Wanderer in Tagen
Nachtstille

 

1

 

Auf meinem Lager nachtumhängt

hinwachend ruhelos bedrängt,

ob eine Lichtung Ziel mir weist,

gräbt um sich fort mein armer Geist.

 

Und in sich redend stumm in stumm,

gräbt er die Lebensschollen um,

es wirft den dumpfen Körper schwer

des Gräbers Werkzeug hin und her.

 

Vom Fenster ein getrübtes Licht,

als sei mir hier Behausung nicht,

sei eine Grube erdenkühl,

reicht nicht zu meinem dunklen Pfühl.

 

Und schleppt mir doch mein heißer Sinn

mein Inbild wie zum Amboß hin

und hämmert mit gezieltem Schlag,

als sei ein lichtgewordner Tag.

 

Schlag immer zu, ich liege still

und harre, was geschehen will,

es krümmt sich, bildet sich, geschieht,

je mehr mein Herz entgegenglüht.

 

2

 

Und wieder nachts ein Geist den Ring,

der zauberfest mich barg, umging,

mich weckend, der schlaftrunken bald

ins dunkle Aussichsein entschwand,

bald herzgerüttelt widerstand

der nimmermüden Lichtgestalt,

bis ich es sann mit wacher Härte:

ich bin wie eine Frucht der Erde.

 

Die Frucht, die sich nicht helfen kann,

bald milde tritt der Herr sie an

und lockert ihren dunklen Schoß,

doch bald, verdoppelnd seine Zucht,

prüft er den Halt der lahmen Frucht

und rüttelt sie vom Grunde los,

bis sie mit Blatt und Wurzeltrieben

in seinen Händen ihm geblieben.

 

Die Nacht geht zauberleicht dahin,

und ungefangen tanzt mein Sinn,

ein welkes Blatt und dürren Bruchs,

bis tändelnd und mit losem Spiel

es wieder in die Grube fiel,

daraus er nahm den plumpen Wuchs.

Zum Blatt, mit dem die Lüfte fächeln,

muß wohl der Herr nun selber lächeln.

 

(3.10.1919)