Das Sinnreich der Erde (Erste Fassung)
In der Karwoche

 

1

 

Gründonnerstag,

am kahlen Rain,

unfruchtbar neben den Geleisen,

sprießt Blumenschein,

wie Hammerschlag

treibt Funkensprühn aus Stein und Eisen.

 

Der schwere Schritt,

von Zielen frei,

verliert sich selbst im halben Gange,

dem Leib vorbei

im Schattenschnitt

streift Sonnenlicht und wärmt die Wange.

 

Der Haselstrauch

stäubt leis im Wind

vor gelb und roten Weidenruten;

gebrochnem Splint

und Bast wie Rauch

muß Saft in Aschenessen bluten.

 

Ein Härchen spielt,

das Handgelenk

will sich zu eignem Tun entknoten,

uneingedenk,

daß Tod noch zielt;

da zwitschern hell die Lebensboten.

 

Im neuen Laut

erpocht das Blut

so fest, wie hell die Kehlchen schwirren,

und Tropfen Glut,

gleich übertaut,

schmieden den Leib, wie Nägel klirren.

 

Das Alte steigt,

die Sonne fällt,

vorm Auge in Besinnung trunken

erglüht das Feld,

die Wimper geigt,

Rost fliegt. Schon ist die Flur versunken.

 

Der Himmel deckt

den blassen Schild.

Unsichtbar will der Erdrauch steigen.

Zum innren Bild

noch unbefleckt

in Herzglut muß das Haupt sich neigen.

 

2

 

Karfreitag,

schon die Frühe enthüllt den ganzen Tag.

Wie schwarze Vögel

durch die tropfenden Zweige geduckt

Perlen schütteln,

Gefühle rütteln

an Sinn und Regel,

bis der Funke getroffen zuckt

mit sprühendem Schlag.

 

Wie Heimgang,

an der Mauer wie Tropfen das Haus entlang

verschwinden Schritte;

eifrig erfüllt und leert das Gefühl,

lockert Bande,

daß hart am Rande

Erkenntnis litte,

lebender Zeiger im Gewühl

und dauernder Hang.

 

Der Welttod

fließt in den Dingen und knotet sein Gebot.

Ans Herz gestoßen,

flicht der Sinn wie verstocktes Gehölz

Narbenränder;

wie Flatterbänder

erklingt von losen

Trillern immer der scharfe Schmelz

nicht fromm in die Not.

 

Kein Schuldhauch

nimmt die Seele mit sich, wohin auch

der schwere Wille

durch des Leibes Gerippe brach;

immer eigen

und Stamm in Zweigen

gespannt in Stille

fußt er, woher er zum Himmel stach,

im irdischen Bauch.

 

Kindsinn brav,

Knospe, die wie ein Tropfen die Glieder traf!

Wie Schatten Pfeile

fliehn vorüber. Nun ist Verrat

abgesplittert.

Die Seele wittert

und faßt die Weile,

weiter härtend die gute Tat,

süß sinkend in Schlaf.

 

3

 

Karsamstag,

bleibt nahe, Sinne, mit gedämpftem Schlag

des Blutes,

mit Augen, Ohren, Herz bereit unscheulich,

so leidet treulich

Gutes.

 

Aus Nachtfrost

erschauert schon der Harm und fließt in Trost,

wie Flüsse

fortschmelzend mit sich ziehn die Hungerdecke,

sie stürzt in Flecke,

Güsse.

 

Der Hauch sät,

reiht dunkle Furchen durch das Ackerbeet,

sie feuchten

den schwarzen Grund, er quillt, und immer nasser

weht Odem, Wasser

leuchten.

 

Der Fruchtbaum,

zu seiner Zeit bestimmt, hat Knospen kaum

geboren,

wie Augen trägt der Zweig sie über Erden

und hat die Härten

verloren.

 

Ach, Angst nicht,

daß, wenn das Grab nun auf zum Lichte bricht,

verlöre

das Herz, was harmvoll es an sich gebunden,

wie über Wunden

Flöre;

 

wie Tauwind

zieht leiser, schärfer und zuletzt gelind,

so nahe Kunst

bricht, schaufelt, pflanzt und tritt hin, was vermodert,

bis wächst und lodert

Inbrunst.

 

(5.-7.4.1917)