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Konrad Weiß: Konradin von Hohenstaufen


PERSONEN

Konradin von Hohenstaufen

Der junge Friedrich Herzog von Österreich, Markgraf von Baden

Der junge Konrad von Limpurg, aus dem Geschlecht der Reichsschenken

Der junge Eisoldsried, ein bayerischer Edler

Der alte Volkmar von Kemnaten

 

Herzog Ludwig II. der Strenge von Bayern

Königin Elisabeth, Konradins Mutter, Schwester Herzog

Ludwigs

Graf Meinhard von Görz und Tirol, zweiter Gemahl Elisabeths

Der Tannhäuser, am Hofe des Herzogs Ludwig

Eberhard Truchseß von Waldburg, Bischof von Konstanz

Berthold von Falkenstein, Abt von St. Gallen

Friedrich III. von Hohenzollern, Burggraf von Nürnberg

Rudolf von Hamburg

Ulrich I. von Wirtemberg

 

Heinrich Prinz von Kastilien

Guido von Montefeltro

Konrad Capece, Kämmerer Konradins in Sizilien

Graf Galvano Lancia

Der junge Galeotto Lancia

Graf Gerhard von Donoratico

Guido Novello, Haupt der tuscischen Ghibellinen

Konrad von Antiochien

 

Papst Klemens IV.

Karl von Anjou, König von Neapel und Sizilien

Robert von Bari

Der Marschall von Braiselve

Der Allfahrende

Die Blinde

Der Sprecher des Sinnspiels

Ein Bettelmönch

Ein weiterer Bettelmönch

Ein Sarazene

Ein Bote, eine Magd, ein französischer Ritter, Jäger, Wächter, Römer, Volk von Neapel, Bewaffnete

Die stummen Figuren des Sinnspiels

 


 

ERSTE HANDLUNG

Gegend an einem deutschen Waldrand; der Wald ist links und bis in den Hintergrund
Zeit: Frühjahr 1266

Erster Auftritt

Jagdhörner; der junge Friedrich von Österreich allein

Österreich

Offne Zeiten, frühes Jahr!

Will mein armes Herz im weiten

Felde reiten oder streiten,

singen und dann immerdar

Liebe leiden wie ein Mann!

Wann wird all der Winter gar?

Vogel, wann?

 

Sprich, du lieber Augenblick!

Will mit wonniglichen Schatten

Selbst die Sonne sich ermatten,

Schenke, Morgen, mir ein Stück

heut schon, daß ich leben kann!

Streit und Liebe geben Glück?

Vogel, wann? Morgen dann!

 

Stirb du, so der Jäger spricht,

Hinde, du ein Tier von vielen!

Also muß ich weiter zielen,

fröhlich sein und bin es nicht.

Jäger in dem großen Bann,

jage, Jäger, frage nicht!

Vogel, wann? Morgen dann! Immer wann?

Aus dem Walde stürmen, gefolgt von dem alten Volkmar von Kemnaten, und rufen als Echo

Der junge Konrad von Limpurg

Vogel, wann?

Der junge Eisoldsried

Morgen dann!

Konradin

mit dem Falken auf der Faust

Immer wann?

Österreich

Daß ihr die Dreizahl von euch nähmt und schweigt,

und jeder nur sich selbst behorcht! Dann gilt

das Echo auch nicht besser, als ich sang.

Denn jeder ist doch nur vom andren laut!

Der alte Kemnaten

Da, junger Eisoldsried und Knabe Limpurg,

hört ihr vom Wald des Unmuts laut und anders,

als euer Übermut hineingerufen!

Das junge Herz allein ist mißvergnügt,

es braucht die Mehrzahl, Mehrzahl hetzt den Sinn

zur Jagd ...

Konradin

Du mißvergnügt?

Österreich

Dich nehm ich aus,

mein Konradin, vom Echo schlechter Laune.

Limpurg

Ihn nimmt er aus!

Eisoldsried

Doch unsrem Ohr gilt alles!

So hilf mir, Knabe Limpurg, mich verdrießen,

dieweil dein Friedrich spricht mit Konradin!

Österreich

O wie du blühend warst, doch steinern tot!

Und da ich immer wie ein Trunkner rief,

war auch all Echo unbewegt und tot,

so hab ich diese Nacht von uns geträumt.

Ich rief und war doch ganz von Herzen stumm.

Konradin

Geträumt? Oh, was des Traumes Inhalt ist ...

Limpurg

Von uns?

Eisoldsried

Von euch?

Österreich

Von allen lieber nicht!

Genügsam sei die Zeit mit wenig Tod

und gebe Streit und Liebe dafür allen!

Doch seltsam trifft die Sonne heut mein Herz.

Konradin

Oh, was der Inhalt deines Traumes ist?

Von allen, Freunde, und dir, Friedrich, Freund,

ein Träumen schweren Inhalts träumt ich selbst,

doch glaub ich fast, daß es allein mich traf.

Eisoldsried

Von allen, also Kampf?

Limpurg

Ein fernes Land?

Österreich

Daß es allein dich traf?

Konradin

Ein Traum von Liebe.

Eisoldsried

O himmlisch Mißvergnügen, Traum zu sein ...

Limpurg

den man nicht wecken darf, damit er lebt,

und lebt er nicht mehr, der doch Worte hat,

noch Traum zu sein, den man umsonst erzählt.

Österreich

Oft ist ein Traum, wie wenn ein Vogel schreit.

Konradin

Nein, spottet nicht! Mir floß das ganze Herz,

und (zu Österreich) Mißvergnügen nicht, nein, Trauer fast,

wenn sie, mein Friedrich, Herz und Wort dir färben,

von Trauer bin ich sonderbar bewegt.

Eisoldsried

Ihr beide seid bewegt, ihr träumt bewegt.

Erzählt!

Limpurg

Und laßt den Tränen heitren Lauf

vor unsrem Ohr vom Traum! So läuft ein Bach

am Waldrand hin, er geht fast, daß er weint,

doch macht er uns, derweil wir horchend stehn,

das Wesen still und macht ein trocknes Herz,

und milde Sonne trinkt die Schatten weg.

Erzählt!

Eisoldsried

Erzählt!

Konradin

Nicht daß ich selber weinte.

Doch junges Jahr scheint oft wie überflossen

von einem Glück gleich Gram und will sich tränken

mit Überfluß, daß gleichwie mit Ertrinken

in sich dahin ein Bild sich sehend mündet,

ein Bild, als sei die Welt darin verloren,

und über allem Schönen muß man weinen.

Österreich

So fällt nun Regen bald auf junges Laub

und trinkt der Frühling sich ein volles Herz.

Gib, Konradin, uns deiner Liebe Bild,

wie es dich traf, da du schon wie verloren

ganz in dies Bild dahin dein Wesen gießest.

Noch will die Sonne kaum die Knospen ründen,

Sprich aus, was dieser Frühling will ...

Konradin

Nein, du,

du, Friedrich, geh den ersten Weg des Traumes!

Denn wohl, so fürcht ich, wollt ihr schwer mehr gehen,

wie wenn ein Regen, der die Feldung netzte

und dann zu viel tut und ist nur noch Regen,

den Weg bedeckt, so ich zuerst erzähle.

Mir fließt vor Augen leis ein Blut in Lüften.

Limpurg

Uns nicht! Der Frühling hat ein kaltes Herz,

und erste Regen müssen zornig sprühen,

da horcht man gern, und weiß zwar nichts zu horchen,

und läßt sich doch vom kalten Traum berühren.

Friedrich, erzähle!

Eisoldsried

Laß den Traum erwachen!

Österreich

Ich also! Doch ein wenig ungereimt

scheint plötzlich, daß ich auch den Falken sah

im Traum, er paßte doch zum Spiele nicht,

doch sah ich ihn auf deiner Faust wie jetzt,

nur nah und steil bei deinem Angesicht.

Den Falken wenn ich seh, wächst neu der Traum,

und alles Feld, vom Falken weit, wird blumig.

Konradin

Mein eignes Auge hebt sich blühend mit,

daß es den Bach vergißt, wo Traum ich trank,

ja, hohenstaufisch ist die Falknerei.

Österreich

Sei langsam froh, mein Freund! Ich bin nur halb,

indem ich es besinne, wieder froh,

was ich geträumt. Da war viel Heimat, viel

uns liebes Land - doch, was ihr horcht und schaut,

daß ich es sag, ich landlos Heimatloser,

der ich doch bin, was mag ich vor euch sprechen,

mir ist all Land und Heimat ohne Bild,

nur Wort im Traum, der schwer mit mir erwacht

und stößt mich aus ...

Konradin

Und doch bist du bei uns!

Und jeder von uns ist des andren Heimat.

Eisoldsried

So blick dich schnell noch um!

Limpurg

Und Heimat lächelt.

Österreich

Zwar trocken war mein Traum, kein Wasser floß,

da war ein Hügel, und ihr schient recht jung.

Eisoldsried

Hört, jung, und er, der seine Rede tut,

ihm rauscht ein Silberbart von alter Sonne.

Der alte Kemnaten

Rauscht euch die Zunge wie im jungen Gras

die Sense, so ist doch der Frühling noch

recht bartlos jung und reicht noch kaum zum Mähen.

Konradin

Daß er die Füllen in die Zügel schirrt,

das ist Kemnatens Amt. Doch, Freunde, höret!

Österreich

Wie Knaben wart ihr, Purzelbäume schlugt

ihr wacker, und der Hügel war recht steil,

Sehr hurtig gings hinab, mir scheint, ich war

dabei, und schneller gings hinab, als man

erzählt, und Sinn und Wille ging uns aus.

O Knaben ihr, ich sah die Glieder schlagen,

als ob ein Rad sich rollend selbst zerstört,

und wußte nicht mehr, wo ich war und ihr.

Doch plötzlich lag die Sonne überm Hang

so schräg und still, wie selbst wir alle lagen,

und waren nicht hinabgerollt und lagen,

zwar regellos und doch wie hingelegt

ein Stein jetzt da und dort, ein gleicher Stein,

als wären Steine dies so Grab für Grab,

und ich sah auf und war doch selbst ein Stein,

gleich allen ausgereckt, und sah mich selbst,

und sah, voll Blumen war der ganze Hang

und da und dort ein Stein von unsrem Bild.

Und ob auch Regung durch die Blumen ging,

war schwer auf mir die Zeit, ich atmet nicht,

doch war ein Nachklang in der Abendluft:

,Genügsam sei die Zeit mit wenig Tod!’

Obs rief mit einem Hauch, ob nur vom Tod,

da ich nicht Atem zog, ich weiß es nicht,

nur daß es rief: ‘Genügsam sei die Zeit!’

Und kaum, daß ich die Steine schrecklich sah,

rief ich mit Namen euch und war wie trunken

und fühlte doch den eignen Atem nicht,

da sah ich dich von Stein, mein Konradin,

und sah den Falken steil bei deinem Haupt,

ja beides nah sich zugetan im Stein.

Eisoldsried

Wen hast du noch erkannt?

Österreich

Von euch erkannt?

Wir waren alle, jeder gleich ein Stein,

gleich ausgestreckt und häuptlings an dem Berg,

den Falken aber hab ich wohl erkannt.

Konradin

Am Haupt den Falken, Herz zum Ohr gereiht,

So ist dein Traum, mein Friedrich, still und schön

Die Ahnen haben Stimmen wie im Flug,

und hohenstaufisch ist die Falknerei.

Der alte Kemnaten

O wohl, daß es euch anficht wie ein Lied ...

Konradin

im stillen Wald. Man sieht den Sänger nicht,

und daß man lebend geht, ist wie geträumt.

Limpurg

Die Sonne scheint, der Atem geht, die Luft

ist leer vom Winter, hungrig steht der Wald,

und kleine Blumen taumeln schon am Stamm.

Dann hebt sich Erde auf und fällt der Himmel

und wird mitinnen nichts als lauter Frühling.

Österreich

Vom Steine haucht es uns doch seltsam an.

Konradin

Drum laßt uns bald die Falken aufwärts werfen,

damit ihr Flug im hohen Raum geschwinder

uns mitnimmt und der kleinen Welt Entzweiung

in ihrer großen schwimmt, und wir sind glücklich.

Eisoldsried

Nun glücklich, Konradin, und trankst doch erst,

woran du fast uns mitzutrinken warntest,

von deinem Liebestraum an schwerer Neige?

Konradin

Du mahnst mich recht und hast wie Frühling auch

ein gierig Herz, wirfst in den Spiegel wieder,

den halb gestillten, einen neuen Stein,

und nun schwankt Ring um Ring und will erzählen.

Österreich

Ein Traum, der leise schmerzt, macht liebe Zeit.

Erzähl! - Doch halt! Ich seh, ein Bote kommt.

Der alte Kemnaten

Die Eile zeigt, daß er vom Herzog ist

und jetzt sein Ziel erkennt. Was will der Bote?

Zweiter Auftritt

Der Bote des Herzogs, die Vorigen

Bote

Von Herzog Ludwig trag ich Dienst und Botschaft.

Österreich

Vom starken Herrn und Freund, von Herzog Ludwig,

für uns, die alles noch erwarten, Botschaft!

Bote

Der Gruß, den ich vom Herzog Ludwig bringe,

ist heute ganz verschwistert, soll ich sagen,

mit einem andren Gruß vom fernen Lande.

Die Ghibellinen schicken ihre Boten

und grüßen alle König Konradin.

Konradin

Wir melden Gegengruß den Ghibellinen.

Was bringst du noch?

Bote

Mit Herzog Ludwig ist

Gesandtschaft nahe. Vom Markgrafen Lancia

der junge Sohn ist vom Gebirge her

mit andren Edlen heut schon eingetroffen,

mit Herzog Ludwig ritt er gleich zur Jagd,

und Herzog Ludwig wird ihn hierher bringen.

Man muß den Falken auf der Beize locken,

so schloß der Herzog den gebotnen Gruß.

Konradin

Nun ist die Zeit des Wegs! Was wollt ihr noch,

daß wir im Traume sind? Die Falken fliegen

schon dem Gebirge zu, die Weile drängt

sich selbst hinweg! Du meldest, wo wir harren,

mit Dank und Gruß dem Herzog und den Edlen.

Du bist ein wackrer Bote.

Der Bote ab.

Freunde, Freunde!

Nun ist der Stein ins große Meer gefallen,

das diese Zeit und uns und alles trägt,

es schlägt die Ringe, daß sie mit uns schlagen.

Österreich

Schlagt aus mit uns, denn groß ist das Gestade!

Limpurg

Denkt nicht, ihr seid allein! Wir sind wie Wald,

und auch der Wald wird durch das Echo stolzer!

Der alte Kemnaten

Dies ist der feste Ort, und fester keiner,

als Gleiche wissen, deren Herz wir halten,

wenn bald die Hörner nahen und erschallen.

Konradin

So denk ich auch der Mutter und des Herzogs!

Und was wir lassen, hält uns um so fester.

Limpurg

Ein fester Ort hat oft ein schweres Gründen.

Das sind zehn Jahre jetzt, ihr wißt es. Leichter

blickt das Gesicht des strengen Ludwig heute,

weil er jetzt Fürstenfeld gegründet. Leichter

trägt er, weil ihm ein Sühneort hilft tragen,

die blinde Tat von damals.

Eisoldsried

Doch die Haare

sind damals weiß geworden und geblieben.

Man sieht an seinen Kopf und sieht das Zeichen,

daß er Maria von Brabant getötet.

Sie war unschuldig und war sein Gemahl.

Man sieht die Reue, und wie eine Nacht

ihm wütend aufgehellt den Sinn. Das zeigt

das weiße Haar und scheint oft hell wie wütend.

Mich schreckt es immer noch.

Österreich

Doch sonderbar,

daß eine schwere Tat auch Heimat will

und einen Ort, der trägt. Im fernen Land

wird Recht und Schuld in gleiches Nichts verweht.

Konradin

Nein, nein! Daß Recht und Schuld zur Größe wächst,

ist unsre Welt, und uns ist nur die Wahl,

ob wir in ihre große Waage steigen.

Dann schwingt sie immer stärker mit uns aus.

Dies ist ihr Ruf jetzt, wenn Herr Ludwig kommt.

Der alte Kemnaten

Der Ruf liegt lang und schwer auf unsrer Heimat.

Jagdhörner und Getöse im Walde, das sich wieder verliert

Eisoldsried

Hier brach ein Hirsch durch, kommt!

Konradin

Jetzt tötet nicht!

Heut ist der Atem noch so rein vom Blute.

Limpurg

Ja, diese Weile ist das Feld noch ruhig,

die uns gehört, die Weile unsrer Jugend.

Laßt uns beisammen so vor neuer Schwelle

den Traum von dir noch mit uns träumend alle

von dieser Stunde noch ein Erbe haben,

noch Konradin mit uns und dann ein andrer!

Konradin

Es war ein Traum, der Traum ist nun gewesen.

Limpurg

So wirst du ihn, als sei ein Herz vergessen,

ein totes Stück von dieser großen Stunde,

den Fremden bringen und den Freunden nehmen?

Eisoldsried

Dem Traum und uns ein königlicher Fremder!

Konradin

Den Traum den Fremden? Nein, so innig wissen

wir selbst uns kaum und tragen wie Verstörung

das Innerste von uns, und nicht vom Orte

der Heimat weicht es, wie wir dann auch wandern.

Was ist im Blut, um das wir sinnend kreisen

und das doch innerst fehlt, um was wir träumen,

und wie es fehlt, so groß ist unser Leben?

Dem großen Reich den Sinn! Ein Traum schläft innen!

Limpurg

Du bist uns, Konradin, was wir uns fehlen!

Uns fehlt dein Traum noch, daß wir alles lieben.

Österreich

Solang die Stunde noch sich selber sinnt,

gib meinem Traum durch deinen seinen Bruder

und beiden Träumen unsre gleiche Liebe!

Eisoldsried

Es ist nicht Jagd, gibt sie nicht Herz zu Herz

ein heißes Wild, denn Friedrichs Traum war kühl,

und fast ein wenig fror es in der Sonne.

Österreich

Du schaust uns an, als ob ein Sinn dich lähme,

und bist doch ganz bewegt von deinem Sinne,

und wir sind heute seltsam dürstend gierig.

Der alte Kemnaten

So macht unruhig Blut beredte Knaben,

weil schon die blinde Zukunft Tränke schüttet,

und jeder will sich geben und sich nehmen.

Konradin

Still

Durch diese Stunde ward mein Traum mir schwerer.

Laut zu Österreich

Erschrick nicht, daß ich nicht für dich erschrecke

und mich, wenn jetzt, daß unsrer Liebe Inbild

im Traume tot war, ich dir sage, Bruder!

Erschrick nicht vor der toten Schwester, Bruder,

durch einen Traum, der selbst uns sah im Tode!

Dies war mein ganzer Traum und seine Weile:

des Traumes Bild war tot, ja zweimal tot,

vom Halse blutend schwamm es still im Wasser.

Wie dies den Sinn betrifft und schwer ihm wird

vom Augenblick, daß so zu einer Stunde

im Bild geschieht und fließt und wird in sich

hineingebannt und quillt doch ohne Grenzen! –

Die Augen heb ich in das Bad der Luft.

Es war im Traum wie jetzt und doch vom Frühling

der Knospen viel zur Zärte schon gereift,

so daß der Blick wie durch ein offnes Fenster

vom Grün erschimmernd einem Regen gleicht,

der rings sich einhält und ist lauter Kühle.

Zur Kühle gelb und grün und hungrig satt

erheb ich diese Augen wie erwärmt

vom Traum der Nacht, und deren Stern doch dunkel

und wie gesäumt noch ist von leiser Röte.

Im grünen Schimmer läuft ein Wissen rot.

Es war nicht Regen, Regen war gewesen,

die Luft stand in dem Feld auf vielem Wasser,

wir gingen einen Weg an einem Orte,

wo auch ein Bach ging wie zu einer Mühle,

wir gingen da und dort und einzeln sprechend.

Doch ich – so schien mir, daß wir uns verloren

und ich allein war, – kam dem Bache näher

und ging auf einem Steg, wie man vom Holze

ein Wehr erbaut, ein Rinnsal abzuleiten,

davon erfloß das Wasser tief und gleicher,

und ich sah alles klar im klaren Bette.

 

Ihr wißt, wie dies im Traum ist. Unverwundert,

nur durch ein Schauen selbst und ohne Hoffnung,

weil es sich selbst nicht hilft, sah ich am Grunde

so in Gestalt auf einmal wie von immer

ein Mädchenbild bedeckt von allem Wasser,

und daß es das Gesicht nicht selber wandte

und daß es schwimmend hielt doch ganz am Orte.

Auch ruhig hielt, nur wie das Wasser wankte,

die Neigung des Gesichtes halb zur Seite.

So träumt man unverwundert; und doch Schrecken

war bei dem Bild. Ich sah von ihrem Haupte,

wo das Gesicht wie Liebe floß durch Wasser,

zu ihrem Hals und sah, da floß vom Blute,

als sei ein Sinn: ‘So hat man mich enthauptet’,

mir ganz entdeckt auf einmal, floß durch Wasser

ein Reifen um den Hals und voll vom Blute

und war der Puls des Lebens, floß und flockte

mit dem Gewand dahin und allen Gliedern,

beweglich schön im Bach, und war der Reifen

geöffnet vollends nicht, und schwamm so alles

mit Kopf und Leib am gleichen Ort das Mädchen.

So war mein Traum und war ein liebes Bild,

daß ich erschrecken muß, mit Liebe schauend.

Und so ich sah und so es selbst nicht rückte,

so wuchs mir Liebe zu und war mein Leben

mir ganz getrennt, der ich hier sah, nur sah:

so roter Reifen und so junger Hals,

und mit dem blonden Haar schwamm immer Blut,

und war vom Halse ringsum ausergossen,

so unaufhörlich, wie mein Auge sah.

Und mir war weggerückt mein eignes Leben

und hielt nur gleichsam sich noch an dem Bilde,

und war wie Grauen, das sich mußte halten.

 

Wie langes grünes Gras im Wasser hängt,

so schwamm ihr Haar und schwamm noch weiter Blut.

Wie Osterwasser zog mein ganzes Herz

im Schauen mit und lief vom eignen Blute

im gleichen Bach, er schien zu steigen, stieg

und schwamm dahin von selbst, doch klarer noch

hielt stets das Bild am Grund, der rote Reif

am Hals, das Haupt so ruhig gleich, und schwammen

die Glieder im Gewand und kaum bewegt.

 

Man sieht wohl einmal, daß man sinnend denkt,

wie eine Blume sich zum Himmel stellt

und wächst und hält. So weit kommt sie ins Licht

und ist beschlossen von der ganzen Stille,

die in der Sonne liegt, und wehrt sich auch

in Farbe strebend wie ein kleiner Schild.

So blühend in ihr Maß wehrt sich die Blume.

Auch Liebe will sich haben durch ihr Bild.

Doch dies war tot und floß am toten Ort,

und schildlos war es ganz dahingegeben.

Wenn dies den Sinn verletzt und schwer doch schläft,

ein Traum, ein Raub von allen jungen Sinnen,

und erbt sich fort und ist im Blick der Stunde,

ein Wesen stumm und tot, was wollt ihr erben?

Doch ich bin durch den Traum nun in Bewegung.

Österreich

Wie hat doch jede Stunde ihre Fülle,

so daß wir tief bewegt nur höher leben,

und wie im Fluge steigt das Herz bewegter,

ein Traum ist nur ein kleiner Ort im Sinne.

Konradin

Ist dies das Erbe, das nur wie Verletzung,

als müsse zu dem Bild, daß ich es liebe,

ich selber wie verwundet sprechen, Wort hat,

daß mich ein Bild in einen Willen nimmt,

ein Wesen gleich dem Schmerz, und will ein Tun,

dem ich doch mangeln muß, je mehr ich tue,

und was ich tue, bleibt im Spiegel still,

und wird nur stiller noch, je mehr ich tue?

 

So wird die Erde laut und wird zur Welt

wie um ein Bild, das erst in ihr getötet

nun raubt mit allen Sinnen, und wir treten

in unsre Welt zum Raub an stiller Erde.

Wir müssen rauben, daß die Sinne leben,

und auf der Welt ist nichts mehr dann, das sättigt.

Ist dies das Wissen nun, wie sich uns Jugend

im Herzen abtrennt, einer Pflicht gewärtig,

aus Traum in Sinn tritt wie in eine Wunde,

und sich in Zeit schickt, so im Wesen mündig?

Und will doch ungestört ein erstes Wesen

rein um den stillsten Preis und unverwundet

hinwallend leben bloß in einem Bilde

und sieht die Welt des ganzen Tuns wie Bilder,

die sich ihm unverzagt und immer neigen,

und liebt im Unbekannten ringsum alles.

 

Denn alles ist so voll von großer Liebe.

 

Was unsagbar wir wollen, fremd dem Worte,

was blinder wir erjagen, wund im Sinne,

daß sich der Mangel mehrt, durch den wir leben,

was ist dies alles und ist wie ein Weib?

Wenn Jugend aufbricht, muß sie stärker träumen.

Was ist dies alles? Doch im Spiegel tot

und um so lieblicher, so schwamm das Bild

und war nun unsrer Jugend letzte Stunde.

 

Man erbt nur, wie man fühlt und nicht kann sagen,

und stummes Tun muß uns mit Blindheit schlagen,

So wird die Erde reif und wird zur Welt!

Die Stunde aber reift zur neuen Stunde.

Eisoldsried

Das war ein Traum, der selber macht zum Wild

den Jäger, wenn er säumig wird und horcht.

Limpurg

Soll ich noch horchen, soll mit deiner Sprache,

uns Atem suchend und die Herzen lösend,

ich lauter sprechen und auf Echo horchen,

das zwiefach Rauschende der Zeit eratmend,

eratmend selbst das Herz der großen Lüfte?

Wie soll ich dich vollenden, Konradin?

Wir leben jetzt und sind dem Echo nahe.

Österreich

Wir haben einen Traum von langer Stille

nun abgeschlossen, und die Wunde selber,

die unser Leben war, sucht nun die Angel.

Wir rufen, rufen, Zeit ist im Beginne.

Wieder Jagdhörner im Walde

Eisoldsried

Wer mit uns Freund ist, tritt in unsren Bann.

Laßt sie nun kommen! Doch – da kommen andre!

Dritter Auftritt

Aus dem Walde kommen verschiedene Menschen eines Geißlerzuges gegen das Freie und gehen im Hintergrund über die Bühne. Unter ihnen treten auf der Allfahrende und die Blinde. Die Vorigen

Der Allfahrende

Noch außer der Szene

Ich rufe, rufe, sterben muß der Mann!

Limpurg

Was will der Zug? Der Wald ist in Verwirrung,

und die Verwirrung bricht heraus im Rufe.

Wer ruft?

Eisoldsried

Gewiß kein Fahrender der Minne!

Der Allfahrende

Jetzt sichtbar. Im Abstand folgt ihm die Blinde

Ich rufe Sterben, Sterben sag ich an!

Eisoldsried

Von Wesen scheint dem Tod er selber nahe.

So lauf du nur, du holst ihn endlich ein!

Limpurg

Doch folgt ein Weib ihm nach wie selbst das Leben.

Nur daß sie seltsam geht; und ihn zu finden,

läßt sie die Arme aus dem Walde reichen

und schlägt sie jetzt in Luft gleich stummen Stimmen.

Die Blinde

O liebes Gotteslicht, daß ich dich greife,

weil wieder mir des Waldes Wirrnis endet!

Und all mein Schritt geht auf Allfahrers Weg.

Der Allfahrende

Der Mann muß sterben, sterben Mann für Mann!

Bleibt, beim rechten Ausgang rückwärts angelangt, stehen, das Gesicht herwärts wendend

Die Blinde

Nun über die Mitte hinweg

Nie weiß ich, wo ich bin, nur daß ich gehe,

und nach dem Dunkel trifft mich wieder Licht.

