Tantum dic verbo
FROST

 

1

 

Über die Häuser aus der Luft

und ganz im Freien,

Atem in Bäumen nach dem Schneien,

hängt der Duft.

 

Zweige schimmern wie furchige Spur,

und wie von schroffen

Winden sind alle Winkel offen

in eine Flur.

 

Vögel springen im Fluge steif

durch weite Lücken;

will Leib sich bücken und Seele rücken,

schauert der Reif.

 

(24.1.1917)

 

 

2

 

Frost wie Licht

aus der Nacht geboren,

um der Dinge Kern gefroren,

hell und heller jede Schicht

vor den Augen, wie Licht dringt in Kerzen,

um das Dunkel der Herzen.

 

Stiller Dom

unnahbar sausend,

daß die Sinne fernhin brausend

brechen in den himmlischen Strom.

Luft trifft wie Schollen die Wange,

schüttelt das Herz im Gange.

 

Hart und gewiß

und ohne Besinnen,

wie die Schauer im Mark verrinnen,

in der äußersten Finsternis,

stürzt plötzlicher Schmerz die Unwirschen

in Heulen und Zähneknirschen.

 

Augenstarr,

wie Ameisenhaufen

beginnen gestört die Menschen zu laufen.

Eigen noch und Opfers bar,

nachkältend aus der grimmigen Helle

tritt der Leib in die Schwelle.

 

(2./9.2.1917)

 

 

3

 

Wie ist dies Wunder leicht

und dauert unbewegt,

je härter es sich trägt

und weiß aus Nächten reicht.

 

So schnell der Duft gefriert,

bestirnt sich unbewußt

der Frost wie innre Lust,

die Dunkelheit gebiert,

 

bevor die Seele rückt

und fühlt sich Stück für Stück

und vor dem nahen Blick

noch ungebrochen liegt.

 

Der Stamm noch dunkler schwärzt

sich, wie er weißer blüht,

schon sammelt das Gemüt,

was es bewußter schmerzt.

 

Heb aus der Seele weit,

eh wild du in dich rinnst,

wie Blüten und Gespinst

aus Truhen alter Zeit.

 

Doch schon der leise Zug,

woher er sich gebar,

stirbt hin in der Gefahr,

ein schwerer Taumelflug.

 

Noch stiller, als sich schafft,

und härter, als sich trägt

das Wunder unbewegt,

noch dunkler wird die Kraft.

 

So mitten in der Bahn

von allem, was sie trug,

daß es noch nicht genug,

fällt Frost die Seele an.

 

(24.2.1917)