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Konrad Weiß: Largiris

Largiris

 

1

 

Vor lauter Sinn der Dinge abergläubisch trifft
mich heute beim Betrachten meiner eignen Schrift,
daß ich mit Suchen nach dem unverirrten Sinn
nur immer meines eignen Ichs Gefangner bin.

 

Kaum dies gedacht und abgewehrt mit aller Kraft
sitzt schon das Tier in unentrinnbar banger Haft
und klar wie sonnbeglänzt vor nahem Regenstrich
geht auf das unzählbare Reich der Spinne Ich.
Ja jedes Ding unfaßlich um mich fern dem Wort
und was geschieht und ist verteilt in Zeit und Ort,
ist alles hingelegt nur nach geheimem Plan
in meine uneinholbar vorgeschriebne Bahn.
Wenn dann der Faden lockt und ich zum Fange will,
die eingedrehte Beute, eine Puppe still
das bin ich selber auch, die Spinne nirgends satt
zerreißt ihr Werk mit Gram, gibt es dem Wind, ein Blatt,
ein Hauch nur, daß ich wissenlos, woher ich kam,
auf einem kalten Stein mich setzend mich vernahm:
Was sagt das Blatt, ist Hauch, ist Hunger mehr Gesetz,
ist diese Perle Tau nun hängend hier im Netz
die Welt, die ich gedacht oder die trinken soll
mein Auge, bis es mehr als meiner, Gottes voll?

 

Erst wie die leichte Spinne aus dem Nest geschickt,
ein Stein so wird mein Sinn und ankert schwer zerstückt.
Die Spinne ampelt kaum besonnen schnell sich hoch,
der Ausgeworfene verstummt im dunklen Joch.
Doch wer geschreckt ihr gleich von keinem Mißgeschick
kehrt flink am Spinnenfaden auch zum Nest zurück?
Es ist der Sinn des Ichs, und wenn der Faden blitzt,
schreibt der gefangne Mann, der dort im Dunkel sitzt.

 

Zurück, hinauf bekannten Pfad und schon erhellt
sich meinem kleinen Doppel-Ich gebahnte Welt.

 

Es war, als für ein kleines Kind ich Verse schrieb
und bei den ersten plumpen Zeilen stecken blieb,
die ich zerriß, nicht weil ihr Geistleib mir nicht klar,
nein weil die Handschrift lieblos hart unfertig war,
bis ich die Worte wieder schrieb mit schnellem Lauf
des Kiels, da ging mir meines Tuns Verhängnis auf:

 

Was hat den anfangs ungelenken eitlen Trieb
verwandelt, als ich mich vergaß und schrieb nur, schrieb,
was hat die Hand hier treu und maschengleich gereiht?
Ja sieh, ich schreibe sinnend um ein wahres Kleid
Buchstaben wie ein andrer andres Werk und Ding
zum Zeugnis, daß in seinem Tun ein Mensch sich fing.
Der Mensch, der Dinge tut, bekommt in Dingen Ort,
der Worte sinnend reiht, wird sinnverschlungen Wort.
Und diese meine wahre heut verstummte Schrift
mit Wurzeln um mich langend, daß ins Mark ein Gift
aufbricht wie Schweiß getrocknet nicht von Adam her,
die bittre Quelle wird in mir endloses Meer,
wird Furche, die mich Mensch macht und als Mensch zerbricht.
Und denk, das kleine Kind liest dies Geschrifte nicht.
O wie bin ich noch Kind nicht und schon Überfrucht,
wie ist der Anbeginn bei mir schon mir verflucht.
Buchstaben oder jedes andre Ding und Werk,
bis mehr als Sinn, bis Blut sich im Gewebe, merk,
fing, allzeit, daß du wiederkehrst im Bann von Blut,
dies alles ist dir hingegeben, stumme Brut.
Vorübergang, o komm im Strahl der Sonnenbahn,
es rührt ein Klümpchen Erde sich, blickt er es an.

 

Da tut der Mann im dunklen Joch den ersten Strich,
es war ein Bogen rund, daß er dem Erdrund glich.
Setz, Mann, den Kiel nicht krank vom Sinnen, daß du zwangst
so wenig Erde, ab, sonst überfällt dich Angst.

 

Und wie der Mann den Kiel behaltend lange stockt,
wird mir die Zeit zum Hammer, den kein Uhrwerk lockt:
Was fing ich an und was beginnt mit mir ein Plan,
der aus mir zielend in mir hebt niemalen an?
Der Hammer fällt, unwissend wo du endest, grab
den Anker aus, das schwere Herz, es rollt bergab,
und Fuß vor Fuß, viel schneller als man sich besinnt,
so läuft vom Hügelbord den steilen Pfad das Kind.
Das Fernste wird dem Nächsten unzertrennlich nah,
so gleich dem Blitz tat mir die Sonne, als ich sah,
der schrieb und sich behaltend immer sich vernahm,
bis ihm das kleine Kind nicht mehr aus Sinnen kam,
hier bin ich noch, dem dieser volle Lauf geglückt,
ich unbestockt noch mehr in Kind und Mann zerstückt,
und sieh, so wird mein Tun mir weiter offenbar,
das ist die Seele dieser Zeit, die mich gebar.
Die ruhelose sucht die erste dunkle Spur
von einem Ort der Dauer, wo sie Licht erfuhr.
Wo kam ich her, der ich die Erdenbahn befahr,
der ich den Schatten werfe größer Jahr für Jahr?
Verbrannt im Sonnenstrahl schießt aus ein Augenquell,
wie ist der Weg so überklar, der Ort so hell.
Da sucht der Mensch den Schatten, doch der sich vergrub,
es dringt der ferne Strahl ihm nach, Schwert des Cherub.
Halt ein mit diesem Zeichen, Schwert vom Paradies,
es wird zu eng der Mensch in seinem Gottverlies,
und der an dieses Zeichen seinen Willen setzt,
es hetzt ein Engel ihn, bis er sich selber hetzt,
halt ein, die Kammer wird zu eng von zu viel Licht.

 

Da sah ich nach dem dunklen Mann, der Mann schrieb nicht.
Er saß wie weggeworfen, ungeheures Korn
des Grames, der nur in sich keimt vor Gottes Zorn.

 

Was fing ich an, der Ort und Adam ohne Rast
verlassen muß und trägt des eignen Bildes Last
gezeichnet auf die Erde, wo im Winde spielt
oder vor Bürde die Gestalt, nach der er zielt.
Die Erde ist das Zeichen wie ich selber schwer,
was gilt das Spiel, wenn ich zum Einsatz mich verkehr!
Ich will das Zeichen gründen, das ich selber bin,
denn alles ist gelegt in meinen offnen Sinn.
Also wie eine Erbsenblüte lippenrein
verstummt mein Wesen, übergeht ein lichter Schein
den stummen Grund der Erde, daß er nicht mehr blickt,
doch während sich das Auge ganz zu ruhen schickt,
hebt sich gelöst und weißer noch als dieses Ding,
noch stummer als die Blüte auf ein Schmetterling,
und während ich mit Augen folgend ihn verlier,
bin ich wie Flügelschlag im Wind und doch ein Tier,
die Pflanze ja und doch am Orte selig nein,
ich ankre in der Erde mit gebrochnem Schein
und ruheloser treibt mich hin und her mein Sinn,
daß ich so andre Kreatur geboren bin.
Und wo dies reine Zeichen, wie ich nicht bin, trifft,
da knüpft sich der Zusammenhang von Ding und Schrift.

 

Was liest das Kind nicht und was wurde ich ihm mehr,
da ich ihm weniger geworden selbst mir schwer
den Hammer lockte, der, gleich wie der Schlag sich reiht,
mich schlug und in mich rollte Herzgewicht der Zeit,
denn wie das Eisen sich verkrümmend wächst, so wuchs
in mir von Kind und Mann der Unterschied des Fluchs.
Der erste Ton ist langsam lange hinverhallt,
nun schlägt es immer schneller, bis der Amboß lallt,
ein Ton nicht rein, ein Tun nicht flink, doch schrecklich blickt
der Hammerer, der so ans blinde Werk sich schickt.
Er weiß nicht, was er tut, nur daß er blind es macht,
bis ihm ein Unverständiges, ein Kindlein lacht
mit Klingen in die Werkstatt, unverlierbar fällt
und wiederkeimt es kündend eine andre Welt.
Nun wirst du finden, wo den jähen Weg verließ
das Leben dich, und Schlag und Klang zum Jubel schließ!
Noch nicht, und leise pocht der Hammer singend nach,
noch nicht, und heftiger, der so sein Werde sprach:
Niemalen mehr kehrt wieder dieser Mann zum Kind,
niemals, als werfe er die Augen in den Wind.

 

Der Wandrer, der von Land zu Land die Grenze bricht,
nur mit dem Worte pilgernd, dessen er Gesicht,
mit keines Tuns Beginn mehr wählend Ziel, nur Gang,
nur um den Ort des Rufs noch tauschend Ruheklang,
der, was er tut, vermißt im Sinn der Menschenzahl,
bis er nur Antwort gibt noch ohne Widerwahl,
es wird ihm plötzlich, er, die Seele, Echo kalt,
er sei das Kind, die Sonne scheint, dort steht der Wald,
er sitzt am Hügel und was er so lange rief,
es ist das Herz des Kindes, das im Echo schlief.

 

Wer ging den Gang, wer sieht das Licht, wer hämmert froh,
der vor dem finstern Wald nun lauscht dem Echo so?
Was ist des Lallens Freude, daß er schweigt und hört,
von dem wie Stein Entsetzen weicht und der betört,
nein, der nun milder horchend ganz den Puls erfühlt
der Zeit des Wartens, die ihn echogleich umspült?
Die unentrinnbar stille Uhr holt aus zum Schlag,
du ahnst, auf welches Kind hier weist mein Erdentag.

 

Da malt der Mann das Kind, wie es die Arme hebt,
und fröhlicher noch springend als er, der erbebt,
es will, der sehender, je froher ängstenbar,
halt ein, die Erde wird und größer durch Gefahr,
er hält nicht ein dem Kind, ja daß es mit ihm ringt,
setzt spielend er den Kiel ab, der ihn vorwärts zwingt.

 

Nun bin ich hingestellt wohl zwischen Berg und Tal,
o nein, so zwischen Sein und Werden ohne Wahl,
daß mich, weil ich nicht wurde, wie ein Wille zielt,
doch weil ich wurde, wie mein Wesen mich behielt,
daß mich der Zwiespalt zwischen dein- und meiner Kraft,
Gott, zu der Treue eines bloßen Kindes schafft,
daß ich nur wähle wie das Kind, es sieht die Welt,
es hebt den Fuß, Erbarmen, daß das Kind nicht fällt.