Es lenkt mir Schritte, die ich doch nicht sehe,

die ich durch immer gleiches Horchen gehe,

und läßt mich Schatten sein und bleibt ein Licht,

es lenkt mir Schritte, daß ich immer gehe.

Limpurg

Sie dünkt vorm Licht sich Schatten, deren Bildnis

So voller Blüte ist wie nicht der Frühling.

Eisoldsried

Mich macht’ es anfangs lachen, doch nun nicht mehr.

Limpurg

Wer sind sie, jenes Volk und die sich beide,

so scheints, wie Macht und Ohnmacht angehören,

wie ein Befehl der Zeit und nun die Folge?

Die Macht schlägt an den Ruf, die Ohnmacht wandert,

genug zu tun, und muß die Spur vollenden.

So schlägt die Glocke hart und muß dann tönen.

Doch tönt ihr Wandel fort wie ungeschlagen

und zieht zuletzt, ein stummes Herz, im Raume.

Österreich

Wie du dies sagst, so trifft es, Freund, und schickt mich

— o harter Sinn und doch gewillt, zu beben

und so ein Sein im andren Sein zu enden —

auf selber Spur von Gang und wildem Schlagen

fast eines Schritts zu ihnen.

Eisoldsried

Laß dein Schreiten!

Was jene sind? Mir scheint, jetzt sind die Geißler,

die man wie Winterlaub im Lande hörte,

zu ihrem düstren Frühling auf den Wegen.

Dem Unheil fliehend bringen sie es selber.

Der alte Kemnaten

Um einen Fluch zu wenden, wandern viele

und brechen aus dem Raum in kranke Zeiten.

Österreich

Doch wie mit Glocken treibt es auch die Seelen

und teilt sie jammernd aus, und mitten schreitet

das ungewisse Los, so seltsam größer,

als sich sein Auge vom gewissen wendet.

Der Wald des Aufruhrs wird zum toten Felde,

die Größe aber rafft sich fühlend weiter.

Die Blinde

In Winden wehe ich mit meinen Händen,

die Füße treten weiter mir in Rufen,

und ganz aus Echo lebend ist mein Leben.

Die Luft schickt mir Gesicht. Doch fesselt nicht,

was Atem hat gleich Wangen und auf Wegen

die Orte flüchtig anrührt und mit Hauchen

die Herzen nicht ermißt; denn nicht ermißt

die Luft, die mit den Hauchen rührt, ein Herz.

Es fängt nur Hunger an zu allen Wesen,

und Wege gehen weiter, nirgends dicht.

Denn nur Gesicht kann binden Ort und Willen.

Gefühl des Weges ist mir all mein Wissen,

daß selbst der Aufenthalt erschrickt und spricht:

hier ist Geschöpf, weil von Geschöpf verlassen!

Wie durch Entblößung spür ich Luft vom Gange,

hält dann der Gänger ein, steh ich in Luft.

Mein Bei-mir-sein ist ziellos unermeßlich.

Das Wort geht ohne Bild nach allen Seiten.

Allfahrers Ruf, gib ihm Gewalt und Gang!

Konradin

Sie ist doch blind! Verstehe, Sinn der Sinne!

Was hier dem Auge schön wird, kommt von innen.

Nach außen schließen ab zwei stumme Schilde.

Die Blinde

Ich bin wie Mangel zwischen allen Wesen.

Wo Bild nicht Bild berührt, da atme ich.

Im Abstand gleich um gleich so muß ich leben

und Stimmen kennen, die im Winde schweben.

Sie wendet ihr Gesicht mit einem Rucke herwärts

Es saugt mich hin, und wie des Unheils Schwester

auf Antwort horcht, so muß ich Stimmen fragen:

Wo ist hier, die mir zugehört? Mein Herz

will ohne Wissen sein und nur sie wiegen!

Was willst du, Herz, und horchst auf den, der bald

die Zeiten blutig treibt und wird getrieben?

Nicht horche, Herz, sei nur in reinem Mute!

Konradin

Blind ist sie wie mein Falke in der Kappe,

doch, was sie spricht ist wie ein stiller Schrei.

Was ist, um das du horchst und sinnst im Herzen?

Die Blinde

Du hörst die Schwester, die dein Urteil siegelt:

‘Dem Fluche nahe muß der Sinn uns leben!’

Verstehe dieses Wort mit keinem Willen!

Wenn der Allfahrende sein Wissen wendet,

das Wissen ausbricht, das die Gänger haben,

wenn die Verwirrung kommt und wieder scheidet,

die Erde wechselt um in gleicher Helle.

Von Ding zu Ding besteht ein fester Wille.

Den muß die Zeit ermessen ihr zum Heile.

Doch da sie hingeht, weiß sie nicht zu folgen,

und was sie mißt, wird ewig ihr zum Mangel.

Da bricht der Gänger auf, und zwischen Rufen

folgt ihm die Schwester, die den Sinn besiegelt:

Laß los die Fessel, du bestimmt zu folgen!

Wer aber mitgeht, Sinn bei Sinn verloren,

der schreitet schutzlos, frei von Heil und Mangel.

Du Zeit, so ohne Bild und nur Vertrauen!

Die aber horcht, des Schicksals blinde Schwester,

geht unbetrüglich auf Allfahrers Weg.

Österreich

Darfst du hier warten und erfüllst den Ort

mit Klang von Wissen, das den Sinn nicht sättigt?

Die Blinde

Ich bin in Raum gestellt ein schwaches Wesen,

wenn ein Gewitter einfällt, muß ich zittern

und wähle doch den Weg, wo Donner warten.

Als ob ich einmal war, wo Zukunft mündet,

und nochmals geht mein Weg, so bin ich sicher.

Die blinde Ohnmacht schützt mich maßlos ewig.

Doch ihr, so euch noch Zeit die Erde lockert,

empfanget viel Gesicht von vielen Dingen!

Ich wünsch euch Glück. Will wer doch mit mir erben,

es ist ein Sinn wie Fluch auf unsrem Gang.

Konradin

Was treibt mich hin und will mit allen Sinnen,

was mich zurückhält, selbst mich vorwärts stürzen?

Als ob ein Wald mich schlüge, wird mein Wesen

und will mich blindlings ganz ins Freie heben,

der Falke lastet mit mir, statt zu fliegen.

Er beginnt den Falken zu lösen

Österreich, Limpurg, Eisoldsried

Was treibt sein Sinn?

Der alte Kemnaten

Des Falken Last!

Die Blinde

Der Falke!

Der eines Falken Last hat, diese Stimme

ist wie im Weg die Winde, die mich blößen.

Um mich zu hüllen, muß ich Worte sagen.

Umsonst ‘Wer hüllt mich?’ sag ich doch zum Winde,

denn spreche ich zum Winde, will er stürmen.

‘Wer hüllt mich?’ sage ich, ‘wo bist du, komm!’

Sie kehrt das Gesicht horchend halb nach dem Allfahrenden

Ein harter Wind geht durch die frühen Knospen.

Konradin

Kann ich noch sprechen? Ist nicht Sturm im Atem,

der mir gehört zur Antwort? Blindheit spricht

und hat Gesicht so tief, wie eines Raubes

der Himmel wartet, wenn die Falken stoßen.

So tief bin ich gestoßen, Raub und Himmel.

Die Blinde

Ich sehe nicht die Erde. Erde ist

die Wunde, die mich schmerzt. Gib mir den Falken!

Konradin

Was will ich geben, das ich selber bin?

Und jeder Sinn, der gibt, gleicht einer Kralle

des Vogels, der so blind ist, gleich wie du,

und der verletzt, nur weil er lebt, wie du!

Er nähert sich der Blinden; Jagdhörner; den Falken auf seinem ausgestreckten Arm trifft ein Pfeil

Österreich

Was ist das, was geschieht? Wie fiel der Falke?

Konradin

Zurück von meinem Arm! Wie kam der Pfeilschuß?

Nun fiel der blinde Falke tot zur Erde.

Alle um ihn

Wer tat den Schuß?

Jagdhörner näher

Der alte Kemnaten

Das Ziel war anderwärts.

Die Jagd kommt jetzt und bringt heran die Boten.

Limpurg

Sie haben sich vertan im frohen Jagen ...

Österreich

... und einen blinden Schmerz vorausgeschickt.

Konradin

So ist uns alles gleich und blind willkommen!

Die Blinde

Was an die Erde fällt, kann ich nicht sehen,

mein Blick geht in den Wind! Laß los die Fessel!

Der Allfahrende

Der Weg des Sagens trennt sich nicht vom Unheil.

Das Weib behält den Sinn, der Mann muß sterben.

Ich rufe, rufe, Sterben sag ich an!

Die Fahrenden ab, nahe Jagdhörner

Vierter Auftritt

Jäger kommen aus dem Walde; die Vorigen

Erster Jäger

Verdammter Wald! Wo floh die Hinde fort?

Rings ist kein Wild und plötzlich nur noch Stille?

Ich schoß.

Zweiter Jäger

Ich auch!

Dritter Jäger

Und ich!

Erster Jäger

Doch wie verklebt

sind meine Augen. Wer ist hier? Hier ist

der junge Herzog, und am Boden liegt

ein toter Falke. Wo ist Herzog Ludwig?

Jagdhörner; der Herzog Ludwig kommt seitlich im Hintergrund aus dem Walde, mit ihm der junge Lancia, der Tannhäuser und Gefolge

Herzog Ludwig

Die Jagd macht heiter, also fährt der Mut

durch dichten Wald, als ob davon mit Schallen

die Stämme brechen, und wie Zweig von Zweig

teilt sich das Leben aus, nach dem wir jagen.

Hier bin ich, Konradin, und kann zuerst

mich nennen, ohne Freunde zu verletzen

und ihre Würdigkeit, die heut als Fremde

die Krone bringen unsrem großen Stamme.

Dies hier ist Herzog Konrad, Herr von Schwaben.

Konradin

So steh zu mir, der Pfahl zum jungen Stamme,

so grüß ich dich, Herr Ludwig, Bayerns Herzog.

Herzog Ludwig

Du bist der Sohn von meiner Schwester, bist

des großen Hohenstaufen Friedrich Enkel,

dein Stamm steht wieder auf, hier ist der Bote!

Mein war die Macht der Sorge, dein wird Ehre,

die dieser bringt, der Bote ist Herr Lancia.

Und ich bin jetzt und künftig dir zur Seite.

Österreich, Limpurg, Eisoldsried

Wir grüßen Herzog Ludwig jetzt wie immer!

Konradin

Die Welfen sandten früher Botschaft, jetzt

die Gibellinen. Was ist hier Partei,

was großer Wille? Was sagt heut ihr Sprecher?

Der junge Lancia

Ich bin nicht Wort und bin nicht selbst, nur alles,

was in der Zukunft Schoß verborgen, nichts,

wenn sie uns niederschmettert, und doch alles,

wenn sie das große Reich erhebt, ein Leben,

das nichts und alles ist und will so leben,

So grüß ich König Konrad von Sizilien.

Konradin

Vergangenheit ist uns gemein gleich Boden,

den jeder nützt. Du aber sprichst allein ...

Der junge Lancia

Ich bin zuerst gekommen, Bessre folgen...

Konradin

Du sprichst allein und hast den künftgen Atem.

So grüßt sich unsre Jugend, und ich grüße

den Atem, den du hast; er ist wie Luft,

wenn unsre Falken stoßen. Und der Himmel

schickt heut dich mir wie Lust zu großem Schmerz.

Ein kleiner Schmerz traf schon zu deinem Kommen,

und — lächle nun, wie ich mit dir ihn teile:

hier liegt ein toter Falke, den ich hatte.

Herzog Ludwig

Was ist mit diesem Rest des Todes?

Konradin

Nichts,

wenn man ihn sieht, und doch wie ein Geschenk

von einer blinden Wahl, die uns im Geiste

zuteil wird wie ein ganzes Leben. Wisse,

nun grüßt sich unsre Jugend hier, Herr Lancia!

Der alte Kemnaten

Ein Pfeil hat sich verirrt und traf den Falken.

Konradin

Nein, lächelt nicht! Ich trete mit zwei Schritten

Zu diesem kleinen Opfer hier, ich möchte

ein liebstes Wort und ganz vom Tode sprechen.

Will nicht das Beste, was wir haben, nur

bewahrt sein, daß ein Tod da ist? Nein, wisset,

es ist das Bündnis so, das alle bindet:

dem Fluche nah und ganz in reinem Mute,

wie nur ein Tod das Beste will, verbrüdert,

so grüßt sich Herz zu Herz in blinder Wahl.

Als ob man einem Sinn zuvor schon Schmerz

und einem Schmerz zuvor das junge Blut

verschenken müsse, und kein Himmel weint,

so grüß ich, wo wir hinziehn, jenes Land.

Leicht fließt vom schweren Herzen unser Sagen,

wenn alles wie zerrissen aus uns quillt.

So steh ich hier, man darf nicht für mich beten,

ich bin im Bann, so ist mein Himmel offen

wie eines Falken Reich, hier ist nicht Alter,

nicht Heimat mehr, nicht Zeit, nur noch Entschluß.

Der Unbeschützteste ruht gleich der Erde

und kennt allein den ganzen großen Himmel.

Lancia

Ein dunkles Echo schwillt durch unsre Zeit.

Noch fließt das letzte Blut von Benevent,

wo Manfred fiel ...

Konradin

Er war ein Held. Und Glück

und Tapferkeit band er zu schneller Treue

und nahm die Krone stolz ...

Lancia

Doch sie fiel nicht,

als Manfred fiel. Von seinem dumpfen Fall

horcht aufgerüttelt bis ins Mark, das jetzt

noch mit uns jung ist, dies Geschlecht, ein dumpfes

Erbeben rückt bis in der Mütter Schoß:

wird denn die Welt nun sterben, weil sie jung ist?

Wird sie das Kaiserrecht in nichts begraben,

weil es so jung entwächst dem kalten Spiele

von Kräften, die nichts tun als sich vergleichen?

Es rüttelt in der Welt, und unvergleichbar

schwebt über deinem Haupt die eine Krone.

Konradin

So spricht das Herz sich frei und hebt sich hoch

im Wort, und also dankt ein Herz dem andren

mit einem Überflug.

Lancia

Ich will nur fliegen

in deinem weiten Raum ...

Konradin

... und also brechen

wir diesen Morgen ab wie einen Strauß

von frischen Blättern, die im Trieb noch wehen —

Denn Freunde sind doch wie ein froher Wald.

Auf seine Freunde zeigend

Dies sind die Freunde, dieser Herzog Friedrich

von Baden und von Österreich — und alle,

die du bald kennst, wir geben uns zusammen

als jungen Strauß in Herzog Ludwigs Hand.

Noch gibt der starke Freund dem Bunde Heimat.

Lancia

Zu den Freunden

Ich grüße euch mit meinem Dank.

Österreich

Wir füllen

den Dank zum Weiterschall in unsre Brust.

Wir sind so heiter, wie sich unsre Augen

vermehren und sich grüßen durch die euren.

Jetzt habt ihr hier die Heimat, wir dann eure.

Herzog Ludwig

Der Morgen bringt den Tag, der Tag die Zukunft,

und über dem Gebirge wartet beides.

‘Mit Vorbehalt des Rechts des Knaben Konrad’,

so sprach der Tag zum Tag, so lahm im Sinne

sprach Freund und Zeit, so ließ die Zeit sich lähmen.

Dies ist nun aus, das Recht beginnt, und also

gebt mir Geleit und kommt!

Während die Begleitung des Herzogs abgeht, tritt Tannhäuser vor zur Mitte und löst dem Falken am Boden Haube und Fessel

Was tust du noch,

Tannhäuser, mit dem Falken Konradins?

Österreich

Er tut dem Toten einen Dienst der Minne

zum Schlaf.

Herzog Ludwig

Spielt nicht mit Toten! Kommt!

Österreich, Limpurg, Eisoldsried, Lancia ab; Ludwig zögert noch

Konradin

So tust du mir zuvor, Tannhäuser!

Tannhäuser

Selbst

zu einem toten Vogel macht der Anblick

der Fessel mich, die nichts mehr fesselt. Hier

geb ich dem jungen Hohenstaufen, was ihm eignet,

die Fessel und die Kappe seines Falken.

Konradin

Du meinst, von einem fessellosen Reich

den Rest, geringes Ding ...

Tannhäuser

... die liebe Fessel,

woran ein Leben hängt, und blind und näher,

je mehr mit einem unbegrenzten Traume

man liebt und weiß nicht, was, und nur im Ruhme,

wenn groß und fern er aufsteht, wird das Herz

plötzlich erfahren sein von einer Liebe,

die unausweichlich war und blind geliebt,

und war ein schwerer Schlaf im eignen Wesen.

Konradin

Du meinst, dort sei ein Ruhm gleich einer Sonne

und hier ein Knabe, tragend einen Falken,

und plötzlich wird das Ziel einst sein, als ob

nur Anfang war und Ende und kein Leben.

Tannhäuser

Nimm diese Dinge, Herr, von dem Getreuen,

der nichts zu eigen hat und der sie gibt

dennoch wie ein Geschenk an dich! Von Dingen

wird unsres Wesens Blindheit fortgeleitet,

bis man wie Mangel kennt, was lebend ist.

Und immerfort sucht man dies blinde Wesen.

Konradin

O komm! Du weißt nicht, was du sprichst!

Herzog Ludwig

Ja, kommt!

Zeit dreht ihr Auge her und läuft schon fort.

Herzog Ludwig ab

Konradin

Du weißt nicht, was du zu mir sprichst!

Tannhäuser

Ich weiß,

daß Worte uns bewegen wie ein Leben

und daß wir zwischen Bild und Wort hinfahren,

die Fahrenden, die wissen um ein Reich

wie deines, Herr, wie Bild und blindes Wesen.

Konradin

Sei still mit Worten, laß den Schlaf mir blind!

Tannhäuser

Blind wie ein Traum ist alles, bis man wach wird,

und eine Fessel zieht uns durch die Erde.

Konradin

Wer sagt dir meinen halbverstörten Sinn?

Als ob nach einem Traum man atmend aufschluchzt,

So ist der Morgen jetzt, und daß man horcht

und hört doch nichts. Nur manchmal stößt das Herz,

wie wenn ein Bach geht über einen Stein,

uns plötzlich auf und wird ein schwerer Quell.

Und blinde Augen gehn durch starren Wald. —

So komm, und du, Kemnaten, Freund der Jugend!

Konradin mit Tannhäuser ab

Der alte Kemnaten

Der tote Falke braucht noch einen Ort

an einem Baum zurecht. — Nun weiß man doch,

was dieser Frühling will. Der kahle Wald

streckt harte Äste in die Luft wie Schrift.

Bald wird er voll Bewegung sein und Trieb.

Kemnaten hat den Falken an einen Baum gelegt und geht ab


 

ZWEITE HANDLUNG

Erster Auftritt

Ort: Augsburg; Zeit: August 1267. Szene: ein romanischer Kreuzgang, es ist Nacht.

Vier Wächter kommen aus den vier Seiten des Kreuzgangs und treten vor gegen die Mitte seines Hofes

Erster Wächter

Vorne einwärts

Bald ist die stille Nacht vorbei.

Zweiter Wächter

Links

Der Traum hebt schon den dunklen Fuß.

Dritter Wächter

Hinten

Seid wachsam ohne Überdruß!

Vierter Wächter

Rechts

Der Hahn rückt sich zum Hahnenschrei.

Erster Wächter

Der Hahn rückt sich zum Hahnenschrei.

Zweiter Wächter

Seid wachsam ohne Überdruß!

Dritter Wächter

Der Traum hebt schon den dunklen Fuß.

Vierter Wächter

Bald ist die stille Nacht vorbei.

Die Wächter gehen zurück gegen ihre vier Seiten, und während die drei andren verschwinden, bleibt der vordere am Bühnenrande, fast in der Mitte herausgewandt stehen. Konradin und Friedrich von Österreich kommen aus dem Kreuzgang gegen die Mitte seines Hofes

Österreich

Die Nacht schweigt tief vor einem großen Tag.

Konradin

Was sagst du Nacht? So voller Stimmen ist

kein trunknes Herz wie sie, und du sagst Nacht!

Kein Laut ist um dich; doch nun willst du rufen,

noch lauter ruft sie selber. Hör! Sie wartet,

und ruft sie dann, wirst du ein Teil von Wissen

so voller Stimmen selbst, du kannst nicht atmen,

nur hören noch! Und so mein Schicksal fragen

will ich jetzt Nacht in Nacht, und du geh fort!

Österreich

Ich geh und bin allein und laß dich fragen.

Konradin

Allein? Allein nicht, Lieber! Gleicht die Lust

des Horchenden nicht gerne einem Schmerz!

Den Luftkreis will er ganz für sich vermehren,

daß alles horcht, und du allein, und ich

allein, und daß nun alles Mangel wird

im Hohl der Nacht! Und also muß sie sprechen.

Österreich

Du sprichst für sie und machst die Stille horchen.

Konradin

Daß alles Mangel wird! Nun spricht mein Leben

Zu mir wie Nacht und nimmt dem jungen König,

was hier ihm war, sein Heimatlied, und gibt ihm

das tiefe Hohl, allein muß er nun rufen.

Und du geh fort! Dies ist wie letzte Nacht,

und diese Nacht bringt mir den Wein der Heimat.

Österreich ab. Es ist jetzt ein häufiges Wetterleuchten

Nun bist du fort. Die Nacht schlägt wie mit Flügeln;

und loht der trockne Blitz, schlägt sie noch tiefer,

und kommt heran, ein Vogel groß und dunkel,

und wendet nicht, und ist unkennbar Nacht.

 

Fast selig ist der Raum, und fast vergessen,

was atmen will; und wie mit fernem Fauchen

das Wetter leuchtet, stirbt die Stimme jetzt,

und Ohnmacht schluckt an mir wie eine Flamme.

Die Heimat wird verbrannt in meinem Herzen.

Was setz ich ein, was ist die Macht der Welt?

Nun ist er fort. Und ringsum schläft ein Wissen

und leuchtet auf in Nacht wie matte Stirnen.

Was setz ich ein? Sprecht mir von Wahrheit, sprecht

im Schlafe, was ihr wißt, ihr strengen Horcher!

Die Blitze haben ihre Zeit und warten.

Du warte nicht, du junger König, nicht!

Was setz ich ein als dies: ‘Du warte nicht!’

Ich bin nun ganz allein: was ist mir Macht?

Was ist mir treue Welt, ihr stillen Horcher?

Ich bin so jung, tut euren Schlaf für mich!

Schlaft heut für mich mit laut bewegten Lippen!

Du warte nicht! Kein Laut schwebt in der Luft.

Nur leise rührt ein Vogel wohl am Stein

den dunklen Flügel, wo er schläft, und steckt

den kleinen Kopf sich näher an das Herz.

So bist du ganz allein, du junger König,

und rufst die echolose Nacht der Sterne.

Die Gestalt des Herzogs Ludwig ist plötzlich, vor dem Kreuzgang herausgetreten, sichtbar

Herzog Ludwig

Verstehe du: wer Taten treibt, hat Macht!

Verstehe nicht die Schwere, die ihn treibt!

Die Zunge wird vom schweren Schlafe wach

und rührt am Gaumen: was ist Macht der Welt?

Bring einen Hühnerhund zu seiner Spur,

er wird wie blind, er stöbert Wild auf, läuft

im steten Trab und schneller. So die Welt,

die aufgestöbert wird, bricht auf in Spur,

und Macht zieht hin auf ihr mit allen Sinnen.

Es läuft der Hund, sein Blick ist hilflos treu,

doch, was er aufstört, macht den Sinn verwirrt,

und böses Wesen haust auf allen Spuren.

Wer hat ein Recht, wenn er nicht mächtig ist,

und den, der Macht hat, zieht es in die Spur.

Konradin

Oheim, ein dunkles Wort hast du ersonnen!

Wohin in diesen Schatten tritt mein Recht?

Herzog Ludwig

Was einer tut, wird ihm sein hartes Wissen.

Das Recht ist stets allein und schuldlos treu.

Du fürchte nicht und laß mich jetzt hinweg —

der Mund der Nacht belauert unser Herz.

Mit den letzten Worten verschwindet die Gestalt Herzog Ludwigs

Konradin

Flieg über Finsternis so leicht wie Luft,

mein Sinn, und sei aus allen Spuren frei!

Dein Eigentum ist unbekanntes Land.

Nacht, steh mir bei, nichts mehr als dies zu wissen!

Vor dem finsteren Kreuzgang sieht man in ganzer Gestalt die Mutter Konradins, Königin Elisabeth

Konradins Mutter

Weil oft ein Wille mit uns spielt gleich Blinden

und dunkel mit uns fährt ...

Konradin

Das bist du, Mutter!

Du Stimme traut! Doch daß die beiden Augen

so dunkel sind, hab ich nicht gern. Auch sinnen

will nicht ein Sohn um seiner Mutter Worte.

Konradins Mutter

Ich bin mit dir im Sinn. Ich mußte träumen.

Ich hatte in der Hand ein weißes Licht.

Es war Kristall, gefügt von allen Seiten.

Ich sah, und sehend sog ich wie mit Augen

aus ihm ein Fließen. Als ein Tropfen Blut

schien es mir deutlich. Plötzlich kam ein Rauschen,

ein Vogel stieß heran, und den Kristall

sah ich, den er mir raubte, nun im Schnabel

wie Licht, als er davonflog, hochhin schimmern.

Und weiter flog er, und der Glanz des Steines

in seinem Schnabel wurde immer röter.

Dann flog der Vogel über das Gebirge

in einen blauen Raum hinweg. Und mir,

mir schien in meiner Hand ein Tropfen Blut.

Konradin

So trägt dein Sinn den Sohn. Und wie zwei Reiche

sind hier und dort vereint. Dies war mein Falke.

Konradins Mutter

Ein Wille, der oft mit uns spielt gleich Blinden,

macht schnellen Mut. Noch stärker zieht ein Schmerz,

den wir nicht kennen, fort durch unser Leben,

und unbeschreiblich ernst harrt aus die Erde.

Konradin

Wie lockt die ernste Erde, daß ich komme!

Konradins Mutter

Denk ich des Kinds, dem ich die Wange küßte,

denk ich, als küßte ich dein ganzes Haupt.

Konradins Mutter verschwindet schnell

Konradin

Du willst nicht, Mutter, bleiben noch? so ruhig

ist jetzt die Nacht, und stille steht die Zeit.

Der junge Lancia ist vor dem Kreuzgang erschienen

Der junge Lancia

Manfred ist tot ...

Konradin

Wie sprichst du hier, du Bote

vom fernen Land? Du sagst ein altes Wissen.

Der junge Lancia

Sein Tod war unbarmherzig ...

Neben ihm ist noch Friedrich von Österreich erschienen

Österreich

Die wir leben,

sind Bäume in der still bestimmten Nacht ...

Der Tag kennt die Gestalt, in der wir enden.

Konradin

Du, Friedrich, bist nicht fort, du willst belauschen,

was Wort und Antwort ist in dieser Nacht?

Österreich

Der Bach im Felde geht mit zweien Stimmen

in Nacht verloren hin und wird nicht stumm.

Ein dunkler Saum von Tönen ist sein Fließen.

Noch mehr fließt Zeit durch einen dunklen Rachen.

Wir sind im Fluß, und überall ist Antwort.

Österreich und Lancia verschwinden zusammen

Konradin

Durch dunklen Wesens Lauf verliert sich schnell

der junge Sinn. Doch was ist Macht der Welt?

Kehr stets auf mich zurück, du eines Auge,

du Wissen ohne Zeit, du Gang der Fülle,

die so mich einhält, daß ich wankend weiß:

ich bin beschlossen, wie ich dich erschließe!

Schon greifen alle ein, und keiner läßt,

was uns gehörig war und mit uns wuchs,

dies Recht bestehn mit unverstelltem Willen.

Denn jeder rechnet und will nur gelingen.

