Zweige der Jahre
Neue Einkehr

 

1

 

Wieder zu sich selber kam

der Sinn und sich die Erde bot.

Hell leuchtet kalt und scharf das Rot,

wie Schatten lockt die Sonne Gram.

Sicher steht die Luft und karg.

Frost der Erde, auf vom Tod

taut nun das Mark.

 

Der Himmel wetzt die Dächer scharf,

sie grünen heimlich unterm Rand,

Giebel, gelegt von guter Hand,

wie Zweige, die nicht raufen darf

ohnmächtig ein versteckter Zorn.

Schwarzer Wall vor weißer Wand,

gelb sprüht der magre Dorn.

 

 

Der Stein empfing zuerst das Licht;

bald kreißt und hat die Erde Not,

der Mensch vom Himmel überloht,

Berufner ich bin fruchtbar nicht!

Lockt Frost nur aus der milde Schein?

Aus Steinen werde Brot!

Herr, hilf dem Stein!

 

2

 

Geatmet, wie ein Kleid fällt ab,

der Hauch erschauert tief am frühen Schank;

gelöst in diesem kühlen Trank

der Luft fällt ab der Erde Satz.

Nicht stocke,

und sammle diesen reinen Schatz!

Wie alles glänzt! Nun öffnet sich das Grab.

Den Blick geöffnet ganz

schlägt veielblauer Eisenglanz.

 

Am schmalen Fußweg grünt das Gras,

so säumt sich frisch der grau zertretne Filz;

ob Halm, ob Blatt des Silberschilds

der Wiese erste Zier ihn schmückt?

Nun suche:

ein Schatten wie ein Messer liegt,

getrennt von eines Leibes fremdem Maß,

nicht Erstling dieser Flur,

durchfurcht von brauner Wagenspur.

 

Nicht hier. Wo sind die Vögel all?

Wie weit die Ruhe sich mit Stimmen füllt!

Hell aus mir wie der Raum anschwillt,

mit Perlen braust, mit Zwitschern stellt,

o höre,

unsichtbar sich nun in die Welt.

Einfällt ein seltsam klirrend süßer Schall,

als ob der Meister leg

ein fertig Werkzeug fröhlich weg.

 

Der ringt und sich erschließen will,

der Baum aus tiefen Furchen steigt und zweigt,

sich innig zu sich selber neigt,

umspannt und kreist nun jeden Ort.

Nicht sammle, werde!

Die Erde kreuzet sich hinfort,

was noch nicht Leben hat, steht aufrecht still.

Gebrochner Äste Schlucht

mit gelben Knospen Augen sucht.

 

3

 

Schnell ist der Blick gefüllt.

 

Hell ohne Widerstand liegt jedes Beet,

von Schatten matt berieselt. Dunkel steht

der Stamm, die Gräser kümmern weg.

In leeren Flecken springt das Tier verwirrt,

als ob ein böses Aug sich reg.

Der Himmel zieht den Wolken eitle Bahn,

die Wände glänzen gleich und nah heran.

Wie eine falsche Stimme sirrt,

weicht aus der Sinn. Am Ast, ein toter Arm,

das grüne Läublein stäubt, ein brauner Schwärm,

wie Mücken in der Sonne ziellos tanzen.

Nun gleißen Zweige auf und werden Lanzen,

auf denen eine kalte Sonne spielt.

Wie ein Gerippe blinkt, das nicht begraben,

so liegt das frühe Land nun ohne Gaben.

Die Erde schlief zu lange. Ungestillt

verdunkelt sich das Bild.

 

4

 

Vom Hauch ersteht das Wort.

 

Wie Manna fällt der Regen in das Land,

ein Wunder, jünger aus dem frühen Brand

die Wiese grünt nun wie die Saat.

Der magre Fleck der Erde grün bestirnt

erzittert, weil er Atem hat.

Und ausgeatmet wie vom Himmel mild

die Häuser geben ernst der Menschheit Bild.

Noch nicht zu einem Unkraut zürnt

des Feinds die Seele. Nieder fällt der Rauch.

Nicht Kelch dem Himmel, doch so steht der Strauch,

so unverzagt und blüht vor lauter Gnade.

Gefügt wird alles und der Weg gerade,

und lang gefällt gebleichtes Holz wird rot.

So nah lebt alles und ist ohne Ende,

ein jeder Ast fängt auf und trägt die Spende.

Gib Kraft dem Werk! Es tropft an jedem Ort.

Hier sind die Hände, Gott.