Hände wie zu einem Bilde,
das sie in sich beschließend doch nicht findet,
und auf das Auge fällt des Sinnes Regen.
Ach, sammelte der allzu schwere Himmel
in einen Tropfen sich, auf daß er fiele
und gösse sich hinweg und wäre nimmer,
und wäre ausgeweint das blinde Auge.
Der Allfahrende
Wir müssen leben, wie man uns geboren.
Der Weg des Sagens trennt sich nicht vom Unheil.