Und doch willst du nicht rechnen, junges Herz!

Du willst die Macht dem Sinn allein vertrauen?

Du hungerst nicht, du lebst im reinen Hauche

der Zeit. Und schon ist Feindschaft übermächtig.

Wer darf denn rechnen, wenn der Wille geht

gleich einem Strome um den Berg der Heimat?

Wer aber schlägt in Bann, bevor ich reife?

Bischof Eberhard von Konstanz ist vor dem Kreuzgang erschienen

Bischof von Konstanz

Man tut die Rechnung und man fragt nach Recht.

An einem Ort beginnst du deine Zeit,

und Ort für Ort hebt an ein gleiches Schreiten.

So kam das Reich in Gang. Als Leben bist

du in die Zeit gestückt, so schreite fort!

Ein großes Handeln mißt sich wie mit Mauern;

durch solches Handeln wird das Weltreich offen.

Die Zeit wird eingefangen Ort für Ort,

und jeder Ort hat Recht im gleichen Sinne.

Der Fluch beginnt, wo sich ein Herz mißtraut.

Konradin

Ich bin im Bann, mein Recht ist ausgeschlossen!

Bischof von Konstanz

Ich kann nicht richten, doch dem Gänger helfen.

Der Gänger aber geht mit blindem Willen.

Denn die Entscheidung bringt ihr eignes Recht,

und wo sie mangelt, ist kein Bau der Erde.

Während der Bischof verschwindet, ist der junge Lancia wieder erschienen

Der junge Lancia

Manfred ist tot. Voll Blut und ganz beraubt,

so lag er nackt in dem verlornen Feld.

Die Erde steht in Grün, und Blut ist rot.

Stets ging er grün gekleidet voller Hoffnung.

Von Frauenbildern lieblich war sein Hof,

und mancher sagte, wieder sei auf Erden

das Paradies gekommen. Blutig nackt

hing man den Leichnam über einen Esel

und trieb die Last und rief: ‘Wer kauft Manfred?’

Bei einer Brücke wurde er begraben.

Konradin

Du tust an unsre Sinne treulich Botschaft

und malst ein blutig Bild in diese Nacht.

Der junge Lancia

Es wird ein schwerer Sinn, der dieses sieht,

und treibt ihn doch wie Lust, um ganz zu leben.

Wie blüht doch dies Geschlecht und nimmt uns mit!

Wie trägt der Garten Frucht! Wie reift die Ernte,

je mehr sie sich im eignen Sinn verzehrt!

Die Macht ist schön, die ohne Zwecke blüht,

sie ist die höchste Frucht im Zaun der Welt.

In unsrem Lande hält er lieblich Hof,

der ewig junge Fürst der großen Erde.

O schöner Hof, o meines Landes Garten!

Doch außerm Zaun spielt stets ein Kind mit Knöchlein

und ist das Knäblein einer deutschen Mutter.

Der junge Lancia verschwindet

Konradin

Vertraut und fremd spricht dieser zu mir aus,

was Nacht nicht weiß und größer ist als Tage.

Denn Nacht weiß nichts von jener höchsten Frucht,

die hell genossen wird. Und hell vergehe

sie alle Tage wie ein starker Himmel!

Mit Himmeln möchte man die Erde zahlen.

Indes die Tage nehmen weg mit Neid

vom starken Himmel, was an ihnen mangelt,

und ist kein Himmel dann und sind nur Tage.

Und immer stellt der Sinn dem Himmel nach

durch Tag und Nacht mit mangelgleichen Zelten.

Du Himmelszelt, gib mir den hellsten Tag!

Tannhäuser ist vor dem Kreuzgang erschienen

Tannhäuser

Von seines Wunsches Größe überrascht

gleich einem Wort, das ohne Maß mehr ist,

als ob es Schuld sich wünsche, klopft das Herz.

Und dennoch tut ein blindes Maß uns not.

 

Drum wer da lebt und Lebens Sinn aufstört,

wer eine dunkle Stimme selbst beschwört,

von eines Reimers blindem Maße hört!

 

So geht der Reim und geht des Reimers Gang:

Ein Fahrender geht er von Bild zu Bild,

er spricht und horcht, als such er einen Weg

zu einem Ziel, von dem er Worte weiß,

und fremd ist doch das Ziel, nur Widerhall,

darin der Atmende sich selbst behorcht,

und weil er horcht, wird es ihm wieder stumm.

So geht er tastend hin, und immer zieht

er in der Richtung eines Mangels fort.

 

Und doch kein Ziel! Auch ist er nicht allein!

Als sei ihm eine Schwester in der Zeit,

die schläft und ist wie tot und wartet doch,

damit er spreche, Antwort gibt sie nicht,

doch spürt er ihren Atem durch die Luft,

als sei hier Wort und Lebenshauch und wach

ein Wesen, das nur reines Dasein ist.

Nun spricht er fort, nun fühlt er Hauch um Hauch,

als küsse ihn die Luft. Wie ist sie kühl,

wie nah das andre Sein! Ein Spiegel wird

das eigne Tun, er hält ihn an den Mund

der Schwester, die so Bild und wartend ist.

Er fühlt den Hauch und lebt. Nun lebt sie mit!

Das ist der helle Tag, die treue Welt!

Und nie doch Gegenwart! Nur Widerhall

gibt ihm die Worte, die er mangelnd spricht,

und bleibt durch reines Wesen blindes Maß.

 

Sie kennt ihn nicht, nur wie ihr Atem schlägt,

weiß er, der geht und irrt, mit tiefem Schmerz,

wie man den reinen Sinn der Welt behorcht.

 

Als sei geteilt die Welt im letzten Grund,

als sei, was lebt, in Schuld vor einem Bild,

So geht er hin und trägt des Reims Gesetz,

der Reimer selber immer unbehaust,

und trägt das Wort, das lebt, wie einen Fluch,

und trägt doch einer Treue blindes Maß,

und ist im Bild gewiß, je mehr er irrt.

Dies ist wie Fluch, und dies ist all sein Glück.

 

Ist nicht die Welt ein Reich aus Glück und Schmerz!

Und wer da fahrend ist, hat Schuld und wünscht

doch anders Recht nicht, wünscht den hellsten Tag,

worin all Leben ausgeliefert ist.

Und fürchtet nicht dies schwer und blinde Glück,

und möchte Gott um diesen Schmerz verraten.

Konradin

Du horchst in Zeit. Doch kaum daß Zeit uns weiß,

die wir noch jung von einer Mutter kommen,

setzt sie in unsren Nacken ihren Hauch,

und wie mit Tieres Atem stürmt das Leben.

Zu viele Freiheit handelt ohne Willen.

Du gehst für dich. Ich habe einen Weg.

Er eilt mit mir, wie uns das Tier verfolgt.

Doch Treue ist mein eingeschriebnes Recht.

Tannhäuser

Noch kennt euch nicht und holt schon ihren Zoll

die Zeit von euch. So holt des Reims Gesetz

zuletzt das Leben ein, und nichts mehr wartet.

O Sinn, o Schwester rein, soll man nicht knieen,

sobald ein Herz die letzte Richtung findet!

Den Anfang nicht, du gehst des Weges Ende.

Tannhäuser verschwindet; Morgenschein über dem Kreuzgang

Konradin

Im Dunkel geht mit uns der eigne Sinn

gleich einem Widerpart. Erwache, Herz,

daß uns nicht Nacht beraubt! Willkommen Tag!

O schöner Tag, du helle Macht der Welt!

Konradin geht ab. Die vier Wächter kommen wie zu Anfang

Erster Wächter

Der Himmel wird ein neues Zelt.

Zweiter Wächter

Ein blasser Stern schloß zu und auf.

Dritter Wächter

Nun glänzt das Zeitgespann im Lauf.

Vierter Wächter

Schließt auf den Sinn, geht aus in Welt!

Erster Wächter

Schließt auf den Sinn, geht aus in Welt!

Zweiter Wächter

Nun glänzt das Zeitgespann im Lauf.

Dritter Wächter

Ein blasser Stern schloß zu und auf.

Vierter Wächter

Der Himmel wird ein neues Zelt.

Zweiter Auftritt

Ort: Augsburg. Zeit: Ende August 1267 vor Aufbruch des Zuges nach Italien.

Szene: Die Anhänger Konradins sind in einem dreistufigen (apsisartigen) Raume versammelt. Auf der oberen Stufe Herzog Ludwig, Graf Meinhard von Görz und Tirol, Bischof Eberhard von Konstanz, Abt Berthold von St. Gallen, Friedrich von Österreich, Konrad von Limpurg, Lancia, Friedrich von Hohenzollern, Rudolf von Habsburg, Ulrich von Wirtemberg, der Bischof von Augsburg und andere. Auf der mittleren Stufe Konradin, neben dem die Wappenfahne der Staufer aufgestellt ist; ihm gegenüber als Marschall der alte Kemnaten. Auf der unteren Stufe schwäbische und bayrische Edle, Heerführer und Ornatträger. Zwischen diesen in der Mitte zwei Bläser. Alle stehend. Signale der Bläser.

Kemnaten

Nochmals, wie man den Schild am Pfahl aufhängt

im Feld Ronkalien und zeigt die Zeichen

des festen Heerbanns, der dem König folgt,

nochmals, die ihr zu gleichem Sinn gewillt seid,

eh nun das Lager aufbricht, zählt die Kräfte

um einen Willen, prüft die Schilde, bindet,

eh das Gebirge überschritten wird,

was hier und dort ist unsres Willens. Nochmals!

Dann nicht mehr soll ein Sinn sich anders wenden!

Was nun begonnen wird, ist Werk der Jugend

durch den Verspruch der Zeit und reifen Alters.

Das Angefangene bewegt sich. Wisset:

Von dort her kam uns heute neue Botschaft.

Der König spricht jetzt.

Konradin

Eh der Bote eintritt,

vernehmt ein kurzes Wort aus meinem Denken.

Von Sinn und Recht und Macht zugleich gefördert,

traf unsrer Jugend Schritt zu eurer Mannheit.

Den Sinn wird Tat verschlingen, Recht wird Streit,

und Macht verrät uns, wenn wir viel sie achten.

Was bleibt, ist Gegenwart. Verzeiht mir, Freunde,

wenn diese Stunde mich in eurer Folgschaft

die große Ordnung Welt fast kalt läßt fühlen.

Ja wie ein wenig Frost! so trat der Knabe

durch euch in eine harte Zeit. Was gilt ihr?

Noch einmal gehts um Rat, und ihr sprecht nochmals.

Mein Ohr trifft jedes Wort. Doch sieht mein Auge

in jenem Land, wohin mit unsren Vätern

sie kämpfend kamen, Tausende von Kriegern.

Noch sind sie dort und wissen nicht die Zukunft.

Um Sinn, um Recht, um Macht, um treuen Anhang,

wir werden kommen, weil sie uns erwarten.

Kemnaten

Herr Bischof Eberhard von Konstanz, Vormund

des Königs, als er Kind gewesen, Spreche!

Bischof von Konstanz

Die Botschaft — nicht die erste! Seit dem Hoftag

im letzten Jahr drängt Botschaft und Entscheidung —

die Botschaft macht das Recht den Horchern stärker.

Jedoch ein Recht — so wird des Baums Gesetz

durch seinen Wuchs — braucht keinen lauten Fürsprech,

ein Recht wie dies, um das die Zeitschaft ankert.

Es weiß des Himmels Ort und muß ihn fassen.

 

Hier Konradin, Sohn Konrads, Sohnes Friedrichs,

des großen Friedrich, der zu vielem Leide

und doch gleichwie sein Ahne Friedrich Rotbart

aus ganzer Fülle Rechtens stieg und herrschte,

und der, ihr wißt, im Testament bestimmte,

Konrad sei Erbe, und nach wenig Jahren

war Konradin, das Kind, schon in der Erbschaft —

Recht war mit dieses Knaben Stern geboren.

Dies ist das erste. Mündig ist der Erbe.

Die Zeit ist da, des Rechtes Stern will wandern.

So Baum um Baum will gleichen Schritts hinschreiten,

des Gangs Gesetz zu bilden wie mit Pfeilern,

daß sich ein Sinn erfährt: nun schreitet Recht.

Dies ist das zweite. Nicht den Baum zu fällen,

nein, aus gefälltem Stamm das Haus zu bauen,

auf daß der Stamm durch Stamm sich riegelnd stehe,

so muß des Rechtes Wuchs sich sichtbar richten,

und hebt die Welt sich fort vom kleinen Grunde.

Dies ist das dritte. Schwer zwar ist zu gründen

dies dritte Recht, woraus das Reich entstanden.

Doch Baum und Haus und Stern, bis daß die Kunde,

das Wort von eines Himmels Kind drin wohnte,

das war bestimmt und mußte so sich bauen.

So baut sich Welt, so muß der Kaiser schreiten,

um Stern und Baum und Haus der Welt zu zeigen.

Und hat sich Recht in Sichtbarkeit verortet -

o Bau der Zeit so um das Kind der Weihnacht! —

dann kann des Himmels Magd im Rechte wohnen.

Nun tritt der junge Herr in seine Herrschaft.

Schwer ist das Recht, man muß es stark ertragen.

Graf Meinhard

Ich, Meinhard, Graf von Görz und von Tirol,

da mir durch mein Gemahl Elisabeth,

die seine Mutter, er mir wie ein Sohn ist,

für alle Worte, Konradin zu ehren,

dem Bischof dank ich, dankt durch mich die Mutter.

Wie wir gesonnen, mag Herr Ludwig sagen.

Herzog Ludwig

Den Raum des Daseins muß man doppelt nützen.

Wir wollen nicht, soviel das große Recht

den Sinn bereichert, Heimat drum verlieren.

Wir helfen zu dem Zug, nicht minder hilft,

wer Bürge bleibt, daß Heimat sich nicht ändert.

Ein Pfeil wird angesetzt an unsren Bogen,

wir stärken seinen Flug mit allem Willen.

Dann muß die Zukunft Zukunft selbst erschließen.

Österreich

Das war und ist des Gibellinen Wesen,

daß er auf Zeit vertraut wie auf Gericht.

Wir danken, ist der Zug uns nur gewiß,

und junges Wesen hat nur einfach Recht.

Herzog Ludwig

Soll nicht der Bote kommen, daß wir hören?

Kemnaten

Abt Berthold von Sankt Gallen nimmt die Rede.

Abt Berthold von St. Gallen

Vergönnt noch diese Frist! Wie einer Feier

sind wir dem Herzen zugewandt, eh alsbald

die Stimmen, schnell entflammt, im Kampfe schwellen.

Die Zeit scheint gut und anders als vor Jahren,

da noch des Kaisers Recht ein böser Anhang

mit Haß und Graun in jenem Land beschwerte.

Denn Ezzelin, der Wüterich, ist nicht mehr.

Und der Parteien Kampf, von selbst ermüdet,

mag sich nach heißem Sommer friedlich segnen.

Nun bricht der König auf und sieht Italien.

Wohl hängt der Fluch des Papstes wie Gewitter

im Weg, und neue Willkür kreuzt die Spuren,

die altes Herrscherrecht dort eingezeichnet.

Ein Wolf ist Karl von Anjou, weiter will er

den Sinn des Papstes Klemens wölfisch wenden.

Ach würde mild der Papst gleichwie sein Name!

Daß alles sich, wie sehr Gewitter drohen,

in einem weiten Raume herbstlich friedet,

wo Früchte fallen und dann golden liegen.

Doch jetzt ist Schicksalsruf. So war es immer,

und manchmal schien es, sei der Stamm verloren,

und stand dann höher auf der großen Erde,

der Stamm des großen Sinns und jungen Königs.

So war es und so sei es, sei es wieder!

Alle

Beifall und Ruf

So sei es, sei es, sei es, sei's! Hie Waibling!

Konradin

Wohl schnell wird Sinn und Herz, noch froh entzweit

von warmer Jugend, ganz mit einmal kalt,

wenn weitum Feind ist. Schneller jetzt und froh

geht beides auf dem groß und lieben Wort.

Wie tief man mich bedacht, so sag ich Dank. —

Der Botschaft ziemt nun unser weitres Tun.

Von Heinrich von Kastilien kommt der Bote.

Ein Fürst, den Feindschaft treibt in gleicher Richtung,

will mit uns Bündnis. Hört von ihm die Nachricht!

Signale der Bläser. Guido von Montefeltro kommt und steigt auf die Stufe zu Konradin

Kemnaten

Guido von Montefeltro ist der Bote,

empfanget ihn, ihr Herrn, er will euch grüßen!

Montefeltro

Gesandt von dem, der jetzt mit Anjou kämpft

und will, daß sich sein guter Haß verstärke,

von Heinrich von Kastilien bin ich Bote

an König Konradin und bringe Gruß

und biete an die Brüderschaft der Waffe.

Konradin

Willkommen ist die Botschaft und ihr Bringer.

Montefeltro

Dies ist der König, dieser, den sie spotten,

‘ein bloßer Knabe’, und den sie doch fürchten,

und ein Gerücht, ‘Schon da ist Konradin’,

als sei von kaltem Schwert ihr Spott gekitzelt,

trieb sie durch unser ganzes Land zu Paaren.

Drauf sah man sie, von Ängsten froh enttäuscht,

unmäßig lachen und wie Gänse schnattern.

Nun wieder zischt ihr Hals nach fremden Füßen.

Lancia

Dies freut mein Herz. Ich bin der junge Lancia.

So wacht mir auf mein Land, das Feldgeschrei

‘Hie Waibling’ und ‘Hie Konradin’ wird alle

wie Sturm zu einer schweren Wolke rufen.

Schon fährt sie hin, man fürchtet schon den Schatten.

Montefeltro

So hört noch dies — nein dies zuvor; denn furchtbar

kann jetzt die Zeit den Sinn mit Wut befallen,

sobald man hört und Scherz vergißt. So brach

der Anjou eine Burg am Arno. Töten

ließ er achthundert Gibellinen, alle.

Das Lachen fällt in Wut, Wut fällt in Lachen,

daß eines sich beschleunigt aus dem andren,

und keine Lust am Tod ist als nur Tötung,

und jeder fordert Rechnung und von jedem.

So mehr noch! Und mit Lust, die Gott nicht bändigt,

ja daß er sie noch schützt, tat einen Schwur

der von Kastilien: Beim Herzen Gottes,

einer muß fallen, Anjou oder ich!

So schwur er, und nun plant er, es zu halten.

Konradin

Friedrich von Östreich, sprich, um was ich sinne!

Österreich

Du sinnest, Konradin, wie sich dein Recht,

wenn wir mit Blut der Erde Glanz beschlagen,

gleichwie des Himmels hohe Ruhe breitet.

Und vor dem blauen Spiegel wirst du kämpfen.

Denn Gott im Himmel liebt Gerechtigkeit,

er schickt das Urteil, so spricht die Verlautung,

die du verfaßt hast gegen Karl von Anjou.

Konradin

Ich will das Urteil. Mehr noch! Wenn nicht Liebe,

ich will den klaren, reingebornen Willen,

und nicht vom Anjou, nein des Papstes Willen,

er soll die freie Seele mir nicht kränken,

mir nicht, nicht meiner Mutter; und dem Sinne,

der groß gewesen, soll er Rechnung geben.

Dies, öffentlich verlautbart, geht dem Heerzug

voraus, den wir beginnen. Kurze Worte

der ganzen Lautung soll der Marschall lesen.

Kemnaten

Liest.

Wie kann im Bann sein schon ein Kindgedanke?

Noch wächst und noch besinnt sich jung ein Leben.

Bestraft mit Bann, verfolgt in jedem Wort,

bedroht zum Tode ist sein Los von Anfang,

und muß den Weg doch gehn und Drohung klären.

Sag uns, wodurch wir dich zuerst verletzt,

Heiliger Vater, der nicht wie ein Vater,

nein, ein Stiefvater gegen uns du vorgehst?

Du müßtest es denn gleich schon einem Frevel

erachten und ein Recht dir daraus nehmen,

daß wir noch auf der Erde leben, Vater!

So sprach das Kind, der Knabe, spricht der Sohn.

Nun muß der Fürst es sprechen, nicht mehr Sohn bloß.

Die Ehrfurcht bleibt, doch Schwert spricht gegen Schwerter.

Alle

Beifall und Ruf

So sei es, sei es, sei es, sei's! Hie Waibling!

Kemnaten

Herr Bischof Eberhard von Konstanz spreche!

Bischof von Konstanz

Groß ist die Welt jetzt, und die Zeit scheint anders,

doch dieses Kampfes Sinn rückt stets noch weiter.

Wohl wich, was gegen uns gestanden, langsam.

Weg ist Wilhelm von Holland, Gegenkönig;

kaum zählt der Gegenkönig Richard Kornwall;

und der uns näher, Ottokar von Böhmen,

hält Frieden und trägt Kampfsinn gegen Preußen.

So heilt sich manches. Anderes wird schlimmer.

Und wie ein Frankreich ausgreift nach Italien

und neue Kämpfer steigen durch Gewalt,

so wird das Kaisertum von fremden Mächten

sinnlos und einem Raube gleich betastet.

Soll wieder schrecklich Zukunft sein wie vordem?

Wer schnell und einfach umkam, pries sich glücklich.

Soll immer mehr ein Haupt das andre hassen?

Die wir im Recht sind, schulden nicht die Folgen.

 

Groß ist die Welt jetzt, und die Zeit scheint anders,

und kaum ein Sinn greift alles noch im Raume.

Ein Weg geht von Jerusalem bis Preußen,

und deutsche Ritter sieht man neu im Kampfe.

Man sucht zu alter Mitte neue Grenzen,

und daß sich eins bewegt, bewegt sich alles.

Ein Weg ist eingebaut, den wir nun fahren,

von Schwaben bis Sizilien, ein König

von jungen Jahren hält des Weges Mitte.

Er muß des Papstes Heiligkeit entgegnen.

Ist dies das Stück, damit die Welt zu klammern?

Laßt mich zum Sinne durch ein Sinnbild sprechen!

Ich denke an das Kopfstück eines Pfeilers,

zwei Löwen gehen aus von zweien Seiten,

daß sie zusammenstoßen Kopf in Kopfe,

zwei Leiber münden aus in einen Rachen.

Und wo sie münden, ist des Pfeilers Kante.

Die Kante aber, Geist und Kraft des Baues

zu deuten, steht wie eines Schwertes Schärfe.

So stößt das Bild in eins, so spricht der Rachen:

hier, wo sich alles teilt, hier hält das Ganze!

Ein Leib für uns, sind wir der Teil des Rachens,

und ohne uns hält nicht die Welt des Sinnes.

Konradin

Du warst mein Vormund und du bringst mein Recht

zu Sinne vielmals besser, vielmals schwerer,

als ich vermag, und also will ich kämpfen.

Die Zeit ist da. Und auch dein Bild des Rachens

ist mir gewiß. Nun Kopf in Kopf gestoßen,

beginnt Gesetz und wird ein Spiel mit vielen,

die mir entgegen sind, gefletschten Rachen.

Daß unter ihrem Toben einer jagt

für mich — dich grüß ich bald, Prinz von Kastilien!

Wir grüßen kommend die italschen Freunde.

Lauter

Genug! Weil wie ein Fluch ist, einzukommen

in eignes Leben, wie ein Schrei nicht segnet,

ein Kind nicht weiß, ein Mann nur handelnd rechtet,

so pocht nun Blut. Und alsomit ertaube

das Ohr! So schlägt des Halses Ader

um eine wie noch unbezahlte Schuld.

Man hat nicht Zukunft anders als im Blute.

So spricht mir Zeit. Spricht eine jemals anders?

So spricht Geschlecht sich fort von End zu Ende.

Ist, daß die Rede nimmt, hier neu ein Name?

Kemnaten

Friedrich von Hohenzollern nimmt die Rede.

Friedrich von Hohenzollern

Die Spur, die auf uns zukommt, eh wir wissen,

was einmal wird, nimmt uns in ihre Pflicht.

Wir folgen ihr, daß wir den Gang verstehen.

‘Hie Waibling’ heißt die Hälfte einer Welt.

Konradin

Sehr laut

Genug! Wo unsre Schritte sind, da schüttert

die dunkle Erde, und wo unser Haupt

ein Licht sich wähnt, da wartet stumm der Himmel.

Mehr weiß ich nicht. Jetzt ist der große Himmel,

jetzt geht man fort. Ich will mich selber jagen,

bis wo der Hirsch mit allen Hunden wütet

in einem großen Garten schöner Dinge.

Mehr weiß ich nicht. Ist, wer versteht den Garten

und daß er Früchte finden will und viele?

Kemnaten

Rudolf von Habsburg nimmt die andre Rede.

Rudolf von Habsburg

In jenem Land ist des Granatbaums Apfel,

er hat ein Fleisch wie Blut und vielen Samen,

man kann ihn lang bewahren immer schöner.

Geschlecht folgt auf Geschlecht und muß ihn suchen.

Konradin

Sehr laut

Die Hälfte einer Welt und kaum mehr Heimat!

Was auf uns zukommt, mehr als jeder Name —

Geschlecht hebt sich hinweg, ein Mann steht auf,

ein jeder muß, daß man ihn kennt, bekommen,

und keiner wird für sich allein gelassen.

Brecht auf! Mehr weiß ich nicht. Doch nun geschehe,

was jeder tun muß. Heimat werde Ferne!

Limpurg

Du weißt, daß Heimat mit dir geht!

Konradin

Ja, Limpurg!

Ulrich von Wirtemberg

Auch tritt noch viel Geschlecht in deine Reihe,

das Nachbar ist dem großen Namen Schwaben.

Konradin

Ja, Wirtemberg! Wie klein war unsre Erde,

als Glanz ausging im Morgen meiner Ahnen.

Ich bin der Fahrende vom Hohen Staufen

in andres Land. Die Burg liegt hoch im Blauen.

Kemnaten

Beschließt nun, Herzog Ludwig und Graf Meinhard!

Herzog Ludwig

Blickt nicht mehr um, die Zahl ist klein, dafür

laßt uns die Zeit vermehren durch Entschluß!

Nehmt euch beim Wort! Durch Zeit wächst Niedertracht.

Was wir ihr abgewinnen, wächst für uns.

Graf Meinhard

Der Weg ist offen durch mein Land der Alpen,

und deine Mutter wird des Wegs dich grüßen.

Kemnaten

So ist nun ausgesprochen Wort und Wille

zum letzten Mal, und ist der Tagung Ende.

Sie will von manchem viel, von einem alles.

Und wer dem König treu ist, sorgt mit Treue,

daß alles wieder sich verteilt auf viele.

Und wer da mitgeht, geht bis an das Ende.

Nun ist der Weg gezeichnet, laß uns gehen!

Bischof von Konstanz

So wachse denn, je mehr sich Sonne findet

auf diesem Wege, auch der Schutz des Himmels!

Dies ist der Spruch des Bischofs für sein Mündel.

Alle

So sei es, sei es, sei es, sei's! Hie Waibling!

Trompeten und Glocken

Dritter Auftritt

Ort: eine Burg des Grafen von Tirol. Raum der Burghalle; die größere, durch einen etwas vorgezogenen Vorhang abgeteilte linke Seite hat links in der Mauer eine zweibogige romanische Fensteröffnung, in deren Nähe Tisch und Gestühl, und an der Rückwand eine Bank; die kleinere rechte Seite hat rechts hinten den Eingang, an den Wänden Waffen und Gerät. Konradin liegt schlafend auf der Bank. Eine Magd tritt durch den Eingang, mit ihr Konradins Mutter, Königin Elisabeth

Die Magd

Es ist ein großer Heerzug, Herrin; viele

sieht man das Tal herauf die Eisen tragen,

man sieht vom Berg her sie noch plötzlich blitzen,

dann sind sie weg, und wieder kommen andre.

Elisabeth

Und Konradin ist hier?

