1
Das schleirig blaue Himmelsdach
recht mittagweit, doch winterflach
noch um das Schlummerfeld gebogen,
noch sind die Äste ungewogen,
die Kronen, Reis an Reis gesteckt,
sind ganz von Sonne eingeheckt.
Das unaufhaltsam milde Licht
rührt noch die kleinen Knospen nicht,
noch sammelt sich das Herz der Stille
in einer einzigen Pupille,
der warme Sonnenstrahl bedrückt
das Auge, daß es schimmernd blickt.
Und schimmernd rückt der kleine Baum,
rückt das Gespinst und rückt es kaum,
so rückt das Kindlein seine Decke,
als ob ein fremder Blick es wecke,
bis es, mit einem Mal erwacht,
den Blick des Vaters kennt und lacht.
2
Und heute mittag geht ein Wind
wie Hunger schluckend um die Bäume,
den Himmelsplan hinüber rinnt
ein wasserträchtiges Geschäume,
das Kränze wirft um stilles Blau
und wuchtet an dem tiefen Bau.
Ein Odem unerfaßten Ruchs
weht klingend, und die Wolke funkelt,
es wird so hell im Winterwuchs,
die Bläue, immer mehr gedunkelt,
hängt schwer, wie Kindes Weinen schweigt,
bis plötzlich heiß die Wange steigt.
Ach, fiel vom düstren Himmel nicht,
als wollte sich die Welt verkehren,
zur Erde um so größres Licht, –
es will den stummen Blick verzehren,
da sättigt Odem sich und Ton:
blüht nicht das erste Veilchen schon?
3
Nach Blitz und Schneesturm in der Nacht
und donnerndem Vorübergang,
als sei ein Riegel aufgemacht,
als sinke eine weiße Mauer,
ein Wasser stürze sonder Dauer,
steigt Mittagland aus Flutenklang.
Mit Regen sind die Lüfte ganz
erfüllt, der nirgends niederfällt,
mit Pfeilen, daß im goldnen Glanz
die dunklen Kerkerstäbe zittern,
bricht ein das Licht zu allen Gittern,
es wird ein offnes Haus die Welt.
Den hohen Scheitel weiß von Haar
umwallt, spricht Petrus zu dem Kind:
»Nun siehst du es und jedes Jahr,
du kleine Seele ungefunden
zu dir, ein Reis wird losgebunden
nun jährlich, doch dein Floß geht blind.«
4
So rein und unvollendet wie
der blaue Glanz im Stahl wie Blut
unfaßlich ruht,
so wird der reine Himmelsplan
dem kalten Feld nicht untertan,
vollendet Tag und Dinge nie.
Die mittagblaue Kuppel schweigt,
das Feld liegt ringsum Rost in Rost
noch tot im Frost;
das Lächeln eines Kindes fing
in meinem Blick sich und verging, –
was sieht es starr und abgeneigt?
Was ist die Schwere, die man in
unausgetragner Arbeit tut,
sie ist das Blut,
sie ist das dunkle Erbgeblüt,
das sich verderbt am Wege müht,
doch sorglos geht das Kind dahin.
5
Brich ab, mein Sinn, genährt und nie ein Wille,
Bild ohne Ruh,
am Himmel fährt die unbemannte Zille
noch immer zu.
Wie Sicheln wirbeln unnennbare Schnitte
jungfräulich um den Stern der Mitte.
O Hoffnung, kummerlos im frühen Brande,
die sich verzehrt,
hochüberhin die unbetauten Lande
die Zille fährt,
versiegelt ist des Meeres bittre Kost,
versiegt das Wasser ohne Trost.
Geschehe, was geschieht, mit Kindes Lallen
gib es dem Wind,
denn auch der Tau muß ohne Grenzen fallen,
und nun beginnt
die Liebe, die vergißt des Brotes Härten
und weiß, daß alle Dinge werden.
(13.-17.2.1920)