 

Was tut der dunkle Mann nun gleich, baut er die Bahn,
läßt er die kleine Seele wallen ohne Plan,
wählt er, daß ihm die Seele ruhig wird, ein Ding,
gibt er dem Kind im Fluge einen Schmetterling,
und der du sinnst, ist Hauch, ist Hunger, Hungernetz,
womit du wandern mußt vom Paradies, Gesetz,
was tust du selbst, mehr was du willst, mehr was behält
dein Auge von der Unvollendbarkeit der Welt?
Die Sonne blickt gelassener, je mehr sie weiß.
Und so wie sie, als finge er vom Erdenschweiß
nur eine Träne, die noch kaum zum Grund geschmiegt
der Schale schon im unerschöpften Hauch versiegt,
als finge er die Sonne, wo sie ihren Ring
im Tal der Erde fassungslos verließ, verging
vor Lust im selig gleichen Lauf, führt er den Kiel,
halt nicht mehr ein, es wird dem Kinde nie zu viel,
was dein Gespinste tut, und als ein weißes Kleid
legt er ihm zu den Füßen reine Willigkeit.

 

Es ist getan, o Kind, o Welt in Kindesruh,
die Sonne steigt, die Ähre quillt, du siehst ihr zu,
lebendiges Geheimnis, das, in sich Verzicht,
bis es zum Brot sich sammelt, Rohr um Rohr zerbricht,
verwandelnd stirnhaft Glut in Brot den Seim,
ein tot vergangen wieder eingesetzter Keim.
Der Sonnenzeiger fällt vom Schattenbaum verschluckt
und dorrt im rauhen Schafte, bis die Wurzel zuckt:
Man spricht vom Brote nicht, wenn furchend so wie nu
der Mittag donnert, Horcher, was, ja was tatst du?
Ich tue, was ich will, und halte, was mich trifft,
bis, was ich nicht will, tut mit mir ein Sinn wie Schrift,
ich warte, wo ich bin, und klammere das Wort,
bis mich das Wort verklammernd trägt wie Samen fort.
Sieh, ich versuche, ob das Leben so sich mehrt,
daß es nur sinnerfüllend auch nach Brot begehrt,
wie ich ein Sinn gewesen, bis ich Körper war,
das mache mir du Herz der Sonne offenbar.
Und während ich mein Tun so ganz zum Puls verkürzt,
geschieht, als sei zum Abgrund jäh ich hingestürzt:
Du weißt nicht, was du tust mit lallendem Geheisch,
du unverständiges und du geringes Fleisch,
Frucht eines Baumes einst gepflanzt ins Paradies,
in Fleisch und Blut der Welt zerfallen, nimm und iß.
Und unvollendeter, je mehr mein Sinn nun schweigt,
bricht auf ein Blut, das sich zum Strom der Welt verzweigt.

 

Das Bild der Erde, bis es eingeschluckt vom Tor
des Himmels keimverloren wandelt neu hervor,
die Ruhe, bis sie immer ruheloser schwankt,
das ist der Sinn der Sonne, die im Herzen krankt.
Und wie der späte Eschenzweig sein starres Reis
dem reichen Frühling bietet zwischen kalt und heiß,
er neidet, sein verholzter Trieb fast nur ein Rohr, —
vom Grab entfleischt ein Fingerknöchlein kommts dir vor,-
scheint inniger und nüchterner, als sei zum Schmaus
vorkostend mit dem Hunger ganz das Himmelshaus
des reinsten Wesens in der Wüstenluft der Mund
des Eremiten mit dem Leib ein hagrer Schlund,
sich hinzudehnen williger noch als die kraus
gerungne Blüte und Gefieder bricht heraus.

 

Noch nicht genug, Lob aller Dinge und im Flug
des Wortes Lob ist noch nicht Sichtbarkeit genug.
Weil sich die Blüte färbt, färbt so, wie sie empfing,
kann willig ohne Ziel nicht fasten Werk und Ding.
Die Hoffnung, die den kranken Sinn am Holz bewegt
und durchharrt, bis der Mann die Lanze blindlings trägt,
ruht nicht, bis er zum Pfand sich selbst gibt ungezählt,
bis sie im Fleisch empfängt und rote Blumen malt.
Sprich Lob, sprich Dank, mit Kindeslallen wirb dein Recht,
du bist im ersten Blut gefärbt gebraucht zum Knecht,
wie umgekehrt von innentbrannter Rachegier
um Geltung ringt ein andres Sein um dich nach dir,
hinfort, und meinst du noch, es sei nur Schrift, es ringt
ein stilles Schwert mit dir, das dich nach vorwärts zwingt.
Sei glücklich dann, wo eine Rune mit dir scherzt,
gib dich der Kindererde, wenn du kannst, beherzt.
Kann nicht das Herz, es schreibt der Mann auf jenem Stein
doch selbstvergessen mehr als wissend Spiele ein.

 

Der Spieler doch, wie sieht ein Auge ihn verschränkt,
wenn er vom Spielwerk starrend plötzlich Leben denkt,
der ganz durch Traum — und kommt das Wirkliche so an,
es nimmt gleich einem dunklen Tropfen in ihm Bahn —
durch ein erschrocknes Treffen, was er umblickt, mißt
und weiß, daß ihm nur eine Richtung übrig ist.

 

Es geht von Land zu Land, von hier zu dort ein Steg,
wie zwischen Leib und Seele nur ein schmaler Weg,
es rauscht das Meer, der Sinn wie Wasser, Mark wie Blut,
den Wanderer umspülend rändert ihn die Flut,
der ruhelos zum Sinn des Seins die Blicke schickt,
es wächst die Erde um ihn wie in Blut erstickt,
er fällt, der rückwärts blickt zum Sinn von Anbeginn,
vor Angst, o gehe vorwärts fort zum Ende hin,
dem Schicksal nach, das jedes Ding — was starrt bestockt
dein Auge, daß es in sich blickt — zum Fortgang lockt.

 

Wie war es, als ich anfing und ein Werden schrieb,
kein Wille doch, ein Wandern nur im weiten Trieb
den Kindern gleich, doch abgewandt und schon dem blick-
verlornen Mann im Joche trotzend das Genick
zum Himmel richtend, doch der kaum den Nacken steift
und seines Werdens Säule denkt, die ihn umgreift,
wie wird er jenem Manne gleich im Stein bestockt,
ein unrückbarer dunkler Kern, den nichts mehr lockt.
Und über dem der weite Himmel blau und blind
lautlos dahingeht, der die stumme Säule sinnt,
er fühlt doch über eines Quells verlorner Schau
entwachsen sich und aus des Partners dunkler Brau
den Pfeiler eines Baumes, Wuchs von Epheu krumm
umschlungen, nackt sich selbst gefesselt um und um,
an Fels und Baum geknotet von dem stummen Seil
des innern Triebes. Spielend hob das Kind den Pfeil
des Wissens: — also geht mein Steg durch alle Trift
wie eine leibhaft in mir eingeborne Schrift —
des Wissens auf, der nun zum eignen Herzen kam,
da fällt sein Haupt wie abgeschlagen schwer von Gram.

 

Ja welches Wissen, Hunger oder Hauch, wovon
ging diese Schrift um mich und von ihr aus der Ton?
Daß ich ihm gleiche, Mangelsteg, und bin bereit,
brach in mich Sinn, Zeit ist mein Ton, Gespaltenheit.
Ein Schauer schlägt das Herz, verlorne wilde Ruh,
du aber tapfrer Partner dort, für mich schreib zu!

 

Wie wird ihm so der Sinn des Weges blindes Gut
und wächst die Bindung rettungslos ins eigne Blut,
Geschaffenheit, Bestimmung, Sinn der Pflanze, Fuß
auf eine Wurzel tretend, die sich rühren muß,
und doch der Sinn, die Ohnmacht seiner Hungerkraft,
wer weckt die blinde Knospe nur am kalten Schaft;
so oft in Ästen er, in Zweigen ärger brach,
ging ihm ein lindes Fließen aus der Wurzel nach,
daß er, so oft sein Hunger durch den Winter fror,
ruckweise in sich drang und eine Knospe gor.
Verstehen kann man Leidens Fruchtbarkeiten nicht,
jedoch die Rose fällt in Blätter, wenn sie spricht,
die Mutter fruchtet Kinder, wenn sie sich beraubt,
das Wort wird wahr, wenn es vom schweren Sinn ertaubt.

 

So weit zurück, ja wie mit Pfeilen ist das Wort —
so schreibt man es — geheftet am gemeßnen Ort
wie ungemessen, das den sichern Raum vergißt,
O komme Kind, weil nur die Heftung wirklich ist.
Die Kinder schreiben kleine Zeichen auf den Sand,
o Fuß und Finger, alles ist noch drin verwandt
und nur vielleicht, wenn unterm Tun das Sandkorn rollt,
entsteht ein kleines Schreckbild und doch halb gewollt,
bis sich der Pfeil schärft, schriftet und das tut ein Blick,
so nah bis ganz geht dieser Anbeginn zurück.

 

Ein Hunger geht, ein Sinn doch nicht den schmalen Strich
und ist wie eine Maser mit dem Dorn in sich
und ist vor dunkler Erde, die nur Wurzeln nährt,
verkrampft ins Element der Luft, das ihn verzehrt.
Der Horcher, ob in ihm ein Wort mit keiner Wahl
zu tiefst erwache, er verstummt im bangen Tal
der Erde, die ein Auge nur ist ohne Rand,
wie eine Rute hängt die Sonne überm Land.
Ob Hauch, ob Hunger, daß das innre Werk beginnt
des Mannes, ihn mit treuem Geist vom Orte ringt,
er wird nur stummer, Sinn des Meeres, stummer Fisch,
und ungesättigter bedrängt er seinen Tisch,
den Tisch der Erde, Paradies, der so es sucht,
die Sonne tötet ihn, er wandert wie verflucht;
den Mund am Sinn der Angel haucht das Wort Geduld,
Brot ist der Hunger und der Weg des Brotes Schuld.
Du siehst den Sinn, mein Herz, doch schweigt er immer mehr,
bis du zur Angel wiederkehrst vom Worte schwer.

 

Du willst noch mehr, und was das stille Wissen beut,
es ist wie Körner in dein warmes Blut gestreut.
Im Marke Zellen Zellen überbauend fügt
sich deine Schöpfung in ein Schicksal, das nicht lügt.
Du weißt, der Wort an Wort wie Prophezeiung spürt,
gefügt zum innren Wuchse, bis der Hals sich schnürt-:
ein Knoten, nur ein Griff zum Hals gefügt den Zweig,
baut aus sich fort die Pflanze ihren stillen Steig.
Man folgt ihr sinnverloren, hängt am dunklen Blatt,
die Blüte stäubt, die Luft wird sich verwirrend matt,
o der du dachtest an die Lanze, die ihr Ziel
mit Blumen malt, die Blüte, bis ihr Abfall fiel,
wie irrt sie ganz unendlich treu am spitzen Dorn,
ist ganz eröffnet einmal unversiegter Born,
sie fällt nicht, denn so lang sie hängt in Hauchgewalt,
ist sie des immer wissenlosen Tuns Gestalt.