Die Magd

Ja, Herrin! Eben

als ich noch schaute, war im Hof Getrappel,

dann stand schon hier der König, und ich eilte

so schnell, zu rufen, daß ich nichts mehr hörte.

Elisabeth

Von langem Sehen war ich ganz verlassen

und mußte, da sie rief, erst Atem suchen. —

Soviel du sagst, das sah mein eignes Auge

und sank in Stille, und mir sank mein Sinn

in so viel Stille, war mein Ohr von Welt

so fern, daß ich kein Kommen mehr und kein

Willkommen mehr vernahm und dachte. Stille!

Warum noch jetzt die Stille? Noch kein Gruß?

Wo ist mein Sohn?

Die Magd

Hier stand er ganz in Eisen

und trug im Angesichte festgeschmiedet

den Sonnenglanz.

Um den Vorhang blickend

Nun liegt er dort!

Elisabeth

Er schläft,

auf einer Bank ein hingefällter Schläfer,

ein schneller Schläfer wie ein heißer Schnitter,

der, wenn in Kühlung tritt, zu süßem Schlafe

sein Auge brechen fühlt, unhemmbar sitzt

und liegt, daß alle Glieder ihm verfallen.

So schläft ein Kind nicht, so schläft schon der Mann,

der hart im Feld ist, und wenn Rast ihn zwingt,

hinweg vom Werke sich wie Erde austeilt,

in harter Wehr so schlafend und vertrauend.

Dies ist mein Sohn jetzt. Ob sein lieber Sinn

auch hart entfernt ist, also daß mir schläft

ein fremder Körper hier in dem Gemache?

Kann noch, die vor dir steht, dich innerst rufen?

Konradin

Im Schlafe

Nicht sprechen kann ich, strudelnd fängt den Gruß

die Kehle ab, und ich bin schwer wie Eisen.

Elisabeth

Er wird nicht wach, ihm will nicht Wachsein helfen.

Konradin

Und all dies Eisen trägt in deinen Schoß,

auf daß du sein Gewicht erfährst, dein Sohn,

und trägt daran schon viele Tage, Mutter!

Elisabeth

Sprich so nicht wach dich! Sinke tiefer weg

und komm aus süßem Schlafe neu erwachend!

Konradin

War ich nicht schon im Haus? In Hellung sehe

ich dennoch nichts, und meine Zunge spricht nicht,

und brennt mir nur mein Herz und kann nicht anders:

Du bist mein Mutterbild, Elisabeth!

Elisabeth

Laß viele Bilder um ihn wachen, Gott,

auf heller Erde!

Konradin

Erwachend

Mutter, hast du Schmerz,

weil du so träumend schaust und so mich aufweckst?

Wie war ich? Schlief ich denn?

Elisabeth

Du bist zu Hause

und hast geträumt. Nun grüßt dich deine Mutter ...

Die Magd setzt sich in der rechten Seite des Raumes

Konradin

Aufgestanden

...und hebt mir wunderbar mein ganzes Herz.

Ach Mutter, Königin, du hohe Frau,

verzeih, ich wachte plötzlich nicht mehr, sank

in taube Ohnmacht, war wie waffenlos

und hörte nur mich rufen deinen Namen.

Den Namen rief ich nie als Kind noch, Mutter!

Elisabeth

Von heißen Wegen kommst du Einkehr halten.

Konradin

Ja, ich bin hier, der weitre Weg ist dort,

und ich bin ausgeteilt, mich einzuholen.

Erst wenig Zeitraum hat mein Weg. Und doch,

als ob schon lange kein Gemach mehr mich

bis dieses jetzt umschloß, und du erschienst,

und dies das letzte sei und ich sei fort,

so stillt es mich. Und auch bin ich beredt,

wie Luft im Herbst den schönen Tag durchfächelt,

ihn doch nicht nahe bringt und alles liebt

durch weite Sicht und weit in Grenzen härtet,

bis einen größren Himmel trägt die Erde,

drin unsre Stimme leicht und ziellos schwindet.

So bin ich ohne Grenzen jetzt bei dir.

Elisabeth

Noch spiegelst du mein Kind, du tapfrer Sohn!

So hat das Kind Verlangen mehr als Willen,

und nah zu kommen, bringt es allen Himmel.

Konradin

O Mutter, nein! Man muß sich ganz verlieren.

Und viel muß man sich innerlich voraus

Verlangen wie ein blindes Wesen schicken,

daß es uns Eile macht, daß Wille schöpft

aus Eile Willen und aus Willen Eile,

um nachzukommen und genug zu tun

dem, was uns liebt. O blindes Leben! Mutter!

Ich will verloren sein in schnelles Leben.

Ein liebend Herz ruft uns in unsre Zeit

zur Eile, die uns Teil gibt, wie wir lieben.

So schnell bin ich jetzt hier, schnell wieder fort.

Elisabeth

Du wirst mich schmerzen, Kind, mit lieben Worten.

Konradin

Uns schmerzt ein lieber Tag, noch mehr zu lieben,

was er uns künftig aufgibt. Komm zum Fenster!

Sieh, wie der Heerzug stumm dahintreibt, Mutter!

Elisabeth

Soviel hier Welt vorbeigeht, wird mir fehlen

und wird als Mangel laut, wenn ich allein bin.

Konradin

Soviel hier durchzieht all mit jungen Freunden,

und wie dies lautlos ist, muß es uns stillen.

Ein solcher Weg gibt Schönheit allen Sinnen.

Dem Heimatlosen, dir, Friedrich von Östreich,

muß alles, was im Leben schön ist, gleichen,

daß alles uns umfängt und nichts mehr fesselt.

Elisabeth

Du schmerzest, Kind, mich!

Konradin

Mutter, sieh den Tag,

wie er zum Abend wird und nicht mehr gleitet,

nur in sein eignes trunknes Erbe schwindet.

Durchsichtig wird mir Welt und unverrückbar.

Ist sie durchsichtiger dem Vaterlosen?

Weil nämlich Grenzen gibt dem Sinn der Vater,

die Mutter aber kann das Herz nur binden.

Weil, wenn der Vater starb, wir uns wie Strahlen

aus ihres Herzens Glut allein versenden

und sind durchsichtiger und voll von Bildern,

so wie sich Welt, bevor in Nacht sie mündet

und ruft den Stern, im Abendlicht verschwendet.

 

O Mutter, hohe Frau, du erste Welt!

Getrennt durch die von Stein gesetzten Bogen,

so schauen wir jetzt gleichen Blicks in Zeit

und sind so zweisam jedes doch allein

gleich Ruf und Ruhe in dem Bild des Abends.

Der Ruf geht ganz hinweg, die Ruhe wartet.

Doch der von Stein gesetzte Doppelbogen

wird schneller dunkel sein, und er wird sagen:

Was undurchsichtig ist, läuft schon dahin.

Elisabeth

Du schmerzest, Kind, mich mit so fernen Blicken,

und sprichst schon jetzt, was ruhig ist vom Abend,

in Nacht hinweg, ich muß den Stern schon suchen.

Dort überm lichten Bergrand wird er glänzen.

Dort ist die Luft dann wie ein trockner Spiegel,

von Tränen nie erreicht, und dennoch zitternd.

Nein, meine Seele nur will zitternd schauen

hinüber, wo mein Sohn ist. Doch der Spiegel

weicht blaß hinweg, und meine Seele blasser

wohnt in dem hohen Stern auf dunkler Erde,

und kann nur Schmerz sein und sonst nichts erreichen.

Konradin

O Mutter! Dann ist alles ganz in Einheit,

wenn unser Wissen sich so innig sammelt,

daß es kein Ziel mehr hat. Und so schon jetzt!

Ist nicht der Himmel schon ein stiller Jubel?

Elisabeth

O Sohn! Du gehst durch Worte wie durch Schatten.

Bald steigt der Berge Rücken immer dunkler

und trennt dich von mir weg, der Doppelbogen,

der undurchsichtig steht und immer läuft.

Je mehr wir schauen, wird der Bogen stärker,

und Kraft verdoppelt sich, um Nein zu sagen

zu jedem stillen Leben, das noch waltet.

Noch ist das Reich um dich wie eine Mutter.

Schmerz aber wird, wo Recht anfängt und endet

und treibt ins Nein. Dort wird die Mutter hilflos.

Dort spiegelt Macht in Macht sich nur durch Schmerzen

und wird ein Recht im andren grausam deutlich.

Du gehst von einem Reiche in das andre,

mir bleibt Geheimnis dieses Sinns der Reiche.

Konradin

Nicht, Mutter! Laß jetzt Reich und Recht!

Elisabeth

Mein Sohn!

Wer trug sein Kind wie ich schon halb im Banne?

Im dunklen Bann ziehst du jetzt um dein Recht;

und kommst du näher, wird der Bannfluch schärfer.

Wie jung bist du, mein Kind, und willst dies tragen!

Konradin

Laß, Mutter, sieh nicht an den Vaterlosen

um sein ererbtes Recht, das jung ihn liefert!

Mit mir geht jung des alten Kampfs Bestimmung ...

Elisabeth

Der Vaterlose macht mir diesen Schmerz...

Konradin

...des Kampfs Bestimmung, wie die frohe Faust

den Falken trägt ...

Elisabeth

Den Falken trugt ihr immer.

Und nahmt ihr ihm die Haube, stieß er weiter,

als je ein Herrscher sah, ihr Hohenstaufen!

Kind meiner Wahl! Und dennoch nicht! Ich wollte

dir dennoch nicht abnehmen alle Fessel.

Schnell traf es dein Geschlecht, es starben viele.

Der Jüngste bist du, Letzte deines Stammes,

und ich auf deiner Spur, du Vaterloser,

bin weder ja noch nein; nur hier im Wege

steh ich, um diesen letzten auszuliefern,

sonst weder ja noch nein mehr meinem Kinde.

 

Wie lange schon! Du warst noch kaum zwei Jahre,

da starb dein junger Vater zu Lavello.

Mir gab die Zeit den Grafen von Tirol

zum Ehgemahl. Doch Königin zu heißen,

zwang mich allein schon Schmerz und der Gedanke,

daß ich des Stammes jüngste Knospe hüte

— nicht hüte, auch des Stammes nicht —, nur daß ich

ein jüngstes Leben aller Macht aussetzte,

die feindlich war, daß ich dem Feind ein Kind

entgegenbot. Es ist Gesetz des Lebens,

daß alles in sich eine Umkehr habe.

Doch du — ich weiß wie lange schon — hast keine.

Konradin

O Mutter, schau, wie Falkenflug in Zeit

sind wir gesetzt. Wie ein entsprungnes Roß

Berührung scheut, ist unser Sinn empfindlich.

Schau auf ein Kind, das immerzu nur geht.

Und dann sieh diese unhemmbare Welt,

die auf uns zukommt, wie wir tapfer eilen.

Doch du willst ja Gesetz, so hör Gesetz:

Je jünger aller Sinn wird, vaterloser,

er muß sich selbst nur immer überbieten,

je mehr schließt er die Welt wie eine Wunde.

Jugend ist gleichwie Schuld zu blinder Treue.

Elisabeth

Ein Sinn braucht Zeit, und eine Mutter braucht,

um von sich fort ein Kind zu lassen, Zeit.

Mag nun die Sonne still den Sinn begraben.

Nun bist du da, und nun soll dieser Abend

nichts mehr von eines Morgens Abschied wissen.

Du bist mein Gast, du kennst Graf Meinhards Tisch.

Noch ist er nicht zurück mit deinem Zuge?

Konradin

Graf Meinhard kommt zunächst und Herzog Ludwig.

Sie geben uns Begleitung eine Strecke,

dann zieht allein mein Zug in seines Staubes

heitrem Gewölke, es mit niemand teilend.

Elisabeth

So ruh dich nun, die Magd deckt uns den Tisch,

ich will dir dienen und den Abend lieben.

Die Magd geht Speise und Wein holen

Konradin

Ein Trunk nur, Mutter, soll es sein, den du

mir reichst!

Elisabeth

Ein Trunk nur? Einer? Länger wird

als diesen Augenblick der Abend nicht?

Konradin

Nein! Wenn zum Abschied sonst wohl von der Mutter

die Morgensichel wie ein Ungenügen

das Leben mit sich forttrug, diesmal soll

des Mondes Abendsichel golden scheinen

zu unsrem Abschied und soll in uns gießen

vom Überfluß des Lebens all Genügen.

So, Mutter, will ich Wein jetzt mit dir trinken.

Elisabeth

Bitter

So bring den Wein mir zu, wie schnell du tötest

das Herz der Mutter! Mir zerstürzt der Blick.

War ich nicht tapfer, da ich mit Beginn

des Herbstes täglich sah an das Gebirge

und sah es golden werden, sah es bleichen,

Zuletzt war es doch immer wie Gebein.

Es war ein Kreis um mich zerbrochner Kräfte.

Ich trinke denkend einer Totenliste.

Ein Wasser schwindet hin, und Land kommt nicht.

So steh ich jetzt. Neidvoll sind Gottes Rätsel.

Ich trinke bitter, meinen Blick verlierend.

Elisabeth trinkt aus dem Kelch, den ihr Konradin reicht

Konradin

Nun bist du groß in deinem dunklen Sinn

und stehst vor deiner Welt, du Mutterwesen!

So trinkst du unausweichlich Wahrheit. Kind

wird jeder Sinn vor dir und kann nicht sprechen

und nur in Gleiche trinken Wort und Ahnung.

Und nur Vertrauen kann dies Bild entkräften.

Bald bist du ganz in dein Gemach verschlossen,

du liebes Bild, das mir nur immer nachblickt.

Vertrauen wie ein trunkener Verrat

trägt mich ins Land des Weins und der Jungfrauen.

Ich trinke ein die atemlose Liebe.

Konradin nimmt von Elisabeth den Kelch; bevor er trinkt, faßt ihn Elisabeth an der Schulter

Elisabeth

Dies ist dein Abschied, laß mich nochmals sprechen!

Jäger gingen um im Wald.

Also lang die Jäger gingen,

als die Engel Blut auffingen,

Blut nicht jung und Blut nicht alt.

Schütz ihn, laß nicht fließen an,

Christ, tu seinem Blute Halt!

Immer dann!

Konradin trinkt, gibt den Kelch der Mutter und geht

Elisabeth

Engel um sein Leben gingen.

Vierter Auftritt

Ort: Rom. Zeit: nach Konradins Einzug (24. Juli 1268), ein schöner Vormittag.

Szene: eine Säulenhalle mit anschließenden Lauben an der Straße; hinter der Halle ein offener Hof; rechts in der Halle zum Laubengang hin ein runder Brunnen; an dem Brunnen römisches Volk

Stimmen

Die Deutschen sieht man kommen hier des Weges.

Erster Römer

Schnell! Kommt doch schnell und seht das deutsche Lamm!

Zweiter Römer

Wieso dies Wort?

Erster Römer

Weil seine Heiligkeit

es wie ein Glaubenswort versichert hat,

daß dieser Jüngling dort, der deutsche König,

gleich einem Lamm zur Schlachtbank von Nichtswürdigen

geführt wird.

Zweiter Römer

Still, du Unglücksmaul, gib Obacht,

daß du nicht selbst ein Lamm wirst, das geführt wird!

Heiß ist die Luft, du sitzest bald im Schatten.

Dritter Römer

Nun sind es schon drei Wölfe für ein Lämmlein.

Zweiter Römer

Wieso?

Erster Römer

Gewiß, Rom heißt das Lämmlein.

Dritter Römer

Drei!

Seit gestern sind es drei. Zuerst der Anjou!

Ihr wißt, daß am Gründonnerstag der Papst

das deutsche Kind auf alle Art gebannt hat,

und dann der Anjou schnell mit diesem Vorteil

in unsre Hürde brach, Anjou der Wolf.

Noch nachts biß ihn hinaus — viel Blut lag morgens —

Prinz Heinrich von Kastilien, der Senator.

Seit einem Jahr Senator! Was will dieser?

Was gilt ihm Rom? Ein Wolf ist der Kastilier!

Das ist der zweite. Und nun kommt der Jüngling,

wölfisch gehegt im Nest der Ghibellinen.

Was bringt der Deutsche wieder, wenn nicht Unglück?

Zweiter Römer

Doch viele unsrer Erde sind mit diesem.

Erster Römer

Mit jungen Deutschen alte Italiener,

da wird die Mischung besser nicht, nur schärfer,

die alte Wölfin säugt nur immer Wölflein.

Vierter Römer

Seltsam ist Rom und ungewiß vermischt.

Doch still, der Tag ist schön. Und mit den Tapfren

wird er noch schöner. Sie sind schnell willkommen.

Erster Römer

Man sieht das deutsche Lamm!

Vierter Römer

Still doch! Der Jüngste

ist Konradin, der König.

Eine Römerin

Gott bewahre

ihn vor dem Fleischerhunde Anjou. Sechzehn

errötend junge Jahre bringt der König.

Alle Stimmen

Es lebe Konradin, der junge König!...

Konradin kommt von links mit vielen Begleitern, darunter Friedrich von Österreich, Limpurg, der königliche Kämmerer Konrad Capece, Galvano Lancia mit dem jungen Lancia, Konrad von Antiochien und Guido Novello, Haupt der tuscischen Ghibellinen. Fast gleichzeitig kommt von rechts Heinrich von Kastilien mit Begleitern, darunter Guido von Montefeltro

Kastilien

Wie findet ihr das Heute? Frohen Tag

wünsch ich dir, König Konrad, und euch allen.

Dies ist ein froher Tag der Ghibellinen.

Österreich

Als ob man satt, bevor man aß, und niemals

uns doch die Welt ersättige, so ist

für unser Dasein in zu großes Licht

gefaßt das Himmelsblau, wir suchen Schatten

im kleinren Raum, und seltsam uns entfremdet

sehn wir uns an und feiern unser Leben.

Kastilien

Schön sagst du, wie du fühlst, Friedrich von Östreich.

Und das ist Rom. Das große heiße Licht

ersättigt nicht. Doch fort vom kleinen Ort,

wo man im Schatten lebt bloß füreinander,

zieht uns der heiße Tag hier unersättlich.

Da hat ein jeder Recht und keiner Schatten.

Rom gleicht der elften Stunde vor dem Mittag:

nach immer größrem Mittag muß man hungern.

So ist die Stadt hier; das ist unsre Stunde.

Konradin

Prinz Heinrich, trage stets dein heißes Herz

im schweren Panzer!

Kastilien

Wie, mein König Konrad?

Konradin

Wenn unser Himmel heiß wie ein Gewitter

den Strahl bereit macht, muß das Herz erkalten

und muß mit Furcht die schwere Stunde lieben

und mit dem Schwert, das tötet, eine Rose

noch zwischen Heil und Unheil aufwärts schicken.

Und Herz und Sinn im gleichen schweren Panzer

tut alles ruhig und wie ohne Willen.

Kastilien

Ich muß dich lieben, König; nie noch hörte

ich Worte sprechen solchen deutschen Sinnes.

Konradin

Nicht so, Prinz Heinrich! Wohl ist mir die Stunde

wie eine Rose jetzt, mit dir zu leben.

Doch ruhig bin ich nicht. Rom ist wie Mangel

in meinem Sinn und will sich noch nicht schließen.

Wir hingeschrieben zwischen Licht und Schatten

in ein Gesetz, daß wir die Welt berühren,

wir müssen Sinn und Welt auf einmal suchen.

Kastilien

Im Sinn gehälftet, Gott gleich Welt zu finden

auf einmal, oder sonst sei Welt verloren,

das ist der dunkle Drang des Ghibellinen.

Ihr sucht den Halt in allem durch Bewegung.

Mir aber, wie ich bin, herauszufordern

das täglich schöne Leben, laßt die Stunde!

So bin ich heiter jetzt und muß euch lieben.

Konradin

Mir geht zum heitren Blick, als wollte weinen

durch mich die große Sonne, Glut ins Auge.

Kastilien

So nimm sie auf! Trotz ihr durch unsre Gluten

und sei, von uns verführt, noch mehr Verführer!

Was einer wagt, mehr wagt man Welt gemeinsam.

Konradin

Du spielst und hebst mein Herz, und mich will lächeln,

Prinz Heinrich, aber Rom verzehrt die Stimme.

Gemeinsamkeit wird hier vorm Himmel einsam

und kann sich nur wie Stein vor Gott bewegen.

Kastilien

Gespielt wird stets um uns. Gott spielt nicht höher.

Laß ihn, daß wir sein Einsatz sind, nicht reuen!

Konradin

Es reut mich nicht um uns. Nur stockt mein Sinn

und wird mir ungesagt vor großer Ahnung.

Dem schweigt sein Tag, dem er hier ganz begegnet.

Kastilien

Hier ist Galvano Lancia, hier dein Vetter,

Konrad von Antiochien, und die andren,

die dir befreundet; hier sind meine Freunde.

Gib uns dein Herz! Entlaß die stummen Augen

des dunklen Sinns der Welt, der Himmel soll

sie paarweis zählen und die Summe steigern,

bis Stern mit Stern sie ihre Nacht ersehnen

und dann zum Festmahl staunend uns umglänzen.

Wir leben reich, und morgen rollt der Würfel.

Österreich

So nimm uns zu Genossen heut, Prinz Heinrich,

für Glück und Augenblick! Rom ist der Scheitel

von unsrem langen Zug. Das schöne Ziel

macht, daß wir uns als Einsatz selber lieben.

Capece

Gelobte Stunde! Doch das liebe Herz

verwettet sich umsonst dem freien Himmel.

Des Papstes Lehre wird es anders sagen.

Bald halb ein Jahr, wißt ihr, wird durch das Kreuz

gepredigt die Verwerfung König Konrads.

Kastilien

Nichts davon heute, Kämmerer Capece! —

Gebt Raum der Schönheit, daß sich euer Blick

erfüllt mit diesem Tag! — Jedoch, wer kommt?

Wer wird gefesselt hier vorbeigeführt?

Der Marschall von Braiselve kommt als Gefangener, von einer Wache geführt, vorbei

Novello

Ein Zeuge unsres Zugs, ein Helfer Anjous,

der Marschall von Braiselve; blutig trat

er seinen Wechsel aus und riß am Arno

das ghibellinsche Wild, doch blutiger

traf ihn dort König Konrad, und der Alte

muß seither folgen unsren jungen Spuren.

Wohl ungern geht er hier den neuen Wechsel.

Kastilien

Du wolltest ihn nicht töten, König Konrad,

wie Feind hier Feind vernichtet?

Konradin

Nein, Prinz Heinrich!

Ich war ein Kind und sah des Alters Ruhe.

Nimm ihn in deine Obhut, bis wir kämpfen!

Kastilien

Was sagt dein Mut jetzt, Marschall, müd vom Staube,

daß du uns hier begrüßest und die Römer?

Braiselve

Die Sonne hebt mein Haupt und läßt es sinken.

Ich weiß nicht, soll, so willenlos zu leben,

ich klagen oder preisen. Tage wechseln.

Ich will mein Haupt der lieben Sonne schenken.

Stimmen der Römer

Die Hitze macht ihn wanken, laßt ihn trinken!

Eine Römerin reicht ihm vom Brunnen einen Krug mit Wasser

Braiselve

Bevor er trinkt

Es blickt, wer glücklich ist, aus eines Brunnens

vertieftem Spiegel ernst sich doch ins Antlitz.

Er fühlt ein fremdes Wesen um sein Bild,

ihn faßt Gewalt, die unbekannten Sinn hat.

Zu Konradin

Eh ich denn trinke, gönne, junger König,

Zuvor den ernsten Spiegel dir zu bieten!

Trink Heil und Unheil treu dem gleichen Sinne!

Konradin

Trinkt, dann

Die Mutter gab mir Wein, um mich zu segnen,

der Feind reicht Wasser. Trinkend Welt um Welt,

bin ich im blinden Sinne stets der gleiche.

Konradin gibt den Krug an Braiselve zurück, welcher trinkt und weitergeführt wird

Stimmen der Römer

Heil König Konradin, dem jungen König!

Kastilien

So seid ihr deutschen Herzen, willig nehmet

ihr eurer Stunde Inhalt, unbesehen

und wie verloren in ein tiefres Auge.

Und wieder doch, der Stunde trotzend, schnell

seid ihr bereit und tragt der Welt Verletzung

gleich einem Erbe, das ein Gott nicht mindert,

in harte Zeit, und schöpfet Sinn aus Wunden.

Erst still bei euch Behauste, tragt ihr fort

und her nach Rom den sinnend wunden Willen

und hebt aus dunklem Schoße helles Recht.

Ihr schafft aus Ohnmacht Macht, und Macht will leben

in einem Bild, das alle Sinne fordert.

Die Welt ist euch, wie wenn ein Auge wartet.

Konradin

Schon spielt dein Sinn gleich uns um Recht und Bilder,

bald bist du angesteckt, Prinz Heinrich.

Kastilien

Nein,

ich frage nichts, als wie mein Schwert mich führe,

ja kaum noch, wie ihr kamt. Mein Blut bewegt mich,

und wie, bis ihres Flugs gewiß, die Vögel

noch um sich kreisen, bin ich. Adler schweben.

Und nieder mit dem gelben Anjou!

Montefeltro

Nieder

mit seiner gelben Hoffart!

Kastilien

Doch erzählt

und schmückt mit eurem Heerzug jetzt die Stunde!

Montefeltro

Schon halb ein Jahr zieht Ihr mit unsrer Sonne,

Friedrich von Östreich, fern dem deutschen Winter.

Österreich

Heut denk ich gern, Guido von Montefeltro,

wie unser Wagnis war. Erst wenig Orte,

daß unsre Planung daran haften konnte,

besaß der Welfe nicht. Da war Verona,

Pavia dann, die treue Stadt, und weiter

ein feindverstelltes Land und sein Gebirge.

Bald schien mein Heerzug mir in Glanz des Landes

zu weit hinausgegossen, bald ein dunkles

und kleines Wetter, in die Berge schleichend,

und manchmal so die Macht in meiner Hand

gleich Rauch im heißen Feld vergeblich grimmig,

dann hilflos nah in allzu enger Schlucht,

von Grimm verzerrt, sich selbst in Tod zu brüllen.

Ein Heer wird krank vom vielen stummen Horchen.

Doch klang das Schwert nun auf, sah man die Flanken

des Heerzugs prächtig atmen. Alle Stummheit,

sofort geheilt, schlug wuchtig auf die Welfen

und half sich durch den Feind zu frischen Sinnen.

Dann blieb der Apennin zurück, und Pisa

lag vor uns da, schon angefüllt mit Freunden,

und froh umfangen pochten unsre Herzen.

Kastilien

Der König war schon dort, ich weiß ...

Österreich

Ja, zweifach

war unser Weg, und seltsam das Beginnen,

als wenig Schiffe von uns, wenig Ritter

auf ihnen stehend, in das Silber fuhren,

das wir noch kaum gesehen, nie befahren.

Nun war hier nicht mehr Heimat, und wir beide,

kaum je getrennter Jugend, als wir sahen

so Meer wie Erde auseinandergehen,

das Meer am schnellsten, Erde aber zögernd,

als dürfe Erde sich nicht so verlieren,

und ich ihn fliehen sah und stand auf Erde,

so wie der ärmre Sinn auch treuer ausharrt,

da war mein Wesen ganz wie Abenteuer,

und Abenteuer wie ein schweres Wesen ...

Ja, Konradin lief auf dem Meer voraus,

dann kam mein Zug, und alles fand sich glücklich.

Konradin

‘Nun fährst du, Krone, über Wellenkronen’,

so mocht ich zu mir sagen, als die Winde

mich tagelang verschlugen und mißgönnten,

mir meiner Zukunft blauen Saum zu zeigen.

Dann flog, so schien mir wohl, ein kleiner Engel

im Segel mit, weil es so heiter bebte,

und heiter bebend flog es, nicht zu enden,

bis schnell Meerfräulein unsrem Schiff sich nahten

und schoben es geschwind in Pisas Hafen.

Und vieles Volk war da und alle Ritter.

