AUS DER TIEFE

 

Löse mir diese Kluft,

daß der Geist aus Schlüften ruft,

daß die Seele in Särgen und Grüften

muß ihr Angesicht bergen und lüften.

 

Still lag ich geborene Zeit

lange und war von Gram befreit,

tief in Ruhe lag ich bloß,

wann war der erste Spatenstoß?

 

Keine Furche liegt mehr brach.

Immer gräbst du mir weiter nach,

hebst mit Schollen mein Gebein,

sieh, ich stürze nur tiefer hinein.

 

Warum hast du mich erkannt,

warum hat mich dein Arm übermannt?

Schon ist jeder Ort verwüstet,

immer bin ich noch gerüstet.

 

Ward ich in der Erde groß,

wuchs ich nicht in deinem Schoß,

Odem, der mich hebt und rafft,

spielst du mit der eignen Kraft?

 

Seit ich in der Grube lag,

dauert nun der jüngste Tag,

zehrt und nimmt daran kein Ende,

was erfassen meine Hände.

 

Grab ist jede Geburt:

Wer sich gürtet seinen Gurt,

muß die eigne Seele morden;

warum bin ich Mensch geworden?

 

(November 1915)