 

Du aber Abstand hier und Abstand überall,
ob dich ein treuer Geist beschenkt mit Blumenfall,
vollkommener du Sinn im Hauch der Willigkeit
als eine Blume einmal, hier bist du entzweit,
du hältst, wo du empfängst, nicht, und den reichen Ring
zerbrichst du mit dem Hauche, der aus Hunger ging.
Wie leerer Einkunft Gegenhauch dem Sinn entirrt,
durch dich Verschränkung ohne Abstand Abstand wird.
Im wundersamen Wachstum Heimat, Erdenbild,
des unsagbaren Wissens kleines Trostgefild,
wer sieht, und jene Blume, Blume niemals alt,
ihr unversiegtes Herz in einem Kreis gemalt,
wer wollend selber nicht, im Gegensatz nur sieht,
gleichwie durch Gegensatz aus Form die Blüte flieht,
die reine Willigkeit gebreitet wie ein Tuch,
er tritt ein Echo, eine Ferse, einen Fluch,
ein Schritt er selber, jeder Schritt ein Baum verweilt,
der wächst, sich spaltet, Herz in Mark und Frucht geteilt,
und der die Grenzen, Bild und Wort durch sich verzehrt
und alles Wissen sterblicher durch Dienst verkehrt,
bis nicht mehr dienend aller Dienst ihn noch betrifft
gestorben als ein alter Baum wie eine Schrift.
So kommt das Schreiten wohl in Lauf, allein die Macht
behält der Ort, und der nur Zeit ist, Tag und Nacht,
so weißt du nicht, der sinnend, weil er nach ihm sinnt,
mit seinem dunklen Erdenkern wie neu beginnt,
du wie der Baum von Zweigen gramvoll eingedreht,
du nicht, der in der Dienstschaft ohne Mittel steht,
vollkommener als Wort und Werk im Geiste frei
bist du von Anbeginn gefesselt und entzwei.

 

Am Orte herrscht für allen Sinn des Abstands Kraft,
mit Willigkeiten streitet eines Baumes Schaft,
durch Gegensatz im Sterbensgang wird Blüte reich,
ein Schwert trennt Evas Haar und Antlitz zeitengleich.

 

Wie eingeknotet sitzt der Mann im dunklen Joch
und schreibt, und daß er Trümmer schreibt, ich seh ihn doch,
und schreibt: wie Tag und Nacht am gleichen Orte ringt,
und weil durch Zeitenschaft der Sinn ein Messer schwingt,
durch dies Geheimnis, weil der Sinn den Sinn verläßt
und gibt der Blume und der Erde Keim und Rest,
auch blickt die Mutter, die das Blut verliert, aufs Meer
und Erde wird wie eine Sinnesscholle schwer, —
man teilt den Stand, befrachtet alles, was da leibt,
man zwingt den Acker mit den Furchen und man schreibt;
im Gegensatz geschieden hat der Mangel Platz,
die frühe Schrift der Menschheit ist ein Gegensatz.

 

Und Schrift ist auch ein ausgewichner stiller Steg,
darüber schreibt die Hand in langem Traum hinweg,
man schließt wie blind ein allerzeiten Wundenmal,
jedoch wie Hoffnung färbt und unerrungne Qual.
Der Trinker auch, der leicht ein schweres Wesen kühlt,
und Blinde sehen, wie man einen Schatten fühlt,
doch sucht man Rüstung, noch kommt Furcht vergeblich an,
durch Beispiels stille Blindheit, hats das Schwert getan.

 

Der Mann versteht, was er zu schreiben liebt, noch kaum,
und als er schreibt in Trümmern, überfällt ihn Traum.

 

Als ich von Hauch und Hunger wieder Zeilen schrieb,
dazwischen sann und Jahr für Jahr untätig blieb
und heut dazwischen wieder sann, so tätig war
doch immerfort mein gleicher Geist wie eine Schar
von Rebenrippen, deren dunkler Strang ein Haus
umfaßt und jährlich winterwartend grünt er aus
behaucht und lebend, doch den unterm Grünen zählt
ein Neid mit eingeworden, wie man Hunger wählt,
es wird die Sinntrift, durch ihr Treiben hungrig erst,
verstockt durch die Verschränkung, die vom Sinn du nährst,
bis nur die Fessel selber noch den Hunger liebt
und überhungert nicht mehr Hauch ins Grüne gibt. —

 

Und Petrus träumte, trinkend saß er an dem Trub
des Weins, und Wein und Faß das Haus mit ihm vergrub,
ihm schlummerten die Glieder wie an Buches statt,
und seine Zunge war ein bitterschweres Blatt,
war wie vom Buch entheftet nackt herausgerollt
und draußen wuchs ein andres Buch und ungewollt;
hier ist Gefahr, hier, Mutter, wird der Wirtel groß,
spinn ab, hier springt die Spindel wirr auf deinen Schoß,
der Hunger mit sich selber spielt den alten Fluch
Adams in sich zurück, hier sein verschloßnes Buch
vorm toten Rebenstrang und vor der grauen Wand,
es wächst das Buch und niemand nimmt es in die Hand.
Er trank und ganz umsponnen kam das Haus ihm vor,
und Petrus sah, ein Engel brach des Weinstrangs Tor,
durch Strunk und Zotten ging er mit ihm unversehrt,
der Wächter aber schlafend schlug ins Buch sein Schwert.

 

2

 

Wohl in des Sinnes Messer, das die Traumhaft schreckt,
und gegen Wasser besser, das nur schwemmt, nicht weckt,
ging er wie Sturm durch Blüten, Echo wie vom Meer,
ein Wind streicht ihm die Wange, Engel vor ihm her.

 

Du dem das leere Auge wie in Blüten schwingt,
der will, daß aller Sinne Sinn nun einmal singt,
heb dich vom Ort, doch wie die Blüte nicht dahin,
ein schweres Roß bricht her und ist gezäumt mein Sinn.
Die unhörbare Ferne wird nun Sichtbarkeit
und jedes Wort entworden hat ein Band bereit
wie Flüstern in den Worten steht ein Sterben steil
und geht Gestalt wie Schrift auf jedem Straßenteil
unaufgehobne Erde sei ein Blumenmal
so geht das Roß gekitzelt in des Messers Strahl.

 

Da malt der Mann, und treulicher hat er Bedacht —
o der Geborgene liebt wohl des Schicksals Pracht —
das Roß, und wie es wild und herrlich aufgezäumt
den schmalen Weg einherstürmt und wie es sich bäumt.

 

Und das Geschirr, Netzwerk und Riemen hell im Licht,
es ist die Schrift der Welt, Gesetz, du liest es nicht.

 

3

 

zum ungetanen Werk der Knecht der keinen Stand
vollendend nur das Kind hat, das ihn heimwärts bannt,
und geht er fort, das ihn mit unlösbarem Spiel
zum Grund der Erde einfängt, wo, wo hat er Ziel?

 

So auf der Straße schweren Sinnes ging ich hin
an einem Wägelchen vorbei, ein Kind darin,
sein Lächeln traf mich und wie es die Beinchen schürzt
die Fingerchen, die Zehn verstrickt, ward mir zerstürzt
mein Sinn von neuem heftiger als jedes Jahr
seit ich des eignen Werdens Taumelgang befahr
nicht kreisend um mich, nein, vom Sinn, den ich gewollt
kaum daß ich ihn erfuhr, wie Wagen überrollt,
ins Netz geschlagen und wie schon ohnmächtig bricht
der Gladiator, schrieb mein Arm noch eine Schrift
auch du des Bilds Gefangener  Scheu
geh weiter du dem eingebornen Sinne treu
und wenn sich alles wie im Blute bäumt und spannt
vor Schicksalsnot, hat keine Furcht der Elefant.

 

bis sich die Regel über dich in Schlingen streift
das Opfer vollends bindend, daß der Herr es schleift.
Der Herr, so wie mein Adernetz beginnt und rinnt
von meinem Herzen, wird der Herr in mir zum Kind.

 

Ich schaute nach dem Mann im Joche, doch ich sah
ihn wie durch Spinngewebe jetzt und doch so nah
wie nur ein Kind uns, wie durch Gitter sieht man an
kraftlos sein Tun, uns ganz vor Augen weilen kann,
das Kind, das nie sich selber gibt, des Herrn Gesetz
so saß der Mann auf seinem Stein und schwand im Netz
Es lebt das Kind und doch Jahrtausende sind her
ich schreibe meine Wanderschrift mit kaltem Speer.

 

4

 

was
in vielen langen Zeilen auch der Schreiber fand
wird Dichtung selber mit ihm wie ein fordernd Band
und Schrift, vorm Hauche her ein sterbend Los
versucht durch Hunger Inhalt, wird durch Wandern groß
ist durch ihr Wesen nur ein schwacher Augenblick
und läßt die Spur von einem Zeitenbild zurück
wo sich die letzte Freiheit bricht, nun steht sie recht
im letzten Neid des Herrn ein glückliches Geschlecht

 

5

 

I
  Dichtung ist
kein vorgenommener Gedanke, sondern Laut
oft wie in Mitte eines Sinnes unvertraut
als Wort mit Wort Geschwistern gleichender Verein
und fängt dabei den Lebensruf wie Echo ein
noch häufiger, und aber dann im Resultat
so treibend ungewiß, wie alles Wirbel hat
was lebt, in Zeit wie Unzeit Mitte hebt es an,
ist alles schwer und doch sein Niederdruck ein Gran
nur hüpfend mit der Wasserschwelle und im Wehr,
vor Rauschen sichtbar, dann rauscht es darüber her
und kommt ein Wind und schlägt den Hauch in seinen Hals
dem der dem Grundsturz näher treibend sichtbar als
dem Trügerecho Schwestern nicht mehr selber kennt
sein eigendinglich Herz allein sieht und berennt
....
gleichsam geschieht, daß unerpflanzt und unvertiert
die Welle blindlings an das Herz der Schöpfung rührt
  .... der Kelterscheurung großes Faß
und dieser Trieb der überschwillt wie fließend, was
denkst du noch sinnbloß, wie zum Schwur durch Anblicks Gift
in dich geschriebnes Herz, was denkst du noch an Schrift
noch Schwur vor Urteil jählings geht dein kranker Ort
glückliche Scholle in dem Strom der Furchen fort

 

6

 

I
und Bild an Bild, ein Sinnen, das wie Messer greift
ins Haus des Herzens, bis umsonst die Grenze schweift
und Wort an Wort der gleiche Kern umsonst gesucht
fällt der Barmherzigkeit stets überreife Frucht

 

 

7

 

  und sieh, das ist das Schwerste:
Ich ruhe auf dem grundlos tiefen Fundament
der göttlichen Barmherzigkeit und die mich nennt
ihr Kind, ich muß erwachsen und darauf den Bau
der irdischen Gerechtigkeit. . .
errichten

 

8

 

daß ich von meines Daseins abgebrochnem Schritt
dem Sinne Schuld gab, und mit seiner Fügung stritt
Ich sah durchs Fenster, Herbst war, Wind und Wolkenstreif
durchzog den Tag, und dort mit knirschendem Geräuf
des Hobels schuf ein Zimmermann, er ging gebückt
mit abgesetzten Schritten ...

 

9

 

II
Geistüberwacht und als ich sann, die Quelle gor
durch Dunkel träg am dunklen Riff im Wasserschaum
mit lautem Schritt, schlug mich ein Hauch, mein Auge links
in Mitternacht fiel kalt es an, traf feuchter Flor
mein Lichtes stritt, den nassen Strauch durch Lichter rings
auf Stein und Weg, fiel an ein Griff, ich fühlte kaum.