Konrad von Antiochien

Ihr wart vom Glück gesegnet bis zur Stunde.

Limpurg

Ja, Meer und Land brach auf mit allen Riegeln,

und Rom war auch schon wartend, voll von Freunden.

Der junge Lancia

Und wie bei euch wir Gäste, jetzt, mein Limpurg,

seid ihr bei uns.

Galvano Lancia

Doch hier ward Gastrecht anders.

Jetzt hat das Recht des Königs allen Anspruch,

und was zu wahren ich die Vollmacht übte,

indes der Papst sein Recht vergab an Anjou,

das hat sich vollends nun auf uns verschoben.

Nun ist Rom offen. Nun, o König, richte!

Capece

Wer darf in Bann tun bloß im Kampf um Rechte?

Und wer verlieh ein fremdes Recht wie eignes?

Nun muß gesprochen sein, Zeit will entscheiden.

Wir sind in Rom, der Papst ist in Viterbo,

der König richte, und sein Wesen steige!

Kastilien

Du hörst die Herren Lancia und Capece,

sie taten viel in Rom und in Sizilien.

Du sahst auf deinem Weg Viterbo, Zuflucht

des Papstes Klemens, und hast nicht belagert

Viterbo und den Papst?

Konradin

Mir ziemt der Anjou.

Kastilien

Dir droht man die Vernichtung, und du willst nicht

vernichtend Gleiches tun, mein König Konrad?

Konradin

Die Heiligkeit gilt mir noch wie ein Vater.

Das Königsrecht will ich erst kämpfend klären,

und Karl von Anjou steht mir gegenüber.

Kastilien

Doch Karl von Anjou nahm dir durch den Papst

Sizilien und noch mehr. — Nun wohl, ich muß

dir ähnlich sagen: Anjou ist der Feind!

Indes, von Feind zu Feind sind kaum mehr Grenzen,

und also sorg ich: bald gilt nur Vernichtung.

Wie will des Papstes Recht dann frei sich halten?

Capece

Wir müssen in ein letztes Recht erheben,

was uns Geschichte gibt. Gesetz muß herrschen,

damit kein Papst mehr seinen Sinn kann wenden,

und alles dienlich wird dem großen Wesen.

Galvano Lancia

Daß alles dienlich wird und sich der Himmel

nicht unterscheidet, wo er Völker richtet.

Stimmen der Römer

Daß alles dienlich wird, du Volk der Römer!

Erster Römer

Denkt an das Lamm! Wer macht die Mischung schärfer?

Stimmen der Römer

Still davon jetzt! Es lebe König Konrad!

Capece

Der Tag ist schön, das Werk hat sich entriegelt,

und wiederum die große Weltenspanne

drängt nach der Mitte, wo die Macht bewußt wird.

Aus großen Bildern wachsen junge Sinne.

Der jüngste Sinn heißt Macht — so will es bleiben

und will sich alles Ding daraus entfalten.

Wohlan, wir sind im Mittag der Entscheidung.

Zum Kapitol ...

Alle Anwesenden, samt den Römern, ziehen sich nach rechts zum Laubengang hin aus der Szene; Konradin und Heinrich von Kastilien als die letzten

Fünfter Auftritt

Die vorige Szene; während Konradin und Heinrich von Kastilien abgehen wollen, kommen ihre Begleiter zurück, und römisches Volk drängt nach, das den Hintergrund und rückwärtigen Hof zu füllen beginnt; unter der Menge rechts befindet sich, noch unerkannt, der Allfahrende

Stimmen

Hierher! Hier ist der König!

Kastilien

Warum verlegt sich uns der Weg? Was will

das viele Volk?

Weitere Rufe; eine Figur erscheint mit Mantel und Stab als Sprecher

Der Sprecher

Seht an, was Rom euch bringt!

Ein stummes Spiel der Zeit!

Capece

Ein Spiel der Stummheit,

in unsres Willens Mittag eingesetzt?

Erst stattet es mit vielen Ohren aus

die Prediger des Banns, dann locken Bilder

das stets bewegte Volk. Die bösen Worte

hat es doch herzlich lieber als die Stummheit.

Österreich

Sein drängendes Gefühl sucht immer Anhalt.

Capece

Um eine Predigt, schien mir, war der Auflauf.

Was soll ein stummes Spiel jetzt?

Österreich

Und doch seh ich

uns selbst in Rom als seltsam stumme Spieler!

Der Allfahrende

Und schweigend wächst ins Volk des Spieles Inhalt,

je mehr es drängt — und weiß noch nicht, wozu!

Capece

Wer führt hier Wort mit ungerufnen Worten?

Der Sprecher

Ein stummes Spiel für König Konradin!

Daß wir in Gang es bringen, stumm zu schreiten,

wer hat hier, uns Willkomm zu sagen, Willen?

Kastilien

Willkommen, wer kein Welfe ist!

Der Sprecher

Willkommen,

ihr stumm Gestalteten, die ihr uns deutet,

was die Geschichte weiß von großen Taten,

von Taten, wortentrückt und darum größer,

gleichwie im Worte stumm ihr stärker schreitet,

in Schritt vom Zeitengang gerückt, und stärker

zu Anmut oder Kampf Gebärden bildet,

womit ihr jetzt noch lebt. Denn darum lebt,

wenn ihre Seele hinfloh, nicht geringer

die stumm erfüllte Welt, und nichts lobt stärker

als Anmut oder Kampf ein Bild dem Auge.

Im Sinn wächst weiter, was sich wortlos deutet.

Drum schreitet her und deutet euer Sagen.

Der Raum, wo wir, bald groß, gering bald, leben,

hat stets nach Kampf noch Mangel und nach Anmut.

Inzwischen sind vier Bewaffnete gekommen und haben sich inmitten der Szene zu einem Viereck für die kommende Handlung aufgestellt

Kastilien

Dem Sprecher ging ein gutes Wort vom Munde.

Es war wie ein Gebot und will sich mehren.

Gebt Raum! Erwartung läßt sich gern gebieten.

Der Sprecher

Erscheine, Bild, bestellt zu unsrer Mitte!

Ein Jüngling mit Helm und Lanze schreitet herein, ihm folgen zwei junge Frauengestalten, blau und grün gewandet, jede mit dem gleichfarbenen Schild und mit einem Kranz in den Händen

Der Sprecher

Zum Anfang unsres Anfangs — — Nein, so schreitet

in eurem Kreis noch wortlos, schön gewaffnet,

ein Jüngling und zwei Frauen, frei von Willen!

Noch trägt die Erde ihrer Schöpfung Schönheit.

Bald kommt ein Mensch zu sich, bald wacht ein Sinn,

bald hebt ein Wille an und muß erkennen,

und Zeit kann ihren Schritt schon nicht mehr wenden.

Kastilien

Weit holst du aus. Wie heißt das Spiel? Erkläre!

Der Sprecher

Weit holt die Schöpfung aus, mit uns zu spielen;

nah wird das Spiel, bald sich die Waffen spiegeln.

Drum schließet, was ihr seht, noch nicht mit Namen!

Ich kann vielleicht ein Morgenbild es nennen,

den grünen Schild der Erde, blau des Himmels

erwachten Schild, und morgens ist die Reinheit

von beiden Schilden wie zwei schöne Frauen.

Der Jüngling hat den goldnen Schein empfangen

und weiß es nicht und trägt nur Helm und Lanze.

Konradin

Ein Morgenbild kann uns oft seltsam fesseln

wie eine Zahl, die unbeweglich schön ist.

Österreich

Und die noch harrend blieb, als ob im Spiegel

des schönen Tags noch ihren Atem zähle

die stille Nacht. — Sieh, gleichend einer Wache

steht ihre Zahl jetzt hier im starken Dreieck,

und hat wie ein Gestirn geheimen Willen.

Konradin

Wie Abwehr ist ihr Wesen, als betreue

eln fremder Sinn die Welt.

Österreich

Die frühe Welt

hat Geben nicht so viel als reines Wehren.

Der Sprecher

Doch schnell wird er des Sinnes Blut empfangen,

wenn deine Reife ihn bedrängt, o Sommer!

Kastilien

Ein römisch Wort fiel in die deutschen Sinne!

Konradin

Du spottest wohl, weil wir ein wenig jung sind,

Prinz Heinrich, und weil über aller Nähe

wir unsren still gestirnten Himmel lieben.

Doch heißt dein Bruder Alfons nicht der Weise,

der König von Kastilien, weil er, kundig

der Sterne, ihre Bahn auf Tafeln setzte?

Gewiß, den Stern erkundend, setzt der eine

den Sinn auf Tafeln, und der andre, fliehend

das nahe Ziel, läßt ihn am Himmel weiter

im ungezähmten Lauf sein Bild gebären,

das so im Sterne unbeendbar wandelt

und macht noch höher jeden höchsten Sommer.

Und Nacht ist dann noch größer als die Tage,

und eine Mutter ihre dunkle Glocke.

Kastilien

Nun sagst du mehr, als dieses Spiel mag bringen,

mein deutscher König, und dein Wort vom Sommer,

indem es diesen Raum von Stein durchschreitet,

stillt unsrer Stunde Gang mit lauter Atem.

Indessen doch, nun laßt die unbewegten

Figuren, die hier stehen, weiter wecken!

Der Sprecher

Noch ist Bewegung ganz in reiner Waage,

wer aber sich bekränzen will, macht weinen.

Kastilien

So nennst du wohl dein Spiel vom Kranz der Jugend?

Von Kampf und Liebe gibt es gleiche Tränen.

Der Sprecher

Nicht so, daß junger Trieb nur trotzt und nimmt,

und also Wehr und Waage plötzlich zittert,

nicht daß nur, weil sie Macht hat, Anmut froh wird,

vielmehr weil Macht von Anmut innig scheidet,

weil wie ein Traumbild von dem eignen Schilde

der Morgen wegsinkt, dessen Tag gewiß ist,

und also steht der Tag dann bildlos mächtig,

dem immer härter Anmut sich entwendend

in Nacht zurücksinkt, Erde wird geringer

dem Gläubigen, der dieses Tages Herz hat,

und Himmel wächst, weil er von Anmut frei wird.

Kastilien

Das ist, als ob du plötzlich Anmut scheltest!

Der Sprecher

Nicht also, daß der Sinn die Kränze findet

und froh beredt wird, nein, der Tag wird stummer,

der junge Tag wächst wie aus einem Raube.

Kastilien

Du liebst den Widerspruch; den Glanz der Liebe,

die durch die Bläue funkelt, willst du stören.

Heb uns den Morgen, Sprecher unsres Tages,

zum Mittag einer Schönheit, die kein Leid hat!

Der Sprecher

Was nichts als Schönheit hat, ist noch nicht Sinnbild.

Im Mittag steht ein waffenloses Haupt

und schweigt und gleicht dem glanzversteinten Himmel,

und stummer werdend muß die Schönheit sprechen.

Legt um die Schläfen, daß sie dunkler pochen,

den stummen Helm! Was alle Zeitschaft kündet,

das ist im Helm. Sinn ist ein tränend Wasser

und will sich nur ergießen in den Worten.

Der große Ruf jedoch hat keine Antwort,

und in sich selbst zurück muß er vollenden.

Der Allfahrende

Geschichte hat statt Tränen große Stummheit.

Des Weibes Auge schweigt, der Mann muß sterben.

Kastilien

Wer spricht hier noch? — — Nun spricht der Mittag Roms!

Das ist dein Spiel. Laß es im Raume gehen!

Der Sprecher

Des Himmels Kuppel will, daß man ihr huldigt.

In ihrer Stummheit Donner ruhn die Nächte,

und Rom ruht Tag und Nacht in ihrem Schoße.

Doch sagt nicht Nacht! Ein Himmel allzu blau

ist unser Tag, und statt Gestirnen wandeln

die Säulen fort und fort und voller Atem,

als ob der Rundraum unersättlich rufe:

Wo ist noch Welt wie hier, wer kommt zur Antwort?

Und wer zur Antwort kam, ging hin in Bildern.

Wo Atem ewig ist, sind Bilder mächtig,

doch zwischen Bild und Atem steht die Waffe

und macht den Sinn der Welt zum Anblick mündig.

Als ob das Zeitenhaupt in Waffen stehe,

entschreitet jede Zeit dem Schöpfungsschoße

und glänzt gerüstet zwischen Mond und Sonne,

und kommt nach Rom jetzt mit dem deutschen Kinde.

O graue Zeit, wie bald vom Blute bunter,

o junge Ewigkeit, wie schöne Farbe!

Rom huldigt Konradin, dem jungen König.

Das Volk

Heil König Konradin, dem jungen König!

Der Sprecher

Die Zeit ist wieder da, ihr Bild zu zieren;

wohlan, was vordem war, erscheine wieder!

Und ihr, ihr Römer, die ihr trugt die Dauer

vom Durchgang jener Zeiten, laßt euch gelten,

wie stets ihr wart und ihr erstaunlich seid

und nicht euch ändert, gebt dem Bild den Atem,

wie es euch beugt und doch euch dient! Heil Rom!

Das Volk

Heil Rom!

Beifall und sich steigernde Rufe

Der Sprecher

Ihr kommt zuvor dem Unglück und dem Glück

und gebt auch mir den Atem, euch zu dienen.

Zeit lenkt den Schritt zu eurem Kapitol,

die Wölfin krankt, doch ihre Gänse schnattern;

dich rettet Einfalt, und so lebst du, Rom,

Gelächter und ‘Heil Rom’-Rufe

dank deines Lebens Hirten, diesem Vogel.

Erneutes Gelächter

Kastilien

Die große Zeit gibt jeder Einfalt Atem,

doch größer, wer ganz ohne Beifall spielt.

Der Sprecher

Das Spiel ist reif zu seinem ersten Gange.

In dem nun folgenden Einzug von Gestalten, die der Sprecher deutet, erscheint zunächst Brennus, hinter dem eine verhüllte Gestalt eine Waage mit einem Schwert auf der einen Schale trägt. Brennus bleibt ungewiß stehen

Hinweg das Lachen, Brennus, seht, erscheint,

der Gallierfürst. Nun achtet auf das Schwert!

Wie eine Beute, die er selbst sich zuwog,

in einer Schale wird sein Schwert getragen,

von einem Träger, der sich ganz verhüllt hat,

So folgt es hinter ihm und ohne Ehre.

Sein hartes Erbe hieß: vae victis; doch

die Beute Rom vergällten ihm die Gänse.

Kastilien

Vae victis bleibt ein gutes Wort, und jedes

Schauspiel der Zeit erbt davon seine Teilung.

Wer krönt mir Macht und reicht dem Recht den Kranz,

wenn nicht ein Sieger mit der Anmut teilte

und so, was sein geworden, schöner fortgibt?

Ist Anmut nur Gestirn, wo ist ihr Sitz?

Wie ordnet sich das Spiel, wo steht dein Brennus?

Der Sprecher

Was Schöpfung Schönheit hat, tritt in das Bild

nur langsam ein, und Anmut wird Geschichte.

— Nicht Brennus mein ich —

Etwas Gelächter

und doch dessen Platz

wird ihm bestimmt auch, wenn die Anmut Platz hat. —

Erst war hier Rom, nun richtet eine Welt

im Sieg und Erbe Roms sich fremder auf

und hebt ein Reich in sich, mehr Bild als Raum.

Der erste Morgen sank, ein größrer will

mit zwei Figuren spiegelnd solch ein Bild,

als ob zur Schönheit Feindschaft nötig sei,

und so sich näher Erd und Himmel künde,

wie sie die ganze Schönheit wachsam teilen

und Teil an Teil einander sinnend gönnen.

Wer weiß das Ziel? Den Herzgrund der Frau Welt

durchwaltet Kampf. Ein solcher Morgen kam.

Drum laßt uns das Gestirn, sich lieblich weiter

im Sinn verwandelnd, in des Schauspiels Bannkreis

sich selbst einschlagen und wie mit zwei Spiegeln,

mit grün und blauem Schild, so Nord und Süd,

im Widerstrahl gedämmt und gleich verjüngt,

wie sich entzückt ein Weib aus seinem Bildnis,

in beiden Frauen eines Sinnes Bildschaft

den Sitz einnehmen, den die Zeit bereit hat.

Auf zwei hohen beigebrachten Sitzen nehmen die Frauen Platz

Roma sitzt dort, dort sitzt ihr deutsches Bildnis.

Kastilien

Der Jüngling aber hat noch nicht viel Recht.

Doch sieht man, wie das Spiel wird, König Konrad.

Konradin

Zweischneidig ist stets Schwert und Spiel, Prinz Heinrich.

Der Sprecher

Der Jüngling ist ein Teil noch des Gestirns,

Zu ihm tritt jetzt Gestalt und folgt Gestalt,

erst langsam, doch schon wird ihr Zeitlauf schneller,

so wie ihr Stern den Pol in Rom gesucht hat,

damit um Erd und Himmel Kreise schließen,

um Nord und Süd, und dort winkt dann der Kranz.

Inmitten bleibt des ersten Schwertes Sinnbild.

Denn wisset, Römer, was das Sinnbild ist:

die Frucht des Sinnes, die sich selbst zerschneidet

und sich zerschnitten immer stärker bietet,

der Sinn des Abendlands ist unterm Schwerte.

Wenn die Gestalten kommen, die Erobrer

der Stadt, die, eine Frucht aus fremdem Wuchs

gleichsam genährt, doch stets die eigne Frucht wird,

sie öffneten die Frucht auf unsrem Tisch

mit ihrem Schwerte — sehet an die Schwerter!

Alarich und Geiserich kommen nun zusammen und treten mit Brennus an den Jüngling, daß sie mit den Folgenden von dem Jüngling bis zu den Frauen zuletzt einen Kreis bilden

Gezückt das Schwert, kommt Alarich, der König,

und Geiserich, so Gote, so Vandale,

gezückt auf Rom das Schwert, um eine Welt

— o mutterlose Taten fern von Heimat —

nein noch nicht Welt, nur selber sich zu wiegen,

die junge Brut und Flut. Die große Welle,

noch rann sie ab, zerteilt im eignen Schwert,

und Alarich trank seine Spur im Fluß.

Theoderich mit Boethius, Witiges mit Totila erscheinen

Und wieder Goten, drei, Theoderich

und Witiges und Totila, Geschlecht,

zu solchem Opfergang geweiht, daß sich

von Feinds und eigner Opfrer Blut so rot

das Schwert wie schambeschwert zur Erde drängt,

zu einer Mutter, die soviel nicht trägt

von letztem Leid, als hier in Blut sich setzt.

Und rote Zeichen sprangen auf vom Schwert.

Und also sank das Volk Theoderichs.

Er selbst, der große Fürst, seht, der sein Schwert

zur Erde hält, erbaute sich ein Haus,

wie stummer keines ist in diesem Land,

zu seinem Grab und zeichnete ein Kreuz

rot auf im grauen Steingewölb und starb.

Das rote Zeichen sprang stets weiter auf.

Er steht hier nicht allein; ihr seht mit ihm

noch einen Mann und der kein Krieger ist.

Mit diesem Mann kommt Rom noch einmal ganz,

das alte Rom, vertrauend seinem Stern

und allem Trost, der in Gestirnen liegt

und im gesetzten Gang — Boethius.

Erst hielt ihn wert und gab ihm dann den Tod

Theoderich. Hier sind sie Hand in Hand,

und was sie deuten, ist die Spanne Welt.

Gestirn und Schwert sind unsrer Erde Maß.

Gestirn ist Trost, ist Wohllaut, hoher Klang,

das Schwert ist einer Waage stummes Bild,

Gestirn macht weise, Schwertes Wesen lehrt

die Erde hungrig sein um nächstes Recht.

Wo ist der Einhalt, wann der Sinn erfüllt?

Vom Schwert zum Sterne ist der Hunger weit,

ein Hunger, der die Mutter ist der Zeiten.

Die Antwort gibt die stumme Mutter nicht

als durch Gestalten. Blicket wieder auf!

Karl der Große und Otto der Große kommen zusammen

Wer konnte sichrer als der große Karl,

und der noch mit ihm kommt, der große Otto,

des Schwertes Schneide, Zeit und Welt zerteilend,

mit freier Spitze gegen Himmel tragen?

Erschien Gestirn und Schwert einmal gestillt

in solcher Waage? Wie war Sinn und Recht?

Gab nicht das Schwertblatt spiegelnd seinen Schein

dem ganzen Raum, daß er in Fenster aufbrach?

War eine Achse hergestellt der Welt

und stand in Rom und stand doch nicht in Rom?

Was stand noch zwischen Rom und andrer Welt,

und war nicht Hunger mehr, und mehr als Heimat,

und war, wie wenn ein Weib ihr Kind noch trägt,

und weiß sonst nichts als nur die leere Wiege,

ihr wartend aufgetan, in die sie blickt?

Wie solch ein Mangel ruht die Welt in sich,

und solch gesetzten Raum schloß auf das Schwert.

Sah nicht der Papst den Aufbruch aller Zeit

im Schwertblatt glänzen, der die Kaiser krönte?

Und eine Macht nahm an der andren teil.

Jedoch vom Schwert kommt Aufbruch mehr als Raum.

Nun kommen Heinrich lII. und hinter ihm Heinrich lV. mit dem Normannen Robert Guiskard

Und die Gestalten schreiten, bald das Schwert

gezückt, bald aufrecht tragend. Sehet Heinrich,

den Salier, der des Papsttums Zwiespalt zwängte,

dann seinen Sohn, mit Gregor kämpfend Heinrich,

und der auch gegen Guiskard Rom berannte;

Guiskard kommt mit ihm, gleich das Schwert gezückt.

Mein Rom, du blutge Frucht! Schwert gegen Schwert,

Papst gegen Kaiser, Macht um andre Macht!

Und das Gestirn entflieht. War einmal nur

der Raum geöffnet dieser Welt zur Wiege

wie für ein Weib, das dieser Wiege Recht hat

und doch nicht Recht, das keine Heimat kennt?

Und blutig wandert fort der Wiege Frucht

um Heimat, Weib, um Hunger, um ein Recht.

Doch jeder Morgen kennt dich wieder, Jungfrau;

und aller Heimat Schwester bist du, Rom!

Wer sucht dich also hier, dich Schwester, Bild,

wer bringt dem Weibe Rom den schönsten Sinn?

Wer wird Erobrer nicht, wird Ritter sein?

Ihm trägt man vor das Schwert.

Barbarossa und Friedrich II. erscheinen; vor ihnen wird ein Schwert getragen

Seht, also trägt

man jetzt ein Schwert einher vor zweien Kaisern,

die ihr noch kennt, vor hoher Ritterschaft

um Roms Gesetz, vor beiden Hohenstaufen,

dem Barbarossa und dem Enkel Friedrich.

Und hier steht Enkels Enkel Konradin!

Das Volk

Den Hohenstaufen Heil! Heil Konradin!

Der Sprecher

Nun eile, stummes Bild, denn fast vergessen

ward unser Spiel vor vielem Jammer Roms.

Rom neigt das Haupt, und Rom erhebt es neu.

Daß nun die Frucht den heißen Sommer mehrt,

daß, Rom, du Schwester nur, bleibst doch die Welt,

den Kranz vergibst und doch den Spiegel hältst

und mehr noch durch der Schwester Blick empfängst,

die dich in ihren schönen Morgen einholt,

dies sei mein Wunsch, zu dem dies Bild sich schwört.

Das Volk

Heil Rom!

Mit Steigerung und Beifall

Der Sprecher

Wohlan, des letzten Schwertes Träger trete

zum erst gewognen Schwert in euren Kreis,

dazwischen bleibt die Bahn zum Sitz der Schwestern,

und die Figur ist fertig dieses Mittags.

Der Schwertträger der Hohenstaufenkaiser ist zu dem Träger von Schwert und Waage des Brennus in den Kreis getreten

Nun löst sich des Gestirnes letzter Teil.

Der Jüngling kehre sich zu beiden Frauen,

vor ihnen legt er Helm und Lanze nieder,

und kniet und wartet. — Und so schweigt mein Wort.

Während der Jüngling vorgegangen und nun, Helm und Lanze abgelegt, vor den beiden Frauengestalten kniet, hat der Allfahrende einen Knaben an die Hand genommen, mit dem er in den Kreis dringt und darin einmal rundum geht

Capece

Was tut der Alte?

Der Sprecher

Das ist nicht im Spiel.

Doch lasset ihn, wenn er ein Kind noch führt,

und leiht ihm Worte! Immer ging so Zeit.

Und schwang die Sense immerfort um Rom

und war, als sollte sie nur Tod gebären,

und Helme wüchsen aus dem Sensenschlag,

und sollte Jammer sein wie vieler Augen

um Rom gedrängt, doch Uranos, ein Greis,

ging immer ruhig hin und führt’ ein Kind.

Konradin

Zusammenhang macht Wort um Wort, und doch

jetzt zwischen Gang und Deutung tritt die Stille.

Was soll ein Bild noch? Was noch Deutung gibt,

wird Sinn nicht mehr, bleibt einer Anmut Gabe.

Wer kniet mit jenem, der dort kniet, und ist

so deutlich wie aus frührer Zeit die Helden?

Denn wie ihr Wille schwand, so sind sie deutlich

im Bild vor uns. Doch überm Scheitel steht

unkenntlich jetzt im Mittag unser Stern.

So wirklich sind wir jetzt und so unkenntlich,

der Mittag steht, und unser Bild verstummt.

Der Allfahrende hat mit dem Kind den Kreis wieder verlassen

Der Allfahrende

Man muß nur gehen, Knabe, Sinn hält nicht.

Zeit geht und Kind frei vom gedachten Spiel.

Konradin

Der Himmel ist jetzt ehern wie ein Traum.

Der Anmut bleibt des Sternbilds stille Wartung.

Als wollte aber Schöpfung sich zerschmelzen

und fiele uns ins Herz, ein heißer Tropfen,

und so geschieht uns Erde, Schwester nicht,

nein, so sind wir ins größre Los gerückt,

so laßt uns fort, die stumme Eile drängt.

Der Sprecher

Laßt in dem Bilde stehen euer Herz,

daß sich durch euch das große Ziel bekränzt,

und, was nicht mehr im Wort ist, höher forttönt.

Ein großer Himmel schließt den steten Sinn.

Der Allfahrende

Geht immer hin, die ihr dem Ton vertraut,

wer gehen muß, geht über blinden Grund.

Der Sprecher

Ihn trägt des Sinnes Waage sicher fort,

der in des großen Spieles Folge ist.

Der Allfahrende

Der Sinn der Erde wartet nicht im Sinn,

die Schöpfung will, daß man ihr Opfer wird.

Der Sprecher

Gebt ihm den Kranz, die ihr die Schwestern seid,

das Bild erfülle sich in eurer Zahl.

Der Allfahrende

Die Sterne folgen ihrem schönen Kranz,

die dritte Schwester ist ein blindes Weib.

Inzwischen ist der Knabe allein wieder in den Kreis gedrungen und hat sich den Helm aufgesetzt, der seinen ganzen Schädel verdeckt, und die Lanze ergriffen. Er schwingt die Lanze in einer blinden Bewegung und trifft den Rücken des Jünglings, der gegen die Schilde der Frauen hinsinkt

Capece

Was soll der Knabe, der den Jüngling fällt?

Der Sprecher

Halt ein! Ist das noch Spiel? Ist unser Spiel,

daß wie ein Traumbild wegsinkt von den Schilden

der ganze Morgen und ein Tag erscheint,

der eines stummen Helmes Anblick hat?

Die Stimme der Blinden wird plötzlich in der Ferne gehört

Stimme der Blinden

Die Luft ist voller Schweigen, daß wir horchen.

Was keiner sieht, ist nur das ganz Gewisse.

Es geht ein großer Wille auf der Erde.

Konradin

Wer hat die blinden Augen und die Tränen,

daß nichts erkannt wird und nur Erde aufglänzt?

Das ist ein andres Spiel, hier gilt kein Tändeln,

dies will das blinde Schwert, dies ist die Blinde.

