Wanderer in Tagen
Kelch in der Frühe

 

Der Morgen atmet eines schweren Lichts

durch Regen unverbrüchlich hergetragen,

da will ein Hauch die Seele alles wagen,

denn sie ist arm und hat in Fülle nichts.

 

Im ausgelöschten Spiegel bildlos Bild:

du sollst nichts in der toten Stille haben,

vor reiner Regung blühen rings die Gaben,

so fällt ihr Atem sterbensstark und quillt.

 

Doch wie der kühle Kelch zum Mund sich neigt:

erkenne dich, du Mächtige im Trunke,

da flieht der Sinn wie tot, am schwarzen Strunke

die Wasserperle wird dem Blick gezeigt.

 

Fort mit dem fahlen Schmerz und kalten Blitz,

der niemals rinnend wird zum lichten Scheine

der Innenglut; sie bricht aus goldnem Schreine, –

glückliche Menschen haben viel Besitz.

 

Der Sinn des armen Weges silbermatt

unfaßlich hingegeben zu den Dingen,

wann schließt die Seele sich in starken Ringen,

wann öffnet sich die volkbelebte Stadt?

 

Da sitzen Gäste selig um den Tisch

und sind zum unerschöpften Mahl verbunden,

sie sind erfüllt, du mußt im Durst gesunden,

nun trinke –; wie ist Leben bitter frisch!

 

(vor 1929)