 

daß Jahre ich hier stockte und wenn ich begann
nur eine kurze Stelle eines Tuns besann
im Buche hier

 

10

 

II
Das Licht lebendig werden und als Fleisch und Leib
ausziehen aus den Säulen, Körper, Mann und Weib
der Wille wie im Maul die kalte Schwere eines Zaums
steigt auf in die gebrochnen Rutenäste meines Baums
des Leidens Säulenopfer fort in Schritt gebracht
vor Stärke blind gewordnes Fleisch, das Spiegel wird

 

Denn erst der Dienst am reifen Dasein macht gering
macht dieses Herz des Mutes schwach vor jedem Ding
und macht das Fleisch zu einem Wesen Widerdruck
in dem der Stein wie ein vor Gram entschlafner Schmuck
auf einmal wieder aufgeblühte Tiefe wird

 

11

 

II
Es kam die Zeit, daß ich in meines Lebens Ring
als ein im Tag gänzlich Unwissender verging,
daß ich vom Tau, den menschlich Wesen, Wissen, Welt
verspendet, wenn ich trinken wollte, durstgequält
als sei von einer Mittagssonne steil zuhöchst
mit einem heißen Geize, wo ein Fremdes wächst
als ihre eigne Zuversicht, ihr Kern zum Tod
ihn brennend, in ihn sengend letzten Wissens Not

 

da fühlte, der wie Salz die trockne Erde schmeckt,
ein Wasser, das, von wannen weiß er nicht, ihm weckt
die Wurzel und wie es verborgen um ihn rinnt
wird er der Erde ledig, daß sein Keim beginnt.
Doch wie, wie wird es in den Anfang schon gelegt
welch helle Knospe diese dunkle Wurzel trägt,
wie wird die Schwere eines ganzen Stammes hier
schon in den Sarg der Wiege hingelegt zu dir
daß wie auf Schiffen du unendlich ein Portal
hindurchgehst das Verdeck hinab, trittst in den Saal
als trügest du, indessen keiner sieht das Land
der Ankunft, du geheim die Barke in der Hand
ja daß du Erde issest, bis der Sinn sich füllt,
und bis des Sinnes Wasser aus dir wieder quillt
unwürdiger du Mensch und wandelloses Grab
des Sinnes um dich, schling den starken Hauch hinab

 

12

 

II
(ich) trat aus dem Baum und wie das Licht herein sich schob
ein frierendes Geschöpf ich, dem wie Wellen stob,
die Haut der Flut, jedoch im Zug der kalte Bach
lebendig ohne Inbrunst unterm Himmelsdach
in Windungen wie taumelnd ging ich doch wie Stein
hell war die Sonne doch ihr unverborgner Schein

 

(doch) kein Zufluß keine Abkehr und im harten Rand
von Frost noch in den stetigen Lauf gespannt

 

  stand und sann:
bin ich es, der dem Schwergewicht Natur entrann
entblößt ins Dasein fühlend, wie das Licht mich auf-
geriegelt, Frost und Neid um diesen starren Lauf

 

die Welt wird fortbewegt nicht nur durch Tat, die Tat
gibt Ort und Halt, Welt wird bewegt, Rast ohne Rat
durch den Gedanken, immer kommt er neu zuvor

 

13

 

  doch ich
war nun auf einer Stufe angelangt, die glich
wie einst auf jenem Acker, wo vom Himmelssaal
der lichte Strahl des Morgens gleichsam Leben stahl
den regungslosen Bäumen und sie so erweckt
vom Bann des Reifes einzeln jeder Zweig gestreckt
sein
daß ich sah, nicht in Weg gelegt suchen, sondern
  alles ist gleich und findet sich
denn besser ist das warme Blut doch als der Geist,
  wie sich mit Schauder das Blut rührt,
während der Geist... taub nachtschlaffend trocken ist

 

14

 

Von keiner Mitte eingehalten, unvereint
die Fruchtbarkeit von Ackerbreiten rings erscheint.
Und bin ich hier und schaue nun zurück den Plan:
mit einer Schrift von Nichtsein ging die Reise an,
mit Tun, das seine Bindung noch fast heiter bricht
und lauter wird, da es im Gange mit sich spricht
und eine Ordnung sieht und nicht im Striche fehlt
und tut und doch schon angesetzt sich krümmend quält
gleich Echo, weil die Lust am Schrecken Schrecken laut
erzeugt und plötzlich stillt und Himmel braucht und baut,
und geht und kommt und schickt, geknotet an ein Ziel
den Blick wohin in seinen Kreis das Echo fiel,
der Gänger geht, hebt Augen, sieht und schluckt den Hauch
ein unbeschriebnes Blatt wie Essen in den Bauch
und doch ging fort, den Faden kauend, den er strich
wie Brotgemurmel er alleinig Mensch in sich
und nun und hier, wo Acker Acker breiter hält
mit Nicht und Sein, auf eine Ebne ist gestellt
der Fuß und hebt die Weile schwer, ein Stein schon hier,
und ohne Ausweg eingefaßt, nein schon ein Tier,
ein ohne Richtung ganz entfesselter Versuch,
wo Wachstum schwindet, nein gehüllt jetzt in ein Tuch
ein Leichnam auf dem Acker, Gram ist sein Geflecht,
die Blindheit ist vollendet, ihm geschieht ein Recht
Und es ist hier, der Hunger fing, der Hauch im Netz,
und was er leidet, ist Geschehen im Gesetz
Und es ist hier, der Hunger spann, der Hauch gebannt,
Wort sieh des Markes, das im Eignen übermannt
zur Regel wird und daß es stirbt, es öffnet groß
das mündig wird und Hunger wirbt und gründet Schoß
und daß wie Trägheit, wie Gelenke, die man bricht
sich auftut unerklärlich ein gestorbnes Licht
ja wie der Ruf vergeht, je ringrer Widerhall,
es ist uns so viel mehr die Quelle überall
mit Sein und Nicht, in diesem Zwiespalt ohne Pfad
es stirbt das Mark mit Strahlen in sich wie ein Rad,
ein andrer tut sein gleiches Werk gleich Furchen fort
den Vorhang spalt  schaut er den Himmelsort
  doch hier wo alles Himmel ist,
  das Feld wie eine Tenne mißt,
du hier in deinem Tuch von  entfalte es

 

15

 

II
Als ich von meines Grames endlos langer Nacht
vergrabnes Holz in Stein verwandelt aufgewacht,
sah ich, daß meine Augen, so wie Regen nur
auf eines Brunnens Spiegel fallend seine Spur
verliert, der Regen nur des Menschtums Säule bannt,
den Spiegel hebt, des Brunnens Schwere doch, den Rand
bedrängend, doch die Säule nur zerfurcht in sich
zerfurchtes Bild des Himmels unterm Regenstrich
nicht ändert, ohne Grenzen kam mir Tiefe nah,
daß ich den Abgrund in mir aufhob und ich sah,
die eignen Augen mehr wie Sonne eignes Licht
aus eignem Spiegel heben und es floß so dicht,
daß ich durch mich hervorbrach zwischen Hals und Knauf
ein Fisch durch Wasser knospend ging mein Fenster auf
....
die Mauer stand, die Sicht, die meines Werdens bar
sich um mich kehrte unerreichbar ich die Schar
des Sinnes wie ein Pflug hinführend durch den Bau
mir wanderte dem Pflüger gleich die Himmelsau
wie Segel fort und der zu seinem Tun zurück
die Blicke sammelte, ihm schien vor wachem Blick,
daß sich die Scholle umgewendet, Furche stark
in Flut gekehrt zurückschwang und des Ankers Mark
kam wie im Wind zerbrechend übers Feld daher
da ging mein Hauch wie Lüfte aufwärts überm Meer.

 

16

 

II
Auf innrer Bahn manchmal und wenn heraufgewühlt
die Wolke wieder absinkt, klarer als man fühlt:
nichts ist vorbei, Vorübergang, Bett einer Brust,
geschärfter, wenn das Rinnsal Hoffnung eilt bewußt
die Trübe teilend, die das Herz kühlt, heiter und
selbst leichten Überschwangs, so wie im Frühling wund
die Ufer werden und dann klar mit Kieseln hart
besteckt, das Herz ja kieseldauernd aufgespart
wird hell und spielt in einen Wechselwiderschein
mitinnen, als zerfließe ein Kristall der Stein;
wenn Osterwasser fließend so den Grund beglückt,
wer sagt dem Kinde, das die erste Blume pflückt,
daß dies ein Lächeln sei, im kühlen Bette schau,
es schaut die Blüte gelb im weißen Kranz und blau
sieht es den Himmel fließen randlos aus dem Frost,
im Wassergrund steht zitternd auf ein gelber Rost.
Auf innrer Bahn manchmal und wenn es so dich friert,
dann steigt die Sonne in das Bad, das Lust gebiert.

 

17

 

Ein Wanderer ich so, der glücklich sich verläßt,
ihm wird die Brust zur Heimat und die Brut im Nest
verstummt vor Atzung, Sättigung und schlafend bald
im sichern Ort umhängt von Blättern wie ein Wald —
nein, schlafend leichter in dem rings erschloßnen Raum
von Überlasten froh gefaltet stand der Baum
mit Obst behängt, das in der Sonne wohlig stritt
wie Brut um den gefüllten Platz, im Wanderschritt
kam ich herab, im Tale wehte Gerberluft
den Fluß entlang am Ufer Faß an Faß, so Gruft
an Gruft in grünen Winkeln eingegraben, Gras
und Baum wich aus und hing doch üppig um den Fraß
der Lohe, ringsum lag des Moders starker Ruch
scharf war die Grenze jedes Werkes, doch im Bruch
der grünen Hügel rings mit kleiner Gärten Zier
stand dort das offne Haus Gebälk mit Blumen schier
aus der Verwesung Maul und aus der Welle blickt
mit dunkel reinem Scheinen Blatt an Blatt gespickt
das Leder in der wesenlosen Flutung faul
aufscheinend Blätterzähnen gleich in Untiers Maul
das Leder, das auch Haut an Haut schon glatt gerifft
an Balken hing und leuchtete wie Narbenschrift

 

18

 

II
Die Bäume aus dem weißen Nebel ihren Schild
dunkel erhebend, da und dort, noch ganz gestillt
von schwerem Wachen, das wie Schlaf ist gleich der Rast
des Horchers, den kein Atem rührt, gleich Fracht und Last
von Barken, die kein Wallen auf dem Meer bewegt
wo Rauch hinflieht, und vor den starken Schilden legt
sich Wasser, unversehens bis zum Grunde klar
steht Baum an Baum und Zweig und Blatt wird offenbar.
Als ob die Morgensonne mit verschwiegner Kraft
halb abgewandt, die Traube so geschwellt von Saft
birgt ihre Fülle, sich die Sonne säume, ob
sich, da die Vögel auch sich schwiegen, wo erhob
ein Bitten und Verzagen und die Sonne rückt,
da fällt ein Tropfen, der von Blatt zu Blatt wegblickt
und eine Zunge nach der andern ledig ganz
der stillen Schwere rückt ihr Blatt und weht in Glanz

 

19

 

II
So manchmal winters, wenn vom hellen Schein erwacht
man aufhorcht, dankt dem Licht der lautlos langen Nacht,
das so inmitt des dunklen Runds der Erde hie
bald nach der Dämmerung, als man im Herbst das Vieh
nach Hause trieb, vom Himmel fiel, das dunkle Tor
wie Wald im Schneegefild verschlossen, liegt es, Ohr
ganz in Gesicht verloren, Welt im Wintergrab,
so dankt man, hebt man zu dem Tor den stillen Stab.
Du selbst das dunkle Tor trittst durch dich in den Wald
du aus dir kommend kannst nicht rufen hie Gestalt
inmitten hie des Runds der Erde Stamm und Stab
es bricht das weiße Licht dem Wort die Wurzeln ab
und pilgernd Stamm an Stamm die starke Stille hier
kommt es in unnennbarem Gange nun zu dir
du Horcher, ob an deiner Tür es unten pocht
dein Sinn, so Zweig an Zweig, die auseinanderflocht
die kalte Luft der Nacht, du dünkst dich hart am Weg
die Knospen eingekrümmt ein junger Baum, der schräg
abweisend knickt ins Mark das eingeborne Wort
und Joseph und Maria wandern langsam fort.