Konradin geht schnell in der Richtung der Stimme ab

Österreich

Der Alte, der hier sprach, war in der Heimat

in einem Wald mit uns und sprach vom Tode.

Kastilien

Der Mittag zeigt ein starres Angesicht.

Brecht ab ...

Schnelle Auflösung der Szene

Sechster Auftritt

Ort: Viterbo; die Szene zeigt den Palast der Päpste, von dessen Bau, der sich in die offene Loggia weitersetzt, die große Freitreppe herabgeht. Es ist dunkelnder Abend; Papst Klemens IV. kommt mit Karl von Anjou durch die Loggia, und beide betreten die Freitreppe

Klemens

Wenn sich der Stein verdunkelt und der Abend

die Ziele wegnimmt, die der Tag gezeigt hat,

dann will es uns erbarmen, daß wir leben,

wir dunkeln hin, und das ist unsre Welt.

Anjou

Will Eure Heiligkeit für Euch und jene

vor Euch, die oft hierher geflohen, sagen,

warum das große Rom Euch nicht beschützt hat

und Ihr Viterbo braucht als zweites Rom?

Nun ist er mit fünftausend Rittern dort,

der Staufenknabe, und der Papst seufzt hier.

Wir leben, um die Macht zu leben; Euer

Geschick ist härter nicht als jenes Knaben.

Wir sind uns gleich, wir, die dem Helme dienen,

und Ihr müßt Euch entscheiden, wo Ihr dient.

Klemens

Ich kann des Schwertes Werk nicht stärker führen.

Anjou

Des Schwertes nicht! Doch tötet nur das Schwert?

Aufständisch ist Kalabrien für den Staufer,

das Adlerbanner steigt auf alle Burgen,

die Flotte Pisas hält uns schon umklammert,

ein Königreich wird ihm fast kampflos eigen,

und nur Neapel gibt uns noch den Rückhalt.

Klemens

Ich war vor Euch entschieden, Karl von Anjou,

und wenn Ihr nun, mich fortzuzwingen, ausmalt,

was schon geschehen und die Zukunft androht,

ich habe meine Macht schon ganz verwandt.

Bin ich im Zwang denn? Ja, ich bin im Zwang.

Und war vordem ein Kampf der zwei Parteien,

Ihr spielt nun ärger mit, und ein — man sagt —

Heuschreckenschwarm zehrt neuerdings im Lande

die ganz von Not und Blut verderbten Felder.

Kaum ist noch Abwehr, bald nur alles Beute.

Und wir sind schuldig ...

Anjou

Eure Heiligkeit!

Ich will nicht Wort mit Worten überschreiten,

doch Taten mit der Tat, nehmt Euch mein Volk!

Nehmt den Heuschreckenschwarm, macht Ihr die Saat!

Um Eure Meinung gehts, um Recht von Euch!

Nehmt meine Schar von Rittern, halb soviel

nur, als der Knabe hat, und damit siegt!

Und ich, der Eindringling, ich steh zurück.

Klemens

Dies fürcht ich nicht, Ihr habt den Ehrgeiz, Fürst,

der sich sein Schwert auf jedem Amboß schmiedet

und selber zuschlägt. Ihr seid schnell und kalt.

Und dies beweist mir auch, Ihr wollt nicht helfen,

als daß Ihr Ordnung ändert, wollt Besitz.

Gut, gut, Ihr habt Besitz, Siziliens König!

Was erst des Staufers war, habt Ihr. Was noch?

Wohl, den kastilschen Prinzen Euch verbünden,

gelang mir nicht. Indes, ich weiß nicht, wäre

dies Euch zuletzt noch lieb gewesen. Ihr

wollt alles selbst. Gut, gut, ich gab noch mehr;

wir gaben alles, die das Papsttum tragen,

und haben einem einzig großen Reich

mit heilgem Messer in den Wuchs geschnitten.

Der Jüngste stirbt vom Schnitt ...

Anjou

Ihr sagt es selbst.

Klemens

Was sag ich selbst? Ihr fragt, warum schützt Rom

mich besser nicht? Rom schützt mich wie den Knaben,

des Kaisers Weg geht durch des Papstes Rom.

Anjou

Dann soll die Heiligkeit dem Kaiser dienen.

Klemens

Wohl, ich versteh, was Neid ist, König Anjou.

Bald stirbt vielleicht, was unser Messer anschnitt.

Jedoch in beiden Bäumen, Papst und Kaiser

— Erkenntnis heißen sie und heißen Leben

vielleicht mit andrem Sinn —, von beiden Bäumen,

wenn Leben starb, was will dann die Erkenntnis?

Kann sie allein das Leben gültig machen,

daß es Bestimmung trägt, im Sinn zu härten

den Gang der Zeit, und jeden darin einsetzt,

daß jeder anders lebt und doch um Rom.

Ich selbst versteh den Neid, mein König Anjou.

Wenn ich zurück den großen Hergang sehe

und schaue Ordnung, wenn so Stein um Stein

ein Morgenblick in neue Sonne aufbricht

und anders glänzt, der Kaiser färbt den Stein,

und all die große Fügung weist nach Rom.

Anjou

So gebt dem Knaben Rom und Euch damit.

Klemens

Was sag ich Euch? Denn Rom und diesen Weg

und diese Feindschaft selbst versteht Ihr nicht.

Ihr nehmt, was kommt, und fühlt nicht, wie das Beste

der Welt zerspalten nur sein Dasein sucht.

Seht hier Viterbo, steinern vor der Nacht!

Es muß wohl sein, daß nichts dem andren ausweicht,

bis sich die Regel einer Zeit ermißt.

Und als er unterlag hier vor Viterbo,

der zweite Friedrich, tat er seinen Schwur,

daß sein Gebein im Tod nicht ruhen werde,

eh er die Stadt zerstört, und selbst den Fuß

vom Paradies zög er nochmals zurück

zur Rache an Viterbo. Dies ist Feindschaft

nicht um Erfolg, nein, um ein Maß der Zeit,

das wohl in Erd und Himmel gleichen Sinn hat.

Anjou

Und jetzt sind andre da und messen mit

und suchen ohne Glanz sich Feind und Recht,

wenn Ihr den Kaiser doch an uns vermißt.

Klemens

Ihr meßt nicht mit, Ihr nehmt nur Früchte weg

vom Tisch; Rom ist Euch wie ein andrer Ort.

Anjou

Hat Eure Heiligkeit nicht selbst mich säumig

in meinem Eifer um die Frucht gescholten?

Klemens

Die Zeit rief es Euch zu, der Knabe wuchs.

Anjou

Soll ich der Frevler sein an seinem Wachstum?

Ihr habt den Staufer Konradin und jeden,

der zu ihm hilft, verdammt.

Klemens

Sie sind im Bann.

Anjou

Das geht aus Eurer Macht. Was ist die meine

und gibt mir meine Zukunft, wenn ich messe?

Klemens

Des Knaben Zukunft hat das Leben nicht.

Anjou

Glanz zieht mit ihm dahin, und Glanz besticht.

Pisa hat ihn umjubelt, nachher Rom.

Der Träumer wirbt. Sah Eure Heiligkeit

Sein Heer mit ihm vorbeiziehn an Viterbo?

Klemens

Habt Nachsicht, Karl von Anjou! Selbst verstrickt

fast in des Staufers Traum blick ich jetzt auf

und seh die Nacht um mich. Ich sah den Zug,

und wo des Staubes Wirbel leichter krönte

das dicht geschlossne Feld, war wohl der Knabe.

Doch jetzt ist Nacht, und weiter sehn wir nicht,

als wie der dunkle Schatten auf uns schlägt,

der aller Zeiten Ende ist. Und stets

wird wieder, was in Zeit geschah, ein Tier,

das sich im Kreis verfolgend selbst zerfleischt.

Soll dieser Traum vom Reich so weiter fließen?

Die Zeit, die war, ist randvoll noch von Blut.

Wann wächst einmal des gleichen Sinnes Baum,

und eine Mutter tut die letzte Pflicht?

Sie nimmt den toten Sohn auf ihren Schoß

und blickt ihn an, und aller Traum verstummt.

Nein, nein, verstummt ist nicht, was wir gebannt,

es lebt so jung wie je und spielt mit uns.

Ich aber geh den Weg zerspalten, wie

ein Tier sich treibt, wenn nirgends Rückweg ist.

Anjou

Hat Eure Heiligkeit die eigne Macht

schon ganz verwandt, und weiß sie weiter nicht,

die Zeit, die war, zur Tötung auszunützen

für Zeit, die wird, und will den alten Traum

nur so viel leugnen, als in dem Geschlecht,

das ihn zumeist geträumt, er wieder aufsteht,

was fällt dem Partner zu und wird ihm Recht?

Der Spieler nimmt Gewinn vom Augenblick.

Klemens

Wir haben in den Wuchs den Schnitt gesetzt,

Euch hilft die Zeit, ich weiß, die eilig wird.

Anjou

Nicht Hilfe mein ich. Zukunft will ein Wort.

Klemens

Was macht Ihr Sorgen laut, bevor der Tag ist?

Anjou

Ihr habt den Schnitt gesetzt, ich lege Hand

an das, was stirbt, und mein wird jetzt die Rechnung.

Ich mache Raum mir frei vor meinem Fuß.

Klemens

Was rechnet Ihr und greift dem Ausgang vor?

Anjou

Ich ziehe diesen Faden aus dem Kleid,

daß es nicht erblich bleiben wird, wenn später

noch die Gelegenheit sich dazu gibt.

Der Traum soll nicht mehr werben mit dem Knaben.

Klemens

Das ist, als sei ein Urteil schon gesagt?

Anjou

Es ist gesagt, was Rechtens nötig ist,

und ich bin ausgeschickt, den Rest zu tun.

Klemens

So viel ward nicht gesagt!

Anjou

Entlaßt mich jetzt!

Ihr grifft dem Anfang vor, ich greif zum Ende,

die Mitte schwankt noch, also laßt die Waage!

Anjou geht über die Freitreppe herab aus der Szene

Klemens

Entscheidung geht nun ihren Weg schon selbst

und sucht das Opfer, das ihr Zukunft bringt.

Bin ich ein Schwacher, der mit Schrecken jubelt

und jubelnd in sich schrickt? Will ich denn nicht,

daß eine Tat geschieht und zeigt ihr Recht?

Bedarf, der ich im Recht bin, noch der Tat?

Und welcher Tat? Bin ich denn tatenlos

der Stärkste nicht? Der Herr, der mir befiehlt,

will nur das reine Herz, ein blindes Maß,

der doch mit Zuversicht die Erde riegelt,

daß niemand nehmen soll und Friede wird.

Ich stehe hier, dort schläft vielleicht das Kind.

Ist dies der Unterschied von einem Kind,

daß ich ein Ziel weiß, und ich schließe zu,

das Kind jedoch nur öffnet. Diese Deutschen

eröffneten durch ihre Taten Welt.

Den gleichen Weg geht dieses Knaben Blut.

Und Blut bleibt Blut, und Macht fließt schrecklich fort.

Doch ich, darf ich nicht wissen einen Weg,

und selbst den eignen nicht, und spreche doch?

Und was ich spreche, führt zum dunklen Schritt.

Ist Blut ein Tag, und wird Erkenntnis Nacht,

Nacht, die zu fassen viel zu nahe ist?

Bin ich denn schwächer, weil kein Sinn mich trägt

als nur der Glaube? Und vor Gott die Welt

bleibt doch ein Mangel, nie im Sinn erfüllt.

Kind, Knabe, was ist dann dein heller Tag?

Und diese Deutschen sind wie eine Wunde

der Christenzeit und schließen sie noch auf

und gehen durch Geschichte in den Sinn

und sind dem Sinn wie einem Fluche gut.

Bin ich von einem Kinde überholt

und wird mein Herz von dunklem Mangel satt,

weil ich es weiß, daß wachsend ins Geschlecht

ein Sinn, so wie er zunimmt, sich verdirbt,

und zeitgeworden stets ein Gutes stirbt?

Und Gutes stirbt im Austrag seines Rechts.

Dem, was Geburt bestimmt, greift vor die Zeit,

sie wächst um uns gleich einem Hungerrand

und schlündet ein, was Schöpfung treu gebar.

Und also schürt Geschichte einen Tod.

Und ich bin nur ein andrer wunder Sinn,

und eins zum andren macht die ganze Welt.

Tod will in Tod. Bis in ihr Herz verzahnt

zerreißt sich Zeit. Und dennoch ich befugt

und hingestellt allein in dieser Nacht!

Das Leben jenes Knaben fällt an mich

mit ja und nein, ich schloß ihm Erde zu,

indessen er noch auf den Blumen ist.

Nun steigt die Dunkelheit in Stufen ab

und steht um mich und rührt mein Leben nicht,

und maßlos wird der kalt bestirnte Raum.

Auf dem dunklen Platze seitlich der Freitreppe steht jetzt die Blinde

Die Blinde

Mit jeder Nacht taucht wieder unsre Welt

in ihr von keinem Ziel beschütztes Leben

und ruht sich aus in ihrem dunklen Schoß.

Laßt euch, die ihr kein Ende kennt, als welches

ihr selbst nicht seid, und also unvollendet,

laßt euch, ihr Sinne, wieder Anfang werden!

Ich ruhe nicht, ich fließe wie ein Licht,

das seinen Spiegel in dem Dunkeln findet,

und bin von meiner Seele gänzlich los.

O weite Welt, du unhemmbare Flamme,

die sich in Dunkel stürzt und immer stürzt,

laß mich in deiner Allmacht heiter schweben!

Kein Nahes faßt mich an, kein Fernes drängt,

die Güte ist verstummt im eignen Pole,

und keine Quelle hört mehr andren Laut.

Die Augen wissen nicht, wovon sie leben.

O blinde Einfachheit der großen Dinge

in ihrer ungesagten ersten Stunde!

Klemens

Was ist dies für ein Wort, um das die Schöpfung

ihr Selbst vergißt und das doch selbst nicht schweigt?

Wer geht den Gang der Worte ohne Willen?

Die Blinde

Was ohne Bilder ist, tritt vor in Worten

und sucht Geschwister. Immer geht die Stimme

um eine Rast und daß sie gleiche finde,

die mit ihr rastend sich im Echo lieben,

und wird zuletzt doch eine gleiche Klage.

Klemens

Wie nennst du dich, die gleich den Schwestern ist?

Du opferst mit den Worten unsren Tag,

daß er, von Neid beredt, den Neid verläßt

und Horcher wird.

Die Blinde

Ich bin nur, daß ich bin,

und lebe fort. Im Blick steht eine Blinde.

Klemens

So sagst du Nacht mit doppeltem Gesicht,

und dieser feste Boden wird erschüttert,

so daß er Schollen trägt und trägt ein Herz.

Die Blinde

In Schollen bin ich Frucht, o Neid und Herz,

die ich mit stummem Blick im Winde wehe.

Jedoch die Schwestern, daß ich neidlos lerne,

wie Opfer ist, sind Nacht für Nacht um mich.

Klemens

Bist du ein Wesen denn wie selbst die Nacht,

hilf einen Tag vollenden, der nicht Neid hat!

Die Blinde

Was sich vollendet, weicht in sich zurück.

Ergreife, Tag, was unergreifbar ist,

beschließe, Nacht, was unbeschlossen liegt!

Die dunklen Schwestern gönnen lauter Liebe.

Klemens

Doch unsre Zeit nimmt Tag für Tag uns mit,

und der Gedanke, was geschieht, schon schuldigt.

Du sprichst nur fort in Worten ohne Neugier.

Mich aber will des nahen Lebens frieren,

wenn es im heißen Spiel sich plötzlich opfert

und Tag in Nacht stürzt. Einem dunklen Willen

gleicht unser Wissen, wenn ein Schicksal bloß wird

und sich dahin stürzt mitten in der Reife.

Wer wendet ab, was schon im schnellen Lauf ist

und uns bedrängen muß und sich vernichtet?

Und also denk ich eines Knaben Sommer.

Die Blinde

Ich seh mit Augen nicht, doch fliegt ein Wind

an mein Gesicht, wenn eine warme Sonne

hinabsinkt und die dunkle Kühlung trinkt.

Sie wird ein Wesen, das sich von uns wegnimmt,

sie haucht zurück und nennt uns unbeschützt.

Klemens

Du machst mit jedem Worte Hilfe schwerer,

so daß kein Wille mehr den andren findet,

und ratlos blickt die Stunde auf ihr Opfer.

Doch sage nur, wie bleibt ein Wesen gültig,

und denke jenes Knaben hellsten Tag!

Die Blinde

Bin ich nicht wie die Schwester jenes Knaben?

Klemens

Du bist ein Gleichnis, sprechend in der Nacht.

Die Blinde

Dem Lebenden zuvor und blind geschwistert,

und opfernd in den Tod, wenn Erde schön ist!

Klemens

Und also geht er hin im dunklen Gleichnis

und hat nicht Neid und tut den hellen Willen.

O Knabe! Unbeschließbar harte Stunde!

Nein, nein, die Sonne geht nicht hin um einen,

der unbeschützt ist, täglich kommt sie wieder.

Wer bleibt im Recht, der Erde schließt und öffnet

wie einen Bau der Zeit, so daß sie hungert

um Sinn und Ziel? Und hat auch jener Recht,

der nur ein helles Fließen in der Zeit ist?

Wir irren durch den dunklen Bau um Antwort.

Die Blinde

Ich bin nur Wiederkehr von einer Stimme,

die immer ruft, und wie ein Inbild wandeln

hör ich sie nah und fliehend wie um Säulen,

die mich verhindern, und so muß ich gehen.

Ich bin im festen Bau und nicht gefangen.

Klemens

Wer ist im festen Bau und nicht gefangen?

Der Allfahrende ist neben der Blinden erschienen

Der Allfahrende

Nehmt dieser Erde, was geschieht, hinweg,

und sie verstummt. Doch was geschieht, wird Klage.

Dazwischen ist in Segen gleich und Fluch,

die auf uns hört, die unstillbare Stille.

Aus Opfern bauen Zeiten ihren Gang.

Der Mann geht durch Bestimmung wie zerstört,

und wer sich einholt, scheidet aus dem Erbe.

Vom treuen Sinne wird er überholt.

Der letzte Sinn der Welt heißt unbeschützt.

Und aller Sinn gleicht einer blinden Magd,

die unverletzt die letzte Mutter ist.

Während die drei Gestalten stehenbleiben, kommen vier Wächter aus dem dunklen Bogen unter der Loggia und wenden sich gegen die vier Richtungen

Erster Wächter

Vorne

Der Sinn verschläft, die Erde wacht.

Zweiter Wächter

Links

Horcht auf, so mahlt ein stiller Zorn.

Dritter Wächter

Hinten

Die Mühle mahlt das Lebenskorn.

Vierter Wächter

Rechts

Ein dunkler Trichter ist die Nacht.

Erster Wächter

Ein dunkler Trichter ist die Nacht.

Zweiter Wächter

Die Mühle mahlt das Lebenskorn.

Dritter Wächter

Horcht auf, so mahlt ein stiller Zorn.

Vierter Wächter

Der Sinn verschläft, die Erde wacht.

Siebenter Auftritt

Ort der Schlacht von Tagliacozzo, die Palentinische Ebene mit dem Hintergrund ringsum steiler Felsberge; Zeit: 23. August 1268

Erstes Bild

Morgen vor den Zelten Konradins und seines Lagers, Limpurg allein

Limpurg

Ich will allzu singen

Gnade mir von ihrer Zucht.

Süße reiche reine Frucht,

meiner Treuen laß genießen mich!

Du kannst leidsam ringen.

Fraue, mache, daß erschwache

leide Sache — lache mir und dir!

Er rüstet sich vollkommen und schwingt sein Schwert; darauf kommt Friedrich von Österreich

Österreich

Was schaust du sinnend, Limpurg?

Limpurg

Sonderbar!

Wie leicht und luftig kühl am schönen Morgen

ist heut die Rüstung! Eisen ist wie Zwitschern.

Schwingt man das Schwert, ists gleich, als ob die Vögel

mit kleinen Flügeln nach der Hand uns flögen

und träfen uns am Arm mit leisen Streichen,

und lässig wird der Arm.

Österreich

Das ist die Reise

des Wegs hierher, das Tagwerk im Gebirge,

der Wettlauf über unbewachte Steige,

von Rom die Müh in diesen Felsengarten,

wo nachts nur noch die Zeltwand unsren Atem

trennt von dem Königreich der künftgen Tage,

und tags noch eine Schlacht, heut ist die Schlacht.

Limpurg

Der Mühe Süßigkeit, sagst du. Der Morgen

in dieser Himmelsluft gibt solch ein Leben,

daß man es neidlos in das Feld stürzt. Locker

sind alle Sinne, daß sie schweben. Gestern?

Sahst du den Zug von Frauen mit Geschenken,

die von Bewaffneten gelenkt wie schwebend

die Felsen abwärts zu dem Anjou zogen?

Österreich

Es sind nicht andre, als in unser Lager

zuvor schon kamen. Hälftig ist ihr Sinn,

teils im Verrat und teils für uns in Hoffnung.

Limpurg

Selbst ihre Tücke wird hier schön und ernst

im starren Felsenbild, und ihre Orte

sind unnahbar erhöht und ohne Raum,

wo böser Umtrieb weilt. Mir ist das Herz

so warm wie jene Sonne, die dort droben

von eignen Pfeilen hergeschossen aufwacht

und auf uns schießt, indes noch unterm Berg

des Anjou Lager schläft, ein stummes Dickicht.

Österreich

Der Anjou schläft wohl nicht, und wie er gestern

mit seiner Wache, die ihn stets begleitet,

gleich einer kleinen bösen Wolke lauernd,

die aus dem Tal nicht Ausgang fand, herumzog,

so lauert er gewiß und läßt uns warten

und will die frohe Zahl durch Abwehr lähmen.

Noch mal so alt als wir ist dieser Anjou

und ist nur hart, derweil uns vieles beifällt.

Wo sind wir, denkst du, mittags?

Limpurg

Mit der Sonne

wächst auf uns zu das Tal.

Waffenlärm und Signale; Bewaffnete ziehen überall schnell aus den Zelten und im Hintergrund nach rechts. Graf Lancia kommt mit dem jungen Lancia, und mit ihnen Graf Donoratico

Graf Lancia

Glück diesem Tage

und allen Waffen, die zu uns gehören!

Ein guter Wind bringt von Sizilien Siege.

Die Flotten haben sich geschlagen. Pisa,

erst scheinbar fliehend, wandte schnell die Schiffe

und warf des Anjou Flotte bei Messina

und hat ihm weggebrandt so Glück wie Heimkehr.

Nun heißt es nur vollenden, was begonnen.

Österreich

Heil unsren Freunden, die so reichlich melden!

Graf Donoratico, Ihr stammt von Pisa

und seid nun stolzer, als die wir hier säumen

und unsren stillen Schatten noch betrachten,

indes im Feld vor uns der Staub schon windet.

Donoratico

Zum Land rauscht unser Meer. Nun sollen rauschen

in dieser Felsenbucht die tapfren Herzen.

Prinz Heinrich ist voraus im ersten Treffen.

Schon blitzen weggeschluckt im matten Dämmer

die Harnische der Spanier, und Echo

kam kaum zurück mehr. Nur ein dunkles Pulsen

drängt fort im Tal und will sich weit ergießen.

Schnell in die Ordnung und zum zweiten Angriff,

Lancia und ich, und unsre Ghibellinen!

Der Angriff trägt schon selbst.

Wieder Signale, und viele Bewaffnete von den Zelten weg nach rechts. Entfernte Rufe, Konradin kommt mit Bewaffneten

Konradin

Bringt unsre Fahnen!

Der Morgen schreitet schnell, der Anjou blutet

Schon vorn im Feld.

Die Freunde

Heil Konradin!

Konradin

Ihr Freunde!

Laßt diesen Tag ein würdig Opfer sehen,

das groß sich selber bringt und groß Gewinn wird.

So wie die Berge schallen, starke Brüste,

die, jedem Anruf überlegen, stärker

mit einem dunklen Kern von Macht sich gürten,

und wie sie Antwort unbegreiflich werfen,

den ersten Schall im Umkreis überholend,

und eine Stärke bringen wie vom Tode,

so sei der volle Lauf nun unsres Tages!

Wer ist hier König, als wer seinen Gürtel

gleich ruhig um sich legt und fern von Fragen

nur Antwort gibt und gibt sich selbst zur Antwort?

Und so brecht auf, daß allem wir begegnen!

Signale; Guido Novello kommt

Novello

Die Ghibellinen eilen. Leer ist schon

das erste Feld.

Konradin

Dort ist ein starker Fluß,

dabei ein Ort und heißt Kapella; nehmt

den Marschall mit, den unsres Wegs ihr führtet;

er soll den ernsten Kampf dort still bezeugen

und soll kein Opfer sein, wenn alle opfern.

Novello

Den Marschall von Braiselve?

Konradin

Eben diesen,

der mir in Rom des Wassers dunklen Spiegel

im Kruge zugetrunken.

Novello

Seiner denkt

jetzt nicht!

Konradin

Weshalb nicht seines alten Lebens?

Novello

Der Marschall von Braiselve ist getötet.

Österreich

Getötet? Armes Blut! Warum?

Novello

Man wollte

ihm nicht aus Zufall einen Retter gönnen.

Österreich

O kleine Tat!

Konradin

Der Tod geht ehrlos um.

Unsinnig spielt der Tag mit diesem Haupt,

das still zurückbleibt. — Brechet auf zum Kampf!

Der Hohenstaufenadler muß nun fliegen!

Während alle abgehen, zu Österreich

Uns aber, rüttelnd über dieser Erde,

uns sei er wie der Falke unsrer Jugend!

Zweites Bild

Am Bergfluß in der Ebene des Schlachtfeldes; Konradin und Friedrich von Österreich

Konradin

Der Tag fliegt wie in Stücken, hundertfach

fügt sich der Kampf zusammen, uns zu teilen

und wieder einzuholen ohne Rasten.

Österreich

Die Ebene läuft über von Versprengten.

Hier trieb Prinz Heinrich seinen Angriff durch

und nahm die Furt.

Konradin

Das Feld ist weit gespannt,

daß es uns fast entsinkt. Wo ist der Anjou?

Die Schlacht gilt noch nicht halb, solang er fehlt.

Bewaffnete verschwinden gegen die Furt, Limpurg kommt zurück

Limpurg

Hier ist der Übergang. Die schweren Spanier

sind weit entrückt. Der Marschall von Flüglingen

setzt jetzt die Deutschen ein. Das Lilienbanner

wankt schon im zweiten Angriff, und der Anjou

ist halb verloren ganz in unsrer Mitte.

Konradin

Tragt unser Banner vor! Ich will ihn treffen.

Du fließe hin, ein andrer Tag der Stille,

du Wasser, das die Erde leuchtend bindet

und bleibt von allen Spuren ungesättigt!

Du bist so unverborgen, Glück der Hoffnung,

und gibst uns so viel Spur des großen Sinnes,

daß uns verlangt, uns ganz in dich zu gießen.

Wie will ich sein, wenn ich zurück gelange

und wieder an den Spiegel trete, reicher

von deinem hellen Fluß, o Sieg, umfangen?

Mit einem dunklen Abbild in dir weilend,

will ich in meinen Helm mein Glück verschließen.

Österreich

Wohlan in die Entscheidung!

Alle ab durch die Furt; man hört Getümmel, weitere Bewaffnete folgen

Bewaffneter

Eilet, eilet!

Wer siegt, behält die Beute!

Bewaffneter

Wer nicht erntet,

war nicht dabei!

Bewaffneter

Das sind die Söldner Anjous,

Franzosen. Sie sind schneller schon im Fliehen,

als wir im Angriff.

Bewaffneter

Diese Gegend ist

wie eine Tenne, Korn darauf zu schlagen.

Getümmel und Geschrei rechts hinter der Szene

Rufe

Heil König Konradin! Sieg! Sieg!

Der Anjou ist gefallen . . .

Bewaffnete mit fliehenden Franzosen kommen zurück; dann Konradin und Österreich

Konradin

War dies der Anjou? Plötzlich sank sein Banner.

Österreich

Sein Körper lag in einem wilden Ringe

tot und entblößt, wie man von Manfred sagte.

Konradin

So dreht der Tag sich um, und viele Rechte

sind uns jetzt ganz zur Hand. Fast will ich weinen,

an diesem kleinen Fluß, der heißer schimmert,

Konrad von Limpurg hat den Tod empfangen

und ist nur bei uns noch auf dunkler Fährte.

Viel Zukunft aber drängt. Laßt schnell uns weiter,

daß wir das Feld behaupten!

Alle wieder rechts ab, Getümmel und Rufe

Rufe

Nützt den Sieg!

Drittes Bild

Konradin allein am Aufstieg der steilen Felsgegend

Konradin

So atme, volle Brust, und freu dich, Herz!

Wie bist du, Glück, das immer ruft, die Brut,

die innen kocht, gleich jungen Vögeln krächzt

und hungrig wird vom Schrei und stärker bebt,

je mehr der alte Vogel nahe kreist,

der Atzung bringt? Hinweggewischter Lärm

ist hinter mir das Feld und starrt als Fels

allein jetzt um mich, dessen Glück erbebt.

Starrst du mir ins Gesicht, ein Märchenziel,

du stummer Fels, der wie ein Löwe ist

und hält mich auf und tut mir dennoch nichts?

So steht der Tag nun in sein Werk gebannt

und fragt nicht fort und sieht den nächsten nicht.

Bin ich denn durch die Schlacht schon ganz hindurch?

Stets nach dem Echo laufend, Sieg, nur Sieg,

als sei ich viel zu fern jetzt, ängstlich fast,

weil sich, je mehr verbreitend sich, verliert

Gewinn und Sieg, bin ich ein dummes Kind?

Umringt vom Trotz der Berge steht es still

und ist im Lauf und im Gefühl versetzt.

Kehrt der Gewinn nun übermächtig um

und wider mich und treibt mich schnell zurück?

Will ich den gleichen Weg nicht nochmals treten,

nur schauend, daß der Tag uns nichts mehr wegnimmt,

und ich des Glückes ganzes Antlitz lerne?

O Sommer, der mit solcher Schnelle reif wird!

Die Felswand wird vom Himmel dunkler, Himmel

erblaut von ihr noch tiefer, immer heißer

zehrt eins vom andren, und ein finstres Müssen

verrät uns heimlich, wie die Erde hart wird.

Was bin ich hier allein? Ein Zauber hält mich,

und schweigt um mich gleich Tod. Wo seid ihr, Freunde?

Geschrei von weitem mit vielen Stimmen

Stimmen

Kehrt um ins Feld, sonst seid ihr selbst die Beute!

Sieg ist nicht Sieg, und rasend ist der Tag.

Friedrich von Österreich und der junge Lancia kommen eilends

Der junge Lancia

Mein Vater ruft. Wir hörten ihn erschrocken,

als wir in einem Augenblick, dem gleichen

mit seinem Ruf, wie aus verschloßnem Berge

es eisern brechen sahen, Roß und Reiter,

viel Hunderte, dies ist ein letzter Keil,

der vor sich alles herschiebt, dies ist Anjou.

Österreich

Der Anjou ist nicht tot, der Sieg erlahmt

zur Hälfte jetzt.

Konradin

Er ist nicht tot? Nun still

vom Tod! Nun sind wir wie zuvor. Doch wie ...

Österreich

Der für ihn fiel, den man als Anjou schlug

darnieder, war der Marschall von Cousance.

Der junge Lancia

Zerstreut ist unser Volk, ein flacher Strudel,

im Sieg verlaufend, und nun kommt der Keil.

Mein Vater ruft.

Geschrei und Rufe „der Anjou"

Konradin

Glück hat sein eignes Recht,

und Märchen hetzen manchmal uns mit Schrecken.

Zurück die Bahn, dem Sieg in seine Flanken!

Österreich

Ich seh das Spielfeld heillos umgestürzt,

den heimatlosen Tod will ich versuchen.

Alle ab, von Getümmel empfangen

Viertes Bild

Wieder an dem Bergfuß im Mittelfeld der Ebene; Graf Lancia und Graf Donoratico kommen

Graf Lancia

Nun ändert sich nichts mehr, der Tag ist hin ...

Donoratico

Noch mehr, des Königs Weg so ungewiß

in sein sizilisch Reich wie kaum zuvor,

und unsrer mit. Wir sind schon auf der Flucht;

denn jeder Schritt von hier geschieht auf Glück,

daß uns der Anjou nicht, solang er wütet

im Rest der Schlacht, mit seiner Blutgier abfängt.

Österreich und der junge Lancia sind inzwischen gekommen

Österreich

Hier sind noch weitre Reste, weggespült

vom Feld, wo jetzt im Licht die Ernte kalt wird.

Graf Lancia

Wo ist der König?

Österreich

Langsam kommt sein Schritt.

Der junge Lancia

Mit weggewandtem Antlitz kommt er näher.

Österreich

O Konradin, dein heller Tag!

Graf Lancia

Jetzt nichts

von Klage! Rettet uns und euch! Erspäht,

wo uns noch Reiter sind und offner Ritt!

Österreich und der junge Lancia ab, Konradin kommt

Konradin

Die Luft ringt mit den Hauchen, die noch stöhnen,

und macht sie still, die Erde gibt ihr Lager,

der Fluß eilt hin und gibt dem Himmel Blicke.

Doch mir ist Luft und Erde, Wasser, Himmel

zerstückt, ich atme horchend durch die Trümmer,

und jedes Ding sagt mir: Hier ist ein Ende.

Graf Lancia

Die Schlacht begann mit zu viel Sieg. Prinz Heinrich

stieß immer weiter, und zum schweren Ende

kam er zu spät zurück.

Donoratico

Gewaltig brachen

ins aufgehäufte Treffen noch die Spanier,

indes zu spät, und durch die schweren Panzer

erstürzten sie im engsten Kampf zu Tode.

Konradin

Ein Wirbel ausgestreuter Wunden, drehte

zuletzt das Feld sich, und was schon erschlagen,

schien wieder aufzustehn, um mitzubluten.

Österreich und der junge Lancia wieder zurückkommend

Österreich

Das sagst du richtig, und ich will nicht lachen,

doch als ich sah, der Helm war einem Ritter

ganz ins Gesicht geschlagen, Kopf und Topf

war eins, und wie ein wilder Kreisel

schlug er nun blind herum, da lacht ich schrecklich,

und fast noch lachend, welch ein blinder Wirbel

den Sieg hinwegriß, seh ich Tod und Unglück.

Der junge Lancia

Den Fluß entlang geht jetzt ein Ausweg fort,

und Flüglingen, der Marschall, bringt uns Reiter.

Der Anjou nistet schon in unsrem Lager.

Graf Lancia

Der Aufbruch ist gewisser als das Ziel.

Folgt nach!

Graf Lancia mit Graf Donoratico ab

Konradin

Auf einmal fließt der feste Ort

hinweg, man steht an einem Fluß, o Traum!

Ein schwerer Traum kommt hier zurück, o Freunde!

Ich sah in jenem Traum mit Schrecken plötzlich:

inmitten eines Baches lag wie schwimmend

doch immer gleich am Ort ein blondes Mädchen,

es war enthauptet, und vom roten Ringe

an seinem Hals floß Blut, und mit dem Wasser,

worin das Haupthaar spielte, floß es immer.

Ganz lieblich war das Bild in stiller Gleiche

und floß bewegt am Ort, doch von der Wunde

kam mir der Sinn mit keinem Mal zur Ruhe

und war ein Sinn wie für ein ganzes Leben.

Das war mein Traum den Tag, als vom Gebirge

die Ghibellinen kamen mit der Krone.

Hinweg von diesem Fluß!

Der junge Lancia

So kommt und lebt!

Alle ab


 

DRITTE HANDLUNG

Erster Auftritt

Szene am Torre d'Astura mit dem Meer im Hintergrund; Friedrich von Österreich sitzt allein vor dem Turm

Österreich

Jäger, horch, der Kuckuck schreit!

Nicht mit wonniglichen Schatten

darf das junge Herz ermatten.

Deine Stunde ist bereit,

und die Hinde steht im Bann.

Junges Leben, offne Zeit!

Vogel, wann?

 

Streit und Liebe geben Glück.

Bald doch schenkst du deinem Sohne,

Mutter, eine dunkle Krone.

Doch kein Jäger weicht zurück.

Liebe was und Streit begann,

will das Herz nun Stück für Stück.

Morgen dann!

 

Morgen spricht der Himmel: Nein!

Wo ist Recht? wirst du dann fragen.

Blut bricht aus zu hellen Tagen.

Singe, Herz, du weißt allein,

was dein Jäger tragen kann!

Blut ist Recht und muß es sein.

Immer dann!

Konradin kommt aus dem Turme

Konradin

Vogel, wann? Morgen dann! Immer dann! ...

Von einem Berge blickt man in das Tal

und ist ein Fürst. Doch du hast nun ein Herz

von deinem Berg vergessen, hoher Staufen...

Sag mir ein Wort von deiner Mutter, Friedrich!

Österreich

Du fragst mit stumpfem Blick, mein Konradin,

und willst nur hören. Doch was sag ich viel?

Sie ist so heimatlos, du weißt, wie ich.

Ein Kloster ist ihr Ort.

Konradin

Das mein ich nicht.

Ein Schicksal wechselt manchmal ganz sein Ziel

und treibt im Kreise eines Menschen Herz,

bis er zum Opfer wird. Nun weiß er nicht:

bin ich mir treu gewesen? Oder Trug

war jedes Wort in mir, ein falscher Himmel

hing ob mir, der ich dennoch ruhig schritt!

Ein solches Wort, ein solches dunkles Herz,

wenn es vom dunklen Zweifel in sich blickt,

und doch, indem es zweifelt, wachsam wird

und dunklen Grund erfühlt, o dunkler noch,

der immer ist, o Mutter, solch ein Herz,

das weiß, die Welt ist nichts und doch sie ist,

wenn sich ein solches Herz im Grund erschöpft

und nun ein Sinn der Stille wird und schenkt,

solch eines Sinnes Wort hört ich jetzt gern.

Österreich

Kaum daß die Mutter je die Worte spricht,

die sie erfühlt hat. Schaue nur zurück!

Wie sie sich neigte und dem Kinde gab

und es bedachte, anders, als Verstand

in uns nun denkt! Sie dachte nicht, sie tat

ein Leben vor uns hin, in Zweifel nicht,

es war, schau nur zurück, ein schönes Land!

Konradin

So bannen Mütter wohl ihr eignes Herz;

doch was sie laut nicht sagen, lebt dann fort.

Gertraud ist deine Mutter, ganz entsagt

hat sie dem lauten Glück und lauten Schmerz;

Elisabeth, die meine, glücklicher

vielleicht bis jetzt, vielleicht in kurzer Frist

stehn unsre Mütter auf dem gleichen Grund.

Österreich

Was Haupt von Haupt ihr Angesicht so trennt

von unsrem Blick, das ist die Spanne Welt,

die wir jetzt haben. Dunkler wird der Grund

der Mütter immer, und das Leben hell

treibt uns in unser Wissen, daß wir sind.

Konradin

In dieser Stunde ist mir — ungewiß,

wie ich, halb auf der Flucht und willens doch,

mein Königreich gewinne —, hier am Meer

getrennt vom Glücke, wartend, was sich fügt,

in dieser Stunde ist mir sondre Lust,

von meinem Recht zu sprechen, sprechen doch

mit Namen nur von seltsam fernen Frauen,

die es mir gaben. Heimat ist dies nicht,

und doch erheben sie mein dunkles Herz.

Konstanze von Neapel, die Normannin,

gab uns, das uns wie Sage lockt, dies Feld,

wo wir jetzt suchen unsren Königsstamm.

Die Sage aber will von unsrem Blut.

Was dann als Teil von unsres Heilands Ort

Jolanthe von Jerusalem gebracht,

war wie ein Tropfen aus dem andren Kelch,

der niemands Erbe bleibt und ruhlos kreist.

Und alles setzt ins Erbe fort der Stamm,

und was noch dunkel ist, wird dann Geburt,

und so wird man vor aller Welt ein Kind.

Österreich

Nun lächelst du, mein Konradin, und schaust.

So sprach das schöne Meer die ganze Nacht

und trug wie selbst ein Licht den dunklen Himmel,

daß all die vielen Sternenlichter lauschten

und sich darob vergaßen. Weggeloschen

war dann ihr Glanz, und wirklich lag das Meer

als schöne Morgenrast in weiter Fülle.

Konradin

Schön ist es wie die Namen jener Frauen;

so glänzen sie einher. Doch unser Ort,

da wo wir sind, hat jetzt kein weitres Wissen.

Österreich

Die Stunden kommen, wo sich alles klärt.

Konradin

Seit uns das fremde Schiff hereingeholt

vom sichren Meer, fühl ich uns ausgesprengt

als Flüchtlinge, es drängt mich fort ...

Österreich

Und doch,

wir müssen warten, was die Botschaft bringt.

Konradin

Sag nur, wir sind in Haft!

Österreich

In halber Haft,

und Boten sind des Wegs.

Konradin

Schon lang des Wegs,

und kommen nicht! Und Johann Frangipani

ist hier der Herr?

Österreich

So sagt man uns.

Konradin

Was ist

hier bös, was gut? Wie rechnest du, mein Herz,

weil du nicht ruhig an die Zukunft klopfst?

Bös ist, daß schon zu lang die Rückkehr säumt

der Boten. Aber Frangipani gut,

vielleicht? Wenn er den Ring erkennt und anerkennt,

der ihn an Kaiser Friedrichs Gunst erinnert,

vielleicht? Vielleicht schrickt er zurück. Denn Ehre,

die abzufallen anfängt, schreckt den Rechner.

Schreckt dies nicht selbst mich, und nur nackte Tat

scheint mir noch möglich? Doch ich weiß nicht, welche.

Wenn wir schon klein sind, wird noch alles kleiner,

und was uns helfen soll, macht uns verächtlich.

Vom großen Sinn genährt und groß gewesen,

bleibt dann ein selbst zurück als schnöder Bissen,

und alle andre Welt ist eine Wunde.

Hast du bemerkt, daß Ehre stets nur Leid hat?

Österreich

Die Ehre ist ein einfaches Gesicht

und hat doch manche Wege, uns zu dienen.

Konradin

Ich warte arm an Ehre. Meine Sinne

sind ganz von ihr zerrüttet, ich will schrein

und schreiend in mein Antlitz fühllos leben

und hungrig sein vor Qual. Du Turm von Stein,

der du hier stehst mit Trotz! Ein Denkmal bist

du, daß um schnellen Tod mein Trotz nur trotzt

und blind schon hinschmilzt und ganz hilflos wird,

wie alle Schöpfung ist und Erde liegt

am unstillbaren Meer. O schönes Meer,

ich will hier nicht mehr sein, wer hilft mir fort?

Ich bin im wissenden Gefühl verloren.

Bewaffnete treten hinter dem Turm hervor

Bewaffneter

Was rief der hohe Herr?

Konradin

Da ist sie noch,

die Wache, die mein Dasein eingefaßt,

wie man den Stein am Ring hat. Er muß bluten,

wenn, der den Ring besitzt, den Stein erhebt

ins weiße Licht. Mein Sinn sagt anders nichts

und blickt nur mit. — Nach euch rief ich wohl nicht!

Doch seid ihr hier! Was denkt ihr, wer ich bin?

Bewaffneter

Man sagt, daß Konradin von Hohenstaufen

Ihr seid.

Konradin

Sagt man? Und ihr verratet nicht?

Ihr habt, so hoff ich, einen treuen Herrn!

Bewaffneter

Wir wissen nichts als Pflicht, das übrige

geht vor durch unsren Dienst und nicht durch uns.

Die Bewaffneten gehen wieder hinter den Turm zurück

Konradin

Du sagst die ganze Welt in einem Satz:

der Höchste denkt, der Mensch führt alles aus.

Siehst du, mein Friedrich, wer unglücklich ist,

hat Lust an Sätzen, deren Weisheit gilt,

und unumstößlich nimmt er, was dann zufällt.

Doch Gott, der glücklich ist, hat keinen Grundsatz.

Österreich

Du machst mit Worten dir ein wundes Herz,

mein Konradin. Der sonderbare Rest

jedoch des Glücks, worin es nur noch Streit ist

um Sinn und Sein, gebührt dir nicht. Gebührend

schien uns ein Glück, worin kein Wechsel größer,

als daß wir ihn ermessen konnten, eintrifft.

Nun messen wir noch halb, wir messen gar nicht,

worauf wir uns berufen können. Schicksal

ist ganz um uns. Und doch um eine Liebe

brennt mir das Herz noch, und der Tag der Schlacht

bleibt mir, gleichwohl verloren, eine Jungfrau.

Um sie ist Sinn und Sein und Recht und Leben,

und so ist Welt geblieben, wie wir waren.

Konradin

So sagst du, Friedrich, doch der letzte Rest

vom eignen Selbst faßt allen Stolz zusammen

und brennt ihn jetzt hinweg, unzählbar blutend.

Sieh, ein Geschlecht der Welt vergeht in Armut.

Österreich

Was du jetzt sagst — sieh da, ein Mönch, der kommt!

Das ist ein Wort, um das ein Mönch dich neidet.

Ein Bettelmönch kommt vorbei

Konradin

Ruf ihn, wenn er nicht selbst mit Absicht kommt!

Österreich

Hör du, der du die Kutte hierher trägst,

du Mensch der Armut, gib uns eine Antwort!

Der Mönch kommt herzu

Konradin

Denk einen Knaben, der ein König ist!

Nun laß ihn sterben — wunderliches Wort,

da mich der Papst wohl gerne sterben läßt. —

Laß sie verschieden sterben! Wer stirbt leichter,

der Knabe, der noch dumm und weltlos ist,

der junge König, der mit Knabensinnen

sich tief in eine dunkle Größe schickt,

wer stirbt von beiden weg, so fragt mein Wort,

so daß der Tod den Sinn nur leicht verletzt?

Der Mönch

Ich kann nicht streiten um den lieben Tod,

den Sinn der Welt verletzt ein Toter nicht.

Konradin

Du denkst nicht recht! Sieh, wie der Himmel ist!

Mit aller Schwere stürzt er in sein Blau,

der Tropfen Wasser aber blitzt im Gras

und zündet um sich her ein gleiches Glück.

Was sag ich doch: der kleine Funken lechzt,

der große Himmelsstrahl durchtrifft mein Herz.

Wo mich ein Sinn der Welt zutiefst verletzt,

da will ich sein, daß es mein Herz durchtrifft.

Der Mönch

Wenn nur ein Mensch ganz Wort geworden ist,

daß er sich nur noch fügt, mit Willen nicht,

nein, ärmer noch, daß er nur ganz sich glaubt

und ganz sich nicht glaubt, wo er selbst nicht ist,

dann kann ihm Gott nichts tun, und Tod ist nichts.

Konradin

Nein, deine Lehre ist nur stilles Brot,

und Schmerz ist mehr als Wort. Weißt du denn, Mönch,

wie sehr der Schmerz die Welt erst völlig macht?

Hör an, was mein Großvater Friedrich tat.

Er tat als Kaiser, wie ein Gott sich irrt.

Er schloß, hat man erzählt, an einem Ort,

wo nie ein Ton von Mensch und Dingen traf

ans Ohr, daß sie dort wüchsen, Kinder ein.

Er schloß sie ab von Welt, von jedem Laut,

von jeder Saite Klang, vom lieben Spiel

der Stimmen, die mit uns im Bunde sind.

Den Himmel sahen sie und sahen Raum.

Doch was da tönte und von Herzen rief,

war ausgetilgt um sie — und sie nicht taub,

und tauber doch, je wacher durch ihr Herz

sie sahen, daß nicht sinnlos stumm ein Klang

in allem anders schlief und schlief doch nicht.

Sie sahen, doch man tat an sie kein Wort.

Er wollte wissen, wie ein Kind dann wuchs.

Der Mönch

O dies Verbrechen, so verirrt zu sein!

Konradin

Ihr Sinn des Ohres hungerte um Welt,

indes der Sinn des Augs zum Himmel stieg,

sie sahen Himmel schweigender als Licht

und hatten in sich ungelöst ein Wort,

es fraß ihr Herz, bis es in ihnen schrie,

sie starben schreiend in der stummen Welt.

Verstehst du nun, du Mönch, den größren Schmerz?

Vielleicht wenn dieser Königsknabe stirbt —

er stirbt, wenn sich der Gott der Schöpfung irrt

und dann verstummt. Das ungelöste Wort

krampft sich ins Herz. Noch wächst des Knaben Blick,

doch wird die starre Kuppel schon Verschluß,

noch liegt die weite Spanne unerfüllt

und schön, und doch ein dunkler Schmerz wacht auf,

wenn wir des Sinnes denken, blind im Schritt,

der um uns mitging und vielleicht jetzt geht

wie eine Magd, die uns zu töten kommt.

Der Mönch

So bist du Konradin von Hohenstaufen!

Konradin

Suchst du mich auf? Weißt du schon einen Tod?

Der Mönch

O vielen Tod! Doch mehr nicht, als Ihr selbst

und Eure Freunde wißt.

Konradin

Du meinst die Schlacht?

Der Mönch

Die Schlacht! Und Eure Freunde wachend dort

am Wege, wo ich kam, schon fragten mich.

Österreich

Sonst weißt du nichts?

Der Mönch

Nichts, als wie grausam war

der Karl von Anjou, und doch eins gewiß,

daß jener Spanier lebt, der mit Euch war.

Konradin

Prinz Heinrich von Kastilien lebt?

Der Mönch

Er floh.

Gefangen jedoch bald durch einen Abt,

fiel er dem Anjou heim; indes der Abt

bedang sich, daß der Spanier lebend bleibt.

Konradin

Er ist gefangen, und der Tod geht um,

die Boten aber säumen.

Österreich

Wegelagrer

sind wir um Nachricht, Mönch, und ein Gesicht,

das nicht viel weiß, ist uns halb lieb halb leid.

Der Mönch

Auf meinem Wege war ein junges Weib

mit blinden Augen. Aber wie Gesang

war ihr Gesicht, so daß man vor ihr ging,

als habe man das Bild der Welt verloren

und nur noch horchend geh es in uns mit.

Seht nur, sie kommt ...

Österreich

Das ist der bittre Greis,

der vor ihr geht; dies ist die blinde Magd.

Der Allfahrende und die Blinde kommen von links in die Szene und bleiben in ihrer Richtung stehen

Konradin

Was ist dies, das sich wachend wiederholt?

Es ging dahin am Morgen in dem Wald,

war unerreichbar in dem blinden Schritt,

und ganz nur Hingang, schien es ganz vertraut.

Dies gleiche Bild wird unverlierbar hart

und kommt zurück, das wütender nun schmerzt,

im Bild des Hingangs spricht die blinde Magd.

Die Blinde

Von eines Baumes Zweigen fühlt man Leben,

sie warten immer, daß ein Wind sie rühre,

und wie die Zweige wanken, gehen Rufe

und suchen Anhalt, daß sie doch nicht wanken.

Zwei Dinge sind dem Spiel der Welt beschieden,

auf blinder Spur in andrem Lichte gehen,

das zweite, Worte sagen, um zu hören.

Dazwischen steht Vertrauen, daß wir leben.

O Wind, o Hauch der Luft, o stille Wunde!

Dazwischen sind wir Mangel, und wir suchen

den Sinn der Ferne, mangelnd sichrer Nähe.

Von solchem Fluche wird der Sinn gesegnet,

nie aber sind wir in des Bildes Fülle.

Konradin

Ist dies nicht Wahrheit fast wie dunkler Hohn,

für die hier horchen und des Weges fühlen

und ganz geteilt mit Wut noch Sinn berufen,

daß sie die Zeit bestehn wie eine Wunde?

Die Blinde wendet nun plötzlich ihr Gesicht aus seiner Richtung her

Die Blinde

Wer wagt, sich ganz Geschöpf dahin zu wagen?

An ihm hat naher Sinn sein Recht verloren,

ihm wird unstillbar der Gesang der Ferne.

Konradin

Wie nenn ich sie, die meines Weges Magd ist?

Es treibt mir sonderbar die stumme Seele,

ihr zu gehören mit dem letzten Sinne,

und wie ich bin verwundet, alle Wunde

des Seins zu fühlen, bis es grundlos arm ist,

und dies Geschöpf zu sein, das nirgends ankert.

Nenn ich sie Schwester, die wie Reim zu Reime

nur horcht und weiß Erkenntnis nicht dazwischen.

O Welt, wie bist du mit mir umgegangen,

bis ich erwachend dies Gebild erkannte.

Was uns mit Blindheit ruft, ist unsre Schwester.

Tannhäuser, du hast sonderbar gesprochen.

Die Blinde

Nun bist du Fahrender im letzten Sinne.

Konradin

Ich will ihr folgen und ein Ende suchen,

die Augen angeschlagen wie von Zweigen,

ich will um Streit und Liebe vollends enden.

Der Allfahrende und die Blinde gehen nach rechts aus der Szene; Konradin will folgen; Geschrei und Waffenklirren von links

Rufe

Verrat, Verräter! Johann Frangipani

ist ein Verräter!

Österreich

Aus ist diese Stille,

doch was uns droht, wird überall noch stiller.

Laßt uns die Waffen in die Waffen wenden!

Indes sie ihre Schwerter bereitmachen, springt der junge Lancia herein, und unmittelbar hinter ihm werden, schon gefesselt, die Grafen Lancia und Donoratico gebracht, umringt von einer Menge Bewaffneter, zusamt denen hinter dem Turme. Konradin, Friedrich und der junge Lancia werden sofort überwältigt und gefesselt

Konradin

Die Falken, die man an die Fessel heftet,

sind minder edel nicht, als was sie jagten. —

Ihr fernen Frauen, die wie Meere lächeln,

o wär ich doch auf meiner Jagd gestorben!

Der junge Lancia

Ihr meine Freunde Konradin und Friedrich,

dies ist das letzte, was ich zu euch sage,

ich blicke zu euch um und sage nichts.

Die Gefangenen werden abgeführt

Zweiter Auftritt

Ort: Kerkerraum im Kastell del Salvatore in Neapel. Auf dem Tisch ein Schachspiel, an welchem Friedrich sitzt; Konradin an der Maueröffnung, die auf das Meer hinausgeht

Konradin

Die Zeit ist um uns, als ob große Steine

vom Himmel manchmal ab aufs Meer hinfielen,

das aber lautlos bleibt; und seinen Spiegel

bewegt es nicht. So liegt die Bläue draußen

und überfüllt des Blickes armen Kerker.

Das Blut bewegt den Puls in dieser Ruhe.

Und, Friedrich, horchst du nun, du kannst im Pulse

es fallen hören, wie das Obst in Schwaben

nun häufig fällt. Ach, es ist wohl geerntet,

und schon als niederfiel Konrad von Limpurg

von unsren Herzen, fiel es von dem Baume.

Dies ist nun Herbst. Blut ist an jedem Orte,

der Anjou macht uns jeden Ort zur Richtstatt.

Österreich

Du bist am Zug und mußt den König wahren,

ich hab ihn bald im Schach, du mußt dich mühen,

dein Spiel steht jetzt nicht gut.

Konradin

Die Zeit rückt weiter,

und Köpfe fallen täglich, die uns kannten.

Man schließt, vom grellen Licht in unsren Schatten

herblickend, gern die willenlosen Augen

und ist entfernt von sich in stummer Weile.

Konradin kommt zurück zu dem unterbrochenen Spiele

Österreich

Du bist am Spiel, nimm deinen Zug in acht,

hier sind im Königsspiel die klaren Felder.

Konradin

Ihr habt den Raum, der recht ist, kleine Dinger.

Figuren seid ihr ohne Licht und Schatten

und braucht nichts weiter nötig als Gesetze.

Österreich

Gesetze sind, daß sie den Raum berühren,

sie halten eine klare Welt der Mitte.

Konradin

So ist Gesetz! Und wird Figur geschlagen,

so fällt sie aus und gibt Verlust im Spiele,

sonst ist sie nichts. Doch was hat uns im Sinne

und fällt mit uns heraus? Und um so schwerer

wird unser Dasein nicht mehr im Gesetze.

Was ist das für ein Sinn, der uns herausnimmt?

Österreich

Im Spiel muß man nicht denken, sondern spielen.

Konradin

Ich bin herausgeirrt. Sieh diese Zweiheit!

Das Spiel geht fort, sowie man will, der Spieler

jedoch ist außerhalb schon wie im Schatten.

Vom Licht zum Schatten ist die Grenze ewig,

und zwischen Licht und Schatten muß man sterben.

Österreich

Was uns herausnimmt, ist ein andres Leben,

man kennt es nicht, weil uns die Sinne mangeln.

Konradin

Und wo sie mangeln, wird der Sinn verdichtet.

Das ist die Schwere, daß wir nur noch Sinn sind

und haben doch nicht teil an keiner Stelle,

und kein Gesetz will diesen Sinn mehr führen.

Österreich

Man fühlt ein Leben um so mehr im Stillen.

Konradin

Die Stille wächst zum Unmaß unsres Elends.

Österreich

Das Spiel der kleinen Rechnung hilft vergessen.

Konradin

Die Rechnung ist zu klein, ich kann nicht rechnen,

je mehr die Stunden wachsen ohne Inhalt.

Nicht Rechnung, nicht Gesetz und auch kein Denken

ist mehr genügend. Denken will nur lähmen,

und ich muß wandern, ganz von mir entwunden.

Konradin hat sich wieder erhoben

Österreich

Du mußt von Dingen sprechen, die uns nah sind.

Konradin

Was ist dies, daß man ohne Inhalt wandert,

wenn nicht ein Müssen wie um letzten Abstand

und um Verlust, darin man selbst Verlust ist

und kleines Ding verschmäht. Gott ist kein Spieler.

Was uns befriedet, ist doch nur die Größe,

selbst wenn sie uns in ihrem Werk vernichtet.

Österreich

Ihm nun nachgehend

Wer kann dich sehen wie ein Tier im Kreise?

Nun wandre nicht mehr, sei am Tisch, mein Lieber,

dies Haus von Stein hält uns hier gut gefangen,

das mit dem Namen heißt San Salvatore.

Konradin

Du machst mich gerne spielend lächeln, Friedrich,

und lächelnd darf ich eine Antwort sagen:

Kastell San Salvatore, das will heißen,

sie haben ein Gesetz, und er muß sterben.

Österreich

Zu bitter spielst du fort um deine Seele.

Konradin

Ich nütze, was ich noch von Zukunft habe,

ich baue fort, was mir noch fehlt am Reiche

in ein Gesetz, daß es sich selber tötet.

Gesetz, das nur noch Sinn ist, muß sich töten.

Nun mangelt alle Kraft der kleinen Dinge,

das Reich, das über Rechnung stieg, geht unter,

und was uns groß vorausging, läßt uns fallen.

Was sag ich Großes, der ich nur noch fühle,

und nichts als dies, je reicher desto ärmer,

je mehr gefühlt im letzten schwindet alles,

so nichts als dies, so Abstand aller Erde,

nichts mehr als dies, und ich bin leicht zu töten.

Österreich

Dies Land ist einmal so. Wer es betreten,

erstand sich ein Gericht und kam ins Urteil.

Er ging dahin, woher er sich begegnet,

doch die Begegnung wartet auf ein Opfer.

Ein dunkler Sinn wird von uns ausgetragen.

Konradin wieder an der Maueröffnung

Konradin

Mein Königreich ist blühend wie ein Garten

und liegt um mich umher, ich bin gekommen,

und Kampf war Spiel und Spiel war wieder Schlacht,

und Anmut sank hinweg von meinem Schilde

an einem Morgen. Und wo bin ich jetzt?

Ich sehe Stein und seh ein träumend Meer.

Als ob ein waffenloser Träumer stürbe,

der seinen Tod verachtet und im Blicke,

im gleichen der Verachtung, selbst sich läßt,

weil, wer so tief verwundet, nichts mehr achtet

und wütend nur noch seine Wunde würdigt

und stößt die Waffe mit dem Fuße weg,

er liegt im Feld gekrümmt — so ist ihm Ehre

sinnlos vergangen, Schmach noch Traum und Leben;

und der hinausblickt, ehrlos gleichend bald

dem grimmig Sterbenden auf seinem Raume,

ihm ist kein Waffenstück mehr in den Händen,

das er noch ansieht, einen wilden Rest,

ihm ist dies Meer sein weggelegter Schild.

So ist ihm sein gewisser Tag gekommen,

der Himmel wächst, der ganz von Anmut frei wird,

und ich bin bildlos mit mir selbst zu Ende.

Wer zu viel Bild ausschöpft in dieser Welt,

stürzt in die Ohnmacht und ist schnell im Tode.

Österreich

Man sieht auf Beeten gern die roten Rosen.

Die sich entblättern, gleichen roten Lippen,

wie du jetzt sprichst; sie fassen unser Herz

und taumeln mit ihm in die Runde weg.

Doch blick ich immer auf die eine Rose,

die ganz erblüht ist und nun ohne Wanken

den Tag besteht, die kaum durch Sonne froh wird,

weil sie in ihrer Dichte dunkelsamen

und schweren Ernst verbirgt wie letzten Schauder,

mit dem sie wie zur Abwehr ihrer Stunde

hinüberfließend in das goldne Licht

doch völlig einsam ist — ein gleiches Herz

steht in des gleichen Schauders schwerem Fest

und weiß nun nichts mehr als die gleiche Stunde.

Das Todesurteil ist an uns ergangen,

nun trifft uns nichts mehr als das ganz Gewisse.

Konradin

Wie bin ich nur, mein Friedrich, so in Leid

verwirkt wie Eigennutz, ich bin beschämt,

du tapfrer Partner solltest laut mich schelten,

der du zuvor mir stehst im Ring der Rosen

und schon das Fest des Todes still begehst.

Ich muß voll Neid sein wie um einen Bruder,

der nichts als stark ist; ich will vor dir sterben,

daß du dir gleich mich siehst mit lieber Trauer,

mit Trauer liebend will ich so dich strafen.

Österreich

So komm zum Königsspiel und laß dich töten!

Dann seh ich deinen Neid und lieben Mangel,

weil dir zu viel vom bösen Vorteil mangelt,

der Neidern hilft. Du lernst das Spiel zu spät,

der Anjou ist ein Spieler.

Beide haben sich zum Spiel gesetzt, Konradin erhebt sich jedoch sofort wieder

Konradin

Doch kein König!

Wenn Tapferkeit mit Neid geht, wird sie grausam.

Er hat uns in das letzte Spiel gebracht

und ist nun grausam. Aber wer versteht

mit mir das Ärgernis des großen Schmerzes,

der so lebendig ist, wie ich erliege.

Ich nenn ihn einen königlichen Schmerz.

Österreich

Das ist der letzte Sinn, dem wir begegnen.

Wir haben uns zum großen Spiel gegürtet

und müssen unsren Schmerz noch schöner gürten,

je mehr wir nun statt Sinn den Tod empfangen.

Die schöne Gürtung zeigt des Sinnes Größe.

Konradin

So sagst du, ist der letzte Sinn ein Schmerz

und hängt die Welt inmitten nur zusammen

durch solchen Schmerz, der ohne Sinn wie tot ist?

Österreich

Ich will nicht denken. Noch sind wir am Tage,

und was geschieht, muß uns noch unterhalten.

Konradin

Der Papst, sagt man, bevor er Heilger Vater

geworden, sei vermählt gewesen, Kinder

umgaben ihn, jetzt ist er nur noch Richter,

Nachrichter, denn was man als Recht erkannte,

um uns zu töten, was Robert von Bari

allein von allen Richtern auf des Anjou

Befehl geurteilt, billigt kaum der Papst jetzt.

Jedoch der uns gebannt aus allem Rechte,

ich sag es bitter mit dem gleichen Klange,

der haftet am Vollzug gleich einem Knechte,

der dem Geding des Anjou sich gefügt hat.

Österreich

Des Papstes Wesen muß uns immer treffen,

er hütet Welt, wo wir den Weltsinn schüren.

Konradin

Der Hohenstaufensinn gefällt ihm nicht.

Was mein Geschlecht mit seiner Welt gemein hat,

ist eben, was uns trennt, was zwischen uns

erblüht in jeder Zeit, die Braut der Zeitschaft,

zum Sinn der Gegenkunft die ganze Liebe,

Gestirn und Schwert, wohin sie beide führen,

zu einem Inbild eine blinde Treue,

die Treue, die für uns wie eine Magd wird,

die liebe Magd, die uns nun unsren Tod gibt.

Österreich

Du fragtest mich um unsren Sinn und Tod,

nun hast du den Zusammenhang erkundet.

Konradin

Dies Bild, wodurch wir blind beseligt leben,

noch schauend auf das Meer, wenn wir nun sterben,

das hat er nicht, der sehend uns in Tod schickt.

Nie wird ihm eine Braut die Welt, die Wiege

bleibt leer des Sinnes, und die bare Erde

steht nie in Frucht des ersten goldnen Gartens.

Der Garten ist des Kaisers, nicht des Papstes ...

Österreich

Nichts mehr als dies! Darum sind wir gewandert,

dies ist, was unsren Herzen hier begegnet.

Nun laß den Zeitengarten sich verschließen,

den wir bedachten; nimmer wird er offen.

Doch uns, im Sinne fröhlich, laß jetzt spielen!

Konradin setzt sich wieder zum Tische

Konradin

Laß mich die Augen nochmals sinnend schließen.

Es ist um vielen Tod und ist um Lancia,

um beide Lancia, beide schon enthauptet.

Der treue alte Graf und uns Verwandte!

Vor seinen Augen schlug man Galeotto,

dem Sohn, das Haupt ab, sterbend vor dem Vater

lag er am Boden, und der Vater folgte.

Das Schicksal traf sie schon vor einem Monat,

das mit mir geht. Des jungen Baumes Frucht

hat es gepflückt, daß es den Vater schüttelt

im ganzen alten Stamm, dann starb er selber.

Der junge Lancia war uns lieb, mein Friedrich.

Und überall hat er so fort gewütet

und uns zum Schauspiel aufgespart, der Anjou.

Nun wohl, Figuren sind wir jetzt wie Dinge,

wie diese hier, wir brauchen nicht zu denken.

Nun zieh ich so, und nun bist du am Zug,

mein Friedrich!

Österreich

Nein, und doch, am letzten, siehst du!

Nun bist du matt, und dieses Spiel ist fertig.

Dir fehlt der Neid des immergleichen Spielers.

Konradin

So hab ich in Gedanken schnell verspielt,

und ich bin matt. An jenem schönen Wald

wär ich noch einmal gern, wo mir geträumt hat,

nein, wo wir unsre Träume uns erzählten.

Dein Traum war wie ein Stein in später Sonne.

‘Genügsam sei die Zeit mit wenig Tod’,

so rief es in der Luft und schwieg im Licht.

Mein Traumbild aber war wie Wasser schwer;

‘so hat man mich enthauptet’, floß es hin

und rückte doch im Bache nicht das Mädchen.

Nun geht mein Sinn wie jenes Wasser schnell.

Ich bin bereit, wenn jetzt die Stunde kommt,

der Ritter folgt der Jungfrau seines Traumes.

Bewaffnete kommen durch die Türe und bringen den Grafen Donoratico herein; kleine Pause

Konradin

Graf Donoratico von Pisa, wie?

Dürft Ihr uns heut besuchen? Was verbirgt

Eur Mund?

Donoratico

Den Tag, der uns nicht mehr gehört!

Konradin

Ach, uns gehört schon lang kein Tag mehr! Weiter!

Doch nein. Eur Wort genügt schon.

Österreich

Morgen dann!

Donoratico

Wir sind zusammen auf dem gleichen Wege.

Konradin

Und doch erschreckt es fast die liebe Seele,

wenn sie den Tag erfährt, wo sie entläßt

der kalte Leib und sie dann leiblos ist.

Wißt Ihr noch sonst Bericht von unsren Freunden?

Donoratico

Tot ist der edle Herr Konrad Capece,

mit ausgehöhlten Augen blickt er meerwärts.

Konradin

Was Ihr auch sagt, kann uns nicht mehr erschrecken,

doch wie Ihr es gesagt, erscheint es schreckhaft.

Donoratico

Verraten haben ihn die Burggenossen,

da ritt er ganz allein zum Feinde nieder,

man hat ihm beide Augen ausgestochen

und ihn dann aufgehängt; dies ist geschehen

nah bei Katania am öden Ufer.

Konradin

Die Worte fehlen uns zu wilder Klage.

Der treue Wächter unsres Königreiches

bewegt die stumme Luft mit seinem Tode.

Und Rom?

Donoratico

Rom ist dem Anjou zugefallen.

Konradin

Es fällt von Herrn zu Herrn und stirbt doch nicht,

und unser Tod geht wie im Kreis um Rom.

Donoratico

Der Anjou hetzt, was ghibellinisch ist,

und schmückt mit Martern ihre Todesstrafen.

Konradin

Ein Frevler an der Kirche, Hochverräter

an einem Lande, das mein eignes Erbe,

so nennt der Urteilsspruch, den er mir fällte,

was aus dem Schoß der Zeit mein Inbild ist.

Die Zeit, die war, hat er im Keim entwürdigt,

den Sinn der Hoffnung hat er rings ertötet,

und mit Verstümmelung umgibt er sich.

Was ist mein Testament, wenn dieses nicht?

Sonst nichts als etwas Leid, und dieses Wort:

Beginne Zeit nach mir dein Neidgesetz,

das ungeschrieben doch sich selbst erfüllt!

Ihr aber, dessen Alter niemand ehrt,

wir sehen morgen nochmals diese Welt.

Donoratico

Sie speit sich aus, wie man sie täglich sieht,

mir ist genug, hab ich nur meinen Tod.

Konradin

Graf Donoratico, zum Abschied geb

ein wenig ich, daß Ihr es freundlich haltet,

mein Haupt in Eure Hände, laßt das Eure

mich auch berühren, und so laßt mich danken.

Mein Dank ist nichts mehr, doch der Weg zusammen

zum gleichen Tod, gleich fern von andrem Ziel,

ist noch wie Liebe, die kein Wort mehr hat.

So nehmt auch Friedrichs Haupt und laßt uns scheiden.

Donoratico geht nach der Umarmung zwischen den Bewaffneten ab

Konradin

Die Brust ist mir voll Worten, doch wie Glocken,

die schwingend nicht die Wand von Erz erreichen

und hungrig nur den weiten Mund bewegen.

Österreich

Der Morgen hat den gleichen weiten Mund

und braucht zum Tönen unser ganzes Herz ...

Singe, Herz, du weißt allein,

was dein Jäger tragen kann.

Konradin wieder an der Maueröffnung und Friedrich an dem Tische

Dritter Auftritt

Zeit und Ort: der Morgen des 29. Oktober 1268, der Richtplatz mit dem Blutgerüst außerhalb der Stadtmauer von Neapel; Ausblick auf das Meer mit Capri und auf den Vesuv. Links ist die Mauer burgartig ausgebaut und am Erdgeschoß eine Kapelle angesetzt. Auf dem Richtplatz links bei der Kapelle ein erhöhter Sitz für den Richter, gegen den Hintergrund rechts das erhöhte Blutgerüst. Der Platz ist von französischen Rittern und einer Volksmenge gefüllt. In deren Mitte stehen, von Bewaffneten umringt, die Mitverurteilten Graf Donoratico, Marschall von Flüglingen und noch vier deutsche und italienische Ritter. In dem Turmfenster der Burg ist sichtbar Karl von Anjou. Aus der Kapelle hört man die Weise des ‘Dies irae’

Gesang

Lacrimosa dies illa,

qua resurget ex favilla

judicandus homo reus,

huic ergo parce, Deus,

Pie Jesu, Domine,

dona eis requiem. Amen.

Konradin und Friedrich werden inzwischen von einer Wache aus dem Hintergrund links hergebracht

Österreich

Es geht nun schneller, als man fleißig denkt,

der Fleiß der Zeit ist schneller als Gedanken.

Konradin

Siehst du, wie es den Mund von selbst bewegt,

du sagst den gleichen Inhalt zweimal aus.

Österreich

O Lieber, lächle mit mir, denn mein Mund

ist jetzt wie eines Schülers recht unmündig.

Konradin

Dann sind wir uns nur gleich, denn, sieh, mein Herz

ist jetzt auch recht unmündig und tut Schläge,

als ob es eifre mit der schnellen Zeit,

und klopft doch klein und ist ein wenig kalt.

Das ist hier nicht wie in der heißen Schlacht,

dort trieb es an, hier wills nur tapfer mit

und will noch treu sein, wenn man auf es zählt.

Viel Volk ist aber hier, und viele Ritter

umstehen jetzt das kleine tapfre Herz.

Österreich

Dort ist das schöne Meer und all dein Land,

des Kaisers Gartenland, darin man wandelt;

vergeblich lockt es jetzt, wir kommen nicht.

Konradin

Und dort ist das Gerüst, der Ring der Rosen,

sie werden blühend sein, sobald wir säen,

und wenn wir bleich sind, schmücken sie das Fest.

Österreich

Wir sind in vielen Augen, doch der Himmel

ist groß für sich allein und hält uns einsam.

Wie sagtest du noch gestern? Lautlos schwillt

die Brust wie eine Glocke voll von Tönen.

Doch wohnt die Zunge leise nur im Mund

mit Worten, die sie vor dem Tod beherbergt.

Konradin

Die Zunge dieses Morgens ist das Schwert,

sie schlägt nur zu und schlägt sich selbst mit Schweigen.

Mir aber wacht ein frühes kleines Lied:

 

Was hilft mir all die Sommerzeit

und die viel lichten langen Tage?

Die ich im kranken Herzen trage,

mir ist nach andren Blumen leid,

die eines Maien Blumen sind,

die einer Fraue Blumen sind,

ich bin der Jahre noch ein Kind.

Gebet

Aus der Kapelle

Libera me, Domine, de morte aeterna, in die illa tremenda,

quando coeli movendi sunt et terra, dum veneris judicare

saeculum per ignem.

Konradin

Nun wird man bald bereit sein. Doch die Haare

laß ich mir für das Schwert nicht schneiden. Frei

geh ich in eines Königs argen Tod.

Österreich

Der kahle Nacken macht den kahlen Knecht,

das Haar ist wie der Glanz des weiten Lebens.

Rufe

Wer drängt hier durch?

Österreich

Er kommt zu uns!

Rufe

Was will

der Sarazene?

Der Sarazene

Laß dich, König, grüßen

von unsrem Volk, das in Lucera ist!

Noch hat der Anjou diese deine Stadt

mit seinem kalten Ingrimm nicht erobert.

Wir kennen keinen Herrn als Konradin.

Wir sind das Volk des großen Kaisers Friedrich,

es grüßt des Stauferstammes letzten Herrscher,

es sieht ihn nicht mehr als durch meine Augen.

Anjou

Dies soll dir wahr sein und für deine Augen!

Stoßt ihm sein Wort in seine tolle Kehle!

Der Sarazene wird von der Wache niedergestoßen

Konradin

Du huldigst gänzlich!

Rufe

Seht den gelben Anjou!

Konradin

So will die Erde sich schon eilig färben,

und nimmt der Tod mir weg den kleinsten Dank.

Ich danke mit dem gleichen Tod.

Rufe

Gebt Raum!

Robert von Bari kommt und bringt den Henker!

Robert von Bari begibt sich auf den Richtersitz, der Henker steigt auf das Gerüst. Unter der Menge rechts sieht man jetzt auch den Allfahrenden und die Blinde. — Signal.

Robert von Bari

Ihr steht hier, viele Männer, um zu horchen,

nehmt eure Zeit gewahr und eure Richter!

Versammelt seid ihr, wartend auf ein Urteil,

das Urteil wird gefällt und dann vollzogen.

Wer kam mit vielem Volk, um fremde Saaten

in eurem Land zu ernten? Ein Verführer!

Wer griff nach Rechten eines rechten Herrschers,

und eitel nahm er selbst sie? Ein Empörer!

Wer brach in unsre Ordnung als ein Räuber?

Wer täuschte erst durch Sieg, nun er Besiegter,

wer, ausgerottet, gibt der Zukunft Frieden?

Hier steht er, Konrads Sohn, steht Konradin,

der kein Gesetz geachtet, jetzt gebunden.

Und über ihn übt sein Gericht der König,

den er vernichten wollte, Karl von Anjou.

Die Taten messen wir nach dem Gesetze,

und das Gesetz spricht ihn für alles schuldig.

Wer achtet das Gesetz und billigt nicht

den Spruch, den wir gefällt? Der Spruch heißt: Tod!

Der Spruch trifft diesen und die mit ihm schuldig.

Er wird alsbald vollzogen wie gesprochen.

Nehmt eure Zeit gewahr und eure Richter!

Gemurmel und anschwellende Rufe; ein französischer Ritter springt gegen den Richter vor

Der Ritter

Der deutsche Jüngling ist ein edler Ritter,

Robert von Bari aber ist ein Schurke!

Rufe

Hört Konradin! Gebt Konradin ein Wort!

Konradin

Wer zählt nach Recht und Unrecht einen Weg,

der unser war und war der Weg der Staufer?

Ich rufe gleiche Fürsten dieser Erde!

Es gibt nicht gleiche, um mit uns zu rechten.

Ich rufe dieses Land, das uns gehuldigt!

Es gibt kein zweites, das ein Recht empfangen

wie dieses, das sich kaiserlich erhoben

mit uns und blühend war wie eine Sage.

Ein reicher Geist, auf dieser Erde schwebend,

so wie das Morgenrot auf seiner Kugel,

und immer mächtiger in seinem Tage,

so ging der Himmel hier auf andre Lande

wie Donner einer frühen schönen Zeit.

Wer tötet nun, nein, schändet noch dies Wesen

so großen Maßes, wie es fremd dem Neid ist?

Neid war nicht im Gesetz der Hohenstaufen.

Doch wer mich nun beschuldigt, keine Schuld

kann auf die Treuen fallen, die mir dienten.

Sie dienten mir nach jeden Sinnes Recht.

Ich rufe meiner Klage letztes Wort:

Den gleichen Gott hat jedes Menschen Seele,

hier aber ist kein Richter über mich!

Gemurmel und einzelne Rufe ‘Heil Konradin!’

Ein Weib

Bewahr ihn vor dem roten Henker, Jungfrau!

Er hat vom Leben nichts als sechzehn Jahre.

Donoratico

Den Sinn der Erde ruft der Mensch vergeblich.

Es ist die stumpfe Ordnung, die uns nötigt

von reiner Waffe sich ins Recht zu kehren,

bis es genug ist solchen Rechts aus Unrecht,

und zum Vollzug lenkt er dann selbst die Schritte

und nimmt den Tod in sich als freies Ende.

Die Blinde

Der reine Kern der Welt ist unbeschützt,

die Erde muß von Nacht zu Nächten keimen,

der Keim der Zeit ist seines Todes schuldig.

Robert von Bari

Ihr habt genug; der Spruch verlangt sein Recht,

und wenn schon Recht, dann lenkt die raschen Schritte

nun zum Vollzug!

Donoratico

Der Schurke zeigt noch Hohn

und würzt sein feiges Herz mit unsrem Tode!

Konradin

Das war die Blinde, die so hilflos wandert,

nun bin ich wach mit allen meinen Sinnen.

Zu den Mitverurteilten

Ihr Freunde meines jungen Lebensganges!

Ach, stellten wir nochmals die weißen Zelte

ans Tor der Schlacht, und nochmals säh ich euch

um Tod aus keinem Grunde fröhlich streiten,

als wie ein jeder war im Kampf der erste!

Nun folget ihr mir still und kampflos nach.

Ein Mönch

Im Gedränge

Zu spät in diesem Kampfe kommt das Wort

und bleibt uns friedlos und muß so genügen.

Laßt mich hindurch!

Rufe

Ein Mönch kommt wie ein Bote.

Der Mönch

Vor Konradin

Ich bin nicht selbst; doch wär ich nichts als Mönch,

so wollt ich Konradin, den König, grüßen.

Ich bin ein Bote, und dies ist die Botschaft,

sie ist für Konradin, den man hier richtet,

und ist ein stilles Wort für jede Seele:

Es ist von seiner Heiligkeit der Frieden.

Stimmen

Der Papst hat Konradin vom Bann gelöst!

Konradin

Seit meiner Kindheit hab ich gleich gehandelt

und war im Widersatz bis an dies Ende,

nun nimmt ein letztes Wort der Heilge Vater.

Der Papst versieht sich einer Welt der Ganzheit,

der Kämpfer aber ringt um nichts und alles,

was ist der Unterschied und bleibt im Rest?

So wie die Braut zu ihrem Tag sich richtet

und ordnet alles, die sich selbst verschweigt

und ist wie nichts, und wäre doch die Feier

nichts ohne sie, die ihre Zeit betreibt,

so war um uns die königliche Zeit.

Nun kommt der Rest, ihn schickt der Heilge Vater.

Wir denken alles, und es bleibt uns nichts,

nicht ja, nicht nein, und keines Lebens Feier

umjubelt mehr die stille Braut der Zeit.

Doch wir, bestellt zum königlichen Tode,

wir nehmen diesen Rest als ganzes Siegel

und nehmen ihn zu unsrer Seele Frieden.

Der Mönch

O volles Herz, wenn es in Zeit allein ist!

Signal

Konradin

Wohlan, das Blutgerüst will uns erwarten,

es ist der letzte Gang, der uns erhöht.

Die Verurteilten folgen Konradin auf das Gerüst

Donoratico

Sei, Henker, wacker, daß man dich noch schätzt

statt unser, wenn dein Schwert uns leidlich trifft.

Der Anjou neidet dich um deine Kunst.

Konradin

Den Tod nehm ich wie eines Königs Pflicht,

den Handschuh werf ich für mein Erbe fort.

Und nun, mein Friedrich, laß uns unsre Augen

noch einmal Blick in Blick tun; wie das Meer

seh ich den blauen Glanz und etwas schwimmend.

Österreich

Nun kniest du nieder in das Beet der Rosen.

Konradin

O welches Leid bereite ich dir, Mutter!

Wie Konradin enthauptet wird, schreit Friedrich von Österreich jäh und lange auf. Dann kniet er sich hin, und während die Handlung der Hinrichtung weiter vor sich geht, sprechen der Allfahrende und die Blinde

Der Allfahrende

Der Adler zieht die Schwinge durch das Blut

und hebt sich auf in unbekannte Lüfte

und nimmt mit sich die dunkle stete Frage:

Wie wird die Erde innerlich verkündet?

Wie bleibt der Sinn der Welt, den niemand rettet?

Und doch der Sinn reift weiter auf der Erde.

Die Blinde

Die viele Zeit steht auf mit jedem Tage

und hebt die Hände wie zu einem Bilde,

das sie in sich beschließend doch nicht findet,

und auf das Auge fällt des Sinnes Regen.

Ach, sammelte der allzu schwere Himmel

in einen Tropfen sich, auf daß er fiele

und gösse sich hinweg und wäre nimmer,

und wäre ausgeweint das blinde Auge.

Der Allfahrende

Wir müssen leben, wie man uns geboren.

Der Weg des Sagens trennt sich nicht vom Unheil.