 

20

 

II
noch geht dahin und treibt das dunkle Wort voraus
der Gänger Mensch, treibt herdengleich das Wort zum Schmaus,
und geht und glaubt, er sei im Gang des Sinnes Hirt,
nicht wissend, wie die Sinnschaft schnell gewendet wird.

 

Mit einem Mal kam gleichend Licht im frühen Jahr,
Licht übergiltig farblos, und ward offenbar
jetzt der Gedanke: war nicht, eh noch Farbe bricht,
der unerkannte Sinn ein übergiltig Licht
also der Sinn: gilt nicht der Überschein entzweit
vor allem Schein, dann gilt vor der Geschaffenheit
ob immer der im Sohn zu Schaffende noch schilt
so Schöpfung noch, so mehr, als Vaters Bild
von der Geschaffenheit nun selbst den Abstand mißt
und gilt, so ohne Beispiel sie im Beispiel ist
die Schöpfung, die im Ausschluß nun den Schöpfungsbann
im Sohn noch übergiltiger ertragen kann
noch mehr, — hier wendet aber sich im Gang der Blick
zum Abendrot wie ausgebrochner Glanz zurück
und noch mehr:  nicht zuviel Jesus
wie jene noch dem Jesusmenschen sehend nah
die Gottzeit in Verlassenheit durch Golgatha

 

21

 

Wie kommt, von wannen, welcher Enden nachgereist
ein Schicksal, das du kennen lernst, ein stummer Geist
Verfolger und jetzt Nachbar, der dir nachgestellt
mit langsam drängender Gewalt, bis er gesellt
dich zu begleiten, starre Rinde um den Baum
das starke Holz ums Mark, nein offen ist der Raum
der Stummheit, der dich einschließt Horcher
es kommt dem Wort zuvor von Anbeginn Gesicht
wenn so der Stein der ganzen Endlichkeit dir droht
dann bete, Herz, denn es gilt Leben oder Tod.

 

22

 

II
Und wie im wolkenschweren Schatten, wenn der Wind
erst tänzelnd, plötzlich steiler und getürmt beginnt
mit Wucht zur hellen Welt zum dunklen Himmel wach
wie mitten durchgerissen ja beginnt so schwach
mein Herz, das Herz doch nicht, das wie an einer Schnur
so wie ein Vogel über Sturm kreist am Azur
mein Herz doch, eine Faust, die sich im starren Krampf
schon eh noch kommt der Regen, löst, jetzt kommt der Kampf.
Dieweil die Augenweide, wie es Schnitzel jagt
gleich Hobelspänen aus der Werkstatt, unverzagt
und herzhaft nach dem blitzgeschwängerten Geruch
fast lächernd, daß die erzene Figur im Bruch
der Elemente, nein gegoßnes Werk vom Schwalche schwarz
und rings umschlagen, glühend wie bedeckt von Harz
nicht anders sichtbar mehr als nun ein Schimmerstück
dem Wolkenblitz, antwortet dir des Erzes Blick
doch nun der Sinn, wer faßt ihn noch in seiner Glut
und mit des Lebens Atem ringt sich auf das Blut
Hauch aus mein Schrei, das unnennbare Tiergebrüll
bricht plötzlich los und schon du Horcher ist es still
Was schlägt die Uhr, was horcht das Land, bist du der Zeit
Hamm'r wider Hamm'r Gang wider Gang, die Glocke weit
du in der Öffnung  Scheitel  wann bricht ihr Mund

 

23

 

  Schrei zum Himmel drängt
ein Gitter, das im Regen voller Tropfen hängt
und wie sie liebend, daß er auf sich schließt
er wie in die geschlungnen Hände fließt
  den Stein benetzend
so Schwert und Erde, daß die nicht zum harten Stein
  Wille und Werkzeug
  das Fadens Sinn und so wär sie gebraucht
Ausgang und Anfang, stummes Wort in Blut getaucht
sie muß den Dingen Gottes zeithaft abgewandt
mehr als die Dinge nahtlos in sein Werk gebannt
erfüllen, bis die Zeit zu Ende geht, mit Glut
die schmerzhaft tropft, ein Hauch aus Gott, den Faden Blut.

 

So bin ich noch am Anfang wo im Wort verdingt
daß zwischen Hauch und Hunger sich der Knoten schlingt
wie Prophezeiung weiter alles was noch geschieht
es immer nur dies eine ist und keiner sieht

 

da malt er wiegend als ob dies kein Zeichen mehr
das man erfüllen muß, bis daß es überviel, das weite Meer

 

24

 

so um sich kreisend wie ein Wirbel ging er fort
nicht sehend, daß der Wirbel um ihn jeden Ort
und jede Stunde auf ihn künftig, wie ein Ziel
das immer in sich schlingend auswirft, auf ihn fiel
dem in sich tanzend seine Gährung Grüfte grub
ins Herz, sein Most sprang auf durch schweren Lagertrub.

 

25

 

II
So wie ich alles nehmen muß, nimm du auch mich
geopfert bis die Marter keinem Bilde glich
  von mir gespeister Sinn
geopfert marterhaft bis ich gefangen bin

 

Gewand der Menschheit ist der Seele ganz entflohn.
Ich dachte füllend mich mit Welt wie Sand die Uhr
durchrinnt, mein Gaumen sei durchhallt von deiner Spur
und sei von deinem starken Schritt die Kehle rauh
verloren floß ich selbst in mich wie Morgentau
Die Nächte weichen, jeder Tag ein weißer Blitz
zuckt donneratmend näher: sieh, du bist dir kein Besitz

 

du bist es, der auf Erden war, der wandeln muß
wo gern dein Auge weilt da tritt ein Herz dein Fuß
Du eines Auges Stern und keines Werkes Ruh
gefoltert ohne Zwang, bewegt nur immer Du
du bist alleinig nicht, in dem der alles treibt
wardst du die Wiederkehr von dem was irdisch bleibt.
Auch ich sah mich Gebreite gern auf dem man ruft
ohnmächtig eignen Willens wieder bin ich Kluft
  Halt
  dann trittst du in den Spalt
denn ich bin nur ein menschgeworden fremder Leib
durch mich, durch mich geht all Geheimnis meiner Zeit.

 

26

 

II  Schluß  mächtig  Weib  Sibylle

 

und sprach: das Schwerste hat das Leichteste in sich
und war von Stein und vor der Nähe dieser Sphinx
stand ich so sicher wie ein Atemzug, der rings
gestorben und in allen Dingen regungslos
nur wie ein warmes Licht in meines Innerns Schoß
umfließend ohne Rand  in meiner Brust
nur Wärme war, die sich vertilgen wollte und bewußt
war so das Blut ein andres Element, ein Gut
das sich  war nun das Blut
wann öffnet deine Leuchte, innre Einfachheit
das Aussichsterben unbegrenzt  bereit
und will, daß ich das Wort nicht sage, sondern bin

 

und bin vermöge meiner schlechteren Natur,
die falsch gerichtete Verhältnisse ertrug

 

  kaum fing ich an
kam Bild zu Bild, hing Gleichnis sich um Gleichnis an

 

27

 

Kleists Grab vor Aufstieg zu drei

 

daß sich das Innre rühren muß der Kreatur
und schütter wird, im Gang wie lesend auf der Spur,
und dies, daß härtestes Erleben nur macht frei
und dies, daß jegliches was ist, verworfen sei
um seinen Kern, je wirklicher er irdisch führt
die schollenhafte Urerscheinung sich vertiert
ein Urgefühl im Herzen statt des Glaubens Mark
dies heut erlas wie vordem nie ich stark
daß du Verworfener auch unter Gras und Stein
und Scholle, Fels, zertrümmerte Natur und — nein
viel schrecklicher ein Werkzeug, das man nimmt in Pacht
und was man mit dem Werkzeug dann zu nichte macht
und daß nichts sicherer geschieht als Untergang
dies las ich wie befreit in meines Kernes Klang
  warum gespalten mit diesem Stab
allein die Frage aufrecht noch, ich wankend an ein Grab
hier lag der gläubig wie das Blut ein Frevler schief
der sprach, wenn ich aus Ahnungskraft die Gottheit rief
wozu den zweiten Boten, sichernd Gottes Ohr
denn auf dem Wege bin ich und er kommt zuvor
wie Moses an den Felsen schlagend rief herab
er Gott ins deutsche Schicksal und er schlug ins Grab
hier liegt der Dichter gläubigster Verwerfung, hier
dem angeflammt wie keinem Gott die Wangenzier
dem nicht das Herz allein zur Wange ädernd blüht
als Schild vor Gott, von Gott  war sie beglüht
als Schwur der Ehre  Gott nicht näher komm
tu im Abstand

 

wie komm ich hier vorüber, Blut im letzten Streit,
das Herz in Händen, hoffend nicht Barmherzigkeit
ich will Gerechtigkeit, ein Frevler auch ich schon
im Glauben nicht, in Hoffnung trug mein Herz die Fron
credo ut faciam die erste Hälfte gab

 

28

 

III
doch Kreatur, du wachsende, was hilft dem im
verschlungnen Schlag des Zungengeists Geschichte: nimm
und gib, und wird die geistgenommne Zunge Schwert
ihm selber, Kreatur, du wachsend unversperrt
wie Schlaf dein Inneres, so viel es Zungen spürt,
ihr Sterbensausfall läßt dich tiefer ungerührt
es häuft sich, leert sich, zeitlich wandert das Gefild
Sinn eines Grabs, ein innerstes gedecktes Bild
o Kreatur, im Schlafe wachsend, Kern der Frist
die, wenn sie aufwacht, ein ersterbend Gleichnis ist.

 

o nein ich weiß und wer so schollenhaft vertiert
den Kampf der Erde weichend nur ins Blinde führt
ins Dunkle, wo nicht Gras und Baum und ohne Mut
Geschöpf nicht mehr die Höhle findet
....
zuckst du herauf und plötzlich bist du, wirst du eins
farbbrechendes Erschimmern des verzagten Seins
mit dieser Schwelle, Röte eins, wenn wie im Schnitt
von einer Sichel auf dies Herz gegangen widertritt
in seinen Puls und will — o Sonne aus dem Grab
der Nacht entschwebt — entgegen seinem Strom hinab
ins Dunkel wieder, weil sie schwerer sich erkennt
ihr neues Dasein schwächend alles Firmament
weil sie die Sichtbarkeit mit ihrem Schein gebiert
dies Dunkel sehend, das sich nimmermehr verliert

 

29

 

so daß er fruchtlos, wie man in das Wasser schreibt,
die Spur des gleichen Sinnes eifersüchtig treibt
und seiner Schwäche ungezügeltes Gewand
umsonst, ob er ein letztes Zeichen je erfand
zerteilend, und mit eifernder Bewußtheit nackt
wo ist, gerechte Wesenheit, dein freier Pakt
fragt er mit Adern, deren Zorn die stille Glut
befängt, und fragt umsonst und setzt den Schaft in Blut

 

30

 

Der Reisige steigt auf, wie aus dem Baum tritt er,
er selbst durch Langmut seines Herrn gerüstet schwer
daß auch der Sinnende im dunklen Joch, der Mann
heraus tritt Furcht im Herzen, fragend, stumm: wer kann
im unbarmherzigen Erbarmnisgrunde ruhn
je mehr er schuldet, desto mehr muß selbst er tun
So tut der Mensch das Schwerere, weil er den Stein
des Sinnes nicht verwandeln kann in Wasser rein
und weil die Wasser, deren Brandung leichter rückt
an ihm vergehen, wo es uferhin sich schmückt
und tiefer schickt und reicher steigt und kommt zum Berg
das Land der Erde, so verwandelt ihn das Werk
an dem und über ihm, Mann Gottes über dir
die Krone  Zier

 

31

 

III Anfang
bei Herauskommen,  »warum so licht«
»da doch in Finsterkeit abwesend wie zu Nicht
gemacht, wie nur in einen finstren Schutz getan
dies eigne Wesen fängt zu walten wirklich an
mit seinem Ich, das bin ich, was zu keinem taugt
das bin ich, sagt es wie von Dunkel vollgesaugt
was ist doch Finsternis so wild gestillte Macht
auf mir, so wintereislos und so wie geschlacht
auf mir und liegt doch niemals hingefällt
ganz auf mir so wie unregsam das Beet der Welt

 

o Lob, was ganz mein Eigen ist und unvergällt
o Lob der grünen Finsternis, die nicht mehr fällt

 

32

 

III
Ich bin mit Füßen auf der Erde, geh und bin
und weiß den Weg, den Kindweg, und abseitig hin
hat Baum an Baum die immer ausgeruhte Statt
Erinnrung fällt im Laub herab und Schuppen hat
der grau gerißne Himmel, der den Fluß
des Jahres treibt, des Jahres, das um meinen Fuß
die Früchte hingibt; — höher wird im Herbst das Land
und hell gen Mitternacht, wo es hinüberstand
wie eine Leiter, sprossengleich und breit gestreckt,
die goldig fast und, wie das Wasser Farben weckt,
am Himmel hing mit ihrer Last und lief ihm zu,
ich aber gehend sah mich gehn, sah meine Schuh
auf einem Weg, an dessen Rand schon Ruhe wehrt
und Erde still den Glanz aus Wurzeladern zehrt
und doch ein Weg, der von dem Jahrlauf schwarz gemacht
den Gang unendlich krümmungsvoll ins Weite facht.
Die Früchte fallen, wie ein Weber langsam pocht,
drein Erde er, wie offne Pausen Erde flocht
die Lade ziehend, dumpf schlägt er den Einschuß an
dem wachen Wissen und er treibt die alte Bahn
in ihren Pfosten trinkt die Walze Naht für Naht
es ächzt der Stuhl, knarrt das Gewebe um das Rad
wie steht des Himmels ungesehnes stilles Joch
wie hält das ewige Gewebe immer noch,
ein Tropfen schnellt aus grauer Luft verirrt und blinkt
wie wenn der Faden aus der Webeleier springt
und seines Falls Vorübergang ist kalt, nicht feucht,
und fühllos lockend, der im Irrgang Wirrwarr scheucht
du kommst und gehst und netzest kalt vor mir den Pfad
wie eine Säule bricht und es ist deine Tat
o ewiges Gebilde ohne Weh und Scherz
wie eine ausgebrochne Knospe für das Herz.

 

33

 

III
als gierig ich der Schau vor meinem Garten stand
sank ich mit Denken in mich also gleich verschwand
die Biene in der roten Blüte der ich glich
das Saugen so war doch ein Zucken und ein Stich
(das Saugen der Empfängnis zitternd doch ein Stich)
Ach war der Sinn ein Sonnenstrahl, der Bienen lenkt
daß sich die Blüte leuchtend und vom Gast behängt
verneigen will und doch ins Herz gebohrt zugleich
aufrecht den Kelch ertragen kann und wird noch reich
nein irrend schweift der Sinn stets wieder ab beschenkt
von einem unerfaßten Strahl, der Bienen lenkt
und an ein Wasser spiegelmatt aus dunkler Schicht
in seinem Faß, ein träges Lager unterm Licht
der Sperling kam und trank, nach jedem Schlucke blickt
er auf und blickt umher, dann wiederum gebückt
zum dunklen Widerbilde ohne Scheu, so trinkt
der Sinn von der Gestalt, die ohne Lauern blinkt
Gefäß der Worte, dunkle Fülle, Blüte so
vom Urgrund abgestellt, wie lebt dies Herz doch froh?
zwiefach geteilte Kreatur, in Flucht der Gast,
daß du in Wiederkunft des Ortes Schicksal hast
im Ort des Bleibens, dessen Maß, ein Tier der Zeit
du ausgeschlürft hinweg nimmst....

 

ich sah das Bild ein Spiegel, drauf mein Atem taut
und was geschehn verging, war stets noch mehr gestaut
wie kommt es, daß ich immer so zu Blumen ging
und an ihr reines Dasein meine Blicke hing
und doch, daß hier Mitleid am Herzen frißt
im Blick aus mir schon vorher die Begegnung ist

 

34

 

Wie weit hält Haft, wie Schlünden Rosen Dunkel ein,
verpaart ihr Blatt sich gegenhüllend Dunkelschein,
ist wie durch Antlitz, weil erfüllter Lippen Spur
durch Dunkel absteht, Wirrnis und besteht doch nur,
daß Öffnung riegelt, so verriegelt hält ihr Bann,
hält eines Herzens Schlag gestandner Hauch mit an.
Manchmal auf einmal wartend, wo der Seele Kranz
nicht durch Empfängnis Schmerz wird, kommt dem Sinne Glanz
und blickend so im Blicken eine Herzkraft bei
wie eine Frau im Spiegel vor sich auf und frei
errötet knospender durch keinen Gegenblick,
daß ihres Lebens schönes Ja sich gleich entzück
der vollen Blumenbildung, die so übersatt
von ihrer Inbrunst aus sich nun nicht Spiegel hat.
So gegenwaltet in der Blume Hauch und Haft
und ist, wo sonst der Spiegel wartet, wunde Kraft.

 

Das Gleichnis aber, wenn man es von dannen trägt,
daß nun des Herzens Klopfen übersinnig schlägt,
schon ist durch Wellen, erst noch ausgeschwiegner Mund,
der ringt um Einsatz, schon nicht mehr das Gleichnis, und
mit ausgeschöpfter Fülle, doch vom Herzen her
zum Rand der Dinge Schatten ungestörte Wehr
in einem Teich der Himmelsspiegel nicht mehr Ziel,
und ich, sein ausgestoßnes Herz will nichts als viel.

 

35

 

III  non viri

 

Es kam der Tag, es kam die Nacht, die Finsternis
das Herz war keines Willens mehr nur Tuns gewiß,
ich sah die Blüte wie aus Brot und Blut gereift
am Morgen glänzend hüllenlos von Licht umstreift
das zarte Blattgeschirme und dazwischen fest
aus Mark allein gebildet und so wie im Nest
die Vogelbrut mit Flaumen liegt, Haar um ein Weib
wie Magdalena faßts mich an, so war ihr Leib,
die Blüte ausgeboren und nicht mehr beschirmt
in der ganz offnen Nacht, wenn sich der Himmel türmt
und die doch ringsum ohne Zahl und ohne Laut
nicht Wortgebilde doch ihr ganzes Wesen taut
und es war eine solche Nacht, als sehe man
wie Perlen alle Stimmen schlafen, fanget an
die ihr im Horn die Zunge berget, Vögel ihr
wie dunkel wird die Pflanze, schläft im Licht das Tier
Es glänzt der Spiegel, Quell der Nacht hebt sich empor
unhörbar schlafend Kehlen ihr fangt an den Chor.
So ging und kam die volle Zeit, der schwere Mut
wuchs ein und aus und ich begriff das neue Blut

 

Und gleich der weißen Blüte stumm in aller Kraft
begriff ich auch die Trockenheit der Wissenschaft
nicht jenes Wissen, das am Tage grämlich lärmt
mit Wortverderben welke Nester heimlich wärmt
die Weisheit, die, so wie das Auge selig klafft
wie Schwalben Nahrung findet, Unerkenntnis schafft
doch immer stoßend auf die eine Frage an
wie Nahrung kommt, es ist vorbei und ist getan
es wird lebendig hingelegt sein leerer Biß
sein totes Kaun, wie es die Schale fülle, dies
wie Schnäbel gilfende Gezweig erwacht und jetzt
ist ihm die Grenze wie ein großer Tisch gesetzt

 

gleich Schwalben hoch mit Ankunft aus des Himmels Turm
zwölf Instrumente, stummer Säule weißer Sturm

 

und dunkel fällt herab, daß es wie Erde schwärmt
das Wort, das ganz entseeltes Bild die Nacht verhärmt

 

36

 

III
kein Vorsatz stand vor mir, nur immerdar das Wort
das einem Kind gleich uneinholbar von mir fort,
ich von ihm fort getrieben aus dem Abendzelt

 

  aus eines Tabernakels Mutterschaft
weil kein Mensch gleich, kein Herz in gleicher Kraft
Ort hat und nur die Spanne seines Abstands Maß
gibt, bis den Weg von Fleisch und Blut er 
Und nun ich Schreiber, der sein Schicksal in sich nimmt
durch Unwissen bin ich in Gottes Sinn bestimmt
sein Bild in mir, in seinem Auge ich, heraus-
geschwemmt mit einer Träne, tot er wischt es aus
ein Mücklein

 

37

 

III
die Zeit, der Schoß der Unkraft, trägt Geschöpfe gern
ist die in Schau gefangne Schwester ihres Herrn
macht ihn mit ihrer gleichen Stillkraft vaterlos
der in ihr durch sein Auge der Erinnrung bloß
den Schmuck aus dem Vergessen macht und Gottes Mut
sieht erst im Sinne, Schmuck ist wieder neues Blut
man macht den Schmuck aus dem Vergessen

 

38

 

III
Was ist die Schöpfung, die bis dann sich selig teilt
Gefühl, wenn noch mit einem Wort das andre eilt,
wenn noch der Reim mit einer Schwester ungezweigt
nur Sehnsucht trägt und ahnend Ernte ist und schweigt
und Sinn der Dichtung, weil sie wechselgleich im Klang
Gefühl erzeugt wie einsam und doch so im Gang
wie von zwei Wesen, deren eins das andre flieht
wo Schöpfung Schwester dich Gott durch Maria sieht
so rein vergeblich Klang an Klang geschieht ein Lauf
o Schöpfung, alles geht durch dieses Fenster auf

 

mit Klang den Klang verfolgend, warum Doppelspur
mit Gleichnis Gleichnis teilend, schneidend die Figur

 

39

 

III
Indem ich das Bewegte immer stärker sah
ward mir die Zeit zum Meere, Schöpfung die geschah
so in sich weichend in die erste Schau zurück
wie sie in aller Reinheit stand vor Gott von Glück
der Schöpfer, seinem Wort Es Werde, selbst zuvor
brach beugend in die Läufe seines Himmels Chor
im Bruch, den Zweig, die Kraft, die da er von sich schied
der Mächte, Kräfte, Chöre, wie ein Auge flieht
den Bruch der Demut den er zweigend von sich brach
wie wenn ein Auge innig wird, die Wölbung jach
erschütternd

 

40

 

III
bis ihm das Sinnen, warum alles dies geschieht
ganz ohne Willen ist, gleichgültig, gleich dem Ruhn
von allen Fasern, die aus ihrem Schlafe nun
erwacht den ersten Anblick einer reinen Frau
ertragen und vor Kühlung  des Meeres Schau
siedend vom bloßen Widerspiel mit Sonnenkraft
auf ihrem Spiegel  und so ausgetrennt
von allem was sie in sich sind nur diese Naht
des Augs auftrennend und im eignen Blicke gar
geworden

 

41

 

III
Und wieder ging von meinem Herzen willenlos
wie Harz herausbricht, tränend um den harten Schoß
ich fort, hinab mein Fleisch, mein Sinn doch bloßer nackt
als eine Zunge, wenn der Specht die Rinde hackt
und aus dem dunklen Grunde Nahrung aufspürt, ich
hinauf den Baum des Lebens und ich sah den Stich.
Es wird, wo sich der Ast im Zweig der Schulter rührt
der Stich der Lanze unterm Herzen hergeführt.
Von jener Spitze, wo das Wort vom Sinn erkauft
mit Blut und Wasser aufquillt, wird das Zelt getauft
des Fleisches, sieh des Menschenknechtes Lanze quer
herauf gestützt, die Himmelskuppel wölbt sich her
Es bleibt das Tun des Mannes vor dem Himmel Flucht
er neidet, daß unzählig atmend Bucht an Bucht
erlöst vom Marke träuft den süßen Duft der Baum
endlos wie Milch von allen Brüsten durch den Raum

 

42

 

so ist die dreigeteilte Spur im Zwischenreich
wie Stufen wird die Ordnung immer in sich gleich
in dem sie ortend werdend gliedert Stück nach Stück
im Fortschritt kehrt sie kantenhaft geteilt zurück
und blickst du endlich wie zerstümmelt froh ins Herz
der Blick so aufwärts geht doch vor dir niederwärts
und liegt als letzte Stufe im kristallnen Schnitt
die blutge Kapsel dir zu Füßen, die vorm Schritt
die Stufe wie ein Wännlein  ist
o wie diese letzte Schwäche selig ist

 

43

 

Vielleicht wenn man vom Werk sich setzt zum Vespermahl,
es ist nicht Feindschaft, doch wird jeder eine Zahl
für sich und wie sein Rücken hart ihn hält und faßt,
ist jeder, der am Rain sitzt, jetzt sein eigner Gast,
nach Frohgemeinsamkeit ein schwer in sich gekehrt,
ein abgewandter Kern des Menschen, der sich nährt;
zuerst für sich, als ob die Kehle langsam satt
wie ein Bewußtsein widersteht, das Trauer hat,
und weiter Gleiche, die es nicht gibt, was wie Schrift
uns eint, wir essen trockne Nahrung wie ein Gift.
Wenn sich die Abart jeder Seele zu sich renkt
und wachsend der Gedanke hart wird, der uns denkt,
es ist der Wein, nach dem es unser Herz verlangt,
hinausgeschüttet nach der Erde, wo sie krankt.

 

Besitz ist Neid, der ein gemeinsames Gefild
beglaubt und eifernd wacht als wie am alten Bild
und glaubt und hat mit Schafen Wiesen abgeleert,
Gemeinsamkeit der Meinungen sei etwas wert;
Brotmöglichkeit ist, was der Mensch vom Himmel nahm,
und sieh, vor Gott ist auch der Löwe wie ein Lamm.

 

Warum ein Neid, und gilt es nicht, das alte Bild,
und hängt es nur am Baum und ist ein hölzner Schild?
Das ungepaarte Auge gibt dem Regen statt,
die Elendsform des Göttlichen, das Kirchen hat.
Raum der Erfahrung bleibt von Menschen ungefüllt,
der Hund trägt Eifer und der Schäfer steht gehüllt;
iß Brot, sei mit den Bäumen, trinke Gram,
der göttliche Verwalter, der sich so vernahm
mit Klagen, schlug sich an den Baum als wie ein Blatt,
das Holzbild an des Baumes Gurgel wird nicht satt.

 

Nun liegt das Halmfeld ausgerippt, des Pfluges Sterz
erscheint wie Hörner, laß das Feld, ergreif das Herz,
die Winterzeit ist nötig sehr, den Harnisch her,
ich schreibe meine Wanderschaft mit kaltem Speer.
Noch wirft der Reisige die Augen in den Wind,
doch unversehns im Wintermond klopft an das Kind.

 

Wenn eines Menschen Schritt aufbricht, nun ist er stark,
nun scheint die Erdenkrume ihm vor Füßen karg,
die nahe Bindung ist ihm ein ganz weiter Gruß,
er wandert wie von vielen Völkern nur ein Fuß,
für Ernten ist die Tenne eines Raumes Schritt,
durch Völker geht der Menschraum wie ein Tennentritt,
man spart und sperrt das Brot in eine Kammer ein,
doch nun wird Menschheit wie Erinnerung und Wein.

 

Doch bleibt die Knospe, die noch spät auf Stengels Spur
mit kleinem Körper Neigung sucht, als Sinnfigur.

 

Immer die Blume, immer dieser Sinnenstreif
mir während, wie ich von dem Anblick nicht begreif,
wie gegen Sonne vielen Monden gleich verhängt
und schwankend Spiegelkraft ins offne Leben drängt
noch mehr durch Rüstung, wo, der Ausgang stets versucht
wo Tier geschlossen ankert, offner ihre Bucht
und als das Wappen niedersinkt, der Rüstung Licht
vom Sommer Niederkunft in alle Halme bricht,
in Herbstes Sterbe Rachen zwischen Lippen rot
wie Gähnung kaum und wartend ohne daß es droht
wie Tier dem Nackten, der den Ausgang nicht mehr will,
und Blumenkraft wird ihm zu Grabes Asphodill
ihn lähmt wie Blutstreif, der noch steht, den Träger faul
im Fleisch, durch schweren Herbstes Rausch ein Löwenmaul.

 

Dies oder jenes, eines innern Wesens Grund
ob stumm gebannt ob offner stumm, durch Schrift wird kund
gleichwie ein Tier an niemals noch Entseelte frißt
daß Schrift bei eines Herzens Fraß ein Knirschen ist
gib mir die Blume, gib sie einer andern Hand,
es sei ein Gleicher, ein unsichtbar schrecklich Band.

 

44

 

Ich war bei Dingen, die gewesen, deren Form
für uns in Gold und Silber ihre Zeitennorm
in einer Widerwaltung, die man nicht erkennt
noch fortträgt als hinausgestelltes Element
von einer Kraft des Tragens, als ob ein Sigill
das Innre nicht ausstatten und nur teilen will
des Kerns der Füllung und bedornt, Gerüst betürmt,
als sei das Haus erst wahr, das nicht mehr innen schirmt,
ein Widerwalten ordnet und versetzt in Glanz,
so sieht man klaffen das Gehäuse der Monstranz,
und was als innres Auge darin blindend bricht,
von einer Henne geht die Nickhaut so zum Licht,
nichts schließt, wie auch der Sichelmond am Himmelshaus,
so sehr das Innewohnen alles Lichtes aus.
In dieser Teilung harrend, als ob Stummes schreit,
wird man von den Gedanken zu den Dingen weit.
Der so in einem stillen Einblick uns geschenkt:
wie wird das innre Dasein an uns Schicksal, denkt,
im Ungewissen Sein von Sinn, der schwer besteht,
zu Sinn, als ob man bloße Worte schriebe, geht,
es ist sein Herz, doch nicht das Herz, das ruhig fühlt,
ein anderes Geschöpfsein, das nur langsam wühlt,
so unter Menschen sonderlich in Ruhefrist,
wenn alles froh im Garten trinkt und ißt.
Es wird schon dunkler und der graue Abendschein
macht unterm Dach der Bäume jeden Tisch allein,
und weiter wird das kaum bestirnte blasse Zelt,
je eifriger die kleine Menschheit sich bestellt.

 

45
ORNAMENT DER SCHRIFT

 

Vor lauter Sinn der Dinge abergläubisch trifft
mich heute beim Betrachten meiner eignen Schrift
daß ich der Sucher nach dem unentwirrten Sinn
nur immer meines eignen Ichs Gefangner bin.

 

Zuerst als um ein kleines Kind ich Verse schrieb
und bei den ersten plumpen Zeilen stecken blieb,
die ich zerriß, nicht weil ihr Geistleib mir nicht klar
nein, weil der Zug der Hand der festen Haltung bar,
bis ich die Worte wieder schrieb mit schnellem Lauf
des Kiels, da ging mir meines Tuns Charakter auf:
was hat den anfangs ungelenken eitlen Trieb
verwandelt, als ich mich vergaß und schrieb nur, schrieb
ja sieh, der Sinn und Geist, er hat kein wahres Kleid
so lang die Hand nicht treu und maschengleich gereiht
Buchstaben, oder jedes andre Werk und Ding
bis mehr als du, bis Blut sich im Gewebe fing,
bis du es bist der eine fremde Ader sucht
bis dein Charakter dich vergißt in langer Zucht
nun suchst du wieder Sinn, der mehr als dinglich hält
im ungeschaffnen Bau und Plan geschaffne Welt

 

Maria gab das nahtlos untrennbare Kleid
dem Gottessohn aus ihrem Schoß, und mit dem Leid
wuchs das Gewand, wie Menschheit ward es abgestreift
von ihm, er starb, die Frucht genaß, mein Sinn begreift
unendliches Gefäß der Jungfrau, reiner Leib,
davon trägt endliche Verheißung jedes Weib.

 

Und weiter, mehr der Fügung als der Hoffnung treu
schrieb jahrelang ich einen Schriftcharakter neu,
indem ich gleich lateinische und deutsche Schrift,
die freie Wählung lassend meinem schnellen Stift
vermischte und des unbestimmten Glaubens war
daß eine Endform winke, ja ich diente zwar
doch nur als grübe ich in einem finstern Schacht
und durch mich grabend fände Licht ich meiner Nacht,
indessen wenn ich treu zu mir stand rührte sich
im deutschen Schriftzug Kindeswesen mütterlich.

 

auch fand ich mich zum besseren Schmierakel gern
lateinisch schreiben oder auch zum flüchtig fern
vom Seeleninngrund unbehalteneren Zug
ich fand nur Geistcharakter hier und ob es Trug
daß eine letzte Form gleichgültig sei, doch nicht
gleichgültig, welcher Zug von härtrer Arbeit spricht
und hier sah ich im harten Zug ein dunkles Licht.

 

Und wieder suchte ich den Sinn, den ich erfuhr
und fand mich ganz zurück auf meines Wesens Spur
der bindend mehr erkannte als er wirkend tat
bis daß Verzweiflung am Gerechten ohne Rat
ihn fast verschlug, ich war, der immer nur erkannt
der Willige wird ganz in seinen Kern gebannt
der wußte,  daß dieser Kern unverloren sei
ich war doch niemals in dem Baum des Lebens frei
denn siehe, ein Baum war gesetzt im Paradies
von diesem sprach der Herr als Adam er verließ
daß Leben oder Tod von der verbotnen Frucht
  Arbeit sucht
und diese Arbeit ging nach der verlornen Schau
irdische Mühsal um die Welt und Frau

 

je williger nahtloser
und was der Mensch auch tut, ist nur ein schlechtes Kleid
wenn mich sein Blick in meiner ganzen Blöße trifft
oh, siehe, dies tat ich mit meiner eignen Schrift

 

46

 

a
und ich mich heute gehend meinem Sein verglich,
das uns nicht mitgeht, uns doch mittelt, und als ich
vom Rand der Bäume gehend zu des Tores Maß
in spät noch heißer Luft den Sinn wie Blätter aß
wie Tores Bogen ein gemeßner Schatten ist
von großer Kaufkraft, die kein kleines Leben frißt
der Sonnenbogen stark herunter umgewandt
Verwandlung die ein Bogen überfällt
so der Engel  Verkündigung
was tritt ihr unterm Herzen ein
  in sich geschränkt
so reine Scheidung durch ein blindes Joch empfängt
daß es Verlust wie Inkunft wissend was sie tu
durch Bitterfarben nickt ein Blumenhang dazu

 

b
doch mir, wenn alles sich verdichtend nicht mehr weicht
zu einem Zug von Atem, haucht mein Hunger leicht,

(in dem, wenn sich ein Knäuel, Wirtel vor mir denkt
sich mir vom eignen Zeitgang das Begreifen schenkt
und was bewältigt nicht, begriffen nicht uns trifft
stellt deutend aus Vergangenheit sich ein wie Schrift)
durch das, weil vor mir Schweres hinter mir schon wie
im Gleichnis die Auflösung bringt und birgt Regie,
denn wie im Gleichnis, ob es frei durch Größe prunkt,
ist durch uns fortgelebt der ungelöste Punkt,
und was bewältigt nicht, begriffen nicht uns trifft
stellt aus Vergangenheit sich ein und deutet Schrift.
So hier ein Hauptgedanke — nun verzeih, bis ich gestillt
des Sinnes Herkunft, drum dich laß', Marienbild,
als sei für mich durch eine andre Mittlerin
vorausgesetzt, worin ich bin, die Silbe »in«.

 

wann aber nur Maria sagend, jenem gleich
der schwingt am Baum, der Tor Solinus, bin ich reich?

 

c
Doch jener Mann im dunklen Joch, den fast vergaß
mein Eiferschritt zum eignen Gang, mein Leben las:
Wer sagt, woher stellt er die Silbe »in« voraus,
schon ging er fort den Erdenweg vom Elternhaus
ist schon wie Netz zu keinem festen Ort bereit,
geklammert bald an diesen Kern, Idee der Zeit,
daß er, ein Fisch, ein Hungerhauch im Leben hängt,
bis ihm ein Strudelwasser alle Fäden fängt
und läßt in jedem Augenblick, ob dieser frommt,
wo er, ein ausgezweigter Abgrund, Meer bekommt,
oder ein nächster, wo der Abgrund so verfällt,
als sei des Staubkorns flüchtge Blindheit blutvergällt
durch solch verkrümmten Hauch und so im Hunger wahr
bis Blut und Wasser abfließt, zinst er Jahr für Jahr
begierig, ob es so sich lebt, und lebt so auch
und zinst, was er nicht hat, und schilt den andern Brauch

 

und kurz gesprochen, noch im innerst armen Jahr
nahm er mit Anderssinne bald die These wahr
daß es durch Zeit, und wie ein Netz den Hunger liebt,
nur noch ein Inbild ist, Ideen nicht mehr gibt;
daß doch durch Zeit, — nun stockt er auch, der dunkle Mann,
noch immer ein noch ärmres Jahr ihm werden kann.

 

Und weiter doch, denn ob auch mehr als Wasser schwach,
liegt Sinnesschwäche überglänzend immer wach
und ist der Sinn von Sinnesbildern eingekürzt
vom einmal ausgebornen Hauche überstürzt
er geht wie Schmerz der Inbrunst durch sich selber rund
und hat wie einer Münze Glanz sich selbst im Mund
wie ist hier alles, was nach außen Gleichnis bleibt
als unfindbares Sein in Kreatur geleibt
daß es sich münzt und was es auch in Prägung spannt
es liegt die innre Grenze noch nicht übermannt

 

Hier Mann der Zeit ich, schreibend Weltgangs Tapf und Ton
hier unterbrech ich, denkend an Kommunion.

 

d
Ich sah und die Gestalt ging noch am Sinne fort
ich las und immer eine Münze war das Wort
und gibt sich hin und her und wechselt mit Gestalt
und bleibt in gleicher Ausgeburt durch Jung und Alt
das nur mit Glänzen um gemeßnes Schicksal wirbt
und nicht durch Übermaß von Glanz den Kern verdirbt
das Mittelalter öffnete den letzten Schrein
Johanna d'Arcs Kommunion der Zeit brach ein

 

Wie sich der Sinn gebärdet, der die Führung gab,
so schreibt der Schreiber, doch am Ingrund bricht er ab
Hier ist der kleine Mensch im Herzen froh und bang
hier deutet Schrift, hier knüpft sich der Zusammenhang
denn hier hat Schrift Bedeutung, die unwissend bucht
weil ihr vergangnes Zeugnis Inbild, Inbrunst, sucht
kurz durch die Schuld am eignen ungelösten Krampf
nimmt er die Waffe, unternimmt den stillen Kampf
  zinst, was er nicht hat
nicht wollend, aber weil das Wort nun wirklich ist
Parteigänger geworden, nirgends Pazifist

 

47

 

In seine Schrift geschieden, jeder wie durch Haß,
der nicht vom Brot nur lebt, erfährt sich teilend, daß
als ein Gesetz ein innres Klüften forterhält
den Gegensinn durch Zeitgeburt im Menschenfeld,
jene besondre Schwere, wenn des Lichtes Haus
sich wieder forthebt mit den Tagen und voraus
dem Herbst mit früher Offenheit wie eine Kluft
ein feuchtes Winden anschwillt in der Abendluft
die Schwere, die mit einer hellen Strebenswacht
mehr als der Lichtentgang den Himmel dunkel macht

 

48

 

wo man mit Schöpfung anzufangen, nicht den Zwist
der Zeitgeburt, wo Erde durchgeschnitten ist,
inmitten stellt und dieses ewige Gelenk
Schrift ist nichts anderes als ob es denk
durch mich  so ungetan
  fängt so mit einem Ende an

 

49

 

das reine Licht im Wasser der Empfindung bricht

 

50

 

denn jeder trägt sein Urteil schon im Kerne mit.

 

51

 

»plötzlich Weinen unter einem grünen Zweig«

 

52

 

der sich so langsam rührt, wie ihm ins Antlitz kroch
die Jahresfurche, ich war dieser Mann im Joch.

 

und hörte Dudelsack und sah Tier, das hinaufjagt
Kluft, Geist immer mehr zurück zwischen Tier und Pflanze

 

seine Barmherzigkeit ist wie ein starkes Tier
das mich den Baum hinauf jagt

 

daß alle Dinge sehe aus dem Schlund heraus

 

53

 

Seht an den nackten Menschen, wie er Worte zählt
mit Lebensperlen rechnet und ihn jede quält

 

54

 

Die Orgelflöte spielt, die Summer hallen drein:
Wo ohne Rast der Schein hingeht von starken Flüssen,
wer sitzt in Bitternissen auf dem schwarzen Stein,
endlose Wasseruhr, wer Zähler mißt die Tropfen,
vergißt des Herzens Klopfen unter ihrer Spur
und wartet nur und härmt den Stein und fristet da
nur harte Kreatur am Steine Kaaba.

 

Und höher wächst der Wirbel, drin die Stimme braust:
Der ungefügen Faust muß er sich überlassen
in unbekannten Gassen immer unbehaust,
dem unstillbaren Wort, der Ton wird immer fremder,
er selber ungehemmter wechselt Bild und Ort,
gestoßen fort Gerechter aus dem Wort ohn Seel',
fort ohne Ruhe unbehaust wie Israel.

 

Die Summer dauern aus den abgerißnen Ton:
das Hifthorn gellt: geflohn, es brechen auf die Wälder,
unendlicher Vergelter, Raub am Scheine schon
in Wassern ist der Sinn, die Jungfrau zu erkennen,
muß jedes Ding ich nennen, bis ich aus ihm bin
die Mutter wartet auf den Sohn, was tust du hier,
hier ist der Geist verstummt und geht um Brot das Tier.

 

55
O Sonne,Orte, die in mich vertrauen,will
umfangen,will ich ganz in Ehrfurcht bauen,still
ihr Dunkel,daß sie rein als Schmuck zu schauen,ich
vergangen,Wesen sind, die Erde tauen,mich.
 
Wer spricht so:Immer soll Verwandlung dienen,fort
in Hoffnung,nicht Gesetze, Ringe, — Bienen,Wort
um Wort, sosind durchs Flugloch eingeschienen,spricht,
der schaut undsonnenselig Aug und Mienenbricht?
 
Und bricht soNun ich Schale, nun ich Härte,Glanz
zerbrochen,eingebrochen, weil ich werde,ganz
vom Wuchseledig wachsend durch Beschwerdebin
verkehrt ich,bin ich Furche, Licht der Erde,Sinn.

 

56

 

III

im Brunnengrunde
das letzte Dunkeln
das Herz mit Scheinen
aus Tränensteinenschneide daß es in mich blüht
erhebt ein FunkelnHälfte der unsichtbare Teil
aus Gottes Mundewerde
 
nur ein Gedankeein vergebliches Gezelt
aus Erdenlosenur zum Fest des Herrn bestellt
wie eine Rankewie die Ranke ungelöst
wenn ich dem Schoßewankend wie der Wirtel stößt
wenn ich entwanke,von dem Richtpfahl abgeschnellt
ein Zelt der Blätter,haltlos das ist meine Welt
 
die Rankerose,weil seitdem den Kern er schuf
wie ausgeschüttet,bis das Haus zerbricht, der Ruf
mit jedem Stoße
ins Grenzenlose
der mich zerrüttet,wie das Kelchblatt
nur